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30.01.2023 | Lieferkettenmanagement | Schwerpunkt | Online-Artikel

Die Deglobalisierung läuft auf Hochtouren

verfasst von: Andrea Amerland

3:30 Min. Lesedauer

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In der Politik gehen die Meinungen über die Wirtschaftsbeziehungen zu China auseinander. Die europäischen Unternehmen wollen allerdings global unabhängiger werden und ihre Lieferketten lokaler ausgestalten, so eine Studie. Das Mittel der Wahl: Diversifikation.

Die Vorteile der Globalisierung haben sich während der Corona-Krise, durch Trumps Zollkrieg, den Brexit und aktuell durch den Ukraine-Krieg in ihr Gegenteil verkehrt. Lieferketten funktionieren nunmehr seit Jahren alles andere als reibungslos. Verbraucher, die Monate auf Produkte warten müssen, können davon ein Lied singen.

Empfehlung der Redaktion

2022 | OriginalPaper | Buchkapitel

Resiliente Supply Chains und der Faktor Mensch: Digitalisierung und Automatisierung im Rahmen innovativer Logistikkonzepte in Krisenzeiten

Wenn Sie an der deutschen Nordseeküste ein Krabbenbrötchen mit Nordesskrabben kaufen, haben diese bereits eine weite Reise hinter sich: rund 90 Prozent der in Deutschland gefangenen Nordseekrabben werden nach dem Fang nach Marokko transportiert.

Gerade die Covid-19-Pandemie habe die Verwundbarkeit der globalen Just-in-time-Produktion vor Augen geführt, schreiben Florian Butollo und Cornelia Staritz im "Berliner Journal für Soziologie" | Ausgabe 3/2022. 

Der chinesische Lockdown ab Januar 2020 führte schnell zu Lieferausfällen bei wichtigen Vor- und Endprodukten für die industrielle Produktion. Engpässe bei der Versorgung mit medizinischen Produkten zur Pandemiebekämpfung steigerten die Besorgnis über eine übermäßige Abhängigkeit von globalen Importen beziehungsweise einer Aushöhlung industrieller Kapazitäten in der EU und den USA. Viele Lieferketten, zum Beispiel im Bereich von Möbeln, Schuhen oder Elektronikprodukten, blieben auch im Jahr 2021 störanfällig, infolge von weiteren Lockdowns und anhaltenden Problemen im Seefrachtverkehr sowie einer zugleich deutlich angestiegenen Nachfrage.

Resiliente Lieferketen durch Lokalisierung

Infolgedessen wuchs die Erwartung, dass es in Unternehmen ein Umdenken geben müsste, damit die Lieferkettenresilienz steigt und zwar, indem Abhängigkeiten von den globalen und insbesondere chinesischen Zulieferfirmen reduziert und regionale Produktionsnetzwerke aufgebaut werden, schreiben die Autoren in dem Open-Access-Artikel "Deglobalisierung, Rekonfiguration oder Business as Usual? COVID-19 und die Grenzen der Rückverlagerung globalisierter Produktion." 

Und tatsächlich wollen Unternehmen dieser Misere begegnen, indem sie ihre Wertschöpfungsketten stärker lokalisieren. Das ergibt eine Horváth-Studie zu Deglobalisierungstendenzen, für die die Managementberatung im August 2022 rund 150 Führungskräfte aus Unternehmen mit mindestens 200 Millionen Euro Jahresumsatz befragt hat.

So planen 85 Prozent aller Umfrageteilnehmer bis 2025, ihre Lieferketten von der Produktion bis zum Vertrieb in den jeweiligen Absatzmärkten nach dem Prinzip "local for local" bündeln zu wollen. 60 Prozent der Unternehmen mit Standorten in China verlagern Geschäftsaktivitäten schritt- oder teilweise nach Indien, Japan, Singapur oder Südkorea.

Als Gründe für diese Verschiebungen nennen die europäischen Entscheider geopolitische Unsicherheiten, Supply-Chain-Probleme sowie den enormen Aufwand, um Nachhaltigkeitskriterien und regulatorischen Vorgaben im Ausland einhalten zu können.

Trend Diversifikation der Supply Chain

Ziel dabei ist nicht, sich als europäischer Markt abzuschotten. Denn von den Unternehmen, die in den nächsten Jahren neue Absatzmärkte erschließen wollen, agieren 85 Prozent weiterhin außerhalb der alten Welt. Auch wenn 66 Prozent vor allem auf ihrem Heimatkontinent wachsen möchten, streben 47 Prozent weiterhin Richtung Asien, 37 Prozent nach Nord- und 33 Prozent nach Südamerika. Aber auch der Mittlere Osten (26 Prozent), Afrika (17 Prozent) und Ozeanien (elf Prozent) sind der Teil der Internationalisierungsstrategie.

"Für eine resiliente Aufstellung ist es ohnehin ratsam, künftig nicht alles auf eine Karte setzen und stattdessen eine Diversifikation vorzunehmen", so Horváth-CEO Helmut Ahr. Auch warnten Ökomomen davor, etwa China vollkommen den Rücken zu kehren. 

Agilität, Transparenz und Robustheit

Doch Diversifikation allein reicht nicht, um alle Risiken in Wertschöpfungsketten abzufedern. Im Buchkapitel "Grundlagen von Resilienz und Supply Chain Management" empfehlen Florian C. Kleemann und Ronja Frühbeis kombiniert auf zwei Eckpfeiler zu setzen, um eine besonders hohe Resilienz in der Supply Chain zu erreichen:

Agilität als reaktiver Ansatzes, damit schnelle Anpassungen an auftretende Störungen möglich sind. "Dazu gehören im Supply Chain Management Erfolgsfaktoren wie Flexibilität, Notfallkonzepte, Reaktionsfähigkeit und -geschwindigkeit sowie die Transparenz beziehungsweise Verfügbarkeit von Informationen."

Robustheit der Strukturen und Prozesse, um auftretende Störungen mittels Risikostreuung abfangen zu können. Hierzu zählen nach Ansicht der Autoren der Kollaborationsgrad, fähige Mitarbeitende, ein redundantes Supply Chain Design, die Einplanung von Puffern in Bestand und Transportkapazität sowie leistungsfähige Logistik- beziehungsweise IT-Ressourcen vorzuhalten.

Gerade Letzteres ist unabdingbar für transparente Produktions- und Beschaffungsprozesse. Daher sollten Unternehmen auf eine IT-Lösung setzen, die über die Infrastruktur der eigenen Unternehmensgrenzen hinausgeht, damit alle Lieferanten darauf zugreifen können, heißt es in der Zeitschrift "Nachhaltige Industrie" | Ausgabe 1/2022. So lassen sich nicht nur Risiken rechtzeitig erkennen, sondern die Lieferkette wird automatisch resilienter und nachhaltiger.

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