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2024 | Buch

Landschaft und Gefühl – eine neopragmatistische Redeskription auf Grundlage der Philosophie Fichtes

Ein Beitrag zur humanistischen Geographie

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Über dieses Buch

Die Befassung mit ‚Landschaft‘ hat in den letzten Jahren in der Öffentlichkeit und den Wissenschaften an Bedeutung gewonnen. In Philosophie, Humangeographie und Sozialwissenschaften haben sich unterschiedliche Traditionen im Umgang mit ‚Landschaft‘ entwickelt. Diese werden in dem vorliegenden Buch hinsichtlich ihrer Tauglichkeit für einen Beitrag zur Analyse und Regelung von Landschaftskonflikten und daraufhin untersucht, Antworten auf die landschaftsbezogenen Herausforderungen der Gegenwart sowohl in Bezug auf Wissenschaft als auch Gesellschaft zu leisten. Zentraler Ansatzpunkt ist die Erörterung des Selbstverhältnisses des Individuums im Konflikt, die im Rückgriff auf Fichtes Theorie des Gefühls im Rahmen einer Philosophie des Subjekts erfolgt. Mit dieser Theorie soll insbesondere die Einseitigkeit wissenschaftlicher Zugänge zum Individuum angegangen werden, die einerseits in der überproportionalen Betonung der Ratio und andererseits in der fehlenden Verortung des Gefühls zuallererst im Individuum selbst besteht. Die mangelnde Beachtung der Binnenperspektive des Individuums im Konflikt führt zu einer Bedeutungsferne des Konflikts für das Individuum sowie infolgedessen zur Verunklarung der konfliktären Situation und damit letztlich Unfähigkeit sinnvollen Handelns bezogen auf die Regelung eines solchen Konflikts. Mit diesem Zugang erweitern wir den sich aktuell in Entwicklung befindlichen neopragmatistischen Ansatz der Landschaftsforschung und stellen die Bedeutung eines humanistischen Ansatzes zu Landschaft heraus, der den Menschen als fühlendes und sittliches Wesen in das Zentrum der Überlegungen stellt. Damit leistet das Buch einen Beitrag zur Redeskription der humanistischen Geographie.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Kapitel 1. Einführung
Zusammenfassung
Die humanistische Geographie erwuchs in den 1970er Jahren aus der Skepsis heraus, dass ein szientistisches Verständnis von Welt den komplexen Verhältnissen des Menschen zu sich selbst, zu anderen Menschen sowie zu seiner nichtmenschlichen Umwelt gerecht werden könnte. Die humanistische Geographie knüpfte an die seit der Renaissance bestehende Tradition des Humanismus an, der zum Zentrum die unveräußerliche Würde des Menschen hat und auf Toleranz, die Befähigung des Menschen zur eigenen Lebensgestaltung, insbesondere unter Auseinandersetzung mit eigenen Erfahrungen wie auch kritische Reflexionsfähigkeit ausgerichtet ist. Die auf Integration der leiblichen Gebundenheit des Menschen in die Welt und der Berücksichtigung von Gefühlen ausgerichtete und insbesondere im angelsächsischen Sprachraum verbreitete Subdisziplin verlor seit den späten 1980er Jahren an Bedeutung, u. a. weil sie von poststrukturalistischen Zugängen absorbiert wurde und in der new cultural geography weitgehend aufging, sodass sich heute nur noch wenige Geographinnen und Geographen zu ihr bekennen.
Petra Lohmann, Olaf Kühne, Karsten Berr
Kapitel 2. Ausgangspunkte: die Quasi-Ontologie der Theorie der drei Landschaften, die humanistische Geographie und der Neopragmatismus
Zusammenfassung
In diesem Kapitel werden Konflikte im Rahmen der Energiewende als Beispiel für die Notwendigkeit philosophischer Reflexion auf die herausgehobene Rolle des Individuums in Landschaftskonflikten vorgestellt. Das Leben des Individuums vollzieht sich immer in der Opposition zwischen sowohl sozialen und materiellen Bedingungen und Anforderungen, die als ‚objektiv‘ an es herantreten, als auch subjektiver, das heißt innerlich gebildeter Werteauffassungen. Als objektiv fassen wir – in der Tradition Rortys – jene Relationen in der ‚Welt da draußen‘, von denen wir zwar kausal abhängig sind, die wir aber nicht repräsentational bewusstseinsintern abbilden können.
Petra Lohmann, Olaf Kühne, Karsten Berr
Kapitel 3. Landschaft – ein vielfältiger, uneindeutiger und konfliktärer Begriff
Zusammenfassung
Der Begriff der Landschaft ist durch einen großen ‚semantischen Hof‘ gekennzeichnet, der auf eine lange – und nicht lineare Entwicklungsgeschichte – zurück geht und sich in unterschiedlichen Sprachen in verschiedener Weise ausgeprägt hat oder dort als Lehenswort oder wissenschaftlicher Terminus aufkam. Mit diesem Thema werden wir uns zu Beginn des Kapitels befassen. Im Anschluss daran gilt unser Augenmerk, einen Überblick über den Stand landschaftsbezogener Theoriebildung zu erhalten. Dieser wiederum wird im finalen Abschnitt dieses Kapitels auf die Entstehung und Entwicklung von Landschaftskonflikten am Beispiel der Energiewende bezogen.
Petra Lohmann, Olaf Kühne, Karsten Berr
Kapitel 4. Grundlagen der Fichteschen Philosophie – die Bedeutung des Gefühls
Zusammenfassung
Das Gefühl ist ein konstitutives Element der Fichteschen Philosophie. Es ist Auslöser und Instanz der Wissenschaftslehre sowie überhaupt „Quelle“ aller Realitätsgewissheit, worunter die sachhaltige Bestimmtheit objektiver Erkenntnis und der vernunftgeleitete Umgang mit den Objekten sowie insbesondere die interpersonale Praxis zählt. Realität meint bei Fichte die sachhaltige Bestimmtheit von etwas, die durch das Subjekt produziert wird und qua Produktion ist das Produzierte für das Subjekt wirklich.
Petra Lohmann, Olaf Kühne, Karsten Berr
Kapitel 5. Von der Fichteschen Gefühlstheorie zur Gefühlslandschaft
Zusammenfassung
Bei Fichte gibt es keine Philosophie der Natur als eigenständige Teildisziplin der Wissenschaftslehre und schon gar nicht gibt es bei ihm eine Philosophie der Landschaft. Aus seiner Korrespondenz mit Schelling lässt sich jedoch deutlich entnehmen, dass er ähnlich wie die umgesetzten Rechts-, Sitten- und Religionslehren auch eine Naturlehre als materiale Teildisziplin der Wissenschaftslehre verfassen wollte: „Es ist daher in Absicht der NaturPhilosophie immer mein Vorsatz gewesen, und ist es noch, sie irgendeinmal selbst zu bearbeiten“. Wenn Fichte sich auf den Begriff der Natur bezieht, dann geschieht dies meist in einem „Spannungsverhältnis von Vernunft, Kultur und Naturwildheit“, wobei es darum geht, die Natur als Sphäre der Entfaltungen des Subjekts zu bestimmen und sie als das Widervernünftige der Vernunft anzugleichen.
Petra Lohmann, Olaf Kühne, Karsten Berr
Kapitel 6. Landschaftskonflikte – Zugänge mit Fichte und Dahrendorf
Zusammenfassung
Im ersten Abschnitt werden im Rückgriff auf Dahrendorfs Konflikttheorie individuelle und gesellschaftliche Ursachen, Ausprägungen und Strategien zur Bewältigung von Konflikten konkretisiert. Dabei wird deutlich, dass Dahrendorf zwar nicht völlig die gefühlsmäßige Verfasstheit des Menschen, der sich in einem Konflikt befindet, außer Acht lässt, aber tatsächlich ist seine Theorie überwiegend als rationaler Ansatz zu verstehen. Dabei entwickelt er zwar äußerst komplexe Aspekte eines Konflikts, aber dadurch gerät auch die Sicht auf die Bedeutung eines Konflikts für den Einzelnen, beziehungsweise darauf, wie sich der Konflikt im Inneren eines Menschen äußert und wie damit umzugehen ist, das heißt die Ambition, Lösungen zu finden, in den Hintergrund.
Petra Lohmann, Olaf Kühne, Karsten Berr
Kapitel 7. Von Fichte zum Neopragmatismus
Zusammenfassung
Nachdem wir uns im Vorangegangenen mit sozialen Konflikten (in denen der Mensch aber auch als Person beteiligt ist) befasst und die gefühlsmäßige Komponente von Konflikten herausgearbeitet haben, werden wir in diesem Kapitel – ausgehend von Fichteschen Überlegungen zu Glauben und Wissen – eine stärkere Ausrichtung neopragmatistischer Überlegungen auf die Grundlagen von Mitgefühl und Anerkennung vornehmen.
Petra Lohmann, Olaf Kühne, Karsten Berr
Kapitel 8. Resümee: Zu Bezügen von Philosophie und Sozialwissenschaften hinsichtlich der Regelung von Landschaftskonflikten – ein Beitrag zur humanistischen Geographie
Zusammenfassung
Gefühle haben bei der Erzeugung wie zur Hinwendung von Landschaft eine herausgehobene Bedeutung, wie insbesondere in den Abschn. 2.1, 3.1 und 3.3 und auch in Bezug auf die Entstehung, den Verlauf und den Umgang mit (landschaftsbezogenen) Konflikten (etwa in Bezug auf sittliche Lösung oder rechtsgestützte Regelung oder gescheiterte Regelung) deutlich wurde. In der wissenschaftlichen Befassung mit Landschaft erlangte die Befassung mit dem Thema Gefühl indes nicht die Präsenz, die dem Thema angemessen wäre (siehe insbesondere Abschn. 3.2). Gerade vor dem Hintergrund von Landschaftskonflikten wird die Bedeutung des Gefühls bei der Erzeugung von a-modalen Bezügen (also heimatlichen Bindungen), aber auch einem b-modalen Zugriff (in Form ästhetischer Konstruktion von Landschaft), aber auch in der c-modalen Befassung (die letztlich in einem Interesse fußt, das nicht allein auf kognitiven Grundlagen beruht) deutlich.
Petra Lohmann, Olaf Kühne, Karsten Berr
Metadaten
Titel
Landschaft und Gefühl – eine neopragmatistische Redeskription auf Grundlage der Philosophie Fichtes
verfasst von
Petra Lohmann
Olaf Kühne
Karsten Berr
Copyright-Jahr
2024
Electronic ISBN
978-3-658-45935-2
Print ISBN
978-3-658-45934-5
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-45935-2