Führen wie ein guter Trainer - Deutschlands junge Top-Elite verabschiedet sich vom hierarchisch geprägten Old-School-Management. Das neue Führungsverständnis enthält Vokabeln wie Empowerment, Integration, Partizipation und Kooperation. Das spiegelt auch die Befragung des internationalen Personalberaters Heidrick and Struggles wider, an der sich 151 deutsche Top-Manager unter 50 Jahre beteiligten. Man gibt sich bodenständig und unprätentiös. Im Job wie Privat ist Attitüde out. Anders als ihre Vorgängergenerationen meiden sie die etablierten Places-to-be wie Opernhaus oder Golfplatz. Sie nehmen die Belastungen durch die Digitalisierung ernst, legen Wert auf einen guten Führungsstil und suchen ihren Ausgleich in der sportlichen Aktivität sowie der Familie. Wie ticken junge Vorstände?
Bescheidenheit ist bei jungen Führungskräften Trumpf
Doch ganz so jung ist "Die neue Generation" der Vorstände und Geschäftsführer aus DAX, MDAX und den größten deutschen Familienunternehmen gar nicht mehr. Die jüngere Spitze der deutschen Wirtschaft ist im Durchschnitt 45,5 Jahre alt und knapp die Hälfte von ihnen gehört mindestens im vierten Jahr dem Vorstand an. Gender Diversity bleibt auch in der nachrückenden Generation der Wirtschaftselite ein Problem. Zwar beträgt die Frauenquote in den DAX-Vorständen 16,6 Prozent, jenseits davon stagniert das Thema offensichtlich. Unter den insgesamt 131 Vorständen befanden sich nur elf Frauen (8,3 Prozent). Top-Kaderschmiede der jungen Generation ist McKinsey, jeder Zehnte nutzte die internationale Unternehmensberatung als Sprungbrett. Industrieunternehmen und Banken haben als Karrierebeschleuniger ausgedient.
Außer der allgemeinen Analyse der Lebensläufe führte Heidrick and Struggles mit 24 Teilnehmern Tiefeninterviews zu Karriere, Führung und Lebenseinstellung. Der neue Wind, den die jungen Vorstände durch die die oberen Konzernetagen wehen lassen, ist so auf den Punkt gebracht: "Eigene Bescheidenheit gilt als Richtschnur, betont wird das Team." Das soll aber nicht über die durchaus vorhandene Entscheidungsfähigkeit der Vorstände hinwegtäuschen. Ziele werden hartnäckig und mit Durchsetzungskraft verfolgt. "Smart, angenehm und geschmeidig im Ton, bleibt das "Ergebnis" immer im Fokus." Stehen Entscheidungen an, zählen konservative Werte. In Zahlen beutet das: 68 Prozent können gut im Team arbeiten, sind aber bereit sich gegen andere durchzusetzen. Gut vorbereitet und transparent, aber lieber im Alleingang, so gehen 17 der 24 Interviewten in harte Entscheidungen.
Der Nachwuchs kennt sich bestens
Überforderung und Burnout handhabt die junge Elite ebenso sachlich. Anzeichen werden notiert und akzeptiert, aber nicht überbewertet: 42 Prozent meistern komplexe Herausforderungen, ohne zu klagen. Ausgleich davon finden sie in zwei bis drei Sporteinheiten pro Woche. Als sportlich bezeichnen sich 57 Prozent. Die Wohlstandsplautze passt genauso wenig ins Image wie der Golfsport. Beliebte Sportarten sind Joggen, Fitnesstraining und Fussball. Bei den Frauen dominieren Singen und Tanzen. Die junge Generation der Vorstände gibt sich durchweg ausgewogen und kennt sich selbst sehr gut. Sie setzt auf Ausstrahlung und Auftreten aus innerer Überzeugung. Die Mitarbeiterführung ist geprägt vom Teamgedanken. Die jungen Vorstände scheinen sich damit dem Modell der Authentischen Führung zuzuneigen.
Authentische Führung spricht im Gegensatz zu anderen New-Leadership-Theorien wenige direkte Handlungsempfehlungen aus. Sie setzt auf die übergeordnete Haltung der Führungskraft. Auch die Interviewten gaben an, sich zwar mit Management-Literatur zu befassen, scheinen aber weniger an Strategiethemen interessiert, als an Titeln, die sich mit Führung und Kulturwandel befassen. "Authentische Führungskräfte erfassen auf Grundlage einer intensiven Selbstwahrnehmung und einer nach außen gerichteten Empathie insbesondere ihre eigenen moralischen Werte, aber auch die anderer", schreiben die Springer Autoren Uwe Schirmer und Sabine Woydt in ihrer Betrachtung zentraler Führungstheorien und - modelle (Seite 194).
Authentizität hat man nicht, man erhält sie
Resultat ist eine Unternehmenskultur, in der sich Führende und Geführte als Gemeinschaft empfinden. Gehandelt wird auf Basis gemeinsamer Werte, die durch die Führungskraft vorgelebt werden. Die Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter steigt, weil sie sich mit der Führungskraft identifizieren und ihr deshalb ein hohes Maß an Vertrauen entgegen bringen können. Authentisches Führungsverhalten wirkt gerade deshalb positiv, weil Authentizität keine persönliche Eigenschaft der Führungspersönlichkeit ist, sondern "dem Vorgesetzten im Kontext der Führungsdyade durch die Geführten zugeschrieben" wird (Seite 194).