Zusammenfassung
Lagen- und Milieumodelle sind letzten Endes die Konsequenz aus der Einsicht, daß die Geschlossenheit und Standardisierung der Struktur sozialer Ungleichheit nicht eingetreten ist, die von der Entwicklung der Industriegesellschaften einmal erwartet worden war.
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Anmerkungen
Die Notwendigkeit hermeneutisch-qualitativer Methoden ergibt sich nicht nur, wie erwähnt aufgrund der relativen Autonomie, sondern auch wegen der Komplexität „subjektiver“ Situationsdefinitionen und Lebensstile, die einen ganzheitlichen Ansatz erfordern. (Vgl. C. Hopf 1979, S. 19, sowie D. Jung 1982, S. 5)
Vgl. 1.3.5.
Diese Milieukonzeption gestattet es auch, der häufig geäußerten Vermutung nachzugehen, wonach die Lageabhängigkeit der Lebensweise schichtspezifisch und regional differiert. Obere Statusgruppen und Großstadtbewohner hätten hiernach erheblich größere Freiräume des Lebensstils als Mitglieder der Unterschicht, Land- und Kleinstadtbewohner. (Vgl. u.a. P. Bour-dieu 1970, S. 48)
Wie nahe praxisorientierte Überlegungen zur Wirkungsweise sozialer Ungleichheit diesen Milieufunktionen kommen, ohne den Milieubegriff zu verwenden, zeigen u.a. die folgenden Zitate: Die Abstraktion der Sozialepidemiologie „vom gesellschaftlichen Gesamtzusammenhang -Gesellschaft erscheint als bloße Summe sozialer Gruppen, die ein unterschiedliches Maß an Privilegien haben — hat auch zur Folge, daß die unterschiedlichen materiellen und normativen Anforderungen an verschiedene soziale Schichten und Klassen nicht berücksichtigt werden können. Implizit ist damit z.B. vertreten, daß ein geringes Bildungsniveau in allen sozialen Schichten dieselbe Bedeutung hat.“ (I. Gleiss 1980, S. 39f.) Oder aus dem Bereich der Kriminologie: Neben unmittelbaren Wirkungen sozialer Ungleichheit werden Wirkungen sozialer Ungleichheit „aus unzählig vielfältigen Interaktionssituationen herauskristallisiert, durch sie reproduziert, aber auch gewandelt.“ (P. Bohnsack 1978, S. 5)
Der Gedanke differenzierender und homogenisierender Funktionen der Lebensweise ist nicht neu, er wurde nur durch die Entwicklung des Schichtkonzepts weg von der Lebensweise hin zur Lebenslage verschüttet. Schon R. Michels betonte, daß die Lebensführung ein klasseneinendes und klassentrennendes Element darstellen könne. (1968 — zuerst 1922 -, S. 178)
Die zweite, Lebensbedingungen für Außenstehende schaffende Ungleichheitsfunktion von Milieus kommt der Funktion ursprünglicher Schichtkonzepte nahe, die H.P. Bahrdt folgendermaßen zusammenfaßt: „Subjektive Einstellungen knüpfen also an objektive Vorgegebenheiten an und konstituieren in ihrer typischen Häufung wieder objektive Verhältnisse, an denen sich wiederum das Handeln der Subjekte orientieren muß.“ (1984, S. 134)
Vgl. hierzu: P. Bourdieu 1982, S. 279
So wird insbes. von Sozialarbeitern und Sonderpädagogen die vermittelnde Wirkung von Familienstrukturen betont, die sozialstrukturelle Faktoren erst z.B. für familiäre Probleme oder Lernbehinderungen relevant erscheinen lassen. (Vgl. hierzu: K. Dittrich 1985; W. Thimm/E.H. Funke 1977, S. 600ff.)
Ein Modell politischer, auf die Verhältnisse der Weimarer Republik zugeschnittener Makromilieus findet sich z.B. schon bei K. Mannheim (1952, S. 102): “1.der bürokratische Konservatismus, 2. der konservative Historismus, 3.das liberal-demokratische bürgerliche Denken, 4.die sozialistisch-kommunistische Konzeption, 5.der Fascismus.“
Siehe: U. Becker/H. Nowak 1982
Vgl. die Darstellung der ungewöhnlich breiten empirischen Basis der zugrundeliegenden qualitativen „Lebensweltstudien“. (3.4.3)
Vgl. hierzu: J. Goldthorpe 1966; D. Treimann 1970; M.R. Lepsius 1977. bes. S. 1ff.
F. Parkin 1974, S. 18
S. Hradil 1983a
Vortrag am 8. Mai 1985 anläßlich der Tagung des Research Committees „Social Stratification“ der International Sociological Association über „New Differenciations of Status Structures?“ (S. Hradil 1985a); Vortrag am 10. Oktober 1985 anläßlich der Tagung „Soziologische Theorien der Ungleichheit“ der Sektion „Soziologische Theorien“ der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Bremen (S. Hradil 1986a)
Diesem Einwand sieht sich auch P.M. Blau mit seiner mehrdimensionalen Sozialstrukturtheorie (vgl. 3.3) konfrontiert: „Die bloße Tatsache der Zugehörigkeit zu einer Vielzahl unterschiedlicher Lebenskreise und Gruppen scheint bereits sicherzustellen, daß kein Mitglied der Gesellschaft stark benachteiligt wird, da Deprivationen durch Vorteile ausgeglichen werden.“ (M. Haller 1983, S. 25)
Siehe dazu: K.M. Bolte/S. Hradil 1984, S. 234
P. Bourdieu 1970, S. 48
Ähnlichen Zielen diente die früher gebräuchliche klassentheoretische Kategorie der „Transito-rien“, d.h. der sozialen Lagen im Wartestand zu besseren Lagen (z.B. Saaltöchter, Fahnenjunker). Vgl. hierzu: R. Michels 1968 (1922), S. 176
R. Kreckel 1983, Einleitung
Vgl. die empirischen Befunde von K.U. Mayer (1975) und J.-U. Sandberger (1977; 1983)
Ein Hinweis dafür ist die verbreitete Rede von Schichten im Plural: die mittleren, die unteren Schichten.
Vgl. z.B. die Vielzahl der Aspekte ungleicher Arbeitsbedingungen in: V. Grüneisen/E. Hoff 1977 und G. Steinkamp/W.H. Stief 1978
Indem man z.B. die Kompliziertheit von Wohnumweltbedingungen und sozialen Rollen mit ihren ambivalenten Chancen im Hinblick auf die Erfüllung allgemein anerkannter Bedürfnisse in jeweils eindimensional abgestufte Gradationsschemata überführt.
Vgl. hierzu z.B.: G. Huber/H. Mandl (Hg.) 1982, S. 259–274; J. Klüver 1979, S. 68–84
Siehe oben: 4.3.3.
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Hradil, S. (1987). Von Klassen und Schichten zu Lagen und Milieus? Die Chancen differenzierter Sozialstrukturmodelle. In: Sozialstrukturanalyse in einer fortgeschrittenen Gesellschaft. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97175-3_6
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