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2004 | Buch

Grundrechte

verfasst von: Professor Dr. Volker Epping

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

Buchreihe : Springer-Lehrbuch

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Über dieses Buch

Dieses neuartige Lehrbuch richtet sich an Studierende, die entweder einen Einstieg in den Bereich der Grundrechte suchen oder aber die Grundrechte zwecks Vorbereitung auf die Übungen bzw. das Staatsexamen wiederholen möchten. Das Werk ist konsequent auf die Anforderungen zugeschnitten, mit denen Studierende in Klausuren und Hausarbeiten konfrontiert werden. Alle Grundrechte sowie die prüfungsrelevanten Grundzüge der Verfassungsbeschwerde werden ausgehend vom Verfassungstext systematisch erschlossen. Die allgemeinen Grundrechtslehren, die in ihrer Abstraktheit gerade für den Einsteiger häufig nur schwer verständlich sind, werden nicht "vor die Klammer" gezogen, sondern am Beispiel einzelner Grundrechte behandelt. Zum besseren Verständnis gibt das Buch außerdem die zentralen Entscheidungen des BVerfG in den relevanten Auszügen wieder. Beispielsfälle, deren Lösungen über das Internet bereitgestellt werden, sowie Zusammenstellungen typischer Klausurprobleme runden das Lehrbuch ab.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Kapitel 1. Geschichte, Funktionen und Quellen der Grundrechte
Zusammenfassung
Der Grundrechtskatalog des Grundgesetzes ist das Ergebnis einer historischen Entwicklung, deren Beginn bis ins Mittelalter zurückreicht. Prägend für diese Entwicklung war der Gegensatz zwischen den Rechten des Individuums und der Herrschaftsgewalt des Staates, also die Frage, ob Herrschaftsgewalt im Hinblick auf individuelle Menschen- und Bürgerrechte rechtlichen Bindungen unterliegt.
Volker Epping
Kapitel 2. Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG)
Zusammenfassung
Die Versammlungsfreiheit gehört zu den klassischen Freiheitsrechten und ist seit der Paulskirchenverfassung (dort § 161) fester Bestandteil der deutschen Verfassungstexte. Die Versammlungsfreiheit sollte dabei primär als politisches Grundrecht wirken und den Bürgern das Recht garantieren, ihren Protest gegen die Obrigkeit in Form von öffentlichen Demonstrationen kund zu tun. In der Bundesrepublik war die Versammlungsfreiheit vor allem Anfang der 80er-Jahre während der Friedens- und Anti-Atomkraft-Demonstrationen und erneut seit Ende der 90er-Jahre im Zusammenhang mit Aufmärschen Rechtsradikaler Gegenstand rechtlicher Auseinandersetzungen.
Volker Epping
Kapitel 3. Leben / Körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG)
Zusammenfassung
Das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, wie es von Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG geschützt wird, ist ohne Vorgänger in der deutschen Verfassungsgeschichte. Weder die Paulskirchenverfassung von 1848 noch die Weimarer Reichsverfassung kannten vergleichbare Verbürgungen. In der EMRK findet sich lediglich in Art. 2 das Recht des Menschen auf Leben. Die körperliche Unversehrtheit wird in Teilaspekten geschützt, wie z.B. in Art. 3 EMRK durch das Verbot der Folter. Hintergrund fir die Aufnahme des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG in das Grundgesetz waren die nationalsozialistischen Verbrechen, wie die „Endlösung der Judenfrage“, die „medizinischen“ Experimente am lebenden Menschen, Zwangssterilisationen und Folterungen.
Volker Epping
Kapitel 4. Die Verfassungsbeschwerde im Überblick
Zusammenfassung
Jedermann kann mit der Behauptung, durch die öffentliche Gewalt in seinen Grundrechten verletzt zu sein, Verfassungsbeschwerde erheben — mit diesen Worten eröffnen Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, §§ 13 Nr. 8a, 90 ff. BVerfGG jedem den Zugang zum BVerfG. Dahinter steht der Gedanke, dass die praktische Wirksamkeit der Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte nur dann zu garantieren ist, wenn jedem Einzelnen zur Verteidigung seiner Rechte hinreichend effektive Rechtsschutmnöglichkeiten zur Verfügung stehen. Rechtsschutz in Bezug auf die Grundrechte wird zwar in erster Linie durch die Fachgerichte der Länder und des Bundes i.S.v. Art. 92 GG gewährt, zu denen der Zugang durch Art. 19 Abs. 4 GG garantiert wird. Um die besondere Bedeutung der Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte herauszuheben, ist mit der Verfassungsbeschwerde aber zusätzlich ein außerordentlicher Rechtsbehelf eröffnet. Dieser ist jedoch zwei wesentlichen Einschränkungen unterworfen: Mit der Verfassungsbeschwerde kann gem. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG lediglich die Verletzung von Grundrechten oder den im Einzelnen bezeichneten grundrechtsgleichen Rechten gerügt werden. Zudem kommt dem Rechtsschutz durch die Fachgerichte der Vorrang zu: Der Beschwerdeführer muss daher zunächst alle Möglichkeiten fachgerichtlichen Rechtsschutzes in Anspruch nehmen, bevor sich das BVerfG seiner Sache widmet.
Volker Epping
Kapitel 5. Kommunikationsgrundrechte (Art. 5 Abs. 1, 2 GG)
Zusammenfassung
Ebenso wie die Versammlungsfreiheit gehören auch die Kommunikationsfreihei- 166 ten zum traditionellen Bestand aller deutschen Grundrechtskataloge. Bereits in der Paulskirchenverfassung war die Meinungs- und Pressefreiheit in § 143 verankert. Ihre besondere Bedeutung gewinnen die Kommunikationsfreiheiten aus ihrer Funktion als politische Grundrechte. Eine Demokratie ohne freie Meinungsäußerung und freie Presse ist schlechthin nicht denkbar. Genau wie die Versammlungsfreiheit sind die Kommunikationsgrundrechte daher im Zuge der Demokratisierung erkämpft worden. Konflikte hat es in der Bundesrepublik besonders um die Meinungsfreiheit gegeben. Aus jüngerer Zeit in Erinnerung ist die Entscheidung des BVerfG zu dem als Autoaufkleber verwendeten Tucholsky-Zitat „Soldaten sind Mörder“, ebenso wie die Debatte über die Freiheit zur Äußerung rechtsradikaler, volksverhetzender Inhalte (Stichwort: „Auschwitzlüge“).
Volker Epping
Kapitel 6. Kunst- und Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG)
Zusammenfassung
Die Freiheit von Kunst- und Wissenschaft gehört zwar nicht zu den klassischen Freiheitsrechten. Dennoch kann die Wissenschaftsfreiheit in Deutschland auf eine lange Tradition zurückblicken: Bereits § 152 der Paulskirchenverfassung enthielt die Feststellung: „Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei.“ Diese frühe Verankerung mag auch auf eine besondere Sensibilität des Verfassungsgebers auf Grund der Zusammensetzung des Paulskirchenparlaments zurückzuführen sein: Unter den 586 Abgeordneten waren 106 Professoren (daher der Begriff: „Parlament der Professoren“). Zudem hat die wissenschaftliche, aufklärerische Denkweise maßgeblich zur Demokratisierung und Verfassungsentwicklung beigetragen. Die Kunstfreiheit hingegen hat ihren Ursprung in der Weimarer Zeit. Art. 142 WRV erklärte in einer der heutigen Textfassung sehr ähnlichen Formulierung die Kunst für frei und sah zudem einen diesbezüglichen Schutzauftrag vor.
Volker Epping
Kapitel 7. Religions-, Weltanschauungs- und Gewissensfreiheit (Art. 4 GG)
Zusammenfassung
Die Forderung nach religiöser Freiheit gehört zu den ältesten Freiheitsrechten überhaupt. Seit Beginn der Reformation Anfang des 16. Jahrhunderts führte die Glaubensspaltung in Europa immer wieder zu kriegerischen Auseinandersetzungen, die ihren Höhepunkt schließlich im 30-jährigen Krieg (1618–1648) fanden. Bis dahin war die religiöse Freiheit für den Einzelnen in keiner Weise gewährleistet. Beispielhaft für den Umgang mit der Religion war der Augsburger Religionsfriede von 1555, der u.a. bestimmte, dass die Untertanen dem Bekenntnis des Landesherren folgen müssen. 1648 hingegen enthielt der Westfälische Frieden einen ersten Ansatz religiöser Freiheit; die Landesherren sollten das Bekenntnis ihrer Untertanen grds. dulden. Friedrich II „der Große“ verankerte schließlich Mitte des 18. Jahrhunderts die Religionsfreiheit in Preußen; das 1794 nach seinem Tod in Kraft getretene preußische Allgemeine Landrecht (ALR) sicherte den Bürgern die „vollkommene Glaubens- und Gewissensfreiheit“ zu. Auch die Paulskirchenverfassung enthielt mit den §§ 144 ff. umfängliche Gewährleistungen religiöser Freiheit, ebenso wie eine Garantie der Gewissensfreiheit. Ohne historisches Vorbild ist hingegen die Weltanschauungsfreiheit, die im Grundgesetz das erste Mal zu finden ist.
Volker Epping
Kapitel 8. Berufsfreiheit (Art. 12 GG)
Zusammenfassung
Bereits in der (nie in Kraft getretenen) Paulskirchenverfassung fand sich mit dem § 158 eine dem Art. 12 Abs. 1 GG vergleichbare Bestimmung. Dort hieß es: „Es steht einem Jeden frei, seinen Beruf zu wählen und sich für denselben auszubilden, wie und wo er will“. Dagegen enthielt die Weimarer Reichsverfassung keinen Schutz der Berufsfreiheit. In Art. 157 WRV wurde lediglich die Arbeitskraft unter den Schutz des Reiches gestellt. Allerdings fand auch die sittliche Pflicht des Einzelnen zur Arbeit zum Wohle der Gesamtheit ihren Niederschlag in Art. 163 Abs. 1 WRV, ebenso wie das Recht auf Arbeit in Abs. 2. Jedoch bestand weder eine Rechtspflicht zur Arbeit, noch ein aus Abs. 2 ableitbares einklagbares Recht gegen den Staat auf Arbeit.1 Das Grundgesetz hat auf derartige Programmsätze verzichtet und schützt mit seinem Art. 12 Abs. 1 auch denjenigen, der ohne Beruf bleiben will (negative Berufsfreiheit).2
Volker Epping
Kapitel 9. Eigentum und Erbrecht (Art. 14 GG)
Zusammenfassung
Die Gewährleistung des privaten Eigentums gehört zu den klassischen Freiheitsrechten. In Deutschland finden sich eigentumsbezogene Garantien bereits in den §§ 164 f. der Paulskirchenverfassung. Unmittelbarer Vorläufer des Art. 14 GG hinsichtlich Inhalt und Formulierung ist Art. 153 WRV, der dem heutigen Art. 14 GG sehr ähnelt. Eine Garantie des Erbrechts findet sich in Deutschland erstmals in Art. 154 WRV. In der Rechtsprechung des BVerfG hat Art. 14 GG lange Zeit jedenfalls in dogmatischer Hinsicht eher geringe Bedeutung erlangt. Erst im sog. Nassauskiesungsbeschluss von 19811 beschäftigte sich das BVerfG grundlegend mit der Struktur des Art. 14 GG. Seitdem hat es einige weitere Entscheidungen zu Art. 14 GG gegeben, die diesem Grundrecht insgesamt eine im Vergleich zu anderen Grundrechten klare und relativ unumstrittene Struktur verleihen. Es gilt daher, diese Struktur zu verstehen. Die verbreitete „Angst“ vor Art. 14 GG in der Fallbearbeitung ist dann unbegründet.
Volker Epping
Kapitel 10. Ehe, Familie, Schule (Art. 6, 7 GG)
Zusammenfassung
Die Grundrechte der Art. 6, 7 GG sind im Vergleich zu anderen Bestimmungen des Grundgesetzes eher ungewöhnlich Sie enthalten eine Mischung aus Freiheits- und Gleichheitsrechten einerseits sowie aus Abwehr-, Leistungs- und Verfahrensrechten andererseits. Teilweise bleiben die Art. 6, 7 GG sehr allgemein, teilweise treffen sie detaillierte Regelungen, die eher dem besonderen Verwaltungsrecht anzugehören scheinen (Art. 7 Abs. 4 GG). Diese Besonderheiten sind vor allem bei Art. 7 GG tief gehenden Meinungsverschiedenheiten im Parlamentarischen Rat über Fragen der Religion, der Erziehung und der Schule geschuldet. Gerade bei den Regelungsbereichen der Art. 6, 7 GG — Ehe, Familie, Schule — trafen sehr verschiedene Wertvorstellungen aufeinander, deren Ausgleich der Parlamentarische Rat in langwierigen Verhandlungen suchte und deren Brisanz noch heute nachwirkt. Die aktuellen Kontroversen um homosexuelle Partnerschaften (Stichwort: Lebenspartnerschaftsgesetz), um die Frage staatlicher Kinderbetreuung sowie um die Stellung von Ehe und Familie im Sozial- und vor allem im Steuerrecht (Stichwort: Ehegattensplitting) zeigen, dass sich trotz aller gesellschaftlichen Veränderungen gerade in diesem Bereich höchst unterschiedliche Anschauungen gehalten haben. Dies macht die rechtliche Gestaltung dieser Lebensbereiche nach wie vor äußerst schwierig. Die Regelungen des Grundgesetzes knüpfen dabei an die Regelungen der WRV an. Diese enthielt in den Art. 119–122 zahlreiche Vorschriften über Ehe, Familie und Jugend sowie in den Art. 143–149 umfassende und detaillierte Regelungen über das öffentliche Schulwesen. Regelungen insbesondere über die Schule waren aber auch bereits in der Paulskirchenverfassung enthalten, die in den §§ 153 ff. entsprechende Vorgaben machte.
Volker Epping
Kapitel 11. Allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG)
Zusammenfassung
Die Gewährleistung einer „allgemeinen Handlungsfreiheit“, also der Freiheit des Einzelnen zu tun und zu lassen, was er will, stellt in der deutschen Verfassungstradition ein Novum dar. Gleichwohl kann man die Handlungsfreiheit zu den ältesten Grundrechtsgarantien überhaupt zählen: So bestimmte schon die erste französische Verfassung von 1791 in ihrem Art. 4: „La liberté consiste à pouvoir faire tout ce qui ne nuit pas à autrui.“1 In Deutschland verzichteten die Vorläufer des Grundgesetzes auf eine solche Generalklausel und enthielten stattdessen eine Fülle von Einzelgewährleistungen. Gleichwohl konnten diese naturgemäß den Umfang einer allgemeinen Handlungsfreiheit nicht erreichen, sodass sich bald Schutzlücken auftaten. Es verwundert daher nicht, dass in der Weimarer Zeit intensiv darüber diskutiert wurde, ob man nicht Art. 114 WRV, der die Freiheit der Person garantierte, als umfassende Handlungsfreiheit auslegen könnte. Aus diesen Erfahrungen haben die Verfassungsgeber die Konsequenzen gezogen und eine allgemeine Handlungsfreiheit in das Grundgesetz aufgenommen.
Volker Epping
Kapitel 12. Menschenwürde (Art. 1 GG)
Zusammenfassung
Die ausdrückliche Verankerung der Menschenwürde sowie das Bekenntnis zu den Menschenrechten an hervorgehobener Stelle in Art. 1 GG ist in der deutschen Verfassungsgeschichte ohne Beispiel. Die Grundrechtskataloge waren bis dahin stets eine Zusammenstellung von einzelnen Gewährleistungen, kannten aber keine umfassende Verpflichtung des Staates zur Achtung der Menschenwürde bzw. der Menschenrechte. Gleichwohl gehört die Orientierung an den Menschenrechten bzw. der Menschenwürde zum Kernbestand der Aufklärung; dem Mensch kommt danach kraft seines Menschseins ein unveräußerlicher Eigenwert zu. Der Mensch soll nicht länger dem Staat dienen, sondern umgekehrt der Staat dem Menschen. Dieses Denken war (und ist) eine maßgebliche Triebfeder der Verfassungsentwicklung.
Volker Epping
Kapitel 13. Allg. Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG)
Zusammenfassung
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist im Grundgesetz nicht ausdrücklich erwähnt, sondern ergibt sich aus Art. 2 Abs. 1 GG, beeinflusst durch Art. 1 Abs. 1 GG (Menschenwürde). Mittlerweile hat sich das allgemeine Persönlichkeitsrecht zu einem eigenen Grundrecht verselbständigt, das mit den speziellen benannten Freiheitsrechten vergleichbar ist. Weder in der Weimarer Reichsverfassung noch in der Paulskirchenverfassung gab es einen vergleichbaren Schutz. Lediglich einzelne Aspekte, die heute als vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht umfasst angesehen werden, fanden eine frühe einfachgesetzliche Ausprägung. Hierzu zählen das Recht am eigenen Bild (§§ 22, 23 KUG) sowie das Namensrecht (§ 12 BGB).1 Mit Art. 8 EMRK und Art. 12 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte besteht eine völkerrechtliche Entsprechung. Art. 8 Abs. 1 EMRK lautet: „Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.“
Volker Epping
Kapitel 14. Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 S. 2, 104, 11 GG)
Zusammenfassung
Die Freiheit der Person hat unter den grundrechtlich verbürgten Rechten ein besonderes Gewicht. Als Menschenrecht ist sie durch Art. 5 EMRK geschützt. In der Tradition geht das Recht auf Freiheit der Person auf das in England entwickelte Institut des „Habeas Corpus“ (1679) zurück.1 Hierdurch sollten Festnahmen und verwandte, mit körperlichem Zwang verbundene Freiheitsbeschränkungen durch die öffentliche Gewalt begrenzt werden. Außerdem wurden verfahrensrechtliche Anforderungen aufgestellt; so verpflichtete der Habeas Corpus den jeweiligen Gefängnisdirektor, die sofortige gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Haft herbeizuführen. Als Vorläufernormen der Art. 2 Abs. 2 S. 2, 104 GG in der deutschen Verfassungsgeschichte sind hier § 138 der Paulskirchenverfassung und Art. 114 WRV zu nennen.
Volker Epping
Kapitel 15. Gleichheitsrechte
Zusammenfassung
Die Garantie der Gleichheit gehört ebenso wie die klassischen Freiheitsrechte zum Kernbestand der Verfassungstradition. Schon in der französischen Revolution richteten sich die Forderungen der Aufständischen nicht bloß auf Freiheit (liberté), sondern zugleich auf Gleichheit (égalité), ein Postulat, welches schließlich Eingang in Art. 1 der französischen Verfassung vom 26.8.1791 fand. Bereits in der französischen Revolution war zudem der Zusammenhang von Freiheit und Gleichheit klar erkennbar: Geht man davon aus, dass alle Menschen über unveräußerliche Menschenrechte verfügen, die ihnen kraft ihres Menschseins zukommen, so muss jeder Mensch prinzipiell über die gleichen Rechte und die gleichen Freiheiten verfügen. Besteht aber insofern eine „natürliche“ Gleichheit, so ist es dem Staat grundsätzlich verwehrt, diese vorgegebene Gleichheit zu missachten. Freiheit und Gleichheit gehören zusammen, sie sind zwei Seiten einer Medaille.
Volker Epping
Kapitel 16. Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit (Art. 9 GG)
Zusammenfassung
Art. 9 GG verbürgt zwei Grundrechte, nämlich in Abs. 1 die allgemeine Vereinigungsfreiheit und in Abs. 3 die Koalitionsfreiheit. Die Vereinigungsfreiheit wurde bereits in Art. 162 der Paulskirchenverfassung genannt und in Art. 124 WRV geschützt.
Volker Epping
Kapitel 17. Schutz der Privatsphäre
Zusammenfassung
Art. 10 GG und Art. 13 GG dienen gleichermaßen dem Schutz der Privatsphäre des Einzelnen. Schließlich sollen beide Grundrechte sicherstellen, dass dem Bürger ein Bereich zur eigenen Verfügung verbleibt, in dem er sich vom Staat und auch von Dritten unbeobachtet weiß. Das Gewicht dieser beiden grundrechtlichen Gewährleistungen für die Lebensführung des Einzelnen kommt auch darin zum Ausdruck, dass beide Rechte zumindest teilweise durch Art. 8 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 12 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte geschützt sind (Schutz der Wohnung und der Korrespondenz; das Fernmeldegeheimnis wird nicht erwähnt). Ihre Bedeutung für die freie Entfaltung der Persönlichkeit wurde schon früh erkannt. Bereits § 142 der Paulskirchenverfassung hat das Briefgeheimnis geschützt. Die Weimarer Reichsverfassung hat durch Art. 117 (vom Schutzbereich her mit Art. 10 Abs. 1 GG identisch) den Schutz auf das Post-, Telegrafen- und Fernsprechgeheimnis ausgedehnt. § 140 Paulskirchenverfassung und Art. 115 WRV erklärten die Wohnung für unverletzlich. Die Bedeutung des Art. 10 GG rührt historisch daher, dass die entsprechenden Dienstleistungen von der staatlich geführten Post angeboten wurden und deshalb die Gefahr bestand, dass der Staat leicht und unauffällig auf das gesprochene und geschriebene Wort des Bürgers hätte zugreifen können. Aber auch nach der Privatisierung von Post und Telekom hat sich an der Gefährdung der Privatsphäre durch den Staat nichts geändert.
Volker Epping
Kapitel 18. Justizielle Gewährleistungen
Zusammenfassung
Unter dem Sammelbegriff der „justiziellen Gewährleistungen“ werden die unterschiedlichen Rechte zusammengefasst, die das gerichtliche Verfahren betreffen. Art. 19 Abs. 4 GG betrifft dabei die Frage, ob überhaupt und in welchem Umfang ein gerichtlicher Rechtsschutz bestehen muss. Demgegenüber könnte man Art. 101 GG und Art. 103 Abs. 1 GG als Verfahrensrechte im weitesten Sinne beschreiben. Art. 101 GG stellt Anforderungen an die Ermittlung der gerichtlichen Zuständigkeit auf, wohingegen Art. 103 Abs. 1 GG das rechtliche Gehör gewährleistet. Art. 103 Abs. 2GG und Abs. 3 dienen der Rechtssicherheit auf dem Gebiet des Strafrechts.
Volker Epping
Kapitel 19. Sonstige Gewährleistungen
Zusammenfassung
Das — jedenfalls in der Entscheidungspraxis des BVerfG ein wenig im Schatten stehende — Petitionsrecht gehört zu den ältesten Rechten überhaupt. Die Möglichkeit jedes Einzelnen, den Regierenden Bitten und Beschwerden vorzutragen, findet sich jedenfalls schon im Mittelalter. Mangels eines ausreichenden Rechtsschutzsystems war die Möglichkeit, sich in Form einer Petition an die Obrigkeit zu wenden, häufig die einzige Chance, sein Recht durchzusetzen. Aber nicht nur für den Bürger war das Petitionsrecht wichtig: Auch die Obrigkeit hatte ein großes Interesse daran, frühzeitig zu erkennen, was das Volk (nicht) wollte, um darauf — im Zweifel auch mit Unterdrückungsmaßnahmen — reagieren zu können. Das Petitionsrecht ist daher historisch gesehen nicht unbedingt ein demokratisches Recht, was nicht zuletzt die jüngere deutsche Geschichte belegt: Auch die Verfassung der DDR von 1968 garantierte ihren Bürgern das Petitionsrecht, und Petitionen waren in der DDR ein durchaus gebräuchliches und relativ gesehen Erfolg versprechendes Mittel der Beteiligung am Staatsleben. Für den Staat selbst wiederum erfüllte das Petitionsrecht eine Ventil- und Frühwarnfunktion.
Volker Epping
Backmatter
Metadaten
Titel
Grundrechte
verfasst von
Professor Dr. Volker Epping
Copyright-Jahr
2004
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-662-07603-3
Print ISBN
978-3-540-40159-9
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-07603-3