24.06.2025 | Lieferkettenmanagement | Gastbeitrag | Online-Artikel
Mit KI Trumps Strafzölle kontern
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Wie Unternehmen mithilfe künstlicher Intelligenz Trumps Zollchaos begegnen und ihre Einkaufs- und Vertriebsstrategie optimieren. Das Beispiel eines Automobilzulieferers.
Die Strafzölle der USA treffen die Automobilbranche besonders hart. Doch KI kann dabei helfen, eine eine optimale Unternehmensstrategie im Kontext der neuen Zollpolitik zu entwickeln.
j-mel / Stock.adobe.com
Obwohl in seinem privaten Fuhrpark auch ein deutsches Auto steht, ein Mercedes Benz SLR McLaren, ist Donald Trump auf die deutsche Automobilindustrie nicht gut zu sprechen. "Einer der Gründe, warum ich Zölle einführe, ist, dass wir Millionen ihrer Autos nehmen – BMW, Volkswagen, Mercedes-Benz", sagt Trump. Dass Deutschland im vergangenen Jahr Autos und Autoteile im Gesamtwert von 25,2 Milliarden Euro in die USA exportierte, aber nur umgekehrt Autos für 6,8 Milliarden Euro aus den USA bezog, ist für den US-Präsident "unfairer Handel".
Mit den Zöllen will Trump erzwingen, "dass deutsche Autokonzerne zu amerikanischen Autokonzernen werden, dass sie ihre Fabriken hier bauen." Seit Anfang April erheben die USA deshalb pauschal 25 % Zoll auf importierte Autos aus der EU, zuvor waren es nur 2,5 %.
Neue Epoche in der Weltwirtschaft
"Wir erleben einen Epochenwandel in der Weltwirtschaft", sagt dazu Moritz Schularick, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft. Seit dem 2. April 2025, den Trump zum "Tag der Befreiung" erklärte, verärgert der US-Präsident mit seiner Zollpolitik die Handelspartner der USA. Zölle sind für ihn das wichtigste Instrument, um sein Wahlversprechen zu verwirklichen: Industriearbeitsplätze zurück in die Vereinigten Staaten zu holen und Amerika wieder "great" zu machen.
Die täglich neuen Zoll-Drohungen und -Anordnungen beeinflussen die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sowohl auf der Einkaufs- wie auf der Vertriebsseite. Viele Unternehmen reagieren darauf jedoch rein defensiv mit Kostensenkung. Was sie übersehen: Diese Entwicklung bietet auch Chancen. Denn zugleich verändert sich ja auch die Lage der Lieferanten, Konkurrenten und Kunden. Daraus ergeben sich häufig neue Spielräume für Verhandlungen gegenüber Lieferanten, die unter Druck geraten, und Kunden, weil Konkurrenten an preislicher Wettbewerbsfähigkeit verlieren.
Wenn das Getriebe chinesische Vorprodukte enthält
Das zeigt das Beispiel eines deutschen Automobilzulieferers. Dieser exportiert Getriebegehäuse aus Aluminium für einen großen Automobilhersteller in den USA. Dazu importiert der Zulieferer Gussrohlinge aus China, die er in Europa weiterverarbeitet. Bis zu Trumps "Tag der Befreiung" konnte das Unternehmen die Gussrohlinge kostengünstig aus China importieren und die fertigen Getriebegehäuse zollneutral in die USA exportieren. Zwar unterlagen chinesische Gussrohlinge schon zu diesem Zeitpunkt beim direkten Import in die USA einem Zoll von 25 %. Fertigteile mit EU-Ursprung waren jedoch weitgehend zollbefreit, und die Zölle auf Aluminiumprodukte waren für die EU ausgesetzt oder reduziert.
Inzwischen hat sich die Wettbewerbslage durch die neuen Zölle grundlegend geändert. Autos und Autoteile mit EU-Ursprung werden seit Mai mit 25 % US-Zoll belastet, unabhängig vom Anteil chinesischer Vorprodukte. Auf Aluminiumteile erheben die USA generell wieder einen Zoll von 10 %, und auf Produkte aus China kommt zusätzlich ein US-Zoll von 30 % beziehungsweise nach neuesten, aber von chinesischer Seite nicht bestätigten Meldungen sogar in Höhe von 55 %.
KI-Optimierung unter dem neuen Zollregime
Was kann, was soll der deutsche Hersteller nun unter dem neuen Zollregime tun? Mithilfe von zwei aufeinander abgestimmten Software-Tools auf Basis künstlicher Intelligenz (KI) konnten wir für ihn schnell die optimale Lösung finden. Die erste Komponente des Tools stellt eigenständig alle verfügbaren Informationen aus Datenbanken und Webseiten zusammen, um den Impact der Zölle auf die eigenen Preise, die der Lieferanten und die der Wettbewerber zu untersuchen.
Auf dieser Basis analysiert die zweite Toolkomponente dann in Sekundenbruchteilen alle möglichen Szenarien, um die beste Lösung für eine gesamtheitliche Zollstrategie für Einkauf und Vertrieb herauszufiltern. Die herkömmlichen Instrumente wie Excel-Tabellen oder Entscheidungsbäume sind dafür ungeeignet, mit ihnen würde zu viel Zeit für die Datenbeschaffung und -verarbeitung verschwendet, statt diese in die Strategie zu investieren.
Implikationen für Einkauf und Vertrieb
Chinesische Lieferanten geraten durch die kumulierten Zölle unter starken Preisdruck, was sich als Hebel in Einkaufverhandlungen nutzen lässt, um sie zu Preiszugeständnissen zu bewegen. Die mittelfristige Empfehlung für den deutschen Getriebegehäusehersteller ist jedoch eine Dual-Sourcing-Strategie mit Gießereien innerhalb der EU, die die KI vorschlägt.
Für den Vertrieb stellt sich die Lage so dar: US-Autoproduzenten zahlen künftig auf Importe von Getriebegehäusen aus Europa 25 % Zoll – also erheblich weniger als der kumulierte Zoll für entsprechende Konkurrenzprodukte aus China. Mit den deutschen Getriebegehäusen würden die US-Unternehmen zudem ihre China-Abhängigkeit und das Risiko einer erneuten Eskalation zwischen den USA und China verringern. Der Vertrieb des deutschen Herstellers kann zudem als Vorteil anbieten, den Kosteneffekt durch die höheren Zölle zu teilen ("Pain Share") – bei garantierter fester Abnahmemenge.
Gewinn an Transparenz und Flexibilität
So kann sich der deutsche Getriebegehäuse-Zulieferer gegenüber seinen US-Kunden als flexibler und zuverlässiger Partner trotz der gewachsenen geopolitischen Risiken positionieren. Die Wertschöpfung in Europa sichert gegen Zollrisiken aus China ab und verschafft mehr Versorgungssicherheit. Und selbst wenn Trump die Strafzölle gegenüber China zurücknehmen oder stark reduzieren würde, verfügt der deutsche Hersteller aufgrund zusätzlicher Lieferalternativen über größere Verhandlungsmacht gegenüber seinen Lieferanten. Langfristig garantiert jedoch nur die Fertigung vor Ort in den USA die Vermeidung jeglicher Zölle und damit auch eine stärkere Verhandlungsposition gegenüber US-Autokonzernen.
Fazit: In dieser von Unsicherheit und schnellen Veränderungen gekennzeichneten Situation ist es entscheidend zu wissen, welche Produkte, Lieferanten und Kunden in welchem Ausmaß von Zöllen betroffen sind, wie sich die Wettbewerbslage verändert und welche Hebel sich daraus für die Verhandlungen mit Lieferanten und Kunden ergeben. Strafzölle sind insofern mehr als nur ein Beschaffungsthema, sie sind ein Anlass zu strategischen Verhandlungen.