Absatzanalyse bei der Produktinnovation

Produktinnovationen gewinnen für deutsche und europäische Unternehmungen immer mehr an Bedeutung. Durch eine zunehmend dynamische Marktumwelt verkürzen sich die Produktlebens- und Marktzyklen erheblich,¹ wobei aufgrund einer Heterogenisierung der Bedürfnisse und Werte der Konsumenten² gleichzeitig das maximal erreichbare Marktpotential sinkt. Zugleich vergrößern der europäische Binnenmarkt seit 1993, Öffnung und Umbruch Osteuropas und eine Globalisierung der Märkte das Marktvolumen.³ Konkurrenzprodukte und Substitutionsprodukte drängen immer intensiver auf den Absatzmarkt und erhöhen den Wettbewerbsdruck. Die zunehmende Komplexität neuer Produkte, z.B. aufgrund einer notwendigen weltweiten Einführung oder durch die Kombination unterschiedlicher Technologien, führt jedoch zu einer Verlängerung der Innovationszyklen.⁴ Durch die Plazierung von Produktinnovationen können sich Unternehmungen einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Konkurrenten verschaffen.⁵ Im Falle des Scheiterns ergeben sich für die Unternehmung aber auch hohe Risiken aufgrund von Fehlinvestitionen oder überhöhten Produktionskosten.⁶ Eine fundierte und systematische strategische Planung und Durchführung von Produktinnovationen bedarf einer vielschichtigen Informationsversorgung über die wesentlichen Einflußgrößen und Entwicklungstendenzen der Umwelt und der Unternehmungspotentiale⁷, wobei die primäre Aufgabe der strategischen Marketingplanung, nämlich die Beantwortung der Frage, welche Produkte in welchen Märkten mit welchen Marketingaktivitäten zu welchem Zeitpunkt vertrieben werden sollen, im Vordergrund steht.⁸

Neuartige Produkte oder Verfahren, die eine Unternehmung erstmalig in den Markt oder in den Betrieb (in Produktion oder Administration) einführt, werden als Innovationen bezeichnet.¹⁴ Es spielt dabei keine Rolle, ob die Neuartigkeit objektiv gesehen vorhanden ist.¹⁵ Vielmehr ist eine Innovation beispielsweise ein Produkt, welches von einem Anbieter mit Produkteigenschaften ausgestattet ist, die für die Gesamtheit aller relevanten Konsumenten im Zusammenhang mit einer Nutzenerwartung subjektiv neu sind.¹⁶ Die Neuheit in einer Innovation beinhaltet nicht zwangsweise neues Wissen. Jemand kann schon geraume Zeit von einer Innovation gewußt haben, ohne eine ablehnende oder zustimmende Haltung einzunehmen, noch sie zu adaptieren oder zurückzuweisen. Der Neuheitsaspekt einer Innovation läßt sich als Ergebnis aus Wissen, Überzeugung und der Entscheidung zur Übernahme durch eine Person oder eine Gruppe ausdrücken. Der Begriff Innovationen umfaßt nicht nur technisch definierte, sondern auch soziale und vertragliche Innovationen.

Die Beurteilung der Absatzentwicklung umfaßt neben der in der Regel im Vordergrund stehenden Absatzprognose auch die subjektive und objektive Wertung der Absatzentwicklung im Marktkontext. Das bedeutet, daß neben der Entwicklung der reinen Absatzzahlen der Unternehmung auch die Entwicklung des Marktvolumens, die Marktanteilsentwicklung und die Entwicklung der Konkurrenz, die Entwicklung der Kaufkraft bei Konsumgütern bzw. die Entwicklung der Abnehmerbranche bei Investitionsgütern prognostiziert werden muß.¹²⁸ Gleichzeitig müssen die Absatzzahlen aber auch in einen Kontext mit Produkterlösen und Kosten gebracht werden, um über den wirtschaftlichen Erfolg eines Produktes zu urteilen.¹²⁹ Schließlich ist zusätzlich auch auf die strategisch bedeutsame Bearbeitung von Geschäftsfeldern, auf komplementäre Wirkungen des Absatzes auf andere Güter und ähnliches zu achten.

Die im vorangegangenen Kapitel vorgestellten Verfahren zur Schätzung und Beurteilung der Absatzentwicklung stellen bestimmte Anforderungen an eine Informationsversorgung. Die Anwendbarkeit dieser Verfahren hängt von drei Hauptkomponenten ab, die in den folgenden näher erläutert werden. Zum einen müssen die für die Verfahren benötigten Daten und Informationen vorhanden und für die Verfahren zugänglich sein. Zweitens müssen die Verfahren in DV-gestützten Modellbanken gespeichert sein. Drittens ist es notwendig, daß das mit den Verfahren verbundene Faktenwissen und das strategische Wissen über den Produktinnovationsprozeß Berücksichtigung findet. Die Ausgestaltung dieser drei Faktoren bestimmt eine leistungsfähige Informationsversorgung im Produktinnovationsprozeß.

Im vorangegangenen Kapitel wurden verschiedene Anforderungen an eine leistungsfähige Informationsversorgung ermittelt. In dem einzusetzenden Marketing-Informationssystem sollte neben einer Speicherung von quantitativen und qualitativen Daten der Zugriff auf Absatzprognoseverfahren, Diffusionsmodelle und Kaufverhaltensmodelle ebenso möglich sein, wie die Berücksichtigung von Faktenwissen zur Methodenauswahl bei Absatzprognose- und Diffusionsverfahren und von produktspezifischen Faktenwissen, sowie die Verarbeitung von unsicherem, unvollständigem und/oder unscharfem Wissen.

Im folgenden Teil sollen die im Rahmen dieser Arbeit ermittelten positiven und negativen Wirkungen einer wissensbasierten Unterstützung bei der Beurteilung des Absatzverlaufes von Produktinnovationen in einem Marketing-Informationssystem zusammenfassend herausgearbeitet und dargestellt werden.

Derzeit stehen entscheidungsrelevante Informationen für Produktinnovationen nicht im wahlfreien Zugriff der Unternehmungen. Auswertungen der dezentral verwalteten Datenbestände werden unvollständig und unsystematisch vorgenommen. Dadurch sind die Unternehmungen nicht in der Lage, ihre Reaktionszeiten auf Umweltveränderungen zu verringern.