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23.03.2023 | Leichtbau | Schwerpunkt | Online-Artikel

Flugzeug-Wasserstofftanks bringen Material und Fertigung an Grenzen

verfasst von: Thomas Siebel

5 Min. Lesedauer

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Wasserstoffbetriebene Flugzeuge können einen Beitrag zur CO2-neutralen Luftfahrt leisten. Doch Auslegung und Fertigung der CFK-Tanks sind anspruchsvoll – insbesondere wenn der Wasserstoff flüssig gespeichert werden soll.

Circa 3 % der anthropogenen CO2-Emissionen stammen aus der Luftfahrt. Dazu belasten der entstehende Wasserdampf sowie der Ausstoß von Stickoxiden und Ruß das Klima. Zumindest hinsichtlich eines verringerten CO2-Ausstoßes hat sich die Luftfahrtindustrie allerdings etwas vorgenommen: Nach Plänen der UN-Luftfahrtorganisation ICAO soll die Luftfahrt seit dem Jahr 2020 nur noch CO2-neutral wachsen. Bis 2050 sollen die CO2-Emissionen dann auf Netto-Null schrumpfen. Darauf haben sich 115 Staaten im Rahmen des sogenannten Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation (CORSIA) verständigt – bislang allerdings ohne Beteiligung von China und Russland.

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01.02.2023 | Fertigung + Produktion

Flüssigwasserstofftanks aus CFK für die Luftfahrt

Zukünftige CO 2 -freie Wasserstoffantriebe erfordern neue Systeme zur Treibstoffspeicherung. Für Verkehrsflugzeuge ist die Wasserstoffspeicherung in kryogener Form am effizientesten. Wasserstoff ist zwar deutlich leichter als Kerosin, beansprucht jedoch mehr Volumen bei gleicher Energiedichte. 

Als Teil der Lösung setzt die Luftfahrtindustrie dabei auf nachhaltigere Treibstoffe. Dazu zählt neben synthetisch hergestelltem Kerosin und der Zumischung biomassebasierter Kraftstoffe auch kryogener – also flüssiger – oder gasförmiger Wasserstoff. Laut Airbus eignet sich Wasserstoff vor allem für Kurz- und Mittelstreckenflügen, wo er Emissionen "auf lange Sicht komplett reduzieren" kann. Aktuell entwickelt das Unternehmen einen ersten Prototypen, der bis 2035 einsatzbereit sein soll. Als besonders schwierig gestaltet sich dabei die Entwicklung von Tanks für den Flüssigwasserstoff.

Kryogene Tanks sind leicht, aber technisch anspruchsvoll

Während für den Pkw- und Lkw-Bereich bereits Standards für Drucktanks bestehen und sich verschiedene Unternehmen in dem voraussichtlich stark wachsenden Markt positionieren, ist die Auslegung von Tanks für Wasserstoffflugzeuge ungleich schwieriger. Stärker noch als im Automobil ist Bauraum im Flugzeug knapp und Zusatzgewicht tunlichst zu vermeiden. Wasserstofftanks für Fahrzeuganwendungen verfügen in der Regel über große Wandstärken, um den Gasdrücken von bis zu 700 bar standzuhalten. Entsprechend schwer sind die Tanks.

Aus Luftfahrtsicht ist es hingegen attraktiv, Wasserstoff in flüssiger Form zu speichern. Zwar muss er dafür auf -253 °C heruntergekühlt werden, er lässt sich dann aber bei Speicherdrücken von 1 bis 4 bar speichern ­– und zwar in dünnwandigen und vergleichsweise leichten Tanks aus kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffen (CFK). Die Kehrseite des Gewichtsvorteils bei der Flüssigspeicherung sind jedoch die hohen Anforderungen an Material, Design und Isolierung.

Aufbau aus außen- und innenliegendem Tank

Kryogene Speicher bestehen aus einem inneren und einem äußeren Tank. Der innere Tank nimmt die Innendrucklasten auf und dichtet gegenüber dem Wasserstoff ab, während der äußere Tank auf seiner Innenseite das Vakuum aufrecht hält und dabei dem atmosphärischen Außendruck widersteht. Zwischen den Tanks befindet sich Isoliermaterial. Zudem enthält der Speicher Systeme für das Wasserstoffhandling wie den Tankanschluss oder das Boil-off-Ventil.

Besonders anspruchsvoll an dieser Konstruktion ist dabei die innere Tankstruktur, wie Sebastian Freund, Josef Koord, Bram van de Kamp und Dominik Delisle in der maschinenbau 1/23 darlegen. In ihrem Artikel Flüssigwasserstofftanks aus CFK für die Luftfahrt gehen die Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) im Einzelnen auf die Auslegung und Fertigung entsprechender Tanks ein.

In der Auslegung müssen die CFK-Lagen so aufgebaut sein, dass sie den Anforderungen hinsichtlich Leichtbau und Bauraum genügen, Sicherheit gegen mechanischen und thermischen Lasten bieten und das Hochvakuum abdichten. Nicht zuletzt muss der Lagenaufbau fertigungsgerecht ausgelegt sein. Methoden zur Wickelsimulation und Lagenoptimierung unterstützen dabei.

Thermische Eigenspannungen belasten den Tank

Herausfordernd sind dabei neben den hohen Drucklasten, die der Tank aufnehmen muss, sowie den Lasten aus Gewicht und Schwappbewegungen des Wasserstoffs auch die thermisch induzierten Eigenspannungen im Tank. Sie resultieren die aus den unterschiedlichen Wärmedehnungen von Kohlenstofffasern und Matrixmaterialien und dem großen Temperaturunterschied zwischen der Fertigung und dem Betrieb der Tanks bei -253 °C.

Kritisch wird es für den Tank, wenn sich thermische und mechanische Lasten überlagern. Aus Mikrorissen, die während des Herunterkühlens in der Tankwand entstehen, können unter mechanischer Last Mikrorissnetzwerke erwachsen, die in ein strukturelles Versagen des Tanks münden. Üblicherweise begegnet man diesem Risiko, indem man Barrieren aus Metall oder Kunststoff in der Tankwand verbaut oder indem die Tankwand aus besonders dünnen Einzellagen aufgebaut wird (Thin-Ply), an deren Übergang der Rissfortschritt stoppt.

Diese Maßnahmen bedeuten jedoch zusätzliches Gewicht. Aus Leichtbausicht sinnvoller wäre es, Fasern und Matrix zielgenau so auszuwählen und anzupassen, dass der Tank seine Barrierefunktion auch ohne zusätzliches Gewicht zuverlässig erfüllt. Allerdings bedarf es hierfür laut der DLR-Autoren noch einem besseren Verständnis über die mikromechanischen Vorgänge im Material sowie entsprechender neuer Testmethoden.

Fertigung durch Wickelverfahren oder Automated Fiber Placement?

Als Fertigungsverfahren kommen Wickeltechnologien sowie das Automated Fiber Placement (AFP) in Frage. Für die Wickelbauwesie werden Rovings, Tows oder Tapes auf geodätischen Bahnen um eine bestehende Innenkontur gewickelt. Problematisch ist dabei, dass durch die sich immer wieder kreuzenden Fasern Lücken im Faserverbund entstehen, die mit Matrixmaterial aufgefüllt werden müssen – zulasten der mechanischen Eigenschaften und des Tankgewichts. Zudem wird der Lagenaufbau zu den Polen hin immer dicker, da sich dort der Radius verkleinert. FEM-Berechnungen helfen, die Auswirkungen solcher Effekte zu minimieren.

Beim AFP-Verfahren werden Materialbänder – Tows – unter Anwendung von Druck und Temperatur auf einem formgebenden Werkzeug abgelegt. Im Gegensatz zum Wickelverfahren kann die Ablage von geodätischen Bahnen abweichen, was der Gestaltung mehr Freiheitsgrade verleiht. Es entstehen keine Kreuzungspunkte, der Materialaufwand ist insgesamt geringer und man erhält weniger Faserondulationen. Nachteilig ist jedoch die doppelte Krümmung der Materialbänder im Bereich des Doms – laut der Autoren eine "harte, materialseitige Limitierung in den Möglichkeiten der Flächenbelegung".

Die Autoren ziehen denn auch das Fazit, dass in den Bereichen Struktur, Material und Fertigungsverfahren noch "umfangreiche Forschung erforderlich ist, um die Auslegung und Fertigung kryogener Wasserstofftanks zu ermöglichen und die Luftfahrt CO2-neutral zu gestalten".

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