Springer Professional: Das Vertrauen in Manager ist in den vergangenen Jahren stark gesunken. Das dokumentiert das Edelmann Trust Barometer wiederholt. Woran liegt das?
Martin Schmiedel: Die Entwicklung ist in der Tat besorgniserregend. Wir beobachten einen Vertrauensverlust in die so genannten Eliten, die eigentlich eine Vorbildfunktion in unserer Gesellschaft einnehmen sollten. Sie sind selber verantwortlich für das Dilemma: Politiker geben vor der Wahl Versprechen ab, die sie nach der Wahl nicht einhalten. Manager machen sich unglaubwürdig, wenn sie in Krisenzeiten hohe Boni abgreifen. Manche Medienunternehmen sparen an eigenen Recherchen und übernehmen Meldungen ungeprüft, was zu Fehlern führt, die Verschwörungstheoretiker wiederum allzu gerne ausnutzen.
Was sind die Konsequenzen?
So entsteht mangelndes Vertrauen in unsere Eliten. Das Fehlverhalten färbt auf die Gesellschaft ab. Hinzu kommt, dass es heute schwieriger ist, Absprachen und Machenschaften geheim zu halten. Ich glaube, es kommen mehr Geschichten über Seilschaften und Korruption ans Tageslicht als früher und sie verbreiten sich schneller. Gerade für Führungskräfte ist es wichtig, sich zu fragen, welchen Einfluss sie mit dieser Vorbildfunktion und ihrem Verhalten auf ihre Mitarbeiter haben. Interessant finde ich dabei den Vergleich mit der Kindererziehung: Wenn ich meiner Tochter erzähle, das Rauchen ungesund und Verbindlichkeit wichtig ist, sollte ich selber nicht rauchen und mich an meine Absprachen halten.
Das klingt so, als ob Führungskräfte wieder Vertrauen aufbauen müssen. Wie kann das intern gelingen?
Vertrauen ist die Basis für gemeinsamen Erfolg. Dabei kommt es auf die persönliche Beziehung an. Um diese Beziehung positiv zu gestalten, sollten sich Führungskräfte fragen, welche Bedürfnisse und Motive sie selbst haben. Auch wichtig: Wie verhalte ich mich gegenüber anderen Menschen und Mitarbeitern? Wesentlich ist es, sich Gedanken über die eigenen Mitarbeiter zu machen mit ihnen darüber zu reden, was sie bewegt. Sie glauben gar nicht, wie wertvoll diese Erkenntnisse sein können. Dabei ist es sinnvoll, sich selbst ein Stück weit zu öffnen, um auch Antworten von den Mitarbeitern zu erhalten. Mit dem Verständnis füreinander schaffen Führungskräfte die Basis für Vertrauen. Gegenseitiges Verständnis bedeutet aber nicht, mit allen Meinungen des Mitarbeiters einverstanden zu sein.
Wie müssen Führungskräfte Zusammenarbeit gestalten, damit Mitarbeiter diese als vertrauensvoll erleben?
Für Führungsarbeit gibt es viele Werkzeuge. Besonders wichtig: Kommunikation. Sie ist der einzige Hebel, den man leicht erlernen und beeinflussen kann - auch bei den Mitarbeitern. Mit den richtigen Kommunikationstechniken, lässt sich Verständnis füreinander schärfen. Das ist wichtig, wenn Vorstellungen, Ziele und Visionen klar dargelegt und erfolgreich delegiert werden sollen. Wenn es Führungskräften gelingt, ihren Weg und ihre Leitlinien so zu kommunizieren, dass ihre Mitarbeiter sie verstehen, ist bereits viel erreicht.
Sie empfehlen Führungskräften in Ihrem Buch "Zeigen Sie Haltung". Was heißt das und was bewirkt das in der Teamführung in Hinblick auf Vertrauen?
Haltung bedeutet, dass Führungskräfte ihre Rolle annehmen: Verantwortung übernehmen, Entscheidungen verbindlich treffen und Zusagen einhalten, transparent informieren, sichtbar sein für die Mitarbeiter, Vorbild sein und eine positive Einstellung gegenüber Herausforderungen zeigen, eine eigene Marke entwickeln. So wissen Mitarbeiter, woran sie sind und dass sie sich auf ihre Führungskraft verlassen können. Dies hat enorme Auswirkungen auf das Vertrauen und auf das Mitarbeiter-Engagement. Beispiel Krisensituationen: Stellt sich die Führungskraft vor die Mannschaft, dann gewinnt sie Mitarbeiter, die für sie die Extrameile gehen.
Ich fürchte allerdings, in vielen Unternehmen läuft es eher wie in der TV-Serie Stromberg. Kann trust-based Leadership unter solchen Umständen überhaupt funktionieren?
Leider gebe ich Ihnen recht. Ich selbst hatte geglaubt, Stromberg sei eine Übertreibung, eine Persiflage auf die Büro- und Arbeitswelt. Leider wurde ich mehrfach eines Besseren belehrt. Die Stromberg-Unternehmen existieren. Das Buch "Fear-based Leadership – Führen durch Angst und Unsicherheit" hätte ich wahrscheinlich schneller schreiben können. Aber meine persönlichen Stromberg-Erlebnisse haben mir gezeigt, dass sich Führungskräfte und Mitarbeiter gleichermaßen ein gutes Gefühl auf der Arbeit wünschen, Produktivität und Erfolg. Das Fundament dafür sind stabile, persönliche Beziehungen, sprich: Vertrauen. Dass es schwierig ist, Reflexion und Engagement erfordert und lange dauert, bis man Vertrauen aufgebaut hat, kann ich den Führungskräften nicht abnehmen. Vertrauen zu zerstören ist hingegen recht einfach, wie wie wir alle wissen.
Ich würde gerne noch einmal auf die Stromberg-Frage zurückkommen ...
Ich plädiere dafür, nicht die Umstände verantwortlich zu machen für das eigene Verhalten. Jeder hat die Wahl, sie entweder anzunehmen, wie sie sind, sie zu verändern oder sie eben nicht zu akzeptieren und die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen. Dies gilt für Führungskräfte und Mitarbeiter gleichermaßen. Das ist ein hoher Anspruch. Doch ich weiß, wovon ich spreche: In meiner beruflichen Laufbahn habe ich drei Mal meinen Job gekündigt, ohne zu wissen, wann und wo ich wieder Geld verdiene.