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2018 | OriginalPaper | Buchkapitel

4. Intuitionismus

verfasst von : Alexander George, MA, Daniel J. Velleman, MA

Erschienen in: Zur Philosophie der Mathematik

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

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Zusammenfassung

Das Ende des letzten Kapitels mag den Leser im Glauben wiegen, dass sich Freges Projekt, auch wenn der Start etwas holprig war, schließlich doch als realisierbar erwiesen hat. Die Arbeit innerhalb einer naiven Theorie der Umfänge von Prädikaten ist zwar eingeschränkt durch die Russell’sche Antinomie. Ein differenzierterer Zugang zu den Mengen (wie in ZFC) aber vermeidet die Antinomie, und die Rückführung der Mathematik auf Logik kann unbeeinträchtigt von Widersprüchen weitergehen.
Kaum jemand jedoch glaubt, dass das logizistische Projekt, wie Frege es vor Augen hatte, wirklich durchgeführt worden ist. Warum nicht? Ist die Antwort, dass die Rückführung der Arithmetik, sagen wir auf die Mengenlehre, aufgefasst als Theorie von Umfängen, nicht als logische Rückführung zählt, weil sie nicht als Logik gilt? Umfänge sind keine logischen Gegenstände, vielleicht mathematische – so mag man die Antwort fortsetzen –, und daher war Freges Projekt von Anfang an schlecht konzipiert.
Warum aber soll man Umfänge nicht als logische Gegenstände ansehen? Gut, solche Gegenstände kommen in der Regel in der Logik nicht vor. Setzt man dies aber voraus, wäre Freges Projekt von Beginn an dem Untergang geweiht gewesen. Denn natürliche Zahlen werden gewöhnlich genauso wenig als logisch akzeptiert, obwohl der Erfolg von Freges Logizismus gerade davon abhing, das zu zeigen. Den logischen Status von Umfängen einfach zu leugnen, weil sie gewöhnlich nicht als Teil der Logik gesehen werden, bedeutet, das Gewicht zu sehr auf vor-theoretische Intuitionen zu legen, was als „logisch erscheint“ und was nicht.

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Fußnoten
1
Frege (1879, S. IV).
 
2
Anm. d. Übers.: Eine Frage ist, warum die Autoren hier nicht von einer Mengenlehre mit Klassen (vgl. Bedürftig und Murawski (2015, Kap. 4)) ausgehen und von dort her argumentieren. Einige der vorangehenden und folgenden Argumente wären vor einem solchen Hintergrund wenig stichhaltig.
 
3
Hardy (1967, S. 123f).
 
4
Anm. d. Übers.: Die Autoren formulieren hier, zuvor und im Folgenden so, dass der Eindruck entstehen kann, ZFC, die Zermelo-Fraenkelsche Mengenlehre, handele auch von Klassen. Das ist nicht der Fall. Es gibt jedoch Erweiterungen von ZFC um Klassen wie die NBG-Mengenlehre, die auf von Neumann, Bernays und Gödel zurückgeht, oder die A-Mengenlehre, die von Ackermann formuliert wurde. Beide Mengenlehren stimmen im Bereich der Mengen mit ZFC überein (vgl. Bedürftig und Murawski (2015, Punkt 4.3.2)).
 
5
Den Ausdruck „indefinitely extensible“ [für „indefinit“ oder „umfangsindefinit“, wie wir im Folgenden sagen werden (Anm. d. Übers.)] findet man bei dem englischen Philosophen Michael Dummett (1925–2011), vgl. z. B. Dummett (1991, S. 317). Dummett merkt an, dass die Idee letztlich auf Russell (1905, S. 135–164, besonders S. 144) zurückgeht.
 
6
Konstruktivistische Einwände gegen den Realismus in der Mathematik wurden im 19. Jahrhundert erhoben, wenn nicht schon zuvor, also vor der Russell’schen Antinomie. Diese Antinomie aber macht den Preis eines strengen Realismus besonders klar.
 
7
Auch das Wort „Intuitionismus“ wurde für unterschiedliche, aber eng verwandte, Richtungen gebraucht. Der Ausdruck selbst wurde durch den niederländischen Mathematiker L. E. J. Brouwer (1881–1966) geprägt, der im frühen zwanzigsten Jahrhundert der Pionier dieses Ansatzes war. Nach ihm ist die Intuition der Zeit, in einem kantischen Sinn, die Basis für alle Mathematik. Unsere Darstellung des Intuitionismus berücksichtigt recht unterschiedliche Richtungen, von denen Brouwer einige abgelehnt hätte.
 
8
Dummett, in George (1994, S. 22).
 
9
Es gibt auch Zwischenpositionen, die weder alle infiniten Gesamtheiten scheuen, wie es der Intuitionismus tut, noch sie alle akzeptieren wie die Realisten. Für eine Darstellung und Verteidigung der Sichtweise, dass nur abzählbaren Gesamtheiten abgeschlossene unendliche Ganzheiten bilden, siehe Velleman (1993).
 
10
Diese Position wird von Michael Dummett eingenommen, siehe z. B. Dummett (1978).
 
11
Der Unterschied in der Bedeutung würde hier verloren gehen, wenn man die Zusammenfassung dieser generierten Gegenstände für eine abgeschlossene unendliche Ganzheit hielte. Für den Intuitionisten kann keine Zusammenfassung die Ausgabe eines unendlichen Verfahrens umfassen, d. h., die Ausgabe des Verfahrens existiert nicht aktual, sondern nur potentiell.
 
12
Die Notation \(\begin{array}[]{c}P_{1}\,P_{2}\,\ldots\,P_{n}\\ \hline Q\\ \end{array}\) bedeutet, dass wenn es korrekt ist, \(P_{1}\,P_{2}\,\ldots\,P_{n}\) zu behaupten, dass dann auch die Behauptung von \(Q\) korrekt ist.
 
13
Wir merken an, dass der Intuitionist nicht jede Folgerung der Form (8) zurückweist. Speziell wenn \(A\) eine Aussage ist, die nicht über Unendliches spricht – wie unsere frühere Aussage „\(17\) und \(19\) sind Zwillingsprimzahlen“ –, dann ist die Anwendung des Gesetzes der doppelten Negation unproblematisch. Wir werden darauf zurückkommen, wenn wir mehr über das intuitionistische Verständnis der Negation gesagt haben. Wichtig für den Intuitionisten hier ist, dass das Gesetz der doppelten Negation nicht für jede Aussage \(A\) anwendbar ist und daher kein allgemein gültiges Prinzip sein kann.
 
14
Mit „Zahlsymbol“ meinen wir hier wie üblich einen Term, in dem „0“ und das Symbol für die Nachfolgerfunktion vorkommt: „0“ oder eine endliche Folge von Symbolen „S“ gefolgt von „0“. Zahlsymbole ermöglichen uns den Bezug zu jeder natürlichen Zahl. Jedes Zahlsymbol bezieht sich auf eine natürliche Zahl. In Kap. 5werden wir Quantifizierungen über Bereichen betrachten, die nicht die natürlichen Zahlen sind. Die Methoden hier, die wir für die Beschreibung ihrer Elemente haben, werden Beschreibungen erlauben, die nicht jedes Element in diesem Bereich erreichen. Wir werden dann sehen, wie dies eine leichte Erweiterung unserer Analyse der Bedeutung von „Quantifizieren“ erzwingt.
 
15
Diese Schlussfolgerung setzt voraus, dass, wenn eine Wahrheitsbedingung für eine Aussage gilt, wir sie nicht in jedem Fall nachweisen können. Nicht alle klassischen Mathematiker jedoch denken so. Wir werden in Kap. 6 darauf zurückkommen.
 
16
In Kap. 6, in unserer Diskussion der Gödelschen Unvollständigkeitssätze, werden wir zurückkommen auf den Gedanken, dass der Begriff „Beweisschritt“ umfangsindefinit ist.
 
17
Wir nehmen hier an, dass einen Satz zu widerlegen – d. h. zu beweisen, dass aus ihm \(0=1\) folgt, – bedeutet, dass er nicht bewiesen werden kann. Der Intuitionist wird darauf bestehen, dass die einzige Möglichkeit eines Beweises von \(0=1\) ein direkter Vergleich der beiden Zahlen \(0\) und \(1\)ist, um zu sehen, ob sie gleich sind. Und tatsächlich zeigt ein direkter Vergleich, dass sie nicht gleich sind.
 
18
Die intuitionistische Ungültigkeit einiger Schlüsse kann den Leser zur Frage führen, ob in der intuitionistischen Logik jede Aussage äquivalent zu einer Pränexform (eine Form, in welcher kein Quantor im Geltungsbereich eines logischen Ausdrucks ist, bis auf einen Quantor) ist, so wie in der klassischen Logik. Die Antwort ist Nein. Zum Beispiel ist \(\neg\forall xFx\) intuitionistisch nicht äquivalent zu irgendeiner Pränexform.
 
19
Quine (1969, S. 243).
 
20
Für eine weitergehende Diskussion siehe Two conceptions of natural number von George und Velleman, in Dales und Oliveri (1998).
 
21
Quine (1970, S. 87).
 
Metadaten
Titel
Intuitionismus
verfasst von
Alexander George, MA
Daniel J. Velleman, MA
Copyright-Jahr
2018
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-56237-6_4