Mit einem neuen Verfahren lassen sich Kohlenstofffasern aus dem Rohstoff Holz herstellen. Im Interview erläutert Frank Hermanutz den Prozess, ob er wirtschaftlich ist und wie die Ökobilanz ausfällt.
Dr. rer. nat. Frank Hermanutz ist Leiter des Kompetenzzentrums Biopolymerwerkstoffe an den Deutschen Instituten für Textil- und Faserforschung Denkendorf (DITF).
DITF Denkendorf
Springer Professional: Ihre Forschungen zur Herstellung von holzbasierten Kohlefasern wurden kürzlich mit dem Preis "Cellulose Fibre Innovation of the Year" gekürt . Können Sie in wenigen Sätzen erläutern, wie das Herstellungsverfahren funktioniert?
Frank Hermanutz: Holzzellstoff wird in einem patentierten, nachhaltigen Direktlöseverfahren für Zellstoff, dem sogenannten HighperCell-Verfahren, zu technischen Cellulose-Filamentfasern verarbeitet. Diese Fasern werden nach Ausrüsten mit einem ebenfalls patentierten Carbonisierungshilfsmittel zunächst stabilisiert. Durch diesen Katalysator wird die Kohlenstoffausbeute signifikant gesteigert. Die Carbonisierung der Cellulosepräkursoren beginnt dann im ersten Schritt wie erwähnt mit einer in Zusammenarbeit mit der Firma Centrotherm neuentwickelten Niederdruckstabilisierung, gefolgt von der finalen Carbonisierung, die in konventionellen Öfen erfolgt.
Welche Forschungsfragen mussten Sie lösen, um den Prozess zu entwickeln?
Zu den zwei wichtigsten Aufgaben zählte einerseits die Entwicklung eines kontinuierlich carbonisierbaren Cellulosefilamentgarnes auf Basis eines nachhaltigen Spinnverfahrens und anderseits die Erhöhung der Carbonausbeute, die nicht nur ökonomisch wichtig war, sondern auch eine Carbonisierung ohne Bildung toxischer Abgase ermöglichte. Hier wurden in der Entwicklung neuer Pyrolysekatalysatoren und der neuen Niederdruckstabilisierungstechnologie Meilensteine zur industriellen Umsetzung erzielt.
Wie verhalten sich die Eigenschaften der cellulosebasierten Fasern im Vergleich zu marktüblichen erdölbasierten?
Wir konnten eine neue Klasse von Carbonfasern erarbeiten, die sich in den Festigkeiten bewährt haben und sich durch hohe Flexibilität und vor allem geringere Sprödigkeit auszeichnen.
Problematisch an marktüblichen Kohlenstofffasern ist der extrem hohe Energieverbrauch in der Herstellung. Wie energieintensiv ist die Herstellung cellulosebasierter Kohlenstofffasern?
Wir haben Vorteile in der Herstellung der Cellulosefilamentgarne, in der sehr energiesparenden Stabilisierung und natürlich in der, mit wesentlich geringerem Auswand zu betreibenden, Abluftnachbehandlung des gesamten Prozesses.
Wie fällt die Gesamtökobilanz der cellulosebasierten gegenüber der erdölbasierten Faser aus?
Es werden nur nachwachsende Rohstoffe eingesetzt. Das Lösemittel des Direktspinnverfahren zur Herstellung der Cellulosepräkursoren wird vollständig rezykliert und auch sonst fallen hier keine Abwasserströme an. Die geringe Abluftmenge bei der Carbonisierung habe ich bereits angesprochen. Dies führt dazu, dass der auf Basis unserer bisherigen Daten berechnete Carbonfootprint sehr vielversprechend ist.
Könnten cellulosebasierte Kohlenstofffasern künftig auch wirtschaftlich mit erdölbasierten konkurrieren?
Nach unseren Berechnungen sehen wir hier jetzt schon sehr gute Chancen, zumindest für bestimmte Anwendung eine Alternative verfügbar zu haben, die sich auch rechnet.
Um welche Anwendungen handelt es sich?
In der Entwicklung sind Anwendungen für den Automotivsektor und für Sportartikel. Anwendungen bei denen die Nachhaltigkeit der eingesetzten Materialien eine immer größere Rolle spielt.
Was ist zu tun, damit cellulosebasierte Fasern auch im industriellen Maßstab hergestellt werden können? Wann könnten sie auf den Markt kommen?
Wir müssen nun aus dem Labormaßstab in den Pilotmaßstab kommen, um entsprechende Carbonfasermengen für Pilotprodukte bereitzustellen. Der Bau dieser Pilotanlage wird gerade in einer Kooperation mit dem "Technikum Laubholz" umgesetzt.
Haben Sie bereits Kontakt zu Unternehmen, die die Faser in ihren Produkten einsetzen wollen?
Es gibt erfreulicherweise ein sehr großes Interesse an der neuen Technologie und an den neuen Carbonfasern.
Vielen Dank für das Interview, Herr Hermanutz.