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2007 | Buch

Belastung und Beanspruchung im Lehrerberuf

Modelle, Befunde, Interventionen

herausgegeben von: Martin Rothland

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Belastung und Beanspruchung im Lehrerberuf

Belastung und Beanspruchung im Lehrerberuf
Zur Einführung in das Studienbuch
Auszug
Das Thema „Belastungen und Beanspruchung im Lehrerberuf“ stellt nach wie vor einen Schwerpunkt der empirischen Lehrerforschung dar (vgl. Schaefers/ Koch 2000). Zahlreiche Studien haben sich unter verschiedenen Schwerpunktsetzungen und methodischen Zugangsweisen in den letzten 15 Jahren besonders intensiv Aspekten der Beanspruchung von Lehrerinnen und Lehrern, den Ursachen und Bedingungen sowie den unmittelbaren und langfristigen Folgen gewidmet (vgl. van Dick 1999/[2]2006; Böhm-Kasper u.a. 2001; Wendt 2001; Krause 2002; Schönwälder u.a. 2003 u.a.m). Zudem wird in vielen bereits abgeschlossenen oder weiter andauernden Projekten versucht, Präventions- und Interventionsmaßnahmen zu entwickeln und in der Praxis zu erproben (vgl. das „Projekt Lehrergesundheit in Rheinland-Pfalz“ (Heyse 2004), das Projekt „Arbeit und Gesundheit im Lehrerberuf AGIL“ (vgl. Hillert/Sosnowsky/Lehr 2005), das Verbundprojekt „Lange Lehren“ (http://​www.​tu-dresden.​de/​medlefo/​content/​) und das Projekt „Gute gesunde Schule entwickeln - mit Lehrergesundheit Schulqualität sichern“ (http://​www.​lehrergesundheit​.​uni-lueneburg.​de), um nur eine kleine Auswahl zu nennen).
Martin Rothland

Beruf: Lehrer — Arbeitsplatz: Schule

Beruf: Lehrer — Arbeitsplatz: Schule
Charakteristika der Arbeitstätigkeit und Bedingungen der Berufssituation
Auszug
„Den Lehrerberuf kennt jedermann. Er ist allgemein besser bekannt als irgendein anderes Metier. Jeder Vollsinnige hat 8, 10, 14 Jahre lang Lehrpersonen täglich in ihrer spezifischen Berufstätigkeit beobachtet und an der eigenen Seele erlebt“ (Schohaus 1954, S. 5).
Martin Rothland, Ewald Terhart

Modelle, Konzepte und Befunde der Lehrerbelastungsforschung

Frontmatter
Belastung, Beanspruchung und Stress im Lehrerberuf-Theorien und Modelle
Auszug
Thema des vorliegenden Sammelbandes sind Belastungen und Beanspruchungen im Lehrerberuf. Welche besonderen Charakteristika den Beruf des Lehrers und den Arbeitsplatz Schule kennzeichnen, die schließlich auch in einem mittel- und unmittelbaren Zusammenhang mit eben solchen Belastungen stehen, wurde bereits im einleitenden Beitrag von Rothland und Terhart (2007) skizziert. Wie lassen sich aber grundsätzlich berufliche „Belastungen“ jenseits einer alltagssprachlichen Begriffsverwendung wissenschaftlich bestimmen? Wie entstehen sie? Und wie unterscheiden sich bzw. in welchem Verhältnis stehen Belastungen, Beanspruchungen und Stress? Auf diese Fragen versucht dieser Beitrag in einem ersten Schritt Antworten zu geben. Im Anschluss daran werden unterschiedliche Modelle vorgestellt, mit denen die Arbeit des Lehrers analysiert, verstanden und optimiert werden kann. Wir beginnen mit einem Rahmenmodell der Belastung und Beanspruchung (Rudow 1994). Anschließend wird das trans- aktionale Stressmodell (Lazarus 1995) vorgestellt. Der Ansatzpunkt dieses Modells ist die individuelle Lehrerin bzw. der individuelle Lehrer und ihre Wahrnehmungen und Ressourcen. Das dritte Modell, das Job Characteristics Model von Hackman und Oldham (1980) bezieht sich vor allem auf die Wahrnehmung der Arbeitssituation an sich, während das vierte Modell, die Handlungsregulationstheorie (Oesterreich 1981), sich den Anforderungen des Berufs und der Tätigkeit in möglichst objektiver Art und Weise nähert. In einem abschließenden Teil werden wir Dimensionen vorstellen, die zum Vergleich dieser Modelle geeignet sind.
Rolf van Dick, Sebastian Stegmann
Ergebnisse der Lehrerbelastungsforschung: Orientierung im Forschungsdschungel
Auszug
Streng genommen ist der Titel dieses Beitrags in mehrfacher Hinsicht irreführend. Erstens ist die Mehrzahl der Lehrkräfte weiblich. Zweitens untersuchen viele Studien zwar das (aus Belastungen resultierende) Beanspruchungserleben, berücksichtigen die ursächlichen Belastungen jedoch nicht. Drittens verwenden Forscher häufig andere Begrifflichkeiten (z.B. Stress) oder es werden belastungsrelevante Aspekte wie etwa die Schüleraufmerksamkeit im Unterricht zwar untersucht, aber ohne Bezüge zu Lehrerbelastungen herzustellen. Viertens beschäftigen sich Forschungsgruppen zunehmend auch mit der Gesundheit von Lehr- kräften, um die positiven Seiten der Arbeit zu betonen. So wäre ein Titel Ergeb-nisse der Lehrer- und Lehrerinnenbelastungs-, -beanspruchungs- und -gesund- heitsforschung zwar treffender, jedoch für Sie, sehr geehrte Leserinnen und Leser, nicht zumutbar. Bitte berücksichtigen Sie deshalb im Folgenden, dass Lehrerbelastungsforschung nur als Abkürzung für jenen Forschungsbereich zu verstehen ist, der sich mit der Gesundheit, den beruflichen Belastungen und Beanspruchungen von Lehrerinnen und Lehrern beschäftigt.
Andreas Krause, Cosima Dorsemagen
Beanspruchungsmuster im Lehrerberuf
Ergebnisse und Schlussfolgerungen aus der Potsdamer Lehrerstudie1
Auszug
Hauptanliegen der Potsdamer Lehrerstudie ist es, ein differenziertes Bild der Belastungssituation im Schuldienst zu zeichnen und praxistaugliche Vorschläge zur Optimierung des Arbeitsalltags abzuleiten. Besonderes Augenmerk ruht dabei auf der Frage nach Persönlichkeitsfaktoren, die einen gesundheitsförderlichen Umgang mit den Anforderungen des Berufes erleichtern. Zentraler Bezugspunkt unserer Untersuchung, die sich mittlerweile auf Daten von über 7600 Pä- dagoginnen und Pädagogen stützt, ist das Fragebogenverfahren AVEM („Ar- beitsbezogenes Verhaltens- und Erlebensmuster“, Schaarschmidt/Fischer 1996/ 2003). Gesundheitliche Chancen und Risiken werden hierbei über das individuelle Bewältigungsverhalten bestimmt. Für die Lehrerschaft ergibt sich ein durchaus problematisches Bild. Der Beruf scheint mit höheren gesundheitlichen Risiken behaftet als andere Beschäftigungsfelder. Wir beobachten zudem markante Geschlechtsunterschiede: Lehrerinnen leiden offenbar unter größeren Belastungen als ihre männlichen Kollegen. Dagegen lassen sich kaum schulformspezifische oder regionale Unterschiede aufdecken. Die im Längsschnitt festgestellten Entwicklungen weisen überdies darauf hin, dass keine Verbesserungen im Sinne spontaner Remission zu erwarten sind. Bezogen auf vier Handlungsfelder werden Schlussfolgerungen zur Veränderung des vorgefundenen Zustandsbildes erörtert.
Uwe Schaarschmidt, Ulf Kieschke
Psychische Belastungen im Unterricht
1 Wenn es um psychische Belastungen von Lehrkräften geht, muss das Unterrichtsgeschehen berücksichtigt werden
Auszug
Die Tätigkeit von Lehrerinnen und Lehrern ist psychisch belastend (vgl. die Beiträge von Rothland/Terhart, Krause/Dorsemagen, van Dick/Stegmann und Hillert in diesem Buch). Inzwischen sind die potenziell relevanten psychosozialen Belastungsfaktoren bekannt und vielfach untersucht. So konnte gezeigt werden, dass bedeutsame Zusammenhänge bestehen zwischen Belastungen im schulischen Arbeitsalltag wie Unterrichtsstörungen, sozialen Konflikten im Kollegium, fehlender Unterstützung durch die Schulleitung, Zeitdruck oder fehlenden Erholungspausen einerseits und Beanspruchungsfolgen bei Lehrkräften wie emotionaler Erschöpfung oder Gereiztheit andererseits. Die Belastungsfaktoren sind messbar und lassen sich im Rahmen einer gesundheitsförderlichen Schulentwicklung explizit berücksichtigen. Die Messung kann im Kontext der gesetzlich vorgeschriebenen Gefährdungsbeurteilungen erfolgen (Krause/Kaempf im Druck).
Andreas Krause, Cosima Dorsemagen
Burnout — Kritische Diskussion eines vielseitigen Phänomens
Auszug
Der Begriff Burnout (vom englischen: to burn out; deutsch: ausbrennen) vereint in sich verschiedene Facetten psychischen Verhaltens und Erlebens. Spontan assoziiert man damit persönliches Leid sowie das Gefühl, am Ende einer langen Wegstrecke erschöpft und resigniert, innerlich kämpfend, hilflos in sich zusam- menzufallen. Man hat das Bild einer starken, in der Arbeit hochengagierten, kompetenten, charismatischen Persönlichkeit vor Augen, die sich stets an- spruchsvolle Ziele gesetzt, sich für Ideale und andere Menschen (z.B. Schüler, Patienten, Mitarbeiter) selbstvergessen aufgeopfert hat und nun von Überdruss geplagt selbst zu einem Hilfesuchenden geworden ist: gebeugt und gebrochen, ohne einen neuen Lebensinhalt.
Nadia Sosnowsky
Psychische und Psychosomatische Erkrankungen von Lehrerinnen und Lehrern
Konzepte, Diagnosen, Präventions- und Behandlungsansätze
Auszug
Als Lehrer muss man natürlich sein Fach beherrschen, pädagogisch immer auf dem neuesten Stand sein, alle Innovationen des Kultusministeriums sofort umsetzen, Schülern und Schülereltern in jeder professionellen Hinsicht gerecht werden und zudem eine tragende Rolle im reibungslosen Getriebe des Kollegiums spielen, von den privaten Verpflichtungen ganz zu schweigen. Und nun sollen Lehrer auch noch, weil ihr Beruf besonders Stress-belastet ist, Experte in Sachen Lehrergesundheit werden? Nicht wenigen Lehrern drängte sich angesichts dieser zusätzlichen (?) Aufgabe bereits das ungute Gefühl auf, dass ihnen auf diese Weise ein weiterer schwarzer Peter zugeschoben wird. Die schwierigen Verhältnisse an den Schulen resultieren zweifellos auch aus einer Politik, die gerne vollmundig Reformen verspricht, um selbige dann kleinlaut einzusparen. Und nun sollen Lehrer als Gesundheitsexperten in eigener Sache die sie persön-lich betreffenden Folgen dieses gesamtgesellschaftlichen Problems ausbaden? Zudem: eine Beschäftigung mit Bereichen jenseits dessen, was wir als psychisch normal erleben, ist kein nebenbei zu erledigender, gefühlsneutraler Posten, insbesondere dann, wenn es einen selber betreffen könnte. Wozu der zusätzliche Stress, warum sollten Lehrer dies Kapitel lesen? Nachdem es kein Psycho-Lehrbuch ersetzen und kein Schnellkurs zum Seelenarzt sein kann, liegen diesbezüglich mögliche Gründe auf folgenden Ebenen: Sich mit dem Thema Psychische Erkrankungen zu beschäftigen ist sinnvoll, weil ... psychische Erkrankungen - repräsentativen Erhebungen zu Folge (Wittchen/ Jacobi 2001) - überaus häufig sind. Wenn Sie den Eindruck haben, in Ihrer näheren Umgebung gäbe es diese glücklicherweise nicht, dann nur deshalb, weil Sie dies Phänomen bislang übersehen haben.
Andreas Hillert
Innere Kündigung und vorzeitige Pensionierung von Lehrpersonen
Auszug
„Kündigung ohne Kündigungsschreiben. Führungsfehler provozieren Dienst nach Vorschrift und Rückzug“ meldet die Frankfurter Allgemeine Zeitung (01.04.2006. Nr. 78, S. 53) und fährt fort: „Wenn Mitarbeiter innerlich kündigen. Der Verlauf ist schleichend und vollzieht sich im Verborgenen. Ein Abschiedsschreiben segelt nicht auf den Schreibtisch des Vorgesetzten. Aber das täuscht. Denn innerlich hat der Mitarbeiter seine Kündigung längst eingereicht: Er ist passiv, hat resigniert, macht nur noch Dienst nach Vorschrift. [...] Eine Gallup- Studie schätzt die jährlichen Kosten durch ‚aktiv unengagierte‘ Mitarbeiter auf insgesamt 72,1 Milliarden Euro.“ - Meldungen wie diese bringen die Medien in letzter Zeit immer wieder.
Peter Jehle, Edgar Schmitz
Zufriedenheit trotz beruflicher Beanspruchungen?
Anmerkungen zu den Befunden der Lehrerbelastungsforschung
Auszug
Die Schule ist Kriegsschauplatz und der Lehrer in tägliche Kampfhandlungen verwickelt, so scheint es, wenn die bundesdeutsche Medienöffentlichkeit in re gelmäßigen Abständen über organisierten Unterricht durch professionelle Päda gogen berichtet. Vom „Horrortrip Schule“ ist die Rede und vom „Höllenjob auf Lebenszeit“, wenn „Stern“ und „Spiegel“ titeln (vgl. Hinrichs u.a. 2003; Eissele/ Hauser 2004). Vordergründig fallen dabei die Urteile aus dem pädagogischen Krisengebiet recht einhellig aus: Die Lehrerschaft ist gleich einem unterlegenen Heer ausgebrannt, depersonalisiert, emotional erschöpft, um nicht zu sagen: geschlagen. Sie ist ihren täglichen Anforderungen nicht mehr gewachsen, sucht Rat bei Ärzten, Psychologen, Therapeuten und wenn dies nicht hilft, greift sie zu letzten Mitteln, dem „bestbezahlten Halbtagsjob“ (Struck 1996), dem „Unter richtsfach ‚Innerer Abschied‘ “ (Mertes 2006) oder, für den Steuerzahler noch am teuersten, dem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Beruf (vgl. Statistisches Bundesamt 2000). All dies zusammen bündelt sich schnell, vermeintlich wissen schaftlich flankiert, zu einem quasi pathologischen Befund: „Diagnose Lehrer“ (Lenzen 2003).
Axel Gehrmann

Belastungsbewältigung, Prävention und Intervention

Frontmatter
Wie gehen Lehrkräfte mit Belastungen um?
Belastungsregulierung zwischen Entwicklungsbedarf und Ä nderungsresistenz
Auszug
Zum Thema Resilienz und Belastungsbewältigung besteht nach aktuellen Untersuchungen großer Handlungsbedarf nicht nur auf Seiten der Lehrkräfte (vgl. Schaarschmidt 2005; Heyse 2004; Hillert/Schmitz 2004; Hillert 2006; Sieland 2006b, c; Heyse 2007). Auch der aktuelle Kinder- und Jugendgesundheitssurvey des deutschen Teils der HBSC-Studie (Hurrelmann u.a. 2003) klingt dramatisch. Daher richtet sich mein Beitrag besonders an Lehramtsstudierende, Lehrkräfte und Kollegien, die ihre Selbst- und Mitverantwortung für andere in diesem Bereich schärfen sollen, an Schulleitungen, die Belastungsregulation zur Chefsache machen sollten, sowie nicht zuletzt an die Verantwortlichen für die Arbeitsbedingungen der Lehrkräfte, die kontinuierliche Entwicklungsarbeit an deren Leistungsvoraussetzungen ermöglichen sollten.
Bernhard Sieland
Arbeitszeit an Schulen: Welches Modell passt in unsere Zeit?
Kriterien zur Gestaltung schulischer Arbeitsbedingungen
Auszug
Seit der Etablierung des öffentlichen Schulwesens wird die Arbeitszeit der Lehrkräfte in Deutschland im so genannten Pflichtstundenmodell über die Anzahl der zu erteilenden Unterrichtsstunden gesteuert. Die Höhe der Deputatsverpflichtung, auf Landesebene festgelegt, variiert je nach Lehramt, Schulart und Bundesland zwischen etwa 23 und 28 Stunden pro Woche. In der Regel nimmt die Zahl der zu erteilenden Unterrichtsstunden von der Grundschule zum Gymnasium ab. Zwar gelten für vollzeitbeschäftigte Lehrkräfte die Wochenarbeitszeiten für Beamte von (je nach Land) 40-42 Stunden. Festgelegt ist nach dem Pflichtstundenmodell jedoch lediglich die reine Unterrichtszeit vor der Klasse. Die darüber hinaus erforderliche Arbeitszeit bestimmen die Lehrkräfte weitgehend selbstverantwortlich.
Cosima Dorsemagen, Patrick Lacroix, Andreas Krause
Soziale Unterstützung
Bedeutung und Bedingungen im Berufsalltag von Lehrerinnen und Lehrern
Auszug
Lehrerinnen und Lehrer stehen wie die Inhaber anderer Berufe auch im Privatund Berufsleben in einer Vielzahl von intensiven, langlebigen sowie weniger engen und dauerhaften sozialen Beziehungen. Sie können in unterschiedliche itsoziale Netzwerke wie Familien, Freundeskreise, Vereine, Kollegiumsgruppen u.a.m. eingebettet sein. Darüber hinaus bringt es speziell die Arbeit mit Schüle rinnen und Schülern, aber auch mit deren Eltern, den Fachkollegen und der Schulleitung mit sich, dass das sozial-interaktive Geschehen und entsprechende Agieren die Basis des beruflichen Handelns darstellt. Im Folgenden geht es nun nicht um soziale Beziehungen und Interaktionsfelder von Lehrerinnen und Leh rern und deren Einbettung in unterschiedliche soziale Netzwerke allgemein, sondern speziell um die arbeitsbezogene Interaktion in den Kollegien. Die sozia len Beziehungen in Lehrerkollegien - gemeint sind hier die Beziehungen unter den Lehrern und zwischen den Lehrkräften und der Schulleitung als Teil des Kollegiums - spielen im Belastungserleben und mit Blick auf das physische und psychische Befinden von Lehrerinnen und Lehrern eine wichtige, wenn auch ambivalente Rolle. Die Ambivalenz der Bedeutung der Kollegien für den Leh rerberuf drückt sich darin aus, dass auf der einen Seite die sozialen Beziehungen in Lehrerkollegien empirischen Untersuchungen zufolge nicht selten als belastet oder gestört erscheinen, auf der anderen Seite die Wichtigkeit funktionierender kollegialer Beziehungen, der Kooperation unter den Lehrern einer Schule und der sozialen Unterstützung im Kollegium betont wird (vgl. Rothland 2004, 2005). Es ist gerade dieser letztgenannte Aspekt der itsozialen Unterstützung am Arbeitsplatz Schule, der im Focus dieses Beitrags steht.
Martin Rothland
Stressbezogene Interventionen zur Prävention von psychischen Störungen im Lehrerberuf
AGIL „ Arbeit und Gesundheit im Lehrerberuf“ als Beispiel einer Intervention zur Verhaltensprävention
Auszug
Viele Publikationen - diese eingeschlossen - könnten den Eindruck vermitteln, der Lehrerberuf sei per se ein Gesundheitsrisiko. Zu Unrecht, wie alle mit „Leib und Seele“ in ihrem Beruf arbeitenden Lehrerinnen und Lehrer zeigen. Alarmiert durch die hohen Raten von krankheitsbedingten Frühpensionierungen Ende der 1990er Jahre wurden für den Lehrerberuf aber die negativen, gesundheitsschädli chen Folgen der Arbeit (zurecht) immer wieder thematisiert (z.B. Hillert/Schmitz 2004). Da der Beruf einen zentralen Lebensbereich darstellt, können die gesund heitsschädigenden Faktoren im Beruf ihre Schatten auf die gesamte Lebenssitua tion werfen (Spill-over Effekt). Umgekehrt kann sich ebenso wirkungsvoll ein gelingendes und erfüllendes Berufsleben förderlich auf die Gesundheit auswir ken.
Dirk Lehr, Nadia Sosnowsky, Andreas Hillert
Ressourcenorientiertes Selbstmanagement für Lehrkräfte
Das Zürcher Ressourcen Modell ZRM
Auszug
Die Anforderungen an den Lehrberuf werden vielfältiger und belastender, und von dieser Entwicklung ist kein Ende abzusehen. Gleichzeitig wird die Schule ein immer wichtigerer Ort, um gesellschaftlich dringend benötigte Erziehungs und Bildungsprozesse verlässlich in die Wege zu leiten und zu sichern. Professi onelle Vorbereitung auf diesen schwierigen und anspruchsvollen Berufsstand erfordert deswegen neben den Fachkompetenzen und den Sozialkompetenzen auch die Selbstkompetenz. Darunter verstehen wir die Fähigkeit, mit den eigenen Ressourcen systematisch umzugehen und grundlegende Techniken der Emoti onsregulation und des Handelns unter Druck zu beherrschen. Das Zürcher Res sourcen Modell ZRM wurde von Frank Krause und Maja Storch entwickelt, um Lehrkräfte bei ihren Selbstmanagement-Aufgaben lustvoll und nachhaltig zu unterstützen. Bei der Entwicklung dieses Modells wurde Wert darauf gelegt, dass alle zugrunde liegenden Theorien als wissenschaftlich solide abgesichert betrachtet werden können. Basierend auf dem theoretischen Rahmen, dem Zür cher Ressourcen Modell, wurde außerdem ein manualisiertes Training entwi ckelt, das ZRM-Training, das 2002 publiziert wurde (Storch/Krause 2002). Die ses Training ist für Gruppen angelegt, kann aber in leicht modifizierter Form auch im Einzelchoaching verwendet werden (Krause/Storch 2006). Mittlerweile liegt dieses Training auch in einer für Jugendliche adaptierten Form vor (Storch/ Riedener 2005). Lehrkräfte und SchülerInnen könnten also mit ähnlichen Res sourcen arbeiten und sich dabei gegenseitig befruchten - eine Vision der res sourcenaktivierenden Schule ist also kein bloßes Phantasiegespinst mehr.
Maja Storch, Frank Krause, Yvonne Küttel
Backmatter
Metadaten
Titel
Belastung und Beanspruchung im Lehrerberuf
herausgegeben von
Martin Rothland
Copyright-Jahr
2007
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-531-90500-6
Print ISBN
978-3-531-15281-3
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-90500-6