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08.03.2022 | Leadership | Schwerpunkt | Online-Artikel

Das sind die neuen (männlichen) Führungskräfte

verfasst von: Michaela Paefgen-Laß

5 Min. Lesedauer

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Stühlerücken auf Rekordniveau: Mehr Neuberufungen als im ersten Halbjahr 2021 haben an den Konzernspitzen national wie international selbst vor der Pandemie nicht stattgefunden. Was die neue CEO-Generation ausmacht und womit sich Deutschland nach wie vor schwertut, zeigt eine aktuelle Studie.

Das Profil  der Vorstandvorsitzenden, die im vergangenen Jahr an die Spitze der im Dax und M-Dax notierten Unternehmen berufen wurden, deckt sich bis auf eine  Ausnahme mit dem weltweiten Durchschnitt. Das lässt sich aus der Studie "Route to the Top 2021" ableiten, für die die Personalberatung Heidrick & Struggles die Neuernennungen von Januar bis Juli 2021 in 14 Ländern trackte sowie Lebensläufe und Profile von 1.095 CEOs aus 24 Märkten weltweit analysierte. 

Deutsche Konzerne werden von einem 55 Jahre alten Mann geleitet. Der weltweite Altersdurchschnitt liegt bei 56 Jahren. Bei ihrer Ernennung sind die Vorstandsvorsitzenden über alle Märkte hinweg und auch in Deutschland 49 Jahre alt. Was Deutschland von den anderen Nationen unterscheidet, ist die nach wie vor geringe Frauenquote in den Vorstandsetagen. Auch bei den Neubesetzungen wird die Chance auf mehr Geschlechtergerechtigkeit verspielt. 

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Rekordernennungen von Vorstandsvorsitzenden

Stillhalten und nichts verändern, so reagierten Unternehmen weltweit im Jahr 2020 auf die Corona-Pandemie. Ein Jahr später haben sie sich einen Ruck gegeben und mit einer nie dagewesenen Veränderungsbereitschaft für die Herausforderungen der Zukunft gerüstet. In den 14 Ländern, die der Personalberater seit dem Jahr 2018 nachverfolgt, wurden in den ersten sechs Monaten des Jahres 2021 Neuernennungen von 79 Konzernchefs verzeichnet – zehn von ihnen waren Frauen. Zur Einordnung: In den Jahren 2018 bis 2020 fiel die Zahl der Ernennungen im gleichen Zeitraum von 62 auf 55 zurück, um dann im zweiten Halbjahr 2020 drastisch auf 27 Neubesetzungen einzubrechen. 

Auf die neuen CEOs warten der Klimawandel, die Nachwirkungen der Pandemie und der Trend zu mehr Diversität. Wie die Studie zeigt, haben Unternehmenslenker erkannt, dass dafür die richtige Führungskraft gefunden werden muss. Das hat sich auf die Gestaltung einer neuen CEO-Generation ausgewirkt. Vielfalt und eine Rückbesinnung auf die interne Nachfolgepipeline scheinen maßgebliche Treiber zu sein. Der Frauenanteil bei den Neuernennungen hat sich weltweit von sechs auf 13 Prozent erhöht. Die Vorstände wurden nicht mehr nur aus den traditionellen Sparten CEO (jetzt 54 Prozent / ehemals 56 Prozent), COO (22 Prozent/ 24 Prozent) und CFO (18 Prozent / 20 Prozent) rekrutiert, sondern bringen neue Kompetenzen als vormalige Chief Risk Officers (Vier Prozent / 0 Prozent), Chief Technology Officers (drei Prozent/ 1 Prozent) und Chief Strategy Officers (drei Prozent /ein Prozent) mit.

Was amtierende Führungskräfte ausmacht (Quelle: Heidrick & Struggles)

Profil

CEO weltweit

CEO Deutschland

Alter

56 Jahre

55 Jahre

Alter bei Berufung

49 Jahre

49 Jahre 

Berufungen unter 45 Jahre

25 Prozent

21 Prozent

weibliche Vorstandsvorsitzende 

6 Prozent

3 Prozent

Anteil ausländischer CEOs

24 Prozent

25 Prozent

Anteil der CEOs mit Auslandserfahrung

36 Prozent

39 Prozent

Externe Berufungen

30 Prozent

33 Prozent

In deutschen Vorständen sitzen Männer

Die Gegenüberstellung zeigt, dass die deutsche Führungskraft dem internationalen Durchschnitt zwar gleicht. Gleichzeitig wagen sich die Unternehmen einen Flügelschlag mehr als der internationale Wettbewerb über den Tellerrand hinaus. Umso mehr verwundert der beschämend niedrige Anteil an weiblichen Vorstandvorsitzenden von gerade einmal drei Prozent. Dass es auch besser geht, beweisen Länder wie Irland (14 Prozent), die USA (elf Prozent) sowie Schweden und Belgien (10 Prozent).

In den westlichen Ländern sind Frauen den Männern gleichgestellt. Sie haben die gleichen Rechte, den gleichen Zugang zu Bildung und nicht selten die höheren und besseren Abschlüsse. Warum schafft es die Geburt der Vorständin in Deutschland kaum über das Stadium der Vorwehen hinaus? "Dieser Zustand ist, ethisch gesehen, absolut inakzeptabel", schreibt Springer-Autorin Simone Burel (Seite 4). Neben individuellen Faktoren wie dem eigenen Rollenverständnis macht sie institutionelle Faktoren für das systemische Bestehen auf Geschlechterungerechtigkeiten, homosoziale Rekrutierung und die Stärkung männlicher Routinen verantwortlich (Seite 4):

  • fehlender Zugang zu informellen Netzwerken (Aufbrechen der old-boys-networks)
  • Intransparenz
  • unflexible Arbeitsroutinen

In Wirtschaft und Wissenschaft fehlen die Führungsfrauen

Das zähe Ringen um Gleichberechtigung geht in Deutschland nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in der Wissenschaft routiniert und stoisch zuungunsten der Frauen aus. Das belegen die Zahlen, die von den Springer-Autorinnen Irma Rybnikova und Viktoria Menzel zitiert werden: Der Frauenanteil unter den Hochschulabsolventen des Jahres 2019 beträgt knapp 52 Prozent, der Frauenanteil unter den Promovierten sinkt auf 45,4 Prozent; unter den Habilitierten erneut auf 31,9 Prozent. Der Frauenanteil unter den hauptberuflichen Professor*innen liegt schließlich bei 25,4 Prozent, unter den höchstdotierten C4- beziehungsweise W3-Professuren nur noch bei 21,2 Prozent. (Seite 436) Weshalb sich die männliche Dominanz auf Führungsebene hier wie dort nur schwer aufbrechen lässt, erklären die Autorinnen mit Theorien der Forschung und den dazu gehörenden Argumenten (Seite 439):

  1. Ökonomischer Ansatz: Die Führungskompetenzen von Frauen werden als ungenügend wahrgenommen, weil sie familiäre Verpflichtungen bevorzugen oder sich auf Positionen in "weichen Abteilungen" fokussieren.
  2. Die "gekennzeichnete" Frau: Die Minoritätenposition von Führungsfrauen beschränkt ihre Machtposition, verringert ihre Bündnismöglichkeiten und ihre Aufstiegsperspektiven. Diese Benachteiligung führt mitunter zu Führungsverhalten wie Bossiness und Derailment.
  3. Theorie der Rolleninkongruenz: Die Erwartungen an Führungskräfte sind geschlechtsspezifisch. Führungsideale lassen Female Leadership außen vor, sie sind ausschließlich mit männlichen Attributen beschrieben. Erwartungen an Frauen stimmen damit nicht überein, also ernten weibliche Führungskräfte negative Einschätzungen.
  4. Implizite Geschlechterquote: In Unternehmen existieren implizite Vorstellungen, wie hoch ein akzeptabler Frauenanteil sein soll. Wird dieser erreicht, sinkt die Aufstiegswahrscheinlichkeit weiterer Frauen.

Fazit: Männliche Dominanz und niedrige einstellige Frauenquoten in Führungsetagen können nicht länger als gesellschaftliche  Gegebenheit akzeptiert werden. Sie gehören hinterfragt und aufgebrochen. Organisationale Maßnahmen, mit denen Frauen der Zugang in die Vorstände ermöglicht wird, sind: gender-reflektierte Personalarbeit und Entlohnung, Maßnahmen mit denen sich Familie und Führungsposition vereinbaren lassen, dazu gehören flexible Arbeitszeiten auch für Chefinnen, Stellenangebote jenseits der typisch weiblichen Bereiche, Karriere- und Mentoring-Programme für weibliche Führungskräfte sowie eine frauensensible Organisationskultur (Seite 460).

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