Am Bundesexzellenzcluster Merge der Technischen Universität Chemnitz werden mit dem Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik (IWU) Möglichkeiten erforscht, wie Formgedächtnisdrähte den Pkw-Leichtbau intelligenter und effizienter machen können. Mithilfe von Formgedächtnisdrähten lassen sich wichtige Funktionen direkt in Materialien integrieren. Das spart viele einzelne Teile und Gewicht.
"Dieses Material hat die Eigenschaft, dass es bei Erwärmung wieder seine Ausgangsform annimmt", erklärt Björn Senf vom Fraunhofer IWU. "Wir binden die Drähte in eine Matrix aus einem Faserkunststoffverbund ein und nutzen deren Verformungsbewegung in den Ausgangszustand aus." Das lasse sich bei Teile anwenden, die sich bei Nutzung erwärmen. Zum Beispiel zur Temperierung eines Motors, einer Brennstoffzelle oder einer Batterie im Auto. Eine dort angebrachte Lüftungsklappe aus einem mit Formgedächtnisdraht durchzogenen Faserkunststoffverbund erwärmt sich ebenfalls und öffnet sich durch das Verformen der Drähte von allein: "Das ist ein autarker Regelkreis, in dem die Wechselwirkung nicht gesteuert werden muss", so Senf.
Gezielt Bewegung durch Stromfluss auslösen
Die Formgedächtnisdrähte können aber noch mehr: "Wärme kann auch durch Stromfluss, speziell durch den elektrischen Widerstand im Leiter, erzeugt werden. Das gibt uns zum einen die Möglichkeit, die Bewegung gezielt auszulösen. Also dann, wenn der Fahrer oder Techniker es will und nicht nur wenn sich die Umgebung erwärmt. Zum anderen können wir das intelligente Material auch als Sensor nutzen", so Senf weiter. Aus der Messung des Widerstands werde die Dehnung der Drähte beziehungsweise die Verformung der Gesamtstruktur bestimmt.
Diese eingebettete Sensorik gezielt auszunutzen und die Technik im Sinne der Funktionsintegration zu optimieren, soll Mittelpunkt der Forschung in Merge II sein, dem soeben beantragten zweiten Teil der Förderperiode des Clusters im Rahmen des Exzellenzstrategie von Bund und Ländern. In dieser zweiten Phase soll verstärkt die großserientaugliche Produktion im Mittelpunkt stehen. Am Beispiel der sogenannten Pultrusion, also dem Strangziehen von faserverstärkten Kunststoffprofilen, wollen die Forscher den Leichtbaugrad dieser Bauteile erhöhen sowie ihre sensorische Funktion besser für die Struktur-Überwachung nutzen. Außerdem sei die Erforschung von Lösungsansätzen zu damit einhergehenden Kontaktierungsproblemen geplant. "Das Ziel ist ein Bauteil ohne Sicherheitsreserven, das über seinen Ermüdungszustand selbst Auskunft gibt, um die minimal eingesetzten Rohstoffe maximal auszunutzen", erklärt Senf.
Lange Lebensdauer, hohe Energiedichte
Die Formgedächtnisdrähte in Verbindung mit dem Faserkunststoffverbund sind ein zukunftsweisendes "Smart Material", das ökonomisch eingesetzt werden kann. Der Formgedächtniseffekt sei bei der typischen geringen Dehnung von weniger als ein Prozent über eine Million Mal nutzbar, erklären die Wissenschaftler. Damit sei die funktionelle Ermüdung äußerst gering und das Material habe eine lange Lebensdauer. Zudem wiesen die Drähte eine hohe Energiedichte auf und entfalteten für ihr geringes Volumen große Kräfte. Das mache sie laut den Forschern zum idealen Ersatz für mehrteilige und damit schwere Geräte.