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18.09.2017 | Mobilitätskonzepte | Schwerpunkt | Online-Artikel

Die fehlgeplante Mobilitätswende

verfasst von: Alexander Heintzel

6 Min. Lesedauer

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"Dieselgate" hat gute Chancen, Medienthema des Jahres zu werden. Schuld daran haben natürlich auch die Manipulationen bei Herstellern. Die Diskussion findet mittlerweile aber leider auf einer emotional-polemischen und oft von Unkenntnis geprägten Ebene statt und fokussiert auf "guter E-Antrieb – böser Verbrennungsmotor". Da lohnt ein Blick auf die Faktenlage.

Natürlich sind herstellerseitige technische Manipulationen am Abgassystem im Rahmen einer Zykluserkennung illegal. Notwendig ist auch, dass die RDE-Gesetzgebung nun endlich ab September 2017 greift. Aber schon die öffentlich massiv vertretene These vom Verbrennungsmotor als Hauptverursacher von Stickoxid und Feinstaub ist auch durch das Positionspapier der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Kraftfahrzeug- und Motorentechnik (WKM) hinfällig. So ist zum Beispiel "der Beitrag modernster Dieselfahrzeuge, die die neue RDE-Norm erfüllen, […] immissionsseitig nur noch an hochbelasteten Straßen überhaupt wahrnehmbar und wird sich dort in der Größenordnung von wenigen Prozent des NO2-Immissionsgrenzwerts bewegen". Weiter führen die Wissenschaftler aus, dass der Dieselmotor "nicht Verursacher der Feinstaubthematik [ist], er trägt nur zu wenigen Prozent bei rückläufiger Tendenz dazu bei“. Gleiches gelte für den Ottomotor. Darüber hinaus, so die Erkenntnis, ist "die NO2-Immissionsbelastung […] seit über zehn Jahren im gesamten Land rückläufig". Pikanterweise wird diese These mit Ergebnissen des Umweltbundesamtes belegt. 

Empfehlung der Redaktion

01.10.2017 | Im Fokus

Wann wird eine Tonne CO2 unwirtschaftlich?

Die Umgestaltung der gesamten Energieversorgung gilt als zentrales Element der deutschen Energiewende. Um die Klimaschutzziele bis zum Jahr 2050 zu erreichen, müssen die CO 2 -Emissionen bei der Stromerzeugung radikal reduziert werden. 

Obwohl öffentlich zugänglich, scheinen diese und andere Fakten den die Diskussion dominierenden Personen nicht bekannt zu sein. Dies mag man für den Kreis derer, die politische Partikularinteressen vertreten, noch gelten lassen. Aber auch eine große Zahl der Medienbeiträge glänzt leider durch schlechte Faktenlage und mangelndes Fachwissen. So wird die öffentliche Meinung in der Diskussion um den Verbrennungsmotor aktuell nur noch auf den Zeitpunkt von dessen Ende gelenkt und suggeriert, in zehn bis maximal zwanzig Jahren sei Schluss mit ihm.

Unrealistische Klimaziele

Das ist eine gefährliche Entwicklung, weil damit unterschlagen wird, dass weder die Energie- noch die Mobilitätswende auch nur ansatzweise soweit sind, dass eine flächendeckende E-Mobilität zu vertretbaren Umweltbedingungen überhaupt möglich ist. So stieg der Anteil nachhaltiger Energieträger im deutschen Strommix 2016 zwar auf 29,5 Prozent an, aber der Anteil des Stroms aus konventionellen Kraftwerken lag immer noch bei 65,3 Prozent. Für das erste Halbjahr 2017 vermeldet der Stromreport, die erneuerbaren Energien hätten nach einer Berechnung des Fraunhofer ISE "10 Prozent mehr saubere Energie erzeugt. Steinkohle und Kernenergie haben Anteile verloren. Gas und Braunkohle legten zu". Ein Anstieg der erneuerbaren Energien um 10,3 Prozent auf 104,5 Terawattstunden (TWh) und ein Anteil am deutschen Strommix von 37,8 Prozent im ersten Halbjahr 2017 liest sich auf den ersten Blick sehr positiv. Ein gleichzeitiger Anstieg von Strom aus Gaskraftwerken (16,1 Prozent) und aus Braunkohlekraftwerken (+2,8 Prozent) trübt allerdings die Bilanz der "Leistungsrekorde" regenerativer Energien. Heute tagen fossile Energiequellen immer noch zu rund 70 Prozent oder 45,6 Gigawattstunden (GWh) zur Stromerzeugung bei. Zwar hat der Anteil der Steinkohle abgenommen, aber der Braunkohleanteil ist seit zehn Jahren auf einem nahezu gleichbleibenden Niveau (23,1 Prozent). Hier böte sich Gas als deutlich umweltfreundlichere fossile Stromquelle an, aber auch dessen Niveau ist in den letzten zehn Jahren nicht gestiegen und  pendelt bei rund 16 Prozent. 

So bescheinigt die Beratungsgesellschaft McKinsey in ihrem Report zum Energiewende-Index der Bundesregierung zwar eine Übererfüllung der Zielsetzungen im Bereich regenerative Energien, mahnt aber gleichzeitig, dass erhebliche Energieeffizienzpotenziale ungenutzt bleiben und zieht das Fazit: 

Hier muss die Politik bestehende Maßnahmen nachschärfen und auch neue entwickeln. Doch auch dann ist ein deutlicher Rückgang der CO2e-Emissionen in Deutschland nicht zu erwarten, zum Beispiel aufgrund des Wegfalls von circa 100 TWh CO2-freien Stroms aus Kernkraftwerken bis Anfang der 2020er Jahre. Dies macht eine Absenkung des deutschen CO2e-Klimaziels auf ein ambitioniertes aber machbares Niveau notwendig".

Hohe energiebedingte Emissionen

Etwa 85 Prozent der deutschen Treibhausgasemissionen sind energiebedingt. Hiervon entfallen etwa 20 Prozent auf den Verkehrssektor. Zwar ist ihr Trend seit 1990 rückläufig, aber der stark wachsende Anteil erneuerbarer Energien führt nicht dazu, dass deutlich weniger Kohlestrom erzeugt wird, wie auch der Report Wann wird eine Tonne CO2 unwirtschaftlich? aus der MTZ 10/2017 zeigt. Auch ein Wechsel zu Gas als Stromquelle ist aufgrund der im Vergleich zur Kohle höheren Preise und der niedrigen Kosten pro emittierter Tonne Kohlendioxid nicht zu verzeichnen. Als Folge produziert Deutschland stetig mehr Strom als benötigt wird und exportiert diesen: Zwischen 2011 und 2016 stieg der Exportüberschuss beim Strom von 10 TWh auf rund 51 TWh – rund eineinhalb Mal so viel wie Dänemark insgesamt pro Jahr verbraucht. Der exportierte Strom stammt oft aus Windkraft, da ein Überangebot nicht gepuffert werden kann: Es fehlen Speicher und die Netze sind für Stromspitzen, wie sie bei dieser volatilen Energie auftreten können, nicht ausgelegt. Er kommt aber auch aus fossilen Quellen und erhöhte den Emissionsfaktor hierzulande. So betrug der spezifische Emissionsfaktor für CO2 des deutschen Strommixes 2016 immer noch 527 g/kWh. Der Journalist Stefan Hajek berichtet in Wirtschaftswoche Online aktuell gar von 555 g/ CO2. Hinzu kommt noch die Verschmutzung durch NOx, SOx, CO, Feinstaub (PM10, PM2,5) und Hg, verursacht in hohem Maß durch Verbrennungsanlagen und Wärmekraftwerke. 

Deutschland hat sich 2003 mit Unterzeichnung  des PRTR-Protokolls dazu verpflichtet, ein Register über Schadstofffreisetzungen und -transporte aufzubauen. Das ist prinzipiell gut, aber zum einen müssen die Betreiber nicht über den eingesetzten Brennstoff informieren, berichten zweitens nicht über jedes einzelne Kraftwerk sondern die Gesamtheit aller Anlagen einer Betriebseinrichtung und drittens beruhen die Angaben zumeist auf den Messungen und Angaben der Betreiber. Darüber hinaus muss erst ab einem sogenannten Schwellenwert gemeldet werden: Dieser liegt für CO2 bei 100.000 t/Jahr, für NOx bei 100 t/Jahr, für SOx bei 10 t/Jahr und Hg ist ab einer freigesetzten Menge von 10 kg/Jahr meldepflichtig. Auch diese über CO2 hinausgehenden Emissionen wären korrekterweise der Gesamtumweltbilanz der Stromerzeugung und damit auch anteilig der E-Mobilität zu zurechnen – es sei denn, man möchte bewusst Äpfel mit Birnen vergleichen.

Mobilitätswende braucht synthetische Kraftstoffe

Der Energie-Mehrbedarf durch flächendeckende Elektrifizierung ist hoch. Demnach sind die deutschen Stromnetze sind nicht fit für die Wende und müssen ertüchtigt werden, um volatile Wind- und Solarenergie zu speichern. Sonst drohen durch zunehmende E-Mobilität Leistungsengpässe auf der Verteilnetzebene. Um die Infrastruktur Deutschlands für das CO2-neutrale Zeitalter fit zu machen, bedarf es erheblicher finanzieller Anstrengungen im hohen dreistelligen Milliarden-Bereich beim Ausbau von Energieversorgung, Speichern, Netzen und digitaler Stromsteuerung. Auf Basis des deutschen Strommixes muss ein BEV derzeit bis zu 125.000 Kilometer zurücklegen, um ökologisch mit einem Verbrennungsmotor gleichziehen zu können. Und hierbei ist der deutlich höhere ökologische Fußabdruck von E-Fahrzeugen in der (Batterie-)Produktion gegenüber konventionellen Fahrzeugen noch nicht berücksichtigt. Hybridfahrzeuge erreichen bereits heute diesen Break-even deutlich schneller. Mithin sind synthetische Kraftstoffe – sogenannte E-Fuels – in finanzieller und ökologischer Sicht die ideale Lösung, um Klima- und Luftqualität schnell, nachhaltig und global in den Griff zu bekommen.

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