Zusammenfassung
Der Beitrag widmet sich der Frage, welche Faktoren den Prozess des Studienabbruchs beeinflussen. Die Analyse erfolgt durch eine simultane empirische Schätzung potentieller Einflussfaktoren basierend auf theoretisch hergeleiteten Annahmen. Die Ergebnisse der logistischen Regression präzisieren bisher schon vorliegende Befunde zum Studienabbruch, verweisen aber auch auf neue, bislang zu wenig beachtete Aspekte. Von besonderer Bedeutung für die Erklärung des Studienabbruchs erweisen sich bildungsbezogene Variablen der Studienvorphase, das Niveau der akademischen und sozialen Integration an der Hochschule sowie die Bedingungen der Studienfinanzierung.
Abstract
The study examines the question of which factors contribute to dropout from higher education based on relevant theoretical approaches. Our results confirm previous research and furthermore provide knowledge about other, as yet not fully explored aspects of higher education dropout. Educational variables prior to enrolment in higher education, the level of social and academic integration during studies, as well as conditions of study financing turn out to be of particular relevance in predicting student dropout.
Notes
Wir danken den Herausgeber*innen und anonymen Gutachter*innen für ihre wertvollen Anmerkungen und Hinweise zu früheren Versionen des Manuskripts sowie Dennis Föste-Eggers für die methodische Unterstützung bei der Anwendung multipler Imputation in Stata.
Verwaltungs‑, Kunst- und Musikhochschulen, private und kirchliche Hochschulen, Hochschulen der Bundeswehr sowie Polizeihochschulen waren nicht Teil der Grundgesamtheit.
Nur grundständige Studiengänge, keine Masterstudiengänge.
Die Teilnahme an der Befragung war nicht generell durch Incentives gestützt. Unter allen Teilnehmenden wurden nach Ende der Feldphase jedoch 50 Sachpreise im Gesamtwert von etwa 2000 € verlost.
Etwa 20 % der Fälle weisen auf mindestens einer der im finalen Regressionsmodell spezifizierten Variablen einen fehlenden Wert auf.
Für die Berechnung marginaler Effekte für imputierte Daten nutzen wir das Stata ado mimrgns von Daniel Klein.
Die Skala zu den Persönlichkeitsmerkmalen wurde aus Rammstedt et al. (2013) übernommen.
Trotz der vergleichsweise geringen internen Konsistenz der Skala, stellt dies mit den uns vorliegenden Daten die bestmögliche Operationalisierung dar. Das Merkmal geht somit aufgrund seiner zentralen theoretischen Bedeutung als Mittelwertindex in die Analysen mit ein.
Hierbei handelt es sich um die Items „Ich habe mich stark in studentischen Vereinigungen engagiert“ und „Ich hatte mehr Kontakt zu Freunden außerhalb der Hochschule als zu Kommilitonen“.
Hierbei handelt es sich um die Items „hoher Forschungsbezug der Lehre“, „starker Praxisbezug der Lehre“ und „ausreichendes Angebot an Tutorien“.
So kann es sich bei dieser Gruppe unter anderem um Exmatrikulierte handeln, die ein Studium als Überbrückung einer Übergangsphase aufgenommen haben, also mitunter keine Abschlussabsicht aufweisen, ebenso wie um Personen, die aufgrund von Zugangsbeschränkungen auf ein alternatives Studienfach ausweichen mussten. Da eventuelle Fach- und/Hochschulwechsel zumeist recht frühzeitig im Studium bzw. unmittelbar nach Exmatrikulation erfolgen, würden wir mit dem vorliegenden Erhebungsdesign die Kategorie „nicht im Wunschfach“ deutlich unterschätzen.
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Isleib, S., Woisch, A. & Heublein, U. Ursachen des Studienabbruchs: Theoretische Basis und empirische Faktoren. Z Erziehungswiss 22, 1047–1076 (2019). https://doi.org/10.1007/s11618-019-00908-x
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