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"KI liefert Wahrscheinlichkeiten, keine Gewissheiten"

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Künstliche Intelligenz ist kein Allheilmittel. Wer sie dazu einsetzt, um Lieferketten effizienter und nachhaltiger zu gestalten, benötigt zunächst eine solide Datenbasis. Fehlt diese, geraten Unternehmen in eine riskante Position – so Logistikexperte Fabian Heinrich im Interview.

Fabian Heinrich ist CEO und Co-Founder von Mercanis und Experte für digitale Beschaffung und Supply Chains. Vor der Gründung von Mercanis baute er einen globalen Marktführer im Supplier Scouting auf und unterstützte internationale Unternehmen wie Siemens, Audi und Unilever bei der Optimierung ihrer Lieferketten.


springerprofessional.de: Herr Heinrich, inwieweit setzen US-Strafzölle und geopolitische Spannungen den Lieferketten deutscher Mittelständler zu?

Fabian Heinrich: US-Strafzölle und geopolitische Spannungen treffen den deutschen Mittelstand in doppelter Hinsicht: Einerseits steigen die Kosten durch zusätzliche Abgaben, andererseits werden Lieferketten zunehmend unsicher. Besonders exportorientierte Unternehmen, die stark von internationalen Beschaffungsmärkten abhängen, geraten dadurch in eine Zwickmühle. Klassische, manuelle Prozesse im Einkauf sind hier zu langsam und zu unflexibel. Sie stoßen an ihre Grenzen, wenn sich politische Entscheidungen binnen Stunden auf Transportwege, Lieferverfügbarkeiten oder Rohstoffpreise auswirken. Ohne transparente Datenbasis verlieren Unternehmen wertvolle Zeit und Handlungsspielräume, während Margen schrumpfen und Versorgungsrisiken zunehmen.

Warum sind Strafzölle in Ihren Augen kein Logistik-, sondern ein Datenproblem?

Strafzölle wirken zwar operativ auf Lieferketten und Logistik, ihr eigentliches Risiko liegt aber in der fehlenden Transparenz und Geschwindigkeit bei der Informationsverarbeitung. Unternehmen scheitern weniger an den physischen Zollprozessen, sondern vielmehr daran, dass relevante Daten über Veränderungen – etwa neue Abgaben, betroffene Regionen oder alternative Bezugsquellen – nicht rechtzeitig integriert werden. Manuelle Recherchen und fragmentierte Informationen führen zu Verzögerungen. Wer dagegen auf digitale Systeme mit Frühwarnmechanismen setzt, kann solche geopolitischen Veränderungen in Echtzeit auf die eigene Einkaufsstrategie übertragen und proaktiv reagieren. Strafzölle sind damit primär ein Daten- und Entscheidungsproblem, nicht nur eine logistische Herausforderung.

Inwieweit kann Künstliche Intelligenz (KI) zur Effizienz und Nachhaltigkeit von Lieferketten beitragen?

KI schafft die Grundlage für Resilienz, Effizienz und Nachhaltigkeit, indem sie Einkaufs- und Lieferkettenprozesse vorausschauend und datenbasiert steuert.
Risikominimierung: Künstliche Intelligenz erkennt geopolitische Entwicklungen in Echtzeit, setzt sie in den unternehmensspezifischen Kontext und ermöglicht proaktives Handeln.
Dynamisches Multisourcing: Durch Supplier-Scouting-Agents identifiziert und qualifiziert KI neue Lieferanten automatisiert, was Abhängigkeiten reduziert.
Preissteuerung: Künstliche Intelligenz überwacht Rohstoffindizes und erkennt, ob Preisforderungen gerechtfertigt sind – so können Verhandlungen faktenbasiert geführt werden.
Kommunikation: Generative KI reduziert Abstimmungsaufwand durch automatisierte Anfragen und strukturierte Weitergabe von Informationen.
Nachhaltigkeit entsteht dadurch, dass Unternehmen nicht mehr reaktiv handeln, sondern stabile, diversifizierte und transparente Lieferketten aufbauen.

Welche Herausforderungen bringt KI für das Lieferketten-Management zugleich mit sich?

Natürlich ist Künstliche Intelligenz kein Allheilmittel. Der Erfolg steht und fällt mit der Datenqualität – und hier haben viele Mittelständler noch Nachholbedarf. Wer mit fragmentierten Excel-Listen und veralteten Systemen arbeitet, wird auch von der besten KI keine Wunder erwarten können. Garbage in, garbage out – das gilt besonders bei komplexen Lieferketten. Die technische Integration ist ebenfalls eine Hürde. KI-Systeme nahtlos in bestehende Enterprise-Resource-Planning-Landschaften (ERP) einzubinden, erfordert Know-how und Zeit. Wichtig dabei: KI liefert Wahrscheinlichkeiten, keine Gewissheiten. Ein erfahrener Einkäufer muss lernen, diese Prognosen richtig einzuordnen und mit seinem Marktverständnis abzugleichen. Wer blind der Technologie vertraut oder sie pauschal ablehnt, macht einen Fehler. Gleichzeitig verändert KI die Einkaufsabteilung grundlegend. Routineaufgaben verschwinden, strategisches Denken wird wichtiger. Das verunsichert Mitarbeiter – deshalb sind Schulungen und transparente Kommunikation entscheidend für den Erfolg. Ein letzter Punkt: Black-Box-Algorithmen machen Entscheidungen oft schwer nachvollziehbar. Und wer sich zu stark an einen KI-Anbieter bindet, tauscht alte Abhängigkeiten gegen neue ein. Mittelständler sollten deshalb darauf achten, dass KI-Tools nicht nur effizient, sondern auch erklärbar und austauschbar bleiben.

Wie sollten mittelständische Unternehmen auf US-Strafzölle reagieren, wenn ihnen die Datenbasis für schnelle Entscheidungen fehlt?

Fehlt eine solide Datenbasis, geraten Unternehmen in eine reaktive und riskante Position. Die zentrale Antwort lautet: Sie müssen ihre Beschaffungsprozesse so gestalten, dass Entscheidungsgrundlagen auch unter unsicheren Bedingungen schnell verfügbar sind. Das bedeutet: Lieferantendaten bündeln, Systeme miteinander verknüpfen und Transparenz über Abhängigkeiten herstellen. Nur so können alternative Bezugsquellen identifiziert, Total-Cost-of-Ownership-Analysen (TCO) durchgeführt oder Preisentwicklungen faktenbasiert bewertet werden. Unternehmen, die weiterhin auf manuelle Prozesse setzen, verlieren wertvolle Zeit und bleiben in Abhängigkeit. Mit modernen Plattformen lässt sich eine digitale Lieferantenbasis innerhalb von zwei Wochen aufbauen und anschließend mit KI-gestützten Informationen anreichern – das schafft eine nie dagewesene Transparenz im Lieferantenstamm. Mittelständler sollten deshalb so schnell wie möglich Systeme etablieren, die Risiken sichtbar machen, Alternativen aufzeigen und Entscheidungsprozesse beschleunigen.

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Die Hintergründe zu diesem Inhalt

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