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2017 | OriginalPaper | Buchkapitel

2. Theorien der Migrationssoziologie

verfasst von : Petra Aigner

Erschienen in: Migrationssoziologie

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

Zu den klassischen Ansätzen der Migrationssoziologie zählen die Theorien von Ernest Ravenstein (The Laws of Migration), Georg Simmel (Exkurs über den Fremden), Robert Park (Marginal Man) und Alfred Schütz (The Stranger). Sie sollen im Folgenden erläutert werden.

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Fußnoten
1
Die neoklassische Theorie ist eine akteurzentrierte Theorie, die die ökonomisch rational handelnde Person als wesentlichen Akteur in Migrationsprozessen betrachtet (vgl. Düvell 2006). Harris und Todaro (1970) argumentieren, dass in der neoklassischen Theorie Migration auf der Differenz von Löhnen im Abwanderungs- bzw. Zuwanderungsgebiet beruhe.
 
2
Die Dual Labour Market Theory bzw. Segmented Labour Market Theory (duale Arbeitsmarkt- theorie bzw. segmentierte Arbeitsmarkttheorien) basiert auf der Grundlage, dass internationale Migration ein Resultat von strukturellem Bedarf an hoch qualifizierten und Facharbeitskräften zur Produktionserhöhung sei. Ein dualer Arbeitsmarkt kristallisiere sich in der Folge daraus. Da einheimische Arbeitskräfte vom sekundären Sektor, also von höheren Lohngruppen angezogen würden, entstehe in den unteren Arbeitsmarktsegmenten eine Nachfrage nach migrantischen Arbeitskräften (vgl. Düvell 2006).
 
3
Sassen argumentiert, dass Global Cities durch ökonomische Polarisierung charakterisiert seien. Die einheimischen Arbeitskräfte konzentrieren sich auf die höheren Lohngruppen im Finanzwesen, in der Forschung und im Management, wogegen die schlechter bezahlten Arbeitskräfte die unteren Segmente des Arbeitsmarktes bedienen. Hier entstehe Nachfrage nach migrantischen Arbeitskräften.
 
4
Hierauf wird im Teil 2 dieses Bandes gesondert eingegangen.
 
5
Mit Verweis auf jüdische Händler.
 
6
Robert Park war Mitbegründer der Chicago School (1920–1935) und ist für erste Ansätze und die Begründung der Stadtsoziologie und Kriminalsoziologie bekannt.
 
7
Der Begriff Cultural Hybridity wird von Park erstmals verwendet und später unter anderem in der Kritik am Assimilations- und Pluralismusmodell der Migrationsforschung als Alternative genannt, um die Identifikations- und Integrationsprozesse von Einzelnen und Gruppen zu beschreiben, vor allem den In-between-Status von migrantischen Identitäten in Aufnahmegesellschaften. Besonders von Stuart Hall (Hall und DuGay 1996) oder Homi Bhaba (1996) wird diese Thematik aufgegriffen.
 
8
[Es] erschien eine neue Art von Persönlichkeit, nämlich eine kulturell hybride, ein Mensch, der durch und durch das kulturelle Leben und die Traditionen von zwei verschiedene Völkern/Kulturen lebt und teilt; nie ganz bereit, mit den ursprünglichen Traditionen und seiner Vergangenheit zu brechen, auch wenn es die Erlaubnis dazu gäbe, und niemals ganz akzeptiert, aufgrund von rassistischen Vorurteilen in der neuen Gesellschaft, in der er nun versucht, einen Platz zu finden.
 
9
Für unsere derzeitigen Interessen soll die Terminologie Stranger folgendermaßen definiert werden: Eine erwachsene Person unserer Zeit und unserer Zivilisation, die versucht, dauerhaft akzeptiert oder wenigstens toleriert zu werden von der Gruppe, an die sie sich annähert.
 
10
„[…]; under all circumstances, however, he remains excluded from such experiences of the past. Seen from the point of view of the approached group, he is a man without a history“ (Schütz 1944, S. 502).
 
11
Diese Denktradition fand am Institut für Soziologie der University of Chicago ihren Ursprung.
 
12
In diesem Werk wird erstmals die Pluralismusdebatte entfacht. Kallen (1915) definiert kulturellen Pluralismus als einen gesellschaftlichen Zustand, in dem ethnische Gruppen untereinander kohäsiv agieren und ihre Sprache, Herkunftskultur, Religion und Gebräuche weiter pflegen, während sie gleichzeitig am wirtschaftlichen und politischen Leben der USA partizipieren, wenngleich gegenseitiger Respekt gegenüber ethnischen Unterschieden herrscht.
 
13
Sie verweisen auf Charles Darwins (1859) The theory of the origin of species by means of natural selection.
 
14
Akkommodation wird als ein Prozess der Anpassung beschrieben, das heißt, eine Organisation der sozialen Beziehungen und Haltungen, um Konflikte zu verhindern oder zu reduzieren, um die Wettbewerbe zu kontrollieren und um eine Grundlage der Sicherheit in der sozialen Ordnung für Personen und Gruppen unterschiedlicher Interessen zu erhalten und gemeinsam ihre Lebensaktivitäten weiter zu vollziehen.
 
15
Assimilation […], um den Prozess, durch den die Kultur einer Gemeinschaft oder eines Landes auf einen angenommenen Bürger übertragen wird, zu beschreiben. […] Die Assimilation ist ein Prozess der gegenseitigen Durchdringung und Verschmelzung, in der Personen oder Personengruppen ihre Erfahrungen und Geschichte in einem gemeinsamen kulturellen Leben integrieren. Soweit Assimilation diese Gemeinsamkeit der Tradition kennzeichnet, diese intime Teilnahme an gemeinsamen Erfahrungen, hat Assimilation eine zentrale Bedeutung in historischen und kulturellen Prozessen.
 
16
Der Prozess der Einwanderung ist ein Prozess des körperlichen Übergangs von einer Gesellschaft zur anderen. In diesem Prozess wird der Einwandernde aus einem mehr oder weniger stabilen sozialen System entnommen und in ein anderes transplantiert. Dieser Prozess der Transplantation ist mit erheblichen Frustrationen für den/die ImmigrantIn verbunden und gibt Anlass zu vielen sozialen Problemen unter den Einwandernden.
 
17
Die anfängliche Zuwanderung wird in der Regel durch Gefühle der Unzulänglichkeit und Unsicherheit innerhalb des ehemaligen sozialen Systems und von der Hoffnung, diese Unsicherheit [durch Migration] zu lösen, motiviert.
 
18
In dieser Reinterpretation bezieht er sich weiterhin auf Immigrationsbewegungen nach Israel.
 
19
Bei Glazer und Moynihan mit Bezug zu New York.
 
20
Unter dem Begriff ethnisch-kulturelle Gruppen werden Menschengruppen zusammengefasst, die jeweils durch eine unverwechselbare Geschichte, Kultur und durch Erfahrungen in Amerika geprägt sind, was jeder Gruppe eine besondere, distinktive Rolle im Stadtbild zuteilt (Glazer 1980, S. 301).
 
21
Cultural Pluralism = kultureller Pluralismus (auch: ethnic Pluralism = ethnischer Pluralismus): Der Begriff kultureller Pluralismus stellt als Gegenkonzept des Begriffs Melting Pot Assimilationstheorien infrage und kann als Vorstufe des Multikulturalismus angesehen werden. Kallen (1915) definiert kulturellen Pluralismus als einen gesellschaftlichen Zustand, in dem ethnische Gruppen untereinander kohäsiv agieren und ihre Sprache, Herkunftskultur, Religion und Gebräuche weiter pflegten, während sie gleichzeitig am wirtschaftlichen und politischen Leben der USA partizipieren, wenngleich gegenseitiger Respekt gegenüber ethnischen Unterschieden herrsche.
Der Multikulturalismus (vgl. Ariëns 2013) als späteres Folgekonzept (ab etwa 1960 bis 1970) oder als Steigerung des Konzepts kann als Parallelexistenz, als tolerantes Nebeneinander und Miteinander von ethnischen bzw. kulturellen Gruppen (ohne Marginalisierung) verstanden werden. Diese Gruppen sind alle gleichgestellt und aus dieser Sicht nicht marginalisiert, sondern multikulturell gleichberechtigt ohne die Existenz einer dominanten Mehrheitskultur. Beispiele zu gesellschaftlich multi- kulturellen Strukturen finden sich heute in den USA, Australien und Kanada, wo Integration über rasche Staatsbürgerschaftsverleihung (Ius Solis), offene Einwanderungspolitik im Kontext von liberal-ökonomischen Modellen und schwachen Wohlfahrtsstaatsmodellen definiert wird (vgl. Aigner 2008; vgl. Ataç 2012). Multikulturelle Ansätze finden sich in Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden, wohingegen Deutschland, Österreich und die Schweiz für die Eingliederung von ImmigrantInnen durch Assimilierungsintegration bekannt sind (vgl. Ataç 2012). Das Konzept des Multikulturalismus wird allerdings wegen seiner Unschärfen bereits maßgeblich kritisiert und debattiert (vgl. Majcherek 2010; vgl. Terkessidis 2010, S. 19–52).
 
22
Beispielsweise wird New York City auch heute noch durch die Begriffe ethnic Neighbourhoods oder ethnic Communities charakterisiert, die sich räumlich und kulturell von anderen ethnic Groups abgrenzen (zum Beispiel Chinatown, Little Italy) und dem Pluralismusmodell zugeordnet werden können (vgl. Alba und Nee 2004).
 
23
Vielleicht eine Art, in der AfroamerikanerInnen sich von europäischen Einwanderergruppen unterschieden, war, dass sie nicht die gleiche Art von familiärem Zusammenhalt entwickelten. Sie hatten daher nicht dieselben Familienbande, die es anderen Gruppen ermöglichten, ethnisches Unternehmertum und Fachkräfte zu etablieren.
 
24
Beispielsweise sind East Harlem oder North Bronx bis heute mehrheitlich von italienischstämmiger Bevölkerung geprägt.
 
25
Was dabei herauskam […] als neue Idee, dass die ethnische Gruppe nicht nur ein Überbleibsel aus der Zeit der Masseneinwanderung war, sondern eine neue Schöpfung, und so konnten wir nicht schnelle Assimilation, sondern ein [kulturelles] Weiterverharren erwarten, obwohl jede Gruppe eine Veränderung durchmachte.
 
26
Der Begriff Race definiert eine ethnische Gruppe, deren Mitglieder dieselbe Kultur, Geschichte und Sprache miteinander teilen (vgl. Oxford English Dictionary). Auf umfassende Debatten zu den Konzepten „Race und Ethnicity“ wird hier nicht eingegangen.
 
27
Der Begriff Ethnic Enclave Economies wurde von Ma (1998) und Zhou (2004) zu chinesischen Entrepreneurs in den USA oder von Hillman (1997, 1999), Light (1994, 2003) und Light und Gold (2007) zu den Wechselwirkungen von Ethnic Entrepreneurship und urbanen Arbeitsmärkten durchgeführt. Der Middleman-Minority-Ansatz wurde von Bonacich (1973, 1993) und Portes (1995) (weiter-)entwickelt und weist auf die theoretisch bedeutsame Pufferrolle in den USA von Ethnic Entrepreneurs zwischen der Mehrheitsgesellschaft und Minorities (Minderheiten) hin (vgl. Aigner 2012b).
 
28
Ich schlage vor, dass wir die Subgesellschaft, die durch den Schnittpunkt der vertikalen Schichtungen von Ethnizität und der horizontalen Stratifikation der sozialen Schicht entstanden ist, als Ethclass bezeichnen.
Gordon charakterisiert die Ethclasses als die Überschneidungen in der horizontalen ethnischen Stratifikation mit der vertikalen sozialen Stratifikation. Anders formuliert: Gordon unterscheidet horizontal nach Ethnien und vertikal nach sozialer Schicht. Daher argumentiert er, dass zum Beispiel die Ethclass einer Person „upper middle class white protestant“ oder „upper lower class negro protestant“ sein kann (Gordon 1964, S. 51).
 
29
Gordon (1961, S. 279): „The most crucial distinction is one often ignored? the distinction between what I have elsewhere called ‚behavioral assimilation‘ and ‚structural assimilation‘. The first refers to the absorption of the cultural behavior patterns of the ‚host‘ society. (At the same time, there is frequently some modification of the cultural patterns of the immigrant-receiving country, as well.) There is a special term for this process of cultural modification or ‚behavioral assimilation‘ namely ‚acculturation‘. ‚Structural assimilation‘, on the other hand, refers to the entrance of the immigrants and their descendants into the social cliques, organizations, institutional activities, and general civic life of the receiving society.“
 
30
„With regard to the immigrant, in his characteristic numbers and socioeconomic background, structural assimilation was out of the question. He did not want it, and he had a positive need for the comfort of his own communal institutions. The second generation found a much more complex situation. Many believed they heard the siren call of welcome to the social cliques, clubs, and institutions of white Protestant America. After all, it was simply a matter of learning American ways, was it not? Had they not grown up as Americans, and were they not culturally different from their parents, the ‚greenhorns?ʻ“ (Gordon 1961, S. 280).
 
31
„[…] Structural assimilation, then, has turned out to be the rock on which the ships of Anglo-conformity and the melting pot have foundered. To understand that behavioral assimilation (or acculturation) without massive structural intermingling in primary relationships has been the dominant motif in the American experience of creating and developing a nation out of diverse peoples is to comprehend the most essential sociological fact of that experience. It is against the back ground of ‚structural pluralismʻ that strategies of strengthening inter group harmony, reducing ethnic discrimination and prejudice, and maintaining the rights of both those who stay within and those who venture beyond their ethnic boundaries must be thoughtfully devised“ (Gordon 1961, S. 282).
 
32
Lees (1966) Push-Pull-Modell geht erstmals sowohl auf die Motivation und die Gründe in den Ursprungsländern, also die Push-Faktoren, die Migration auslösen, als auch auf die Pull-Faktoren, die sogenannten Sogfaktoren, die MigrantInnen in Aufnahmegesellschaften anziehen, ein. Zu Push-Faktoren zählen sowohl ökonomische Faktoren als auch soziale, politische, religiöse, familiäre oder Umweltfaktoren (Arbeitsmarktsituation in der Entsendegesellschaft, niedrige Löhne, politische/religiöse oder andere Formen von Verfolgung, familiäre Netzwerke, Übervölkerung, Krieg, Diskriminierungen, Armut, Gesundheitsgefährdungen, Umweltkatastrophen). Zu den Pull-Faktoren zählen Sicherheit, Bildungsmöglichkeiten, gute Einkommensmöglichkeiten, Arbeitskräftemangel, politische oder religiöse Freiheit. Bis zu den 1970er-Jahren wird Migration als bipolares Modell erläutert, wobei eine Migration von A (Entsendegesellschaft) nach B (Aufnahmegesellschaft) angenommen wird. Die Migrationssoziologie konzentriert sich zu der Zeit vor allem auf die Integration von Zuwandern und Zuwanderinnen in der Aufnahmegesellschaft.
 
33
Macht ist die Möglichkeit eines Akteurs, seinen Anspruch auf Teilhabe an den sozialen Werten durchzusetzen (Macht ist definiert durch soziale Positionen, Einfluss, Status und Einkommen).
Prestige verweist darauf, inwiefern die Teilhabe oder ihr Besitz als legitim gilt (individuelle Eigenschaften, Berufsausbildung, Qualifikationen). (vgl. Hoffmann-Nowotny 1970, S. 26 ff. In Oswald 2007).
 
34
Strukturelle Spannungen treten auf, wenn auf der Ebene der Einheiten des sozialen Systems Macht und Prestige entkoppelt werden bzw. auseinanderfallen (ibid.).
 
35
Ein systemtheoretischer Ansatz zur Land-Stadt-Migration beschäftigt sich nicht nur mit der Frage, warum Menschen migrieren, sondern auch mit allen Implikationen und Konsequenzen des Prozesses. Grundsätzlich wurde dieser Ansatz entwickelt, um die folgenden Fragestellungen zu beantworten: Warum und wie wird ein ländliches Individuum zu einem manifesten Städter? Welche Änderungen bringt dieser Prozess mit sich? Welche Auswirkungen haben diese Veränderungen auf die ländliche Gegend, aus der er kommt, und auf die Stadt, in die er sich bewegt? Gibt es Institutionen oder Situationen, die diese Migration zwischen dem ländlichen Raum und der Stadt fördern oder hemmen? Wie ist die generelle Ausrichtung dieser Bewegungen und wie wird diese bestimmt? (Magobunje 1970, S. 3–4).
 
36
Ein System kann als ein Komplex aus zusammenwirkenden Elemente definiert werden, zusammenwirkend mit ihren Attributen und Beziehungen. Eine der wichtigsten Aufgaben bei der Konzeptualisierung des Phänomens als System ist daher die Identifizierung von interagierenden Elementen, deren Attributen und Beziehungen. Sobald dies geschehen ist, wird schnell klar, dass das System nicht in einem Hohlraum, sondern in einer speziellen Umgebung situiert ist bzw. operiert (Magobunje 1970, S. 3).
 
37
[…] formale und informale Subsysteme operieren, um die systematische Natur der internationalen [Migrations-]Ströme durch die Förderung der Migration entlang bestimmter Bahnen und Hemmung entlang anderer aufrechtzuerhalten und zu verstärken. Das Endresultat ist eine Reihe von relativ stabilem Austausch […], was zu einer identifizierbaren geografischen Struktur führt, die über Raum und Zeit fortbesteht (Magobunje 1970, S. 12).
 
38
The Commonwealth of Nations: das United Kingdom und Staaten, die zuvor Mitglieder bzw. Teil des Britischen Empires waren und die heute noch einen Staatenbund formen (vgl. Oxford English Dictionary 2014), ehemals 54 Mitgliedsstaaten, zum Beispiel Kanada, Australien, Indien, Pakistan, Jamaika, Kamerun, Kenia, Südafrika, etc.
 
39
frankofones System: Maghreb/Nordafrika, Westafrika → Frankreich
euro-mediterranes System: italienische Diaspora, ehemaliges Jugoslawien
transatlantisches System: Migration von Europa (zum Beispiel Irland) über den Atlantik in die USA russofones System: ehemaliges COMECON.
 
40
In einem Referendum in Großbritannien (Brexit-Referendum) entschied sich das United Kingdom am 23.6.2016 gegen einen Verbleib in den bis dato EU 28. Die Zukunft ist noch ungewiss. Im Verlauf dieses Buches wird daher weiterhin von den EU 28 (inklusive Großbritannien) gesprochen, da Großbritannien bis dato weiterhin Mitglied der EU-Staaten ist.
 
41
Remittances: Geldüberweisungen eines/r MigrantIn in das Ursprungsland (IOM 2014).
 
42
„[…] there are no socialist systems in the world-economy any more than there are feudal systems because there is only ONE world-system. It is a world economy and it is by definition capitalist in its form“ (Wallerstein 1974, S. 415).
 
43
Saskia Sassen verfolgt die Weltsystemtheorie im Rahmen von Theorien zu Global Cities weiter (Abschn. 2.9).
 
44
„Driven by a desire for higher profits and greater wealth, owners and managers of capitalist firms enter poor countries on the periphery of the world economy in search of land, raw materials, labor, and new consumer markets“ (Massey 1993, S. 444–445).
 
45
1. Die internationale Migration ist eine natürliche Folge der kapitalistischen Marktbildung in den Entwicklungsländern; die Durchdringung des globalen Wirtschaftssystems in peripheren Regionen ist der Katalysator für internationale Bewegung.
2. Der internationalen Arbeitsmigration folgt der internationale Strom von Waren und Kapital, aber in die entgegengesetzte Richtung. Kapitalistische Investitionen schüren Änderungen, die eine entwurzelte, mobile Bevölkerung in den Peripherieländern schafft, während gleichzeitig starke materielle und kulturelle Verbindungen mit Kernländern, was zu länderübergreifenden Bewegungen führt, entstehen.
3. Die internationale Migration ist besonders zwischen ehemaligen Kolonialmächten und ihren ehemaligen Kolonien wahrscheinlich, weil kulturelle, sprachliche, Verwaltungs-, Investitions-, Transport- und Kommunikationsverbindungen bestehen, die zur Bildung von spezifischen trans- nationalen Märkten und kulturellen Systemen führt.
4. Da sich internationale Migration aus der Globalisierung der Marktwirtschaft ergibt, beeinflussen Regierungen Einwanderungsraten, indem Reglements der Überseeinvestitionstätigkeit von Unternehmen und Steuerpolitik, internationale Kapitalströme und Güter, geschaffen werden. Solche Reglements sind jedoch schwer umzusetzen, da diese zu internationalen Handelsstreitigkeiten, Weltrezessionsrisiken und Antagonisierung multinationaler Unternehmen mit erheblichen politischen Ressourcen, die mobilisiert werden können, um sie zu blockieren, führen.
5. Wenn politische und militärische Interventionen von Regierungen der kapitalistischen Länder, um Investitionen im Ausland und ausländische Regierungen zu schützen, die mit dem Ausbau des globalen Marktes sympathisieren, scheitern, produzieren sie Flüchtlingsbewegungen, die auf bestimmte Kernländer gerichtet sind und zu einer anderen Form der internationalen Migration führen.
6. Die internationale Migration hat letztlich wenig mit Lohnsätzen oder Beschäftigungsunterschieden zwischen den einzelnen Ländern zu tun; internationale Migration folgt aus der Dynamik der Marktschaffung und der Struktur der Weltwirtschaft.
 
46
Migrationen passieren nicht einfach: Sie sind ein Ergebnis oder eine systemische Tendenz in einer allgemeinen Veränderungsdynamik. Die interne Transformation der Kategorie ist ähnlich verbunden mit breiteren gesellschaftlichen Veränderungsprozessen (Sassen 1984, S. 1148).
 
47
Ja, Einwanderung passiert in einem Kontext der Ungleichheit zwischen den Ländern, aber die Ungleichheit an sich ist nicht genug, um zu Auswanderung zu führen. Ungleichheit muss als Migration-Push-Faktor aktiviert werden – durch organisierte Anwerbung, neokoloniale Verbindungen, etc. (Sassen 2006, S. 637).
 
48
„Links created by economic internationalization range from the offshoring of production and the establishment of export-oriented agriculture through foreign investment to the weight of multinationals in the consumer markets of labor-exporting countries“ (Sassen 2007, S. 69).
 
49
„A key factor in the operation of ethnic and recruitment networks is the existence of an effective demand for immigrant workers in the receiving countries. The effective labor-market absorption of workers coming from different cultures with mostly lower levels of development arose as, and remains, an issue in the context of advanced service economies. Immigrants have a long history of getting hired to do low-wage jobs that require little education and are often situated in the least advanced sectors“ (Sassen 2007, S. 71).
 
50
Dieser Übergang hat wiederum zur Mobilisierung von vertriebenen Kleinbauern und Handwerkern in Arbeitsmigrationen beigetragen, Migrationen, die zunächst intern bzw. Binnenmigrationen sind, aber letztlich zu internationalen Migrationen werden. Es gibt zahlreiche Beispiele für diese dynamische Einführung neuer grenzüberschreitender Migrationen. Zum Beispiel hat die Entwicklung der kommerziellen Landwirtschaft und exportorientierten standardisierten Produktion traditionelle Ökonomien verdrängt, und eliminierte Überlebenschancen für Kleinbetriebe, die gezwungen waren, Lohnarbeiter zu werden.
 
51
Berry (2004) lehnt sein Modell der Akkulturationstypen und Dynamiken an Esser an (vgl. Abschn. 2.10 und 3.​1).
 
52
Mit der theoretischen Sichtweise, dass Assimilation die idealtypische Integrationsform darstelle, spricht sich Esser auch gegen kulturellen Pluralismus oder spätere Multikulturalismuspolitiken und Tendenzen aus. Ethnische Gemeinden im Aufnahmeland behinderten laut Esser die Sozialintegration, ebenso wie systematisch andauernde Kontakte zum Herkunftsland (etwa über Pendelmigrationen) (vgl. Esser 2001, S. 75).
 
53
Wie beispielsweise die Atomkatastrophen in Fukushima (2011) oder Tschernobyl (1986).
 
54
Brain Drain: Einseitiges Absaugen von Humankapital zum Nachteil der Herkunftsländer.
 
55
Brain Gain: Nur „überflüssige“ Arbeitskräfte wandern ab; dies wirkt sozialen Spannungen in der Entsendegesellschaft entgegen, während Aufnahmeländer von zusätzlichem Humankapital profitieren.
 
56
Brain Circulation: Win-win-Situation für Herkunfts- und Aufnahmeländer.
 
57
„Another type of link is shaped by the growing Westernization of advanced education systems (Portes and Walton 1981), which facilitates the movement of highly educated workers into the developed Western countries. This is a process that has been happening for many decades and is usually referred to as the brain drain“ (Sassen 2007, S. 70).
 
58
„That is, we are seeing the formation of an increasingly complex and flexible transnational labor market for high-level professionals in advanced corporate services that links a growing number of highly developed and developing countries (Sassen 2001, 2006a, chap. 6; see also Skeldon 1997), including through virtual migration (Aneesh 2006)“ (Sassen 2007, S. 71).
 
59
Hybride Identitäten bezeichnen vor allem den In-between-Status von migrantischen Identitäten in Aufnahmegesellschaften. Besonders von Stuart Hall (Hall und DuGay 1996) oder Homi Bhaba (1996) wird diese Thematik aufgegriffen. Es gilt nach Terkessidis (2010, S. 21), diesen Ist-Zustand „unintegrierter und unintegrierbarer migrantischer Präsenz“ als „interkulturellen Grundzustand“ als solchen zu erkennen und dann etwas völlig Neues zu konzipieren, das eben nicht in Integration oder Assimilation oder in bloßem Nebeneinander (Multikulturalität) besteht, sondern eine neue Qualität bekommt (= Hybridität).
 
60
Innerhalb eines komplexen Netzes an sozialen Beziehungen verlassen sich TransmigrantInnen auf fluide/liquide und multiple Identitäten, welche sowohl in der Ursprungsgesellschaft als auch der Aufnahmegesellschaft verwurzelt sind. Während sich manche MigrantInnen mehr mit der einen als der anderen Gesellschaft identifizieren, behalten die meisten mehrere Identitäten bei.
 
61
MigrantInnennetzwerke sind ein Set von zwischenmenschlichen Beziehungen, die MigrantInnen, ehemalige MigrantInnen und NichtmigrantInnen in Herkunfts- und Zielgebieten durch Bande der Verwandtschaft, Freundschaft und gemeinsame Gemeinschaftsursprünge verbinden.
 
62
[…] neue Bedingungen, die im Zuge der Migration entstehen, werden zu unabhängigen Ursachen: MigrantInnennetzwerke verbreiten sich, Institutionen, die transnationale Bewegung unterstützen, entwickeln sich und die soziale Bedeutung der Arbeit verändert sich in den Aufnahmegesellschaften.
 
63
Somit ist das selbsttragende Wachstum von Netzwerken, das durch die schrittweise Senkung der Kosten eintritt, auch theoretisch durch die fortschreitende Verringerung der Risiken erläutert.
 
64
Vor allem konzentriert sich die Netzwerktheorie auf die Effizienz, die strukturellen Veränderungen, die durch Einwanderungsnetzwerke in der Aufnahmeökonomie verursacht wurden. Daher besagt die Netzwerktheorie, dass Netzwerke es einfacher für EinwanderInnen machen, Wohnraum, Arbeitsplätze, Schutz und soziale Kontakte zu finden. Diese Erleichterung ist ihre Raison dʼetre. Aber wenn diese Verbindungen wachsen, erhöhen Netzwerke ihre Effizienz. Effiziente Netzwerke zeigen jeden Job und jede freie Wohnung in der Einwanderungsregion auf, also minimalisiert die Einführung der Neuankömmlinge in die neue Region und erleichtert ihnen dadurch das Ankommen in der Zielregion. Ohne die Versorgung durch Arbeitsplätze zu erhöhen, erleichtern Netzwerke den MigrantInnen Zugang zum Arbeitsmarkt. Wirtschaftliche Sättigung stellt die Grenze von existierenden Netzwerken dar.
 
Metadaten
Titel
Theorien der Migrationssoziologie
verfasst von
Petra Aigner
Copyright-Jahr
2017
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-18999-4_2