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11.04.2018 | Elektrofahrzeuge | Schwerpunkt | Online-Artikel

Elektroautos fordern Energiebranche heraus

verfasst von: Christiane Köllner

6:30 Min. Lesedauer

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Fahren immer mehr Elektroautos auf den Straßen, fordert das die Energiebranche heraus. Insbesondere die Verteilnetze sind einem Elektroauto-Boom nicht gewachsen. Doch bidirektionales Laden und intelligentes Lastmanagement können Abhilfe schaffen.

Das Elektroauto gilt als Hoffnungsträger für eine Verkehrswende. Doch wenn künftig deutlich mehr Elektroautos auf Deutschlands Straßen fahren sollen, stellt dies die Energiebranche vor neue Herausforderungen. Insbesondere die Verteilnetze sind der zusätzlichen Nachfrage durch Haushalte mit Elektroautos nicht gewachsen. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Befragung von Energiemarktexperten in Deutschland, das ZEW Energiemarktbarometer. Würden im Jahr 2025 rund 4,5 Millionen Autos rein elektrisch betrieben werden, sehen die Energieexperten zwar keine Engpässe in der bis dahin geplanten und realisierten Erzeugungs- und Übertragungsnetzkapazität. Allerdings wird es den Umfrageergebnissen zufolge Engpässe im Verteilnetz geben. 

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2017 | OriginalPaper | Buchkapitel

Integration of renewables and electric vehicles into the smart grid – innovative energy management strategies and implementation

Electric vehicles (EVs) have important roles not only as the sustainable mobility but also as the distributed energy storage in the smart grid. Vehicle-to-Grid (V2G), which enable the EV to supply power and energy for the grid, requires the bi-directional power flow control and the two-way communication with utilities.

Das Übertragungsnetz (Höchstspannungsnetz) dient dem Transport von Strom über große Entfernungen, während das Verteilnetz (Niedrigspannungsnetz) den Strom auf der "letzten Meile" zum Endkunden liefert. 67 Prozent der vom ZEW befragten Energieexperten meinen, dass die bestehenden sowie geplanten Kapazitäten im Verteilnetz angesichts eines solchen Zuwachses nicht ausreichen und daher größere Investitionen benötigt werden. Dies betrifft vor allem den Ausbau mit zusätzlichen Transformatoren und stärkeren Stromkabeln. Im Gegensatz zu den Schwächen beim Verteilnetz sehen 79 Prozent sowie 73 Prozent der befragten Experten keinen oder nur minimalen zusätzlichen Investitionsbedarf bei der Erzeugungs- und Übertragungsnetzkapazität. 

Überlastung des örtlichen Verteilnetzes

Auch die Analysten der Beratungsfirma Oliver Wyman haben kürzlich in der Studie "Der E-Mobilitäts-Blackout" zusammen mit Forschern der TU München vorgerechnet, dass die deutschen Niederspannungsnetze einem kommenden Boom von Elektroautos nicht gewachsen seien. Ab einem Anteil von 30 Prozent Elektroautos würden diese das örtliche Verteilnetz überlasten und lokale Stromausfälle provozieren, sobald viele Fahrzeuge zur gleichen Zeit geladen werden. Von der Marke 30 Prozent sind Elektroautos momentan allerdings noch weit entfernt. Im vergangenen Jahr wurden laut Kraftfahrtbundesamt 25.056 reine Elektro-Pkw neu zugelassen. Das ist ein Anteil von 0,7 Prozent der 2017 insgesamt neu angemeldeten Pkw. 

Die größten Hemmnisse für eine stärkere Nutzung von Elektroautos sind laut den vom ZEW befragten Energieexperten deren fehlende Reichweite (64 Prozent) sowie die nach wie vor zu hohen Anschaffungskosten (52 Prozent). Des Weiteren seien die lange Ladezeit der Batterien (35 Prozent) und eine mangelnde Ladeinfrastruktur (45 Prozent) bedeutende Hemmnisse. Für einen Durchbruch der Elektromobilität werden "noch deutlich mehr Ladepunkte nötig sein", erklärt auch BridgingIT im Artikel Bedarfsorientierte Ladeinfrastruktur aus Kundensicht aus der ATZelektronik 3-2017. Die unterschiedlichsten Nutzergruppen vom Laternenparker bis hin zum Außendienstvertreter benötigen dabei passgenaue Ladelösungen für ihren Alltag. Privates Laden Zuhause oder beim Arbeitgeber sei aktuell am weitesten verbreitet, aber nur für diejenigen Nutzer möglich, die zuhause die Möglichkeit haben einen Ladepunkt zu errichten oder deren Arbeitgeber dieses anbietet. Bewohner einer Etagen-Mietwohnung ohne eigenen Stellplatz in der Innenstadt können das Fahrzeug nicht zu Hause laden. Ausreichende Infrastruktur in der Wohngegend ist aktuell nicht vorhanden.

Insgesamt sehen die Energieexpertinnen und -experten in Deutschland also vor allem Nachholbedarf bei der E-Auto-Technologie selbst, beim Ausbau der Ladeinfrastruktur und der lokalen Niedrigspannungsnetze", erklärt Dr. Wolfgang Habla, wissenschaftlicher Mitarbeiter im ZEW-Forschungsbereich "Umwelt- und Ressourcenökonomik, Umweltmanagement" und Mitautor der Erhebung. 

Auf der anderen Seite gäbe es bei der Integration der Autobatterien ins Stromnetz und beim Management der Ladevorgänge viele Chancen für die Energiebranche, aber auch für IT-Unternehmen und Autohersteller, sich einen neuen Markt zu erschließen, so Habla.  

Nissan und Partner arbeiten an der Stromnetz-Stabilisierung

Dass sich diese Chancen ergeben, verdeutlichen zum Beispiel der Übertragungsnetzbetreiber TenneT, der Energiedienstleister The Mobility House und der Automobilhersteller Nissan. Um zu untersuchen, auf welche Weise Elektroautos zur Stabilisierung des Stromnetzes beitragen könnten, haben die drei Partner jetzt ein gemeinsames Pilotprojekt gestartet. In dem Projekt wird das Potenzial der Batterien von Elektrofahrzeugen genutzt, lokal produzierten Strom zu speichern und wieder einzuspeisen, um das Stromnetz zu stabilisieren. "Kooperatives Energiemanagement" nennen das die Springer-Autoren der Ruhr Universität Bochum im Kapitel Multifunktionales Elektromobil: Elektromobile im urbanen Ballungsraum aus dem Buch Mobilität und digitale Transformation.

Aktuell kommt es wegen der zunehmenden dezentralen Einspeisung erneuerbarer Energien immer öfter zu Transportengpässen im Stromnetz. Um sie zu vermeiden, greift TenneT in die Erzeugung von konventionellen Kraftwerken und von Erneuerbaren ein (Redispatch, Netzreserve, Windabregelungen) und sorgt so dafür, dass der Stromtransport im Rahmen der Übertragungskapazität des Netzes liegt. Die Kosten hierfür haben 2017 bei knapp einer Milliarde Euro (Tennet-Regelzone) gelegen und werden über die Netzentgelte letztlich von den Stromverbrauchern getragen. Erste Ergebnisse des Projekts sollen voraussichtlich im ersten Quartal 2019 vorliegen.

Während der Projektphase werden Nissan-Elektrofahrzeuge in der TenneT-Regelzone in Nord- und Süddeutschland als mobile Energiespeichersysteme genutzt, um lokale Überlastungen in der Stromversorgung beziehungsweise -nachfrage unmittelbar zu reduzieren. Nach erfolgreicher Durchführung des Projekts könnten dies Nissan-Elektrofahrzeuge deutschlandweit leisten. Die von The Mobility House entwickelte intelligente Lade- und Energiemanagementsoftware soll die automatisierte Steuerung des Lade- und Entladevorgangs ermöglichen. 

Wichtigste Voraussetzung hierfür ist die Fähigkeit zum bidirektionalen Laden (Vehicle-to-Grid), das heißt, dass Elektrofahrzeuge nicht nur Energie aus dem Netz ziehen, sondern diese auch bei Bedarf wieder einspeisen können. Allerdings führt das zu einer geringeren Lebensdauer der Akkumulatoren, wie die Springer-Autoren im Kapitel Speicherbedarf in der Stromversorgung aus dem Buch Energiespeicher anmerken. Allerdings haben neueste Forschungen von Wissenschaftlern der University of Warwick zu den Potenzialen der Vehicle-to-Grid-Technik gezeigt, dass sie die Lebensdauer der Fahrzeugbatterie über ein Jahr um rund zehn Prozent verbessern könnte. Die Forschungsergebnisse müssen nun geprüft und weitere Tests durchgeführt werden, doch sie machen Hoffnung. Unter solchen Voraussetzungen wäre es auch weitaus leichter, Elektroauto-Besitzer für die Teilnahme am Netzmanagement zu bewegen.

Bidirektionales Laden und Lastmanagement

Bidirektionales Laden hat also durchaus Potenzial, um das Verteilnetz künftig vor einer möglichen Überlastung durch E-Mobilität zu schützen. Damit verbunden ist auch ein intelligentes Lastmanagement, das erforderlich ist, "um die verfügbare Energie und die Energienachfrage durch Anwender zu optimieren (Smart Grid)", so die IAV im Artikel Kommunikationssystem zur Netzintegration von Elektrofahrzeugen aus der ATZelektronik 4-2017. Um Engpässe bei der Stromversorgung zu vermeiden, empfehlen die Forscher der TU München, das Stromnetz flexibler zu nutzen: Werden E-Autos nicht zeitgleich, sondern intelligent verteilt über einen längeren Zeitraum geladen, dann könne das Verteilnetz eine Verbreitung von bis 100 Prozent Elektroautos verkraften – auch ohne massive Ausbauten. 

Die EEBUS-Initiative hat für diese Anforderung eine technische Lösung entwickelt. Die Vernetzung mit dem EEBUS-Standard soll Überlastungen durch die E-Auto-Ladetechnik verhindern, indem sich alle Energieverbraucher im Hintergrund darüber abstimmen, wer gerade mit höchster Priorität Energie verbrauchen kann. Neben der E-Auto-Ladetechnik vernetzt sie auch alle weiteren großen Verbraucher wie etwa die Heizung oder Hausgeräte. Verbraucher kommunizieren via EEBUS außerdem mit einer Photovoltaikanlage und künftig mit dem intelligenten Stromnetz. In zwei Testdurchläufen, sogenannten Plugfests, konnten EEBUS-Mitgliedsfirmen aus der Automobilbranche wie Volkswagen, Porsche und Audi sowie Ladetechnik-Anbieter wie Menneckes das Zusammenspiel der unterschiedlichen Komponenten bereits 2017 erproben. Dabei wurde die Kommunikation mit Heizungen von Vaillant und Viessmann sowie Energiemanagern etwa von SMA und Hager geprüft und optimiert. Die Markteinführung vernetzter Ladetechnik und zugehöriger Energiemanager ist für 2019 geplant. 

ATZlive-Fachtagung im Juni in Berlin

Die Netzintegration der Elektromobilität ist Thema der gleichnamigen internationalen ATZ-Fachtagung am 5. und 6. Juni 2018 in Berlin. 

» zur Veranstaltungsseite "Netzintegration der Elektromobilität"

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