1990 | OriginalPaper | Buchkapitel
Im Arbeitsspeicher — Zur Rationalisierung geistiger Arbeit
verfasst von : Martin Burckhardt
Erschienen in: Sozialphilosophie der industriellen Arbeit
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Enthalten in: Professional Book Archive
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Von „Rationalisierung“ zu reden bedeutet eine Mehrdeutigkeit ins Feld zu führen. Eine Mehrdeutigkeit freilich, die im Sprachgebrauch allzuschnell überhört wird, nicht zuletzt der Fraglosigkeit wegen, die dem Begriff in den verschiedenen Sphären seiner Verwendung zugewachsen ist. Was für den Maschinenbauingenieur eine bloß technische Verbesserung ist, verwandelt sich im Mund des Firmensprechers zur Drohung, auf der Couch des Psychoanalytikers schließlich wird es zum Zwangsverhalten, das lauter Gründe erfindet, wo sich ein Abgrund auftut — und so taumelt, was sich eine vernunftgläubigere Zeit als ein Vernünftigwerden der Vernunft erhofft hätte, längst im Bodenlosen, ein wenig wie jene Comic-Figuren, die eine Weile noch in der Luft sich voranbewegen, ehe sie dieses Umstandes gewahr werden (was dann, der Logik des Zeichentrickfilms gemäß, zusammenfällt mit ihrem augenblicklichen Absturz). Im Grunde befindet sich eine jede Vernunft, diszipliniert, segmentiert und auf ihre Teilwahrheiten verwiesen, in diesem Dilemma, eine Peinlichkeit, der man sich gemeinhin dadurch entzieht, daß man sich auf die Abgründigkeiten der Konkurrenz konzentriert, was, wie im Comic, zu jenen wunderbar eingespielten, arbeitsteiligen Feindschaftsverhältnissen geführt hat, die doch die Dinge erst im Schwung und in Bewegung halten. Gleichwohl verstellt das Konkurrenzgebaren doch den Blick darauf, was ungeachtet aller Divergenzen noch an Gemeinsamkeit im Rationalisierungsprozeß vorhanden ist. Es ist eine Gemeinsamkeit nicht inhaltlicher, sondern struktureller Art. Tatsächlich, so wenig wie sich die Vernunft darin erschöpft, eine bestimmte Vernunft zu sein, so wenig ist auch der Begriff der Rationalisierung an bestimmte Mittel und Wege gebunden. Im Gegenteil, es ist das Charakteristikum des Rationalisierungsprozesses, daß er sich nicht an ein bestimmtes Instrumentarium bindet, sondern stets empfänglich und im Empfangszustand bleibt, immer bereit, wie ein Schwamm dasjenige aufzusaugen, was die bereits bestehende Ratio auszulöschen und mit einem neuen, effizienteren Regelsystem zu versehen weiß.