Um den Fokus bei der Ermittlung des Energiebedarfs von Gebäuden auf eine ganzheitliche energetische Betrachtung zu lenken, untersuchten Wissenschaftler verschiedene Kombinationen aus Gebäudehülle und Anlagentechnik.
Das Steinbeis-Transferzentrum für Energie-, Gebäude-und Solartechnik hat in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP im Auftrag des Umweltbundesamtes den Energieaufwand im gesamten Lebenszyklus von verschiedenen Gebäudetypen und Energiekonzepten für den Wohnungsbau untersucht. Analysiert wurden dafür 400 Varianten mit verschiedenen Kombinationen aus Gebäudehülle und Anlagentechnik für sechs Typgebäude im Neubau und Bestand – wobei die Varianten den Gebäudeenergiestandards EnEV-2016, Passivhaus, Nullenergie und Plusenergie zugeordnet wurden. Danach wurden für alle Variantenkombinationen die CO2-Emissionen, der nicht erneuerbare kumulierte Energieaufwand (KEAne) und die Jahresgesamtkosten ermittelt. Zudem wurden die für jeden Gebäudeenergiestandard üblicherweise umgesetzten Varianten hinsichtlich dem Energieaufwand für die Materialien in der Herstellung, Instandsetzung und Lebensende (EoL) sowie dem Energiebedarf im Betrieb untersucht.
So kommen die Wissenschaftler schließlich zu folgenden Empfehlungen für Planer und Gebäudeeigentümer. Zu Beginn jeder Überlegung müsse das Prinzip "Efficiency First" stehen: Der gebäudeseitige Energiebedarf sollte durch eine effiziente Gebäudehülle und Anlagentechnik sowie durch ein energiebewusstes Nutzerverhalten minimiert werden. Auch der Einsatz von erneuerbaren Energien trage maßgeblich zu einer Reduzierung von CO2-Emissionen im Gebäudesektor bei. Ebenso eine dezentrale regenerative Stromerzeugung und Eigenstromnutzung, eine regenerative Wärmeerzeugung, das ressourcenschonendes Bauen im Lebenszyklus durch Sanierung von Mehrfamiliengebäuden oder Neubau in Leicht-/Holzbaubauweise, eine Verbesserung der Gebäudehülle auf KfW Effizienzhaus 55 sowie eine Lüftung mit Wärmerückgewinnung.
Empfehlungen für Planer, Gebäudeeigentümer und die Politik
Auch an die Politik wurden in der Studie Empfehlungen formuliert. So sollen beispielsweise das ressourcenschonende Bauen im Lebenszyklus durch die Einführung einer ganzheitlichen Bilanzierung von Gebäuden sowie durch Förderprogramme Auftrieb erhalten. Mit der Einführung von CO2-Labeln für Gebäude, einer Erweiterung der Bilanzgrenzen für Gebäudebewertungen, der Entwicklung von Quartiers-Ansätzen sowie der Möglichmachung von Kompensationsmaßnahmen, der Forderung nach individuellen Sanierungsfahrplänen für Gebäude und der Förderung für CO2-Einsparungen in Planung und Betrieb sollte die Gebäudebewertung an dem Klimaschutzzielen ausgerichtet werden. Und was die Dekarbonisierung der „Energie-Infrastruktur“ betrifft, werden der Ausbau der Förderung von Eigenstromnutzung, der Abbau von Hürden bei der Sektorkopplung, die flexible Erzeugungs- und Verbraucherinfrastruktur mit variablen Stromtarifen, Infrastrukturmaßnahmen für ein flexibles Stromsystem und die Einführung einer CO2-Bepreisung über alle Sektoren gefordert.
Auch die Autoren des Kapitels "Paradigmenwechsel im Hochbau" im Springer-Fachbuch "Aktuelle Entwicklungen in Baubetrieb, Bauwirtschaft und Bauvertragsrecht", Jörg Koppelhuber und Marco Bok, schreiben: "Darüber hinaus stellen vor allem die ökologischen und ökosozialen Auswirkungen der Aktivität Bau auf unsere Umwelt und unsere Lebensform eine Einflussgröße dar, welche wenig zu Verträglichkeit und Konsens beiträgt. Der Ressourcen- sowie Energieverbrauch über den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerkes – von der Rohstoffgewinnung, über die Errichtung bis zum Abbruch – muss angesichts der zunehmenden globalen Ressourcenknappheit zwingend verringert werden, wenn vom Bauen der Zukunft die Rede ist."