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2002 | Buch

Realoptionsansatz und Beschäftigungsentscheidungen von Unternehmen

Ursachen für Hysterese am Arbeitsmarkt aus investitionstheoretischer Perspektive

verfasst von: Christian Winkler

Verlag: Deutscher Universitätsverlag

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Über dieses Buch

Ständig wird - insbesondere in Bezug auf Europa - über Inflexibilität am Arbeitsmarkt ge­ klagt. Inflexibilität wird fiir Hysterese verantwortlich gemacht, so dass die in einer Rezession eingetretene Arbeitslosigkeit in einem erneuten Konjunkturaufschwung nicht vollständig wie­ der abgebaut wird. Die aus der ökonomischen Theorie ableitbare Voraussage, dass bei einem Nachfragezuwachs Einstellungen dann erfolgen, wenn der Wert des Grenzprodukts (bzw. das Grenzerlösprodukt) den Lohnsatz übersteigt, und dass Entlassungen dann erfolgen, wenn der Wert des Grenzprodukts unter den Lohnsatz sinkt, scheint den Erfahrungen zu widersprechen. Gewöhnlich werden institutionelle Hemmnisse, wie z. B. Kündigungsschutz fiir Arbeitneh­ mer, dafUr verantwortlich gemacht, ohne dass freilich ein solcher Zusammenhang konsistent in die Theorie eingebaut wird. Die vorliegende Arbeit leistet nun einen interessanten Beitrag zu Lösung dieses Problems. Die grundlegende, in der jüngeren Literatur entwickelte Idee besteht darin, die Einstellung eines Arbeitnehmers als Investition zu interpretieren, die mit fixen und versunkenen Kosten verbunden ist. Damit sich eine Einstellung rechnet, muss deshalb der Wert des Grenzproduk­ tes der Arbeit mindestens so hoch sein wie der Lohnsatz zuzüglich anteiliger Fixkosten. Zu diesen Fixkosten zählen dabei nicht nur Einarbeitungskosten sondern auch erwartete fixe Ausstellungskosten, wie z. B. eine Abfindung bei Kündigung durch den Arbeitgeber. Aus die­ ser Überlegung folgt, dass Ausstellungsentscheidungen den gleichen Regeln folgen wie die Stillegung einer betrieblichen Anlage, die erst dann vorgenommen wird, wenn der Preis des produzierten Gutes nicht mehr die variablen Durchschnittskosten deckt.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Einführung

1. Zielsetzung und Vorgehensweise
Zusammenfassung
Die Begrüßung von Josef Stingl — der von 1968 bis 1984 Präsident der Bundesanstalt für Arbeit war — durch Bernhard Jagoda zeigt überspitzt die Arbeitsmarktproblematik in Deutschland in den letzten knapp 30 Jahren seit der ersten Ölkrise 1973 / 1974, ab der eine sukzessive Erhöhung der Arbeitslosigkeit festzustellen ist. Abbildung A-1 zeigt die Entwicklung der durchschnittlichen jährlichen Arbeitslosenquoten in Deutschland seit 1970.
Christian Winkler
2. Realoptionsansatz und Ein-/Ausstellungsentscheidungen — Eine Einführung
Zusammenfassung
Seit Mitte der 80er Jahre hat sich die Übertragung der Methodik von Finanzoptionen auf reale Investitionen eingebürgert. In diesem Abschnitt erfolgt eine einführende Darstellung der grundlegenden Erkenntnisse des Realoptionsansatzes. Danach wird untersucht, ob die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit auf Ein- und Ausstellungsentscheidungen von Unternehmen gegeben sind. Abschließend erfolgt eine „Ad-Hoc-Übertragung“ der Erkenntnisse des Realoptionsansatzes auf Ein- und Ausstellungsentscheidungen.9
Christian Winkler

Realoptionsmodellierung und Ein- bzw. Ausstellungsentscheidungen von Unternehmen

1. Investitions- und Desinvestitionsentscheidungen im Realoptionsansatz
Zusammenfassung
Die Methodik des Realoptionsansatzes wird in drei Schritten erläutert. Zuerst wird die Ermittlung des optimalen Investitionszeitpunkts dargestellt, anschließend der optimale Desinvestitionszeitpunkt ermittelt. Abschließend erfolgt die Darstellung einer kombinierten Investitions- und Desinvestitionsentscheidung, d. h. die simultane Ermittlung der Investitions- und Desinvestitionsbarrieren.
Christian Winkler
2. Formale Aspekte der Übertragung der Realoptionsmethodik auf Ein- und Ausstellungsentscheidungen
Zusammenfassung
Im Mittelpunkt von Abschnitt B.2 stehen formale Aspekte einer Übertragung des Realoptionsansatzes auf Arbeitsmarktfragen. Ziel von B.2 ist es, einen Werkzeugkasten für die Erstellung eines Realoptionsmodells zur Behandlung von Ein- und Ausstellungsentscheidungen zu entwickeln.
Christian Winkler
3. Realoptionsansatz und das Ein- und Ausstellungsverhalten von Unternehmen
Zusammenfassung
Die erstmalige Anwendung von Optionsüberlegungen auf Fragen, die im weitesten Sinne den Arbeitsmarkt betreffen, ist auf McDonald (1974) zurückzuführen. In seinem Artikel „Faculty tenure as a put option“ beschreibt er Anreizwirkungen und monetäre Konsequenzen der lebenslangen Anstellung für Universitätsprofessoren aus der Perspektive der Optionspreistheorie. Diese Put-Option hat einen Wert, der über einen Trade-off zwischen monetärer Lohnhöhe und der Sicherheit des Arbeitsplatzes erklärbar ist. Das Instrument der Möglichkeit einer lebenslangen Anstellung ermöglicht es den Universitäten, geringere monetäre Löhne zu bezahlen.111 Aus Sicht der Professoren wird die Sicherheit ihrer Stellung — mit der damit verbundenen Freiheit in Forschung (und Lehre) — durch ein geringeres Gehalt erkauft. Der Wert der „Tenure“ bzw. der Jobversicherung kann analog zu einer Put-Option bestimmt werden. Je höher die Reputation des Professors, desto geringer ist der Wert der Option für ihn. Der Preis für die Universität liegt in der Inflexibilität, die aus der Stillhalterposition der Put-Option — dies ist aus der Universitätsperspektive das Vorhalten des Arbeitsplatzes für den Professor — resultiert.
Christian Winkler

Realoptionsansatz und Hysterese am Arbeitsmarkt

Frontmatter
1. Formale Erfassung von Hysterese am Arbeitsmarkt
Zusammenfassung
Hysteretische Effekte in der Arbeitslosenquote lassen formal sich auf zwei Arten erfassen. Einerseits kann die Arbeitslosenquote als Random Walk aufgefasst werden.1 Andererseits ist eine Darstellung der Hysterese über lineare Differenzengleichungen möglich. Diese Darstellung stellt eine Verbindung der Hysterese zum theoretischen Konzept der gleichgewichtigen, inflationsstabilen Arbeitslosenquote NAIRU her.2
Christian Winkler
2. Erklärungsansätze für Hysterese am Arbeitsmarkt
Zusammenfassung
In der Literatur zur Erklärung von Hysterese am Arbeitsmarkt, die sich seit Mitte der 1980er Jahre gebildet hat, haben sich im wesentlichen drei Ansätze herauskristallisiert, die erklären sollen, warum die Höhe der Arbeitslosigkeit nach dem Abklingen eines Schocks nicht wieder auf das Ausgangsniveau vor dem Schock absinkt. Diese Ansätze sind dabei als einander ergänzend zu verstehen. Sie beziehen sich auf unzureichendes Sach- und Humankapital sowie auf die Ausgestaltung des Lohnbildungsprozesses.
Christian Winkler
3. Der Realoptionsansatz und Hysterese am Arbeitsmarkt
Zusammenfassung
In Kapitel C.3 erfolgt nun die Anwendung des in Abschnitt B.3.2 entwickelten Realoptionsmodells auf Ein- und Ausstellungsentscheidungen von Unternehmen. In Abschnitt C.3.1 werden die Konsequenzen erläutert, die die unternehmensbasierte Investitionsbetrachtung für die Analyse von Hysterese am Arbeitsmarkt hat. Sie ermöglicht eine differenzierte Darstellung der Ursachen von Hysterese, erfordert aber im Gegenzug ebenso eine differenzierte Entwicklung wirtschaftspolitischer Maßnahmen. Differenzierung bezieht sich dabei auf eine Unterscheidung der Betrachtungsperspektive von der gesamtwirtschaftlichen Ebene über unterschiedliche Branchen bis hin zu verschiedenen Arbeitnehmergruppen.
Christian Winkler

Realoptionsansatz und Hysterese — Ein Fazit

1. Zusammenfassung der Ergebnisse
Zusammenfassung
Die im Realoptionsansatz angelegte Unternehmensperspektive bei Ein- und Ausstellungsfaktoren verdeutlicht, dass die Einflussfaktoren für eine Beschäftigungsentscheidung des Unternehmens auf gesamtwirtschaftlicher Ebene, auf Branchenebene und auf der Ebene des einzelnen Beschäftigten zu finden sind. Diese Erkenntnis wurde in die komparativ-statischen Analysen des Abschnitts C.3. integriert.
Christian Winkler
2. Erklärungskraft des Ansatzes
Zusammenfassung
Die Investitionsperspektive bei der Betrachtung der unternehmerischen Einstellungs- und Ausstellungsentscheidungen ist Stärke und zugleich Schwäche des Realoptionsansatzes. Sie ermöglicht einen neuen Blickwinkel auf Hysterese und kann damit zu neuen Erkenntnissen über die Ursachen dieses Phänomens führen. Andererseits impliziert die Investitionsperspektive, dass ein Unternehmen seine Investitionsentscheidungen optimal an die herrschenden Umweltbedingungen — die sich letztlich in die Inputdaten des Realoptionsmodells übersetzen lassen — anpasst. Rückwirkungen des Unternehmensverhaltens auf die ökonomischen Rahmenbedingungen werden nicht thematisiert. Die Realoptionsbetrachtung von Ein- und Ausstellungsentscheidungen ist damit eine rein partialanalytische Analyse.
Christian Winkler
Backmatter
Metadaten
Titel
Realoptionsansatz und Beschäftigungsentscheidungen von Unternehmen
verfasst von
Christian Winkler
Copyright-Jahr
2002
Verlag
Deutscher Universitätsverlag
Electronic ISBN
978-3-322-90738-7
Print ISBN
978-3-8244-7627-5
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-322-90738-7