2000 | OriginalPaper | Buchkapitel
Die Treuepflicht der Wohnungseigentümer
verfasst von : Christian Armbrüster
Erschienen in: Festschrift für Werner Merle
Verlag: Springer Berlin Heidelberg
Enthalten in: Professional Book Archive
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Über die rechtliche Einordnung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist in der Rechtswissenschaft seit jeher gestritten worden. Die Bandbreite der Vorschläge reicht von der Qualifikation als besonders ausgestaltete Bruchteilsgemeinschaft über die Annahme einer Gesamthandsgemeinschaft bis hin zur Konstruktion einer „Gesellschaft nach dem Wohnungseigentumsgesetz“.1 Diese Diskussion, die Werner Merle durch eine vielbeachtete Monographie2 bereichert hat, soll hier nicht in ihrer ganzen Breite aufgegriffen werden. Gegenstand der folgenden Ausführungen ist vielmehr ein Aspekt der Debatte, auf den Merle bereits frühzeitig hingewiesen hat.3 Es geht um die Frage, inwieweit die Wohnungseigentümer in ihrem Verhältnis untereinander besonderen Treuebindungen unterliegen, die sich unter dem Oberbegriff der Treuepflicht zusammenfassen lassen. Im Gesellschaftsrecht sind derartige gesteigerte Bindungen in Gestalt der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht mittlerweile im Grundsatz für alle Gesellschaftsformen anerkannt.4 Die Treuepflicht stellt dort eine generalklauselartige Rechtsgrundlage für sehr unterschiedliche Verhaltensanforderungen dar.5 Da diese Anforderungen von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls und zudem von häufig unabsehbaren künftigen Entwicklungen abhängen, entziehen sie sich einer abschließenden starren Festlegung; die Treuepflicht bietet die insoweit erforderliche Flexibilität. Im Gesellschaftsrecht reichen die aus ihr bislang entwickelten Regeln weit über die allgemeinen, aufgrund von Treu und Glauben (§ 242 BGB) für jede Sonderverbindung geltenden Verhaltensregeln hinaus.6 So hat beispielsweise ein Gesellschafter bei der Stimmrechtsausübung unter Umständen seine persönlichen Interessen denjenigen der Gesellschaft und der Mitgesellschafter unterzuordnen, was im Einzelfall dazu führen kann, daß er zur Stimmabgabe in einem bestimmten Sinne verpflichtet ist. Den Gesellschafter trifft zudem die Pflicht, bezüglich der Gesellschaftsinterna Verschwiegenheit zu bewahren. Als ein weiteres Beispiel für die Anwendungsbereiche der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht sei schließlich das für den Gesellschafter einer Personengesellschaft anzunehmende Gebot angeführt, bei der Geltendmachung von Drittgläubigeransprüchen vorrangig das Gesellschaftsvermögen in Anspruch zu nehmen.7