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2023 | Buch

Lichtquanten

Die Geschichte des komplexen Konzepts und mentalen Modells von Photonen

verfasst von: Klaus Hentschel

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

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Über dieses Buch

Dieses Buch beschäftigt sich mit der Entstehungsgeschichte des komplexen Konzeptes von Photonen aus wissenschaftshistorischer, kognitionspsychologischer und naturwissenschaftlicher Sicht. Dabei werden unter anderem sechs verschiedene mentale Modelle des Lichtquantums bzw. Photons diskutiert. Der Bogen wird vom Teilchenmodell Newtons, dem Singularitätsmodell Einsteins und Bohrs bis zum modernen Konzept der Quantisierung des elektromagnetischen Feldes in der Quantenelektrodynamik gespannt. Der Autor beschäftigt sich zuerst mit der Entwicklungsgeschichte des Photons innerhalb der modernen Physik ab 1900, bevor er zwölf Bedeutungsschichten des Photons ausgehend vom Anfang des 20. Jahrhunderts präsentiert. Anschließend werden die mentalen Modelle des quantisierten Lichts diskutiert und das heutige Modell des Photons besprochen.Die deutlich erweiterte zweite Auflage des Buches wurde unter anderem durch zusätzliche Abschnitte über semiklassische Theorien, Dirac, QED und über die Feynman Lectures ergänzt. Ferner wurde das Kapitel über verschiedene Modelle der Begriffsentwicklung und den hier vertretenen Ansatz der Suche nach mentalen Modellen stark erweitert. Das Buch richtet sich sowohl an Naturwissenschaftler wie auch an Wissenschaftshistoriker und Andere, die sich mit der Begriffs- und Ideengeschichte von Konzepten auseinandersetzen.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Kapitel 1. Einführung
Zusammenfassung
Die Einführung behandelt Methodisches zu dieser Studie, insb. die allgemeine Historiographie wissenschaftlicher Begriffe sowie die kognitionspsychologische Behandlung mentaler Modelle. Abschn. 1.2 liefert eine klare Abgrenzung von Begriff, Konzept und mentalem Modell, und Abschn. 1.3 interpretiert Konzeptentstehung als schichtweise semantische Anreicherung. Ferner werden kurz spezielle Vorarbeiten zu einzelnen historischen Episoden von mir selbst sowie von anderen Wissenschaftshistorikern geschildert, auf deren Arbeiten ich jeweils verweise. Am Ende dieses 1. Kapitels stehen Danksagungen an Verlage, Institutionen und Einzelpersonen.
Klaus Hentschel
Kapitel 2. Der Einstieg: Plancks und Einsteins Wege zur Quantisierung
Zusammenfassung
Kap. 2 bietet als inhaltlichen Einstieg ins Thema eine ausführliche Erörterung von Plancks sowie Einsteins Schritten hin zur Quantisierung, auch im historisch-kontrastiven Vergleich der beiden Denker und ihrer jeweiligen Motive und Heuristiken. Abschn. 2.2 diskutiert Einsteins Gedankenführung bis zum Aufsatz von 1905 und den Zusammenhang der vielen bedeutenden Arbeiten seines annus mirabilis 1905 und der Folgejahre bis 1909, während (in 2.4) als Kontrastfolie dazu Plancks zweite Quantentheorie 1909–13 besprochen wird. Planck versuchte damals (erfolglos), die von ihm selbst 1900 zaghaft eingeführte Quantisierung der Energie auf die materiellen Resonatoren des schwarzen Körpers zurückzuführen, damit das in seinen Augen kontinuierliche (also auch energetisch nicht-quantisierte) Strahlungsfeld in dessen Innerem selbst uneingeschränkt weiter den Maxwell-Gleichungen genügen kann. Mit weiteren Arbeiten Einsteins, die zeigen konnten, dass die Plancksche Formel zur Strahlungsverteilung bereits die Energiequantisierung auch des Strahlungsfeldes selber voraussetzt, war diese Interpretations-Option dahin. Abschn. 2.5 erörtert die Vielfalt einschlägiger Begriffe in statu nascendi im Werk von Einstein und seinen Zeitgenossen. Die meisten der damals erwogenen Begriffsalternativen wie z. B. ‚Lichtkorpuskel‘ oder ‚Energieprojektile‘ sind heute vergessen. Abschn. 2.6 belegt u. a. mithilfe einer google n-gram Statistik den langsamen Aufstieg des Terminus ‚Photon‘, der in der heute verwendeten Form auf den Physikochemiker G.N. Lewis (1926) zurückgeht.
Klaus Hentschel
Kapitel 3. Zwölf Bedeutungsschichten von Lichtquanten
Zusammenfassung
Ausgehend von meinen Thesen über semantische Anreicherung (Akkretion) bzw. Bedeutungs-Faltung (convolution) wird in diesem Kapitel die Geschichte des Konzepts der Lichtquanten in zwölf Bedeutungsschichten behandelt, die ihre Wurzeln z. T. bereits in den älteren Newtonianischen Teilchentheorien des Lichts haben, z. T. in der sogenannten älteren Quantentheorie der Jahre 1900–1924, der Quantenmechanik ab 1925 und zu guter letzt in der sich daran anschließenden Quantenelektrodynamik und Quantenfeldtheorie (1930 ff.).
Klaus Hentschel
Kapitel 4. Verschiedene mentale Modelle früher Akteure (bis 1926)
Zusammenfassung
Kap. 4 diskutiert mentale Modelle früher Akteure (bis 1926). In Abschn. 4.1 zunächst Sir Isaac Newtons Vorstellungen zu „globuli of light“ sowie ergänzende Überlegungen einiger seiner wichtigsten Anhänger, in den beiden folgenden Abschnitten dann Einsteins mentales Modell von Lichtquanten um 1909 als eine Singularität des Strahlungsfeldes, sowie Einsteins eigene Zweifel an Lichtquanten 1910–1915. In den Abschn. 4.4–6 folgen Überlegungen von drei einflußreichen Experimentatoren: Johannes Starks mentales Modell von Lichtquanten, J.J. Thomsons mentales Modell harter Röntgen-Strahlung sowie 4.6. Braggs mentales Paar-Teilchen-Modell von \(\gamma \)-Strahlung. Abschn. 4.7 behandelt Plancks, Debyes und Sommerfelds mentales Modell, das die Quantisierung von Energie und Impuls (erfolglos) auf die materiellen Resonatoren im schwarzen Körper zu reduzieren versuchte sowie Experimente von Meyer und Gerlach zur experimentellen Prüfung der Existenz vermeintlicher Verzögerungszeiten zwischen UV-Bestrahlung und Austritt von Photoelektronen im photoelektrischen Effekt. Abschn. 4.9 diskutiert Überlegungen Max von Laues und Erwin Schrödingers zu Wellenpaketen und Abschn. 4.10 behandelt Gilbert Lewis, mentales Modell von Photonen, mit dem der amerikanische Physiko-Chemiker 1926 aus Überlegungen über die zeitliche Symmetrie von Emission und Absorption den Begriff ‚Photon‘ einführte, aber noch völlig falsche Vorstellungen über die angebliche Erhaltung der Photonen-Zahl hatte.
Klaus Hentschel
Kapitel 5. Frühe Rezeption des Konzepts von Lichtquanten
Zusammenfassung
Kap. 5 schildert die frühe Rezeption des Konzepts von Lichtquanten, beginnend bei anfänglich großer Skepsis fast der gesamten scientific community (inklusive derer, die wie Max Planck und sein Schüler Max von Laue ansonsten zu den größten Förderern Einsteins gehörten). In Abschn. 5.2 wird der Compton-Effekt 1922/23 als Wegscheide interpretiert, und in Abschn. 5.3. wird noch die Theorie von Niels Bohr, H.A. Kramers und John Slater (1924) besprochen. Diese BKS-Theorie war der letzte Versuch einer Quantentheorie ohne energetisch quantisierte Lichtquanten – ein Interpretationsversuch, der mit den Korrelations-Experimenten von Walther Bothe und Hans Geiger (1924–25) sein Ende fand. Danach folgen Diskussionen von de Broglies „Gespensterfeldern“, von Diracs sogenannter „zweiter Quantisierung“ und von semiklassischen Theorien sowie von Ernst Blochs Materialismusproblem (1936/37)
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Kapitel 6. Der Reflex dieser Entwicklungen
Zusammenfassung
Kap. 6 behandelt den Reflex dieser Entwicklungen in Lehrbüchern und im naturwissenschaftlichen Unterricht. Anhand von Tabellen und Beispielen wird im ersten Abschnitt gezeigt, wie acht für die Geschichte der Einführung von Lichtquanten bedeutungsvolle historische Episoden in etwas über 100 untersuchten naturwissenschaftlichen Lehrbüchern sowie fast 40 Praktikumsanleitungen bis heute nicht oder nicht adäquat wiedergegeben wurden bzw. werden. Dadurch werden heranwachsende Naturwissenschaftler im Unterricht wiederholt mit historisch falschen Mythen konfrontiert, die den Weg zu einem tieferen Verständnis von historischen Prozessen, aber auch zu einem adäquaten Verständnis der in Rede stehenden Konzepte wie dem des Lichtquantums alias Photon versperren. Es wird wird die Forderung unterstützt, dass gute naturwissenschaftliche Ausbildung von ebenso professioneller Unterrichtung zur Geschichte der Naturwissenschaften und Technik begleitet sein sollte. Im zweiten Abschnitt werden speziell ausgewählte Passagen der Feynman Lectures on Physics behandelt, eines der bis heute einflußreichsten Physik-Lehrbücher
Klaus Hentschel
Kapitel 7. Alternative Theorien der Begriffsentwicklung
Zusammenfassung
Kap. 7 behandelt verschiedene Theorien zur Interpretation naturwissenschaftlicher Begriffsentwicklung, die zu dem in diesem Buch vertretenen Modell einer schichtweisen semantischen Akkretion von Bedeutungsebenen in Konkurrenz stehen. Es beginnt mit einer Darlegung der Theorie des polnischen Mikrobiologen Ludwik Fleck, der Begriffsentwicklung als Ergebnis denkgeschichtlicher Entwicklung deutete. Danach folgt in Abschn. 7.2 eine kurze Revue traditioneller Ansätze zur Beschreibung von Begriffsgeschichte als einer durch die Logik der Begriffe schon vorgezeichneten Begriffsentfaltung (vertreten z. B. von Wolfgang Neuser) oder konkurrierend dazu als einer ständig Begriffs-Varianten und -Abwandlungen spinnenden Metaphorologie (so Werner Kutschmann). Auch Arianna Borrellis Überlegungen zu Interdependenzen von Begriffsentwicklung und materiell-instrumentellen Aspekten werden hier (in Abschn. 7.3) erörtert. In Abschn. 7.4 betrachten wir das Konzept ‚Lichtquanten‘ als eine begriffliche Überlagerung im Sinne des kognitiven Modells von ‚conceptual blending‘ von Gilles Fauconnier und Mark Turner (2002). Analog dazu, wie das Konzept eines schwarzen Loches interpretiert werden kann als die Überlagerung der Alltagsvorstellung eines dunklen Loches, in das Objekte wie z. B. Golfbälle hineinrollen können und dann nicht mehr gesehen werden mit dem mathematischen Konzept einer Raum-Zeit-Singularität, analog dazu können Photonen interpretiert werden als die Überlagerung einer aus dem Newtonschen Projektilmodell des Lichts folgenden Vorstellung einer Teilchenartigkeit mit der aus Entropie und Schwankungsbetrachtungen folgenden Vorstellung einer Quantisierung der Energie jener ,Lichtquanten‘. Die Abbildungen 7.1–3 liefern drei verschieden fein aufgelöste Beschreibungen für diese Interpretation, die im Kontrast zu der in Kap. 3 diskutierten und in der Zeit fortschreitenden Deutung nur aus dem historischen Rückblick heraus angestellt werden kann. Als vierter methodischer Zugang zur Begriffsgeschichte wird in Abschn. 7.5 dann noch die ‚Historische Ontologie‘ im Stile Ian Hackings besprochen, wie sie beispielsweise von Aaron S. Wright auf das Konzept des Vakuums angewendet wurde. Als Beispiel für eine narrative Umsetzung jenes Ansatzes in Form einer Quasi-Biographie eines wissenschaftlichen Objekts diskutiere ich dann die Ansätze von Theodore Arabatzis (in Abschn. 7.6). Nach der Erörterung der Vor- und Nachteile jeder dieser Zugänge werden ferner in Abschn. 7.7 noch einige allgemeinere Charakteristika mentaler Modelle diskutiert, mit denen die Geschichte des Konzepts von Lichtquanten hier in diesem Buch beschrieben wird.
Klaus Hentschel
Kapitel 8. Experimente zur Quantenmechanik des Photons seit 1945
Zusammenfassung
Kap. 8 diskutiert neuere Experimente zur Quantenmechanik des Photons (seit 1945). Dabei beginnt Abschn. 8.1 mit Photonenklumpen, wie sie seit den von Hanbury Brown und Twiss (HBT) 1955–57 ausgeführten Experimenten untersucht werden. Abschn. 8.2 und 8.3 setzen fort mit einem Bericht über Experimente an einzelnen Photonen vor dem halbdurchlässigen Spiegel bzw. zu Ein-Photon-Interferenzen von Taylor 1909 bis Grangier et al. (1986). Die Abschn. 8.4 und 8.5 behandeln Experimente von Alain Aspect und seinem französischen Team über verschränkte Photonen 1980 ff. bzw. Wheelers „Welcher Weg“ und delayed choice-Experimente, später fortgeführt (in Abschn. 8.9) über Quantenverschränkung und Quantenteleportation. Abschn. 8.6 behandelt photon-bunching und den dieses Zusammenclustern von Photonen, die als Spin-1-Teilchen quantenstatistisch gesehen Bosonen sind, experimentell bestätigenden Hong-Ou-Mandel-Dip; der darauf folgende Abschn. 8.8 behandelt Photonen-antibunching in der Resonanzfluoreszenz und der in der zweiten Auflage neu hinzugekommene Abschnitt die Erzeugung und Vernichtung einzelner Photonen in Kavitäten. Der letzte Abschnitt dieses 8. Kapitels behandelt erst im Februar 2017 bekanntgewordene hochenergetische Streuungs-Experimente mit Bleiionen am Large-Hadron-Collider (LHC) des CERN, die womöglich die erste direkte Beobachtung der Photon-Photon-Streuung darstellen, welche zuvor nur in einer Vielzahl indirekter Indizien getestet werden konnte.
Klaus Hentschel
Kapitel 9. Wie muss unser heutiges mentales Modell des Photons aussehen?
Zusammenfassung
Kap. 9 fragt: Wie muss unser heutiges mentales Modell von Photonen aussehen? Naiv-materialistische Projektil- oder Teilcheninterpretationen des Lichts verteidigten nicht nur Isaac Newton und seine zahlreichen Anhänger vom 17.–19. Jahrhundert, sondern im 20. Jahrhundert noch so bedeutende Experimentatoren wie Johannes Stark oder Arthur Holly Compton. Dagegen setzten Thomas Young, Augustin Fresnel und viele andere Naturforscher des 19. und frühen 20. Jahrhunderts eine ebenso naiv-verabsolutierende Wellentheorie des Lichts, wie sie auch den Maxwell-Gleichungen der elektromagnetischen Strahlung zugrundeliegt. Beide Interpretationsansätze werden dem sich ab 1909 abzeichnenden Welle-Teilchen-Dualismus nicht gerecht. Daher verteidigen die Abschn. 9.1 bis 9.4 eine ontologisch zurückhaltende, instrumentalistische Interpretation, die Vermeidung eines naiven Realismus sowie unberechtigter Lokalitäts-Zuschreibungen. Abschn. 9.5 kommt darüber hinaus noch zu einer Abschiednahme von unserer Tendenz zur Individuierung, da wir nur so der andersartigen Bose-Einstein-Statistik gerecht werden können. Weil all dies unserer an makroskopischen Objekten gewachsenen Intuition so grundlegend widerspricht, bleibt das Lichtquantum alias Photon dennoch eine „mysterious Cheshire cat“, ein „elusive beast“.
Klaus Hentschel
Kapitel 10. Zusammenfassung/Abstract
Zusammenfassung
Im 10. Kapitel und den nachfolgenden Anhängen findet sich eine kurze deutsche Zusammenfassung samt englischem Abstract, die Bibliographie aller zitierten oder im Text erwähnten Primär- und Sekundärtexte sowie eine einseitige Auflistung einiger besonders nützlicher Websites zum Thema Lichtquanten, Photonen, Photoeffekt usw. Man beachte, daß in diesem Buch anders als in Springer-Lehrbüchern nur ein Literaturverzeichnis am Ende des Buches vorliegt, während die Kapitel vorher keine Einzel-Literaturangaben haben, sondern lediglich Kurz-Referenzen im Harvard-System Nachname (Erscheinungsjahr): Seite, die auf die Einträge im Literaturverzeichnis am Ende des Buches verweisen.
Klaus Hentschel
Backmatter
Metadaten
Titel
Lichtquanten
verfasst von
Klaus Hentschel
Copyright-Jahr
2023
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-662-66933-4
Print ISBN
978-3-662-66932-7
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-66933-4

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