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2017 | Buch

Landschaftsästhetik und Landschaftswandel

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Über dieses Buch

Der Band befasst sich mit Landschaft und Ästhetik als zwei komplexen Konzepten, die zunächst eindeutig zu sein scheinen, auf den zweiten Blick aber ihre Komplexität offenbaren, und zwar sowohl in der Alltagswelt als auch in Wissenschaft und Planung. Als Landschaft wird ein Objekt außerhalb geschlossener Siedlungen verstanden; als ästhetisch, was als ‚schön‘ bezeichnet wird. Auf den zweiten Blick jedoch wird die Komplexität von Landschaft und Ästhetik deutlich: Woher wissen wir, was wir als ‚Landschaft‘ oder als ‚schön‘ bezeichnen können? Der beschleunigte Wandel von Landschaften, zum Beispiel als materielle Nebenfolge der Energiewende, rückt die Frage nach der ästhetischen Raumbetrachtung wieder in den Fokus wissenschaftlicher, politischer und auch öffentlicher Diskussionen.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Landschaft – Landschaftswandel – Landschaftsästhetik
Einführung – Überblick – Ausblick
Zusammenfassung
Die Frage nach der ästhetischen Deutung dessen, was wir ‚Landschaft‘ nennen, hat durch den Ausbau regenerativer Energien, den Bau von Infrastrukturgroßprojekten, aber auch durch den Trend der Reurbanisierung eine neue Aktualität erhalten. Landschaftsforschung greift in diesem Kontext im Wesentlichen auf drei Perspektiven zurück: eine essentialistische, eine positivistische und eine konstruktivistische. Während die essentialistische (die Landschaft ein eigenes ‚Wesen‘ zuschreibt) in vorliegendem Buch nicht aufgegriffen wird, finden sich Beiträge aus positivistischer (die Landschaft als einen objektiv gegebenen Gegenstand versteht) und konstruktivistischer Denktradition (nach der Landschaft ein auf Deutungskonventionen beruhendes soziales und individuelles Konstrukt darstellt). Dabei wird hervorgehoben, welches Potenzial die Befassung mit Ästhetik und Landschaft insbesondere für die Humangeographie haben kann, da sich diese an der Schnittstelle von Kultur- und Sozialwissenschaften zur Angewandten Geographie (hier in Form räumlicher Planung) befindet.
Olaf Kühne, Heidi Megerle, Florian Weber

Landschaft – Landschaftswandel – Landschaftsästhetik

Frontmatter
Ästhetik, Werte und Landschaft
Eine Betrachtung zwischen philosophischen Grundlagen und aktueller Praxis der Landschaftsforschung
Zusammenfassung
Die Frage, warum eine Landschaft schön ist, wurde schon häufig gestellt. Was aber bedeutet ‚schön‘? Der eher alltagsweltliche als wissenschaftliche Begriff gibt Anlass dazu, sich mit diesem Thema genauer auseinanderzusetzen. Antworten finden sich in der Philosophie. Eine Annäherung aus dieser Disziplin zum Thema Ästhetik und Landschaftsästhetik sowie die Frage, wie sich Werte und der Wertewandel auf die Konstruktion von Landschaft auswirken, stellen eine Basis für den Diskurs zum Thema Landschaftskonstruktionen dar. Es stellt sich heraus, dass der Wertewandel zu einer neuen Wertschätzung der Ästhetik beiträgt und es sogar Tendenzen der Pluralisierung ästhetischer Wahrnehmung gibt. So werden neben der Schönheit zunehmend auch die Erhabenheit und zum Teil auch die Hässlichkeit als ästhetische Bestandteile der Landschaft akzeptiert. Der postmoderne Wertewandel stellt somit auch eine Chance für eine zukünftige Akzeptanz veränderter Landschaften dar.
Simone Linke
Von der Poppelsdorfer Allee nach Disney World
Oder: Kulturlandschaft als semiotisches System
Zusammenfassung
Ausgehend vom Beispiel der Persistenz absolutistischer Herrschaftsstrukturen im Bonner Stadtgrundriss widmet sich der Artikel dem Begriff ‚Kulturlandschaft‘ als Bezeichnung eines räumlich-semiotischen Systems bzw. eines räumlichen Mediums. Dabei wird ein solches Begriffsverständnis mit Rekurs auf die kultursemiotische Unterscheidung von mentaler, sozialer und materieller Dimension von Zeichensystemen als Ergänzung sowohl gegenüber realistischen Verständnissen als auch anderen konstruktivistischen Verständnissen angeboten, die den Begriff ‚Kulturlandschaft‘ auf seine sprachlich-diskursive Verwendung reduzieren oder als Form der Perzeption behandeln. ‚Kulturlandschaft‘ bezeichnet demnach ein gesellschaftliches Medium ähnlich Texten, Bildern oder Filmen, welches intertextuell und intermedial in Bedeutungssysteme eingebunden ist. Der Artikel argumentiert insofern für eine Kulturgeographie als Kulturwissenschaft symbolischer Räume. Dass eine daraus resultierende Kulturlandschaftsinterpretation durchaus anschlussfähig an einen (post-)strukturalistischen Fachdiskurs ist, wird anhand des Bedeutungswandels und der De- und Rekontextualisierung von Elementen barocker Gartenarchitektur in der Gestaltung Disney Worlds anskizziert.
Jan-Erik Steinkrüger

Gesellschaft und Landschaftsästhetik

Frontmatter
Der intergenerationelle Wandel landschaftsästhetischer Vorstellungen
Eine Betrachtung aus sozialkonstruktivistischer Perspektive
Zusammenfassung
Landschaft wird aus sozialkonstruktivistischer Perspektive als soziales Konstrukt verstanden, welches vom Individuum unter Abgleich erlernter Deutungs- und Bewertungsmuster konstruiert wird. Auch wenn die in sozialen Kommunikations- und Aushandlungsprozessen vermittelten Verständnisse und Urteile über ‚ästhetische Qualitäten‘ einer Landschaft im Prozess der Sozialisation an nachkommende Generationen weitergegeben werden, besteht die Möglichkeit, diese gesellschaftlichen Perspektiven individuell auszuformen und abzuwandeln. Insbesondere der Wandel physischer Grundlagen von Landschaft wird dahingehend auf Grundlage primärer Landschaftssozialisation beispielsweise intergenerationell und in einer sekundären landschaftsbezogenen Sozialisation, wie etwa durch ein Fachstudium, durchaus differenziert betrachtet. Vor diesem Hintergrund erscheinen Landschaften, wie sie beispielsweise positivistischen und essentialistischen Paradigmen der Landschaftsforschung folgen, nicht nur schwer haltbar, sondern auch den Bedürfnissen der modernen/postmodernen Gesellschaften nicht entsprechend.
Olaf Kühne
Raumbilder und Raumwahrnehmung von Jugendlichen
Zusammenfassung
Landschaften sind Bildraum und Raumbild gleichermaßen. Bei der Betrachtung eines Raumes setzen wir diesen mit uns bekannten Landschaften kognitiv, ästhetisch und emotional ins Verhältnis. Auch ohne an einem bestimmten Ort oder in einer Gegend gewesen zu sein, vermittelt allein der Name einer Stadt, Region oder eines Landschaftsraums eine bestimmte, durch Kommunikation und Vermittlung gelernte Vorstellung über diesen Raum. Wir machen uns sprichwörtlich ein Bild davon. Landschaft ist ein theoretisches Konstrukt zwischen Materialität und Bildhaftigkeit. Im Bild einer Landschaft spiegeln sich gesellschaftliche Wertvorstellungen einer Zeit wider, die sich im kollektiven Gedächtnis einer Gesellschaft verfestigen. Raumbilder entstehen durch gesellschaftliche Entwicklungen, die massive Transformationsprozesse in der Landschaft verursachen können. Sie sind Ausdruck und Synonyme für gesellschaftliche Modernisierungsprozesse. Dies lässt sich beim Betrachten fordistischer, großflächig-geometrisierter Agrarlandschaften oder postfordistischer Raumbilder, wie dem Silicon Valley leicht nachvollziehen. Auch längst vergangene und überformte Raumbilder einer Zeit sind heute durchaus noch wirkmächtig. Sie wirken als gelerntes Bild nach und lassen sich nicht so einfach aus dem kollektiven Gedächtnis ‚vertreiben‘. Dies wurde in einem Projekt mit Jugendlichen deutlich. Der Beitrag diskutiert anhand von Ergebnissen einer Befragung von Jugendlichen aus drei Landschaftsräumen in Deutschland Aspekte gelernter Wahrnehmungsmuster und die (Un-) Fähigkeit der Anpassung an aktuelle landschaftsräumliche Veränderungen.
Susanne Kost
Neue Landschaften und ästhetische Akzeptanzprobleme
Zusammenfassung
Die Kulturlandschaften in ländlich bezeichneten Räumen befinden sich seit einigen Jahrzehnten in einem Wandlungsprozess. Der wahrgenommene physische Raum verändert sich und ruft häufig auch Akzeptanzprobleme hervor. Daher soll zu Beginn dieses Beitrages die Frage gestellt werden: ‚Wann‘ wird eine Landschaft als schön bezeichnet? Um sich dieser komplexen Fragestellung anzunähern, erläutert dieser Beitrag die Konstruktionen der Landschaft von gestern, heute und in der Zukunft und untersucht die theoretisch gewonnenen Erkenntnisse in der Praxis. Es zeigt sich, dass im Zuge des derzeitigen postmodernen Wertewandels die Möglichkeit einer Pluralisierung ästhetischer Konstruktionen besteht. Die postmodernen Gesellschaften sind immer mehr bereit, alle drei Hauptkategorien der Ästhetik – die Schönheit, die Erhabenheit und die Hässlichkeit – zu akzeptieren. Eine weitere Chance steckt auch in der Flexibilität der ästhetischen Empfindungen: Ästhetische Zuschreibungen sind wandelbar und unterliegen einer individuellen und gesellschaftlichen Aktualisierung. Im weiteren Verlauf der Postmodernisierung ist somit durchaus mit einer Zunahme der Akzeptanz der sogenannten ‚neuen (Energie-)Landschaften‘ zu rechnen, falls die Raumentwicklung nicht auf Grundlage der individuellen Wohlstandsvermehrung stattfindet, sondern auf Dialoge setzt.
Simone Linke
Ästhetik simulierter Welten am Beispiel Disneylands
Zusammenfassung
Der Paradigmenwechsel der Moderne zur Postmoderne hat u.a. in der Geographie neue Denkweisen über Landschaft angestoßen und folglich auch neue Deutungsversuche von Räumlichkeit eingeläutet. Aus den neuen Deutungsweisen zu Raum und Räumlichkeit haben sich im Laufe der Zeit schließlich auch Ansätze herausgebildet, die Landschaft als sozial konstruiert anerkennen. Raum wird in diesem Sinne aktuell u.a. aus sozialkonstruktivistischer Perspektive betrachtet, wonach er implizit wie explizit vom Menschen geformt und überprägt wird. In Zeiten, die von einem steten globalen Wettbewerb um neueste Technologien dominiert werden, rückt die Simulation von Welten sukzessive in den Fokus der Wissenschaftsbetrachtung. Das Erkenntnisinteresse liegt hierbei in der Ergründung der (motivationalen) Hintergründe, vor denen Simulation vollzogen wird sowie in der Eruierung der Rückkopplungen simulierter Räume auf den Menschen. Zum Verständnis der Wahrnehmung der Atmosphäre simulierter Welten und ihrer ästhetischen Beurteilung ist eine Auseinandersetzung mit den intendierten Gestaltungsprinzipien, die letztlich zu einem ganz bestimmten Simulationsergebnis führen, unerlässlich. Der vorliegende Artikel demonstriert am Beispiel Disneylands, wie Raum simuliert und sozial konstruiert wird und welche Implikationen derartige ‚Scheinwelten‘ auf die Perzeption von Räumen haben.
Dominique Fontaine
Wahrnehmung und Nutzung von Flusslandschaften durch unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen am Beispiel des Neckars
Zusammenfassung
Bislang liegen nur wenige empirische Forschungsarbeiten zu individuellen und gruppenspezifischen Wahrnehmungen und Nutzungsformen von Flusslandschaften vor. Dabei können sie wichtige Beiträge zu einer nachhaltigen und bedarfsgerechten Entwicklung von Flussgebieten leisten. Die wenigen Untersuchungen, die durch die empirischen Erhebungen in Rottenburg am Neckar und Tübingen ergänzt wurden, liefern erste Erkenntnisse: Die Wahrnehmung von Fließgewässern als Landschaftselement ist sehr positiv. Zudem sind Flüsse ein wichtiger Anlaufpunkt für Menschen, die in deren Nähe leben. Hauptmotive sind dabei Erholung und Naturerlebnis. Menschen, die an Flüssen leben, empfinden zu diesen eine starke Verbundenheit und zeigen ein großes Interesse an den mit dem Fluss verbundenen Planungen und Entwicklungen. Dabei wird vor allem der Wunsch nach einer gesteigerten Erlebbarkeit und Zugänglichkeit von Flüssen deutlich. Unterschiede in der Wahrnehmung von Fließgewässern ergeben sich vor allem mit Blick auf das Persönlichkeitsmerkmal Alter. Ältere Menschen nehmen Flüsse positiver und naturnäher wahr und spüren eine stärkere Verbundenheit. Junge Menschen bemängeln insbesondere die starke menschliche Prägung und fordern eine naturnahe Umgestaltung. Aber auch weitere Persönlichkeitsmerkmale wie z.B. der Bildungsgrad, die verbrachten Kindheitsjahre am Fluss oder die Entfernung des Wohnortes zum Fluss beeinflussen dessen Wahrnehmung.
André Rathfelder, Heidi Elisabeth Megerle
Wahrnehmung von Wald und Wildnis am Beispiel des Lotharpfads im Nationalpark Nordschwarzwald
Zusammenfassung
Der Lotharpfad im Nordschwarzwald (Baden-Württemberg) ist der erste Sturmwurferlebnispfad dieser Art in Deutschland, welcher der Öffentlichkeit eine sich selbst regenerierende Windwurffläche zugänglich macht. Seit der Ausweisung des Nationalparks Nordschwarzwald 2014 befindet sich der Lotharpfad innerhalb dieser Gebietskulisse und trägt somit dessen wesentliche Intention ‚Natur Natur sein lassen‘ umfassend mit. Ausgelöst durch den Wintersturm Lothar (1999) hat sich das Landschaftsbild im Nordschwarzwald innerhalb kürzester Zeit extrem gewandelt. Nach nunmehr sechzehn Jahren wurde anhand des Erlebnispfades untersucht, wie Besucher im Juni 2015 das dortige Landschaftsbild sowie Wald und Wildnis generell wahrnehmen. Anhand eines standardisierten Fragebogens wurde dazu eine strukturierte Besucherbefragung am Lotharpfad durchgeführt.
Beim Vergleich der Ergebnisse mit Umfragen wenige Jahre nach dem Sturmereignis wurden an vielen Stellen, wie z.B. bei den Motivationen für den Besuch und Erwartungen an den Pfad, Parallelen sichtbar. Unterschiede häuften sich dagegen v.a. bei den Empfindungen, Betrachtungsweisen oder dem Umgang mit der Sturmwurffläche. Hierbei spiegelte sich insbesondere das veränderte Landschaftsbild der Lotharfläche wider. Spontane Vorstellungen zu Wald verknüpften die Besucher am häufigsten mit Ruhe, Entspannung und Erholung. Sehr vielfältig waren auch die Assoziationen zu Wildnis, wobei hier die Verbindung mit ‚unberührter Natur‘ deutlich dominierte. Im Gegensatz zu den Assoziationen variierten die gefühlsmäßigen Äußerungen zu Wildnis in einem weiten Spektrum individueller Emotionen und Empfindungen.
Hanna Stroh, Heidi Elisabeth Megerle

Ästhetik des Landschaftswandels

Frontmatter
Ästhetik des Hybriden
Mehr Bedeutungsoffenheit für Landschaften durch Hybridisierungen
Zusammenfassung
Ästhetik ist ein soziales Konstrukt, weshalb es auch keine einheitlichen Kriterien einer ästhetischen Landschaft geben kann. Öffentliche Räume so zu planen, dass sie möglichst vielen Menschen die Möglichkeit bieten, sich darin wohl und zugehörig zu fühlen, wird durch eine zunehmend heterogenere Bevölkerung schwieriger. Eine Ästhetik des Hybriden verspricht möglicherweise eine Lösung zu sein. Sie beinhaltet die Möglichkeit des Wohlfühlens, des Gefühls, sich als Teil einer (vielfältigen) Gemeinschaft zu interpretieren, und der Orientierung durch bekannte Symbole, die jedoch keine Entweder-Oder-Zwänge (beispielsweise durch binäre Codierungen) erzeugen. Drei Beispiellandschaften – der Jakobsweg, der Urwald vor den Toren der Stadt Saarbrücken und der Chicano Park in San Diego – weisen jeweils zumindest Ansätze einer Ästhetik des Hybriden auf. In allen drei Räumen treffen verschiedene klassische Kategorien aufeinander und werden hybridisiert und dabei neu ausgehandelt. Das Ergebnis ist jeweils eine größere Bedeutungsoffenheit.
Antje Schönwald
Die Ästhetik von Stadtlandhybriden
URFSURBS (Urbanizing former suburbs) in Südkalifornien und im Großraum Paris
Zusammenfassung
Städte unterlagen und unterliegen in Verbindung mit gesellschaftlichen Entwicklungen regelmäßigen Wandlungsprozessen. Im Zuge der Massenmotorisierung kristallisierte sich eine temporäre Präferenz für ein Leben im Suburbium heraus – der Traum vom ‚Eigenheim im Grünen‘, ästhetisch-emotional ansprechend, jenseits der hektisch-lärmenden Stadt und gleichzeitig getrennt von ‚Problemvierteln‘ wie Großwohnsiedlungen. Seit einigen Jahren erleben Innenstädte eine ‚Renaissance‘ und werden als Wohnort erneut attraktiver. Schließlich lässt sich ein weiterer Trend konstatieren, dem bisher recht wenig Beachtung geschenkt wurde – ein Phänomen, das wir als URFSURBanisierung beschreiben: Im ‚inneren Gürtel‘ der Suburbanisierung kommt es, wie wir am Beispiel San Diego in Südkalifornien zeigen, zu Urbanisierungs- und Gentrifizierungsprozessen. Es entstehen URFSURBS: urbanizing former suburbs. Hiermit gehen Hybridisierungstendenzen einher, klare Dichotomien, gerade auch ästhetische, brechen auf. In unserem Beitrag ordnen wir diese Entwicklungen ein und verdeutlichen sie im Hinblick auf Südkalifornien. Wir gehen zudem der Frage nach, inwiefern in Europa, reflektiert am Beispiel des Großraums von Paris, ebenfalls URFSURBS zu finden sind und welche Konsequenzen sich hieraus für die künftige Stadtforschung ergeben.
Olaf Kühne, Antje Schönwald, Florian Weber
Landschaftsreflexionen am Golf von Neapel
Déformation professionnelle, Meer-Stadtlandhybride und Atmosphäre
Zusammenfassung
‚Wasserlandschaften‘, ob mit Flüssen oder Meer, üben häufig auf viele eine große Faszination aus. Im Zuge der Sozialisation, medial, durch Tourismusmarketing werden spezifische Eindrücke erfasst und vermittelt, die mit der eigenen Anschauung in Bezug gesetzt werden. Aus sozialkonstruktivistischer Perspektive verfestigen sich spezifische Eindrücke zu ‚Wasserlandschaften‘, die gleichzeitig individuelle Variationen erfahren können. Der Beitrag nimmt Reflexionen des Autors mit drei unterschiedlichen ‚Stoßrichtungen‘ zum Ausgangspunkt, um Veränderungsprozesse, den Blick auf Kontraste und landschaftsforschungsbezogene Fragestellungen anhand des Fallbeispiels des Golfs von Neapel zu beleuchten. Zunächst stehen Impulse zu Landschaftsästhetik und zur déformation professionnelle im Mittelpunkt, bevor das Konzept der Stadtlandhybride von Olaf Kühne auf den Kontext ‚Golf von Neapel‘ als Meer-Stadtlandhybrid zugeschärft wird. Im Anschluss folgen Überlegungen zur Verbindung von Atmosphäre und Landschaft. Der Artikel schließt mit einer Einordnung und einem Plädoyer im Hinblick auf eingenommene Perspektiven und Forschungsfelder.
Florian Weber
Landschaftswandel als Konflikt
Ein Vergleich von Argumentationsmustern beim Windkraft- und beim Stromnetzausbau aus diskurstheoretischer Perspektive
Zusammenfassung
Energieversorgung manifestiert sich auf unterschiedliche Weise räumlich, bspw. durch Kernkraft- und Kohlekraftwerke, Biomasseanlagen, Photovoltaik- und Windenergieanlagen sowie Stromtrassen. Diese haben früher bereits zu Kritik und Konfliktlagen geführt, doch mit dem massiven Ausbau erneuerbarer Energien gerade seit den 2000er Jahren haben sich vielfältige neue Widerstände herausgebildet. Der Artikel vergleicht vor diesem Hintergrund aus diskurstheoretischer Perspektive Kritikpunkte am Bau von Windkraftanlagen und dem Stromnetzausbau und fragt danach, welche zentralen Unterschiede sowie vergleichbaren Muster ausgehend von einer Analyse von Bürgerinitiativen herausgearbeitet werden können. Es zeigt sich, dass in beiden Kontexten Kritik an der geplanten Umsetzung der ‚Energiewende‘ geübt wird. Zudem dominieren in beiden Bereichen Bezugnahmen auf ‚Natur‘, ‚Gesundheit‘, ‚Ökonomie‘ und insbesondere auch ‚Landschaft und Heimat‘. Veränderungen des ‚gewohnten Umfeldes‘ werden abgelehnt und zurückgewiesen beziehungsweise es werden weniger ‚sichtbare‘ Eingriffe durch größere Abstände oder Erdverkabelungen eingefordert. Landschaftsbezogen wird in diesen Zusammenhängen Landschaftswandel nicht als Normal-, sondern eher als ‚Störfall‘ wahrgenommen, dem mit Skepsis oder aktivem Widerstand begegnet wird.
Florian Weber, Albert Roßmeier, Corinna Jenal, Olaf Kühne
Die Gewinnung mineralischer Rohstoffe als landschaftsästhetische Herausforderung
Eine Annäherung aus sozialkonstruktivistischer Perspektive
Zusammenfassung
Mineralische Rohstoffe wie Kies, Sand, Quarz und Naturstein sind aus unserem heutigen Leben, beispielsweise eingesetzt beim Gebäude- und Straßenbau, aber auch in Mikrochips von Smartphones, nicht mehr wegzudenken. Die Rohstoffgewinnung führt allerdings immer wieder zu Konflikten, bei denen in hohem Maße über die Zerstörung der ‚schönen Landschaft‘ argumentiert wird. Der Artikel untersucht das Spannungsfeld aus Abbaubefürwortung und Kritik und differenziert zentrale Argumente beider Seiten aus. Vor dem Hintergrund einer sozialkonstruktivistischen Landschaftsperspektive werden explizit landschaftsbezogene Referenzen basierend auf einer Medienanalyse beleuchtet. Es zeigt sich, dass emotionalisierend und ästhetisierend gerade auf Seiten von Gegner(inne)n argumentiert wird, während Befürworter(innen) in erster Linie kognitiv für ihre Zielsetzungen ‚werben‘. Der Fokus auf ‚Landschaft‘ ermöglicht es, der Verfestigung spezifischer sozialer Landschafts-Wirklichkeiten nachzugehen und das Festhalten an einem derzeitig als ‚normal‘ wahrgenommenen Zustand besser einordnen zu können.
Florian Weber, Corinna Jenal, Olaf Kühne

Planbare Ästhetik?

Frontmatter
Die Funktionalisierung der Landschaftsästhetik für die urbane Freiraumplanung
Beispiele aus der frühen industriellen Großstadt in Deutschland und den USA
Zusammenfassung
Der Englische Landschaftsgarten ist zu Beginn des 19. Jahrhunderts zum beherrschenden Gartenstil in Europa geworden und prägt die landschaftsästhetische Wahrnehmung einer sich urbanisierenden Gesellschaft. In unserem Text untersuchen wir, wie dieses sowohl von der wirtschaftlich aufstrebenden und politisch liberalen Handelsklasse, wie auch vom konservativen englischen Landadel geprägte ästhetische Programm von der Freiraumplanung der Industriestädte übernommen und auf eine neue ideologische Basis gestellt wurde. Schöne Parklandschaften als Teil der wachsenden Großstadt zu denken, wurde in den deutschen Gartentheorien und Lehrbüchern des 19. Jahrhunderts als ‚vernünftig‘ betrachtet, weil es dazu diente, die Stadtbevölkerung moralisch und körperlich zu bessern. In den USA ‚verwissenschaftlichten’ die Landschaftsarchitekten Olmsted und Elliot diesen Ansatz, indem sie es als bewiesen ansahen, dass der Anblick von und der Aufenthalt in ‚schöner Landschaft‘ sich positiv auf die Gesundheit der Stadtmenschen auswirke. Im Zuge dieser Funktionalisierung eines ästhetischen Programms trat das gartenkünstlerische Bewusstsein in den Hintergrund und ein ingenieurtechnisches Verständnis von Freiraumplanung als Mittel der Gesundheitsfürsorge prägte zu Beginn des 20. Jahrhunderts das professionelle Selbstverständnis in den USA und in Deutschland.
Thomas E. Hauck, Stefanie Hennecke
Kooperative Landschaftsbewertung in der räumlichen Planung – Planbare Schönheit?
Partizipative Methoden, (Geo-)Soziale Medien
Zusammenfassung
Die kooperative Landschaftsbewertung erfasst Landschaftswerte der Öffentlichkeit systematisch mit dem Ziel, die gewonnenen Informationen so zu verarbeiten, dass sie in einem bisher überwiegend positivistisch geprägten Planungssystem (räumliche Gesamtplanung, Landschaftsplanung) verwendbar sind und den ermittelten Inhalten und Werten ein eigenes Gewicht bei der Entscheidungsvorbereitung und -findung verliehen wird. Das Konzept basiert auf einem sozialkonstruktivistischen Landschaftsverständnis, nach dem Expertenurteile insbesondere beim Handlungsgegenstand Landschaft nur unter großen Unsicherheiten getroffen werden können. Am Beispiel der Ergebnisse kooperativer Landschaftsbewertungen lässt sich zeigen, mit welchen Problemen der planerische Umgang mit Landschaftswandel und Landschaftsästhetik in der postmodernen Gesellschaft konfrontiert wird. Gleichzeitig werden aber auch die Grenzen partizipatorischer Prozesse beschrieben und insbesondere unter Gerechtigkeitsaspekten analysiert. Gerade im Bereich der sozialen Medien werden sich diesbezüglich in der Zukunft zahlreiche weitere Möglichkeiten und daraus abgeleitete neue Fragen für die Landschaftsplanung ergeben.
Boris Stemmer, Diedrich Bruns
Kulturell diverse Landschaftswertschätzung und Visuelle Kommunikation
Zusammenfassung
Der räumlichen Planung fällt unter anderem die Aufgabe zu, raumbedeutsame Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozesse zu moderieren. Nach Prinzipien demokratischer Staatsführung gehören hierzu Partizipation und Inklusivität. Inklusive Kommunikationsstrategien sind zu entwickeln, um allen gesellschaftlichen Gruppen einen diskriminierungsfreien Zugang zu Informationen und Informationsaustausch zu ermöglichen und kulturell diverse Bevölkerungsgruppen in Entscheidungsprozesse einzubinden. Hiermit kann gelingen, so die Annahme, auch kulturell spezifische ästhetische Präferenzen in Meinungsbildung und Entscheidung einfließen zu lassen. In der Praxis scheinen Meinungsunterschiede bezüglich Landschaftswandel und bei Landschaften verändernden Planungen oft ästhetisch begründet zu sein. Der Beitrag geht der Frage nach, inwiefern hierbei landschaftsästhetische Präferenzen und individuelle Wertschätzung in unterschiedlichen Kulturen erkennbar werden. Exemplarisch werden unterschiedliche landschaftliche Präferenzen anhand des ‚westlichen‘ und ‚östlichen‘ Blicks dargestellt. Diese Gegenüberstellung zeigt, dass eine interkulturelle sprachliche Verständigung über Begriffe wie Landschaft, Landscape oder Paysage oft wenig zielführend ist, da diese kulturspezifischen Deutungen unterliegen und sprachlich nicht deckungsgleich übersetzt werden können. Aus diesem Grund werden einige visuelle Kommunikationsmethoden vorgestellt, mit deren Hilfe die Konzepte der räumlichen Planung eine allgemeinverständliche Aufbereitung erfahren. Durch die Kommunikation über und durch Bilder können auch neue Wege der Beteiligung beschritten und begriffliche Missverständnisse umgangen werden. Weiterhin bieten diese Methoden die Möglichkeit, implizites Wissen von Nicht-Experten verfügbar zu machen, um dies in planerische Konzepte zu implementieren.
Diedrich Bruns, Daniel Münderlein
Landschaftsbau und Landschaft
Zusammenfassung
Der Landschaftsbau in seiner heutigen Form ist eine vergleichsweise junge akademische Fachrichtung. Der vorliegende Text untersucht, ob und wie diese Disziplin das sie konstituierende Medium ‚Landschaft‘ gestaltend verändert bzw. die Wahrnehmung von Landschaft in einem gesellschaftlichen Zusammenhang mit prägt und welche theoretischen Ansätze dieser Veränderung zugrunde liegen. Dabei wird deutlich, dass die theoretische Auseinandersetzung mit Landschaft aus landschaftsbaulicher Sicht gestaltende, technische und ökonomische Aspekte gleichermaßen berücksichtigen muss. Es wird dargelegt, warum funktional-technische und ästhetisch-konzeptionelle Inhalte eines handlungsorientierten landschaftsbaulichen Theorieansatzes nicht vollständig gegeneinander abgegrenzt werden können. Interessanterweise lässt sich aus diesem Ansatz eine praktikable und praxisorientierte entwurfsorientierte Abgrenzung zur Schwesterdisziplin, der Landschaftsarchitektur ableiten. Weiterhin wird aufgezeigt, dass beide Fachrichtungen notwendigerweise formal normative Rahmenbedingungen immer wieder in Frage stellen müssen, wenn sie sich inhaltlich und zukunftsorientiert weiter entwickeln wollen. Im letzten Teil des Textes wird an einem regionalen Beispiel erläutert, wie weitgehend Planung und Ausführung sich im (Landschafts-)Baugewerbe durchdringen können und wie beide Disziplinen Architektur und Ingenieurwesen aus einem gemeinsamen gestalterischen Ansatz gesamtgesellschaftliche Synergieeffekte generieren können.
Thomas Brunsch
Die Herausforderungen einer ‚regionaltypischen‘ Siedlungsentwicklung am Beispiel der oberbayerischen Gemeinde Ampfing
Zusammenfassung
Gegenwärtig zeigt sich eine Tendenz postmoderner Gesellschaften zur stärkeren Gewichtung und Wertschätzung historischer Strukturen mit kulturellem Ortsbezug. Eine Neuinszenierung von vermeintlich ‚regionaltypischen‘ Raumstrukturen durch die Planungsdisziplinen ist die Folge, wobei sich an dieser Stelle eine auffallende Orientierung an ländlich anmutenden Wohnarchitekturen aus dem Denkmalschutz zeigt. Die bisher formulierten Begründungsversuche der planerischen Fachwelt zur Legitimation dieser Integration von ausgewählten historischen Raumgefügen in zeitgenössische Entwürfe stützen sich auf die Grundgedanken einer nachhaltigen Entwicklung. Der Beitrag beschäftigt sich zum einen mit der Frage nach der Vertretbarkeit dieser Rechtfertigungen aus Sicht der betreffenden Fachrichtungen am Beispiel der oberbayerischen Gemeinde Ampfing. Zum anderen beinhaltet er eine fragespezifische Fixierung der Termini ‚Region‘ und ‚Typik‘ sowie einen methodischen Ansatz zur Extraktion von baulich relevanten Eigenheiten einer ‚Region‘ bzw. deren Eingliederung in kommende Siedlungserweiterungen.
Lisa-Marie Buchner
,Flüchtlingscamp-Landschaften‘
Problematiken, Identität und Gestaltungsmöglichkeiten im Al-Hussein-Camp in Jordanien
Zusammenfassung
Der Artikel nähert sich palästinensischen Flüchtlingscamps, im Besonderen dem Al-Hussein-Flüchtlingscamp in der StadtLandschaft von Amman/Jordanien an. Das erste palästinensische Flüchtlingscamp wurde 1948 als temporäre Notunterkunft errichtet. Knapp 70 Jahre später stehen die palästinensischen Camps als politisches Symbol für das durch die Bewohner erwartete Recht auf Rückkehr. Über diesen langen Zeitraum wurden die Camps nicht nur zu ,permanenten temporären‘ Räumen, sondern sie wurden auch zu einem zentralen Bestandteil des kulturellen Erbes und der Identität der palästinensischen Gesellschaft. Die Autorin beleuchtet, welche Problematiken und welche Identitäten im Al-Hussein-Camp identifiziert werden können und inwiefern sich die Bewohner ihren,Lebensraum‘ ästhetisch aneignen – also eine Annäherung an Fragen um Ästhetik/Landschaftsästhetik. Dargestellte Ergebnisse beruhen auf einer Feldstudie im März 2015, woraus auch Hinweise abgeleitet werden, mit welchen landschaftsarchitektonischen Mitteln die physisch-räumlichen Strukturen des Camps gegebenenfalls eine Aufwertung erfahren könnten.
Esra‘ Najjar
Metadaten
Titel
Landschaftsästhetik und Landschaftswandel
herausgegeben von
Olaf Kühne
Heidi Megerle
Florian Weber
Copyright-Jahr
2017
Electronic ISBN
978-3-658-15848-4
Print ISBN
978-3-658-15847-7
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-15848-4