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27.09.2024 | Leadership | Interview | Online-Artikel

"Quantum Leadership fördert Mensch-Maschine-Zusammenarbeit"

verfasst von: Andrea Amerland

8:30 Min. Lesedauer

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Künstliche Intelligenz ist auch ein Führungstool. Richtig eingesetzt, kombinieren sogenannte Quantum Leader menschliche Kreativität und maschinelle Kompetenzen, sagt Christopher Peterka im Gespräch.

springerprofesssional.de: Beim Einsatz von Technologien wie Künstlicher Intelligenz oder Machine Learning stehen derzeit zumeist Automatisierung und Effizienz im Vordergrund. Sie betrachten intelligente Systeme hingegen als Führungstool. Können Sie kurz erklären warum?

Christopher Peterka: Der Fokus auf Automatisierung und Effizienz bei der Implementierung von Künstlicher Intelligenz (KI) und Machine Learning (ML) spiegelt einen utilitaristischen Ansatz wider, der auf unmittelbare betriebliche Vorteile abzielt. Diese Perspektive mit dem Schwerpunkt routinierter Arbeitsabläufe greift zu kurz, wenn man das transformative Potenzial dieser Technologien genau identifiziert.

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Aus einer Führungsperspektive betrachtet, können KI und ML als Werkzeuge zur Erweiterung und Optimierung der menschlichen Entscheidungsfindung dienen. Durch die Fähigkeit, große und vielfältige Datenmengen in Echtzeit zu analysieren und fundierte Muster zu erkennen, die für das menschliche Auge als auch die übliche Wahrnehmung unsichtbar bleiben, können intelligente Systeme, prädiktive Analysen und proaktive Entscheidungsfindung unterstützen.

Das eröffnet die Möglichkeit einer adaptiven, proaktiven und kollaborativen Führungskultur, die nicht nur auf historischen Daten, sondern ebenso auf aktuellen Trends und Prognosen zu zukünftigen Ereignissen basiert.

In einem zunehmend komplexen und volatilen Geschäftsumfeld kann so nicht nur operative Effizienz, sondern auch eine nachhaltige, innovative Unternehmensstrategie mit langfristigen Visionen realisiert werden. Dies wird möglich, indem Machine Learning die menschliche Intuition und Entscheidungsfindung durch präzise, datenbasierte Erkenntnisse ergänzt.

Sie sprechen in diesem Zusammenhang auch von Quantum Leadership. Wie definieren Sie den Begriff?

Möglichst knapp umrissen bedeutet "Quantum Leadership", dass in der Unternehmensführung die Interdependenz und Vernetztheit aller Teile eines Systems anerkannt werden. Diese Erkenntnisse werden maschinell genutzt, um flexible und anpassungsfähige Strategien zu entwickeln. Maßgeblich dazu ist die Annahme, dass Führung in der modernen Welt nicht linear und deterministisch, sondern dynamisch und probabilistisch ist.

Übertragen in die Praxis ist Quantum Leadership ein Führungsansatz, der über traditionelle Gegensätze hinausgeht und hybride Modelle der Mensch-Maschine-Zusammenarbeit voraussetzt und fördert. Es geht darum, die komplementären Stärken menschlicher und maschineller Intelligenz zu nutzen, um eine integrative, adaptive und resiliente Führungsstruktur zu schaffen.

Der Führungsansatz erkennt die Bedeutung menschlicher Eigenschaften, wie Intuition, ethische Reflexion und menschliche Kreativität an. Gleichzeitig werden die analytischen und prädiktiven Fähigkeiten von KI-Systemen genutzt, um bessere Entscheidungen zu treffen und komplexe Herausforderungen zu meistern.

Quantum Leader sind insoweit in der Lage, holistische Perspektiven einzunehmen und multiple, oft widersprüchliche, Realitäten zu managen. Sie nutzen technologische Fortschritte wie Augmented Reality (AR), um Entscheidungen in immersiven Echtzeitumgebungen zu treffen und so physische Grenzen zu überwinden.

Welche Vorteile bietet dieser Ansatz im Vergleich zu anderen Führungsmodellen?

In einer Welt, die durch rasante technologische Fortschritte und sich schnell ändernde Marktbedingungen geprägt ist, ermöglicht Quantum Leadership eine hohe Anpassungsfähigkeit und ganzheitliche Entscheidungsprozesse, die langfristige Auswirkungen und Nachhaltigkeit berücksichtigen. Führungskräfte können schnell auf Veränderungen reagieren und ihre Strategien flexibel anpassen. 

Das Konzept erlaubt durch den gezielten Einsatz von Technologien wie Daten-Analyse, Machine Learning und Augmented Reality die Vernetzung und Zusammenarbeit über geographische, organisatorische und physische Grenzen hinweg. In der Folge trägt dies auch zu einer nachhaltigen Entwicklung bei, indem umweltfreundliche und ressourceneffiziente Praktiken gelebt werden. 

Das systemische Denken fördert ein tiefes Verständnis für die Interdependenzen innerhalb und außerhalb der Organisation. Durch die Akzeptanz von Unsicherheit und Mehrdeutigkeit schafft Quantum Leadership Raum für kreative Problemlösungen und innovative Ansätze. Dies unterstützt eine partizipative und kollaborative Kultur der ständigen Verbesserung und Erneuerung, was erfahrungsgemäß abermals die Kreativität und das Engagement der Mitarbeiter steigert. 

Schließlich ist die Kombination aus menschlicher Intuition und maschineller Präzision entscheidend, da auf diese Weise deutlich bessere Ergebnisse und langfristige Erfolge erzielt werden können. Das alles funktioniert allerdings nicht mittels Gremien, Arbeitskreisen und Powerpoint, sondern mittels entschlossener Investition in vernetzte Systeme, Top-Gehirne und Vertrauen in die Fähigkeiten von Mensch und Maschine in Kombination. Auch Augmented-Reality-Technologien sollen dabei zum Einsatz kommen. 

Wie kann man sich das in der Führungspraxis vorstellen?

Durch AR-Overlays können Echtzeitdaten kontextualisiert und visualisiert dargestellt werden. Komplexe Daten werden auf diese Weise verständlich vermittelt, sodass eine schnelle Analyse und fundierte Entscheidungsfindung möglich wird. Dies kann beispielsweise die Überwachung von Leistungskennzahlen, die Analyse von Verkaufstrends, Kunden- oder Service Interaktionen sowie die Optimierung von Produktionsprozessen umfassen. 

Mithilfe von AR-Brillen, Einspiegelungen in konventionelle Brillen oder einfach auch nur Überlagerung von physischen Objekten, wie Maschinen oder Flurwänden, können diese Echtzeit-Datenanalysen und Visualisierungen in Verbindung mit jeder denkbaren Umgebung direkt in das Sichtfeld der Führungskraft projiziert werden. Somit kann eine sofortige Bewertung von Leistungskennzahlen und die Identifizierung von Optimierungspotenzialen vor Ort erfolgen, ohne physisch tatsächlich anwesend zu sein.

Und wie beeinflusst AR die Unternehmensorganisation?

Virtuelle Interaktion durch AR ist insoweit ressourcenschonend und auf lange Sicht eine der nachhaltigsten Kommunikationsformen im Rahmen der Unternehmensführung. Primär steigert sie die Effizienz, indem es Führungskräften und sonstigen Mitarbeitenden möglich wird, remote und immersiv an verschiedensten Prozessen teilzuhaben.

In Meetings können AR-Systeme virtuelle Präsentationen und interaktive Modelle bereitstellen, die komplexe Daten und Szenarien verständlicher machen und die Zusammenarbeit und Diskussion fördern. Derartige Technologien fördern nicht nur die Produktivität, sondern auch die Kreativität und das Wohlbefinden, indem sie ästhetisch ansprechende, individualisierbare, funktionale und vor allem einfach verständliche Arbeitsumgebungen schaffen.

Zudem kann AR genutzt werden, um Schulungen und Trainings für Mitarbeitende realistischer und effektiver zu gestalten, indem sie in simulierten Umgebungen praktizieren können. Vor diesem Hintergrund können Führungskräfte AR-gestützte Simulationen dahingehend nutzen, verschiedene Szenarien durchzuspielen und ihre Fähigkeiten in einer risikofreien Umgebung zu verbessern.

Bei aller Technikbegeisterung kommt oft die Frage nach einem verantwortungsvollen Umgang mit KI oder anderen Technologien zu kurz. Wie gelingt die Mensch-Maschinen-Interaktion ethisch einwandfrei, ohne in Mitarbeiterüberwachung, Leistungskontrolle und Datenschutzverletzungen zu schlittern?

Grundsätzlich müssen Führungskräfte ethische Überlegungen in alle Entscheidungen einbeziehen, die im Zusammenhang mit dem Einsatz von Technologien stehen - nicht nur bezogen auf Künstliche Intelligenz. Eine ethisch einwandfreie Mensch-Maschine-Interaktion erfordert ein ausgewogenes Verhältnis zwischen technologischen Möglichkeiten und menschlichen Werten. Dabei ist es unerlässlich, dass Organisationen transparent über den Einsatz von KI oder anderen Technologien informieren. Die Funktionsweise der Algorithmen und Entscheidungsprozesse muss nachvollziehbar und interpretierbar sein, um Verfahren transparent gestalten zu können und so Vertrauen und Akzeptanz - bei Kunden und Mitarbeitenden gleichermaßen - zu schaffen.

Zudem ist es entscheidend, dass Systeme so gestaltet werden, dass aufseiten des Nutzenden augenscheinlich vermittelt wird, dass die Privatsphäre in höchstem Maße respektiert wird und von Führungskräften garantiert wird, dass Technologien zur Unterstützung und nicht zur Kontrolle der Mitarbeitenden eingesetzt werden. Der Rahmen dazu kann durch klare Richtlinien und Maßnahmen wie regelmäßige Audits und Compliance-Überprüfungen geschaffen werden.

Schließlich sollte in die Schulung und Weiterbildung von Mitarbeitern investiert werden, um den kompetenten und verantwortungsvollen Einsatz von Technologien zu gewährleisten. Dabei sollten ethische Dilemmata sowie die Einbeziehung der Vorschläge und Bedenken der Mitarbeitenden in den Einführungsprozess der Technologie berücksichtigt werden. Nur so kann KI ihre größte Stärke entfalten: die Fähigkeit zur ständigen Selbstverbesserung und Anpassung. Unentbehrlich sind auch Experten, also beispielsweise Data Scientists, die während des Lebenszyklus des maschinellen Lernens verschiedene Qualitätsmaßnahmen berücksichtigen, um Modelle zu bewerten, verstehen und optimieren.

Damit einher geht auch die Einrichtung von Ethikkommissionen und -beiräten auf nationaler und internationaler Ebene, um die ethischen Implikationen des Einsatzes von KI und AR grundlegend überwachen und bewerten zu können. Diese Gremien sollten Empfehlungen aussprechen und sicherstellen, dass technologische Entwicklungen im Einklang mit ethischen Standards stehen.

Welche rechtlichen Rahmenbedingungen müssen gegebenenfalls noch geschaffen werden, damit AR oder KI als Führungsinstrumente in Hinblick auf die genannten Problemfelder bedenkenlos genutzt werden können?

Ich denke, dass die im März vom Europäischen Parlament verabschiedete Verordnung zur Festlegung harmonisierter Vorschriften für Künstliche Intelligenz, auch bekannt als KI-Verordnung (KI-VO), bereits einen bedeutenden Schritt darstellt.

Die Schaffung solch umfassender und harmonisierter rechtlicher Rahmenbedingungen ist für den bedenkenlosen Einsatz von Augmented Reality und Künstlicher Intelligenz als Führungsinstrumente unerlässlich. Um sicherzustellen, dass technologische Möglichkeiten im Einklang mit den Werten der Gesellschaft entwickelt und angewendet werden, sehe ich vier zentrale Aspekte, die rechtliche Maßnahmen berücksichtigen müssen: Datenschutz, Transparenz, Regulierung der Algorithmen und arbeitsrechtliche Bestimmungen.

Können Sie das genauer erklären?

Datenschutzgesetze müssen einheitlich und länderübergreifend den Schutz personenbezogener Daten gewährleisten und klare Vorgaben zur Datenerhebung, -verarbeitung und -speicherung umfassen.

Gesetzgeber sollten zudem Anforderungen an die Transparenz von KI-Systemen regeln, sodass Unternehmen offenlegen müssen, wie ihre Technologien funktionieren, welche Daten sie verwenden und wie Entscheidungen getroffen werden. Diese Transparenz fördert Vertrauen und Verantwortlichkeit und ermöglicht es den Nutzenden, die Funktionsweise der Systeme nachzuvollziehen und gegebenenfalls zu hinterfragen.

Darüber hinaus sind klare Richtlinien zur Überprüfung und Regulierung von Algorithmen unerlässlich, um sicherzustellen, dass Algorithmen fair und unvoreingenommen sind und regelmäßigen Überprüfungen auf Bias und Diskriminierung unterliegen.

Schließlich geht die Regulierung von KI auch am Arbeitsverhältnis selbst nicht spurlos vorbei. Deshalb sind arbeitsrechtliche Bestimmungen ebenso anzupassen. Dies umfasst insbesondere Regelungen zur Vermeidung von Überwachung und Leistungskontrolle, die die Privatsphäre und Würde der Mitarbeiter schützen.

Kritiker meinen wiederum, dass zuviel Regulierung der KI-Entwicklung schade ...

Insgesamt muss jeder rechtliche Rahmen flexibel genug sein, um mit den schnellen technologischen Entwicklungen Schritt zu halten, und gleichzeitig streng genug, um den Schutz der betroffenen Personen zu gewährleisten. Es ist an der Zeit, dass Regierungen und Unternehmen erkennen, dass technologischer Fortschritt ohne eine solide ethische Grundlage und strenge regulatorische Kontrolle eine Gefahr für die Gesellschaft darstellt. Wir stehen an einem Scheideweg, und es bedarf mutiger und entschlossener Maßnahmen, um sicherzustellen, dass KI der Menschheit dienen und nicht zur Bedrohung werden wird.

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