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28.03.2019 | Leadership | Schwerpunkt | Online-Artikel

Netzwerken gegen die gläserne Decke

verfasst von: Michaela Paefgen-Laß

5:30 Min. Lesedauer

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Immer wenn Männer in Wirtschaft oder Politik die Karre so richtig verfahren haben, schlägt die Stunde der Frauen. Das behauptet jedenfalls die von britischen Wissenschaftlern aufgestellte Glass Cliff Theory. Richtig oder falsch?
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Führungsposten, noch immer überwiegend Männerposten, werden den Studien von Michelle K. Ryan und Alexander Haslam (University of Exeter, 2004) zufolge am ehesten dann an Frauen übergeben, wenn die Unternehmensperformance fünf Monate lang bergab gerast und der Sturz über die gläserne Klippe als öffentliches Spektakel vorhersehbar ist. Marissa Mayers Wechsel zu Yahoo, Theresa Mays Ernennung zu britischen Premierministerin oder die Wahl von Andrea Nahles zur SPD-Fraktionsvorsitzenden werden seither beispielhaft für das Phänomen zitiert. 

Sollten Frauen wirklich nur dann einen Platz im Top-Management bekommen, wenn die Posten so mies sind, wie es Springer-Autorin Feriha Özdemir zum Stand der Forschung von Diversity und Diversity Management beschreibt? Diese sind demnach "unattraktiv, risikobehaftet und weisen i. d. R. ungünstige Bedingungen auf, weswegen diese Top-Positionen ein erhöhtes Risiko des Scheiterns tragen" (Seite 90)? Und was wäre die Hoffnung dahinter - die Frau mit ihren typisch weiblichen, kommunalen Eigenschaften, als Retterin in Not? 

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Was ist an den Glas-Metaphern dran?

Die Glasklippen-Theorie gehört ins Reich der Mythen, sagt nun ein Forscherteam der Gießener Justus-Liebig Universität und der EBS Oestrich-Winkel. Für die Studie wurden die Daten von 233 Großunternehmen aus Deutschland und England aus den Jahren 2005 bis 2015 ausgewertet. "We find no support for the idea of the glass cliff: Before the appointment of female executives, the performance trend in German or British companies is no more negative than in companies that select male managers", heißt es in dem im Dezember 2018 veröffentlichten Forschungsbericht "The glass cliff myth? – Evidence from Germany and the U.K". #

Frauen, so das Ergebnis, seien keinem "übermäßigen Risiko von prekären Vorstandspositionen" ausgesetzt. Allerdings, das räumt die Studie ein, gab es in dem beobachteten Zeitraum zwar mehr als 500 Vorstandsernennungen in Deutschland, von denen gingen aber weniger als acht Prozent an Frauen über. Und, nicht eine einzige Frau hat währenddessen einen Vorstandsvorsitz bekommen. Derweil sich um die Existenz von gläsernen Klippen gerne noch gestritten werden darf, ist in Deutschland ein ähnliches lautendes Phänomen evident. Gläserne Decken (Glass cielings) halten den Aufstieg von Frauen auf und machen sie zu Betrachterinnen männlicher Macht. 

Der Mann an der Spitze

Der Frauenanteil in den Vorstandsetagen der 160 DAX-, MDAX-  und SDAX-Konzerne ist dem Mixed-Leadership-Barometer Januar 2019 der Beratungsgesellschaft EY zufolge im vergangenen Jahr zwar um elf Frauen auf insgesamt 61 weibliche Vorstandsmitglieder gestiegen und damit von 7,3 auf 8,6 Prozent angewachsen. In Vergleich dazu ist die Zahl der männlichen Vorstände allerdings um zwölf Neuernennungen auf 650 angewachsen. Von Frauen geführt werden laut Studie derzeit die drei S-Dax-Konzerne Dic Asset (Sonja Wärntges), Hamburger Hafen und Logistik (Angela Titzrath) und Grenke Leasing (Antje Leminsky) sowie das Tec-Dax-Unternehmen Medi Gene (Dolores J. Schendel).

Die schlechte Frauenquote in deutschen Konzernen wird auch in der Erhebung Route to the Top 2018 von der Personalberatung Heidrick& Struggles thematisiert. Die Auswertung von 674 CEO-Lebensläufen der größten börsennotierten Unternehmen aus 13 Ländern ergibt: Die Person an der Unternehmensspitze in Deutschland ist typischerweise männlich, weiß, Mitte 50, leitet das Unternehmen seit fünf Jahren, kommt aus den eigenen Reihen und war dort zuvor als CFO oder COO, also für die Finanzen beziehungsweise die operativen Geschäfte verantwortlich. Das deckt sich im wesentlichen mit dem internationalen Durchschnitt. Allerdings: Gerade einmal 1,2 Prozent der Vorstandsposten in Dax- und M-Dax- Unternehmen waren im vergangenen Jahr mit Frauen besetzt. International liegt der Anteil bei 5,1 Prozent. Großbritannien hat mit 8,3 Prozent die meisten Chefinnen an der Unternehmensspitze, gefolgt von Finnland und Norwegen (jeweils acht Prozent). 

Personalauswahl auf ausgelatschten Pfaden

Warum wird sie nicht Führungskraft? Die Springer-Autorinnen Tanja Hentschel, Susanne Braun und Claudia Peus machen in ihrem gleichlautenden Buchkapitel auf unstrukturierte Prozesse bei der Personalauswahl aufmerksam. Die seien dafür verantwortlich, dass Unternehmen sich bei Besetzungen in den oberen Hierarchieebenen von Geschlechterstereotypen leiten lassen, ein gelerntes Muster verfolgen und zwangsläufig falsch entscheiden. "Es wird dann nicht mehr ausschließlich nach bester Passung, sondern auch (unbewusst oder bewusst) nach schon bestehenden und häufig nicht zutreffenden Vorannahmen entschieden" (Seite 998). 

Kurzum: Männer werden auf Stellen besetzt, die schon immer von Männern besetzt waren. "Da Führungspositionen knappe Ressourcen sind, liegen weitere Motive der Diskriminierung gegenüber Frauen in der Sicherung der bisherigen Privilegien innerhalb der Männergruppe und der Reduzierung von Unsicherheit, die mit der Aufnahme 'unähnlicher' Personen verbunden wäre", führen die Springer-Autorinnen Daniela Rastetter und Anna Mucha in Geschlechterungleichheiten die Diskussion weiter aus (Seite 1313). Ist das Think manager-Think male-Phänomen zu durchbrechen? Durchaus!

Netzwerke wie ein Mann

Hentschel, Braun und Peus fordern Organisationen und Vorgesetzte dazu auf, Frauenkarrieren zu fördern, ohne Männer zu benachteiligen. Mehr Frauen in Management und Führung bewirke, dass Alleinstellungsmerkmale verringert werden, Stereotype und Urteilsverzerrungen an Macht verlieren. Und die Frauen selbst? Ihnen raten die Autorinnen weniger dazu, sich den männlichen Habitus, das agentische Auftreten anzueignen, als in  Netzwerke zu investieren. Nicht emotionalisiert und um frauentypische Freundschaftsnetzwerke zu schaffen, sondern mit dem Bewusstsein, von den Netzwerken ganz so wie es die Männer vormachen, profitieren zu wollen und - vor allem - das auch zu dürfen. Instrumentelles Netzwerken lässt sich lernen (Seite 1012):

Was?

Wie?

Kontakte analysieren

Was nutzen vorhandene Kontakte in Bezug auf:

  • Information
  • politische Unterstützung/Einfluss
  • persönliche Entwicklung
  • persönliche Unterstützung/Energie
  • Gefühl der Bedeutung
  • Work-Life-Balance

Kontakte eliminieren

  • weniger Zeit verbringen mit Personen, die ausbremsen
  • negative Interaktionen loslassen
  • Zeit gezielt auf Personen aus verschiedenen Bereichen aufteilen

Kontakte hinzufügen

  • aus Bereichen, in denen das Netzwerk noch Lücken hat
  • Ziele für das nächste Jahr aufschreiben
  • spezifische Personen notieren, die in bestimmten Positionen helfen können, diese Ziele zu erreichen

Kontakte so effektiv wie möglich nutzen

  • Ist es möglich, bestimmte Kontakte effektiver zu nutzen, wenn mehr in die Beziehung investiert wird?
  • Es ist wichtig, reziproke Beziehungen aufzubauen: Was kann ich meinen Kontakten proaktiv bieten?

Frauen fokussieren bei ihrer Karriereplanung außerdem zu sehr darauf, durch überragende Leistungen aufzufallen. Das kann gelingen, knackt aber weder Geschlechterstereotype noch die Netzwerke der old-boys. Überdies gehen Zeit und Energien verloren, die für strategisches Vorgehen gebraucht werden. Und, Chefs wissen oft nicht, wohin die Frauen in ihrem Unternehmen wollen. "Daher ist es wichtig, dass Frauen ihre Motivation für eine Führungskarriere explizit äußern - auch wenn sie von ihren Vorgesetzten nicht danach gefragt werden" (Hentschel et al., Seite 1013).

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