Hat die „Alternative für Deutschland“ (AfD) nur ein Problem mit dem Rechtsextremismus oder muss sie mittlerweile selbst als eine rechtsextremistische Partei wahrgenommen werden? Blickt man auf deren Entwicklung in den letzten Jahren und die Positionen hochrangiger Funktionsträger, dann spricht vieles aus demokratietheoretischer Sicht für die letztgenannte Wertung.

Ist die AfD eine rechtsextremistische Partei? In den folgenden Ausführungen geht es um diese besondere Frage. Dabei soll zunächst begründet werden, warum eine Antwort darauf für ihre politische Einschätzung wichtig ist. Es können dafür zwei Gesichtspunkte unterschieden werden: die Bedeutung der Partei und die Relevanz des Problems. Den ersten Aspekt kann man kurz erläutern: Die AfD ist im Bundestag und in allen Landtagen vertreten. In der bundesdeutschen Geschichte gelang es bislang keiner anderen Partei, so schnell kontinuierlich in alle überregionalen Parlamente einzuziehen.

Beim zweiten Aspekt verhält es sich etwas komplizierter: Dass die AfD eine rechte Partei ist, würde sie wohl selbst auf Nachfrage gar nicht in Zweifel ziehen. Die Bezeichnung „extremistisch“ deutet indessen an, dass sie gegenüber den Grundlagen moderner Demokratie und pluralistischer Gesellschaft ein Konfliktverhältnis haben könnte. Genau dies meint eine Einschätzung als möglicherweise „extremistisch“, die im Folgenden inhaltlicher Gegenstand einer politikwissenschaftlichen Untersuchung ist.

Doch warum ist diese Frage so wichtig? Auch viele AfD-Kritiker sprechen nur von „rechtspopulistisch“ oder „rechtsradikal“, wobei das Gemeinte häufig im Ungefähren verbleibt. Dass dabei die Extremismus-Frage nicht dezidierter gestellt wird, spricht daher für einen demokratietheoretischen Relativismus. Folgende Erläuterung will dies verdeutlichen: Es kann eine rechtsdemokratische und es kann eine rechtsextremistische Partei geben. Eine erstgenannte Kraft entfaltet wohlmöglich in einem demokratischen System eine stabilisierende Wirkung. Entgegen einer pauschalisierenden Formulierung von den „Rechten“ wird daher betont, dass eine demokratisch rechte politische Position legitim ist. Es stellt sich aber die Frage, ob man die AfD in einem solchen Sinne einordnen kann.

Deren Erörterung setzt voraus, dass das Gemeinte genauer definiert wird. Extremismus steht für alle Auffassungen und Handlungen, die sich gegen die Grundlagen moderner Demokratie und offener Gesellschaft richten, wozu Gewaltenteilung, Individualitätsprinzip, Menschenrechte, Pluralismus, Rechtsstaatlichkeit und Volkssouveränität zählen. Beim rechten Extremismus geht es im ideologischen Kern darum, dass das Egalitätsprinzip zugunsten der Überbewertung ethnischer Zugehörigkeit negiert wird. Diese inhaltliche Grundauffassung kann unterschiedliche Phänomene haben. Die Gemeinten müssen dabei nicht auf Gewalt als Handlungsstil setzen, sie müssen auch nicht am Nationalsozialismus im historischen Sinne orientiert sein. Anders formuliert: Es gibt durchaus Rechtsextremisten, die keine Gewaltorientierung aufweisen und nicht den Nationalsozialismus verehren. Extremismus kommt auch in unterschiedlichen Intensitätsgraden vor.

Wie steht es nun hier hinsichtlich der AfD? Bevor eine Antwort gegeben werden soll, bedarf es noch weiterer Erläuterungen. Dazu gehört zunächst der Hinweis, dass es dort unterschiedliche Flügel gibt. Sie lassen sich idealtypisch ideologisch in einen liberal-konservativen, national-konservativen und deutsch-nationalistischen Bereich und strategisch in eine bewegungs- und parlamentsorientierte Richtung unterteilen. Beides macht es noch dazu in Kombination miteinander schwer, verallgemeinerbare Einschätzungen zur aufgeworfenen Frage zu formulieren. Es bedarf also immer der Differenzierung, was keine Unentschiedenheit bedeuten muss. Für eine Bewertung ist denn auch der Stellenwert interessant. Betrachtet man die kurze Geschichte der Partei, so fällt bezüglich der genannten Ideologierichtungen eine Verschiebung auf. Während der liberal-konservative Bereich an Einfluss verlor, hat der deutsch-nationalistische Bereich an Relevanz gewonnen.

Damit hat man es mit einem innerparteilichen „Rechtsruck“ zu tun, der sich eindeutig und einfach anhand der Entwicklung an der Parteispitze ausmachen lässt. Der liberal-konservative AfD-Mitbegründer Bernd Lucke wandte sich von ihr ab, seine Anhänger sprachen nach dem Bruch gar von einer „NPD-light“ (Henkel). Auch die Nachfolgerin Frauke Petry, die aus welchen genauen Gründen auch immer gegen den deutsch-nationalistischen Flügel vorgehen wollte, scheiterte mit diesem Vorhaben. Sie gehört mittlerweile nicht mehr der AfD an und klagte wie viele andere Ehemalige über den immer stärkeren „Rechtsruck“ in der Partei. Demgegenüber gab es kaum Fälle, in denen Austritte wegen einer Mäßigung der Parteipositionen erfolgten. Dies macht bereits in der Gesamtschau deutlich, dass die AfD der Gegenwart nicht mehr mit der AfD in ihrer Gründungszeit identisch ist. Es hat sich eine Entwicklung hin zum Extremismus vollzogen.

Daher stellt sich die Frage, ob die Partei mittlerweile dort angekommen ist. Denn durchaus vorstellbar wäre, dass sie sich als rechtsdemokratische Kraft nur noch weiter nach rechts positioniert hat. Auch einer solchen Deutungsmöglichkeit muss noch inhaltlicher Raum eingeräumt werden. Die folgende Analyse widmet sich mit diesem allgemeinen wie besonderem Erkenntnisinteresse nun einigen Parteipositionen. Öffentliche Bekundungen, die von führenden AfD-Repräsentanten stammen, geraten dabei ins Visier. Es handelt sich somit nicht um Aussagen von regionalen Funktionsträgern mit geringer Relevanz, sondern um solchen von bundes- oder landesweiten Repräsentanten mit einem hohen Stellenwert. Als weitere Erläuterung sei noch darauf hingewiesen: Die gemeinten Aussagen stehen auch im Gesamtkontext mit den jeweiligen anderen Positionen. Eine andere Deutungsmöglichkeit wird angesichts eines inhaltlichen Einklangs unwahrscheinlicher.

Begonnen werden soll mit einer Aussage des Parteisprechers Alexander Gauland, die sich 2017 auf Einschätzungen zur „Leitkultur“ der damaligen Integrationsbeauftragten der Bundesregierung, Aydan Özoguz, bezog: Man solle ihr sagen, „was spezifisch deutsche Kultur ist. Danach kommt sie hier nie wieder her, und wir werden sie dann auch, Gott sei Dank, in Anatolien entsorgen können.“ Die Aufforderung zum „Entsorgen“ löste öffentliche Kritik aus, wobei aber diese Formulierung nicht das alleinige Problem darstellte. Gauland hätte auch eine gemäßigtere Wortwahl nutzen können. Bedenklich ist diese Aussage hauptsächlich dadurch, dass eine Bürgerin mit einer von der AfD-Meinung abweichende Position letztendlich vertrieben werden soll. Demnach will man eine kritische Auffassung zu deutscher „Leitkultur“ nicht mehr dulden. Darüber hinaus war eine Abwertung der Bürgerin aufgrund ihres türkischstämmigen Familienhintergrundes unverkennbar.

Es lassen sich auch immer wieder Delegitimierungsversuche gegenüber der gewählten Regierung feststellen. Damit hier kein falscher Eindruck entsteht, bedarf es dazu einer Klarstellung: Auch eine Bundesregierung muss sich heftige Kritik gefallen lassen. Da sie aber eine demokratische Legitimation erfahren hat, sollte sie nicht mit einem diktatorischen System gleichgesetzt werden. Dies geschieht indessen durch AfD-Funktionsträger immer wieder mit DDR-Gleichsetzungen. Gauland sprach schon 2016 von einer „Kanzler-Diktatorin“, die das „Volk völlig umkrempelt und viele Menschen uns aufpfropft“. 2018 assoziierte er eine Bundesrepublik Deutschland-DDR-Identität: „Ich fühle mich an die letzten Tage der DDR erinnert.“ Die „Rolle Honeckers“ falle Merkel zu. Und auch Björn Höcke, der Landesvorsitzende von Thüringen, meinte 2017 ähnlich: „Diese Regierung ist keine Regierung mehr, diese Regierung ist zu einem Regime mutiert!“

Aus dieser Denkperspektive wird auch die Notwendigkeit eines Systemwechsels postuliert. Deutlich formulierte Gauland 2018 in einem Zeitungsinterview, „dass dieses politische System weg muss“. Zwar war scheinbar damit nur das „Merkel-System“ gemeint, gleichwohl bezogen sich die Statements auf das ganze politische System. „Diejenigen, die die Politik Merkels mittragen, das sind auch Leute aus anderen Parteien und leider auch aus den Medien. Die möchte ich aus der Verantwortung vertreiben. Das kann man eine friedliche Revolution nennen.“ Die Abwahl ist in einer Demokratie die Methode zum Regierungswechsel, nicht eine Revolution oder eine Vertreibung. Da die hier wohl gemeinte Flüchtlingspolitik von den anderen Parteien mitgetragen wurde, richtet sich die erwähnte Forderung von Gauland demnach gegen alle anderen Parteien und damit letztendlich gegen das politische System. Ein Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung wirkt so wenig glaubwürdig.

Es geht der AfD auch um ein ethnisches Staatsbürgerschaftsverständnis. 2016 meinte der als Parteiphilosoph geltende Marc Jongen, heute Bundestagsabgeordneter und stellvertretender Sprecher seiner Partei in Baden-Württemberg: „Die Identität des Volkes ist eine Mischung aus Herkunft, aus Kultur und aus rechtlichen Rahmendbedingungen. Der Pass allein macht noch keinen Deutschen. Als AfD sind wir deshalb dafür, das sogenannte Abstammungsprinzip … wieder einzuführen.“ Es kann aber bei einer solchen Bekundung nicht nur um eine bloße Rückkehr zu einem früheren bundesdeutschen Verständnis gehen. Denn hier soll der Bürgerschaftsstatus eben zwingend an die Herkunft gebunden sein. Woran jeweils das genaue ethnisch Deutsche erkennbar ist, wird übrigens von der Partei auch in ihrem Programm nicht erläutert. Die obige Formulierung, die auf „Pass-Deutsche“ hinausläuft, entspricht ansonsten der NPD-Position zum Thema.

Angesichts solcher Auffassungen kann nicht verwundern, dass immer wieder Pauschalisierungen mit fremdenfeindlichen Stereotypen auszumachen sind. Als Beispiel dienen hier Bekundungen des heutigen Europaabgeordneten Nicolaus Fest. Er schrieb 2017 in einem Blogeintrag über Gruppen von afrikanischen, arabischen und türkischen Jugendlichen: „Alle sind laut, aggressiv, präpotent, ohne den Willen zu einfacher Höflichkeit, ohne jede soziale Intelligenz. … Nicht einfach sind diese Leute, sondern primitiv und bösartig.“ Die Co-Bundestagsfraktionsvorsitzende Alice Weidel meinte 2018: „Burkas, Kopftuchmädchen und alimentierte Messermänner und sonstige Taugenichtse werden unseren Wohlstand nicht sichern.“ Beide Aussagen stehen für eine pauschale Herabwürdigung von Menschen mit Migrationshintergrund. Im ersten Fall heißt es deutlich „alle“, im zweiten Fall werden mit „Messermänner“ letztlich alle zu Verbrechern abgestempelt.

Angesichts derartiger Auffassungen kann es nicht verwundern, dass die AfD auch programmatisch Minderheiten nur ungleiche Rechte zugestehen will. Dies zeigen die dortigen Aussagen zum Islam. Er gehöre nicht zu Deutschland. Gleichzeitig sollten aber im Land die gesetzestreuen Muslime ihren Platz haben. Inwieweit diese dann ihren Glauben im Rahmen der Religionsfreiheit ausleben könnten, bleibt unklar. Es soll hier indessen nicht wie bei anderen Aussagen zur Politik um die inneren Unklarheiten und Widersprüche gehen. Beachtenswert sind vielmehr Aussagen im Parteiprogramm wie: „Das Minarett lehnt die AfD als islamisches Herrschaftssymbol … ab …“ Über die Form ihrer religiösen Gebäude entscheidet indessen eine Religionsgemeinschaft selbst, sofern es hierbei keine anderen gesetzlichen Vorgaben gibt. Man mag Minarette mögen oder nicht. Die erwähnte Auffassung verstößt so gegen das Grundrecht auf Religionsfreiheit.

Beachtenswert bei der AfD sind auch immer wieder Aussagen zur NS-Vergangenheit. Dabei werden die Untaten und Verbrechen zwar meist nicht geleugnet, aber sehr wohl relativiert. Gauland sagte etwa 2018 in einer Rede: „Ja, wir bekennen uns zu unserer Verantwortung für die zwölf Jahre. Hitler und die Nazis sind aber nur ein Vogelschiss in unserer über 1000-jährigen Geschichte.“ Und Höcke meinte 2017, bewusst doppeldeutig von einem „Denkmal der Schande“ hinsichtlich der Holocaust-Gedenkstätte in Berlin sprechen zu müssen. Darüber hinaus plädierte er für eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“. In beiden Fällen geht es darum, das historische Bewusstsein für die besondere politische Kultur im bundesdeutschen Staat zu minimieren. Man empfindet dies als politische Belastung, auch des eigenen politischen Projektes. Demnach läuft dies auf ein politisch geändertes Geschichtsbewusstsein hinaus, wohl als komplettes Gegenteil einer kritischen Sicht.

Schließlich soll noch auf Bekundungen zu einem Monopolanspruch des Volksbezuges verwiesen werden. Der heutige Bundestagsabgeordnete Markus Frohnmaier rief 2015 auf einer öffentlichen Kundgebung seiner Partei: „Wenn wir kommen, dann wird aufgeräumt, dann wird ausgemistet, dann wird wieder Politik für das Volk und nur für das Volk gemacht – denn wir sind das Volk …“ Und der bereits erwähnte Jongen bekundete: „Wir sind die ‚Lobby des Volkes‘, nicht einzelner Interessengruppen. Wir schauen auf das Gesamtwohl.“ Die AfD erhält bei ihrer Kandidatur maximal jede vierte Stimme. Demnach kann sie noch nicht einmal beanspruchen, für die Hälfte des Volkes zu sprechen. Gleichwohl wird in solchen Bekundungen deutlich, dass man sich wohl mehr durch einen imaginierten und weniger einen realen Volkswillen legitimieren will. Diese besondere Auffassung richtet sich indessen gegen die Grundprinzipien eines demokratischen Verfassungsstaates.

Die vorstehenden Auffassungen stehen jeweils als einzelne Beispiele, aber noch mehr in der bilanzierenden Gesamtschau für eine extremistische bzw. rechtsextremistische Orientierung. Gegen diese Einschätzung formulieren Parteivertreter gelegentlich Widerspruch. Die dabei vorgetragenen Einwände sollen hier genannt und kommentiert werden. Erstens verweist man darauf, dass manche Formulierungen eher durch eine emotionale Situation zustande kamen. Bei der Betrachtung der im Internet eingestellten Reden zeigt sich indessen, dass sie auf Basis eines schriftlichen Manuskripts in der Regel nur vorgelesen wurden. Demnach haben sich die gemeinten AfD-Politiker schon etwas bei der genutzten Wortwahl gedacht. Zweitens wird erwähnt, dass Formulierungen wie „entsorgen“ auch von anderen Politikern genutzt wurden. Dies mag sein und wäre dann auch kritikwürdig. Das eigene Fehlverhalten lässt sich aber nicht durch ein anderes Fehlverhalten entschuldigen oder relativieren. Drittens wird gelegentlich darauf hingewiesen, dass es um eine auch ansonsten sehr deftige „Politikersprache“ gehe und die formulieren Positionen doch nicht so gemeint seien. Indessen stellt sich hierbei die Frage, warum man nicht die jeweiligen Formulierungen entsprechend der konkreten Wortwahl wahrnehmen sollte. Ansonsten wären grundsätzlich die öffentlichen Aussagen von Politikern hinsichtlich der inhaltlichen Präzision nicht mehr sonderlich ernstzunehmen. Und viertens verweisen AfD-Politiker gern darauf, dass ihre Aussagen anders gemeint seien und missverstanden wurden. Derartiges mag gelegentlich in der medialen Kommunikation vorkommen, gleichwohl irritiert die Häufigkeit eben bei einer besonderen Partei. Darüber hinaus müssten AfD-Politiker aus solchen angeblichen Fehlwahrnehmungen lernen und ihre Positionen in einer weniger missverständlichen Weise vortragen, was aber dann gerade nicht geschieht.

Bei der Erörterung der oben gestellten Frage kommt noch anderen Gesichtspunkten eine große Wertigkeit zu. Dazu gehören insbesondere die Kontexte in den neueren und traditionellen Rechtsextremismus hinein. Hier stehen einzelne Beispiele wieder für eine Fülle von Vorkommnissen. Der brandenburgische Landesvorsitzende Andreas Kalbitz nahm beispielsweise 2007 noch an einem Lager der neonazistischen „Heimattreuen Deutschen Jugend“ teil. Zwischen 2010 und 2015 war er gar Vorsitzender des rechtsextremistischen Vereins „Kultur- und Zeitgeschichte. Archiv der Zeit“. Darüber hinaus hatte er als Landtagsmitarbeiter einen ehemaligen Neonazi-Aktivisten beschäftigt. Überhaupt wurden nicht wenige frühere Angehörige traditioneller rechtextremistischer Organisationen dann Abgeordnetenmitarbeiter im Bundestag wie in den Landtagen, was gegen die erklärte Distanzierung der Partei von einschlägigen Organisationen und Personen spricht.

Es gibt auch und gerade von führenden AfD-Politikern gute Kontakte in die Neue Rechte hinein. Dafür stehen die Beziehungen zum „Institut für Staatspolitik“ und der Zeitschrift „Sezession“, worin ganz offen von „Umsturz“, „Umwälzungen“ und „Widerstand“ gesprochen wird. Ideologisch beruft man sich auf die Denkschule der „Konservativen Revolution“, die den demokratischen Verfassungsstaat der Weimarer Republik überwinden wollte. Bekannte AfD-Politiker nahmen an einschlägigen Konferenzen als Redner teil oder publizierten in der erwähnten Theoriezeitschrift. Gemeint sind hier übrigens nicht nur Höcke und Jongen. Auch Gauland und Weidel gehörten dazu. Götz Kubitschek war noch in der Lucke-Ära eine Mitgliedschaft in der Partei verweigert worden. Gegenwärtig sind eben die Genannten auf den von ihm organisierten Seminaren und Tagungen präsent. Allein dies steht für eine immer stärkere Hinwendung auch zum neueren Rechtsextremismus.

Es soll hier noch auf die Argumente, die einer damit einhergehenden Einschätzung widersprechen könnten, eingegangen werden. Dazu gehört zunächst der Hinweis, dass man eine Abgrenzung von der NPD und Neonazi-Szene beschlossen hat. Eine offene Kooperation mit diesen traditionellen Rechtsextremisten gibt es nur selten, gelegentlich demonstrieren indessen Angehörige aus diesen beiden politischen Lagern aber durchaus öffentlich zusammen. Gleichwohl bemüht sich die AfD um eine offizielle Distanzierung, was als strategische Notwendigkeit verständlich ist. Denn äußern sich bestimmte Funktionsträger entsprechend und weisen einschlägige Hintergründe auf, dann kommt es zu darauf bezogenen Medienberichten und öffentlichen Skandalen. Dies möchte die AfD um ihres eigenen Ansehens möglichst vermeiden. Eine behauptete Abgrenzung erfolgt indessen mehr aus formaler Rücksichtnahme, weniger aus inhaltlicher Überzeugung.

Anders könnte auch ein inkonsequentes Agieren bei solchen Fragen nicht erklärt werden. Es gab mitunter Ausschlussverfahren gegen entsprechende Mitglieder, wobei dies bis auf wenige Ausnahmen mit deren geringer Bedeutung für die Partei zusammenhing. Gegen eher bedeutungslose Kommunalpolitiker ging man zwar vor, relevante Landesvorsitzende waren von so etwas meist nicht betroffen. Das beste Beispiel dafür ist Höcke selbst. Immer wieder gab es Ausschlussversuche, sogar noch vom Bundesvorstand während der Petry-Ära. All diese Bemühungen scheiterten, obwohl Höcke gar in die Nähe des Nationalsozialismus gerückt wurde. Auch dieses Beispiel macht deutlich, wie es um die Machtverhältnisse in der Partei mittlerweile steht. Die „Alternative Mitte“, die als potentielle Gegenkraft galt, hat in der Partei kaum noch etwas zu sagen. Sie distanzierte sich noch deutlich von Gaulands NS-Reduzierung als „Vogelschiss“. Wie man mit dieser Auffassung aber noch in der Partei sein kann, ist zumindest aus der Außenbetrachtung nur schwerlich nachvollziehbar.

Schließlich sei auf die als gemäßigt geltenden Funktionsträger verwiesen, die dem liberal-konservativen Bereich der Partei zugeordnet wurden. Ihre bekanntesten Angehörigen sind Meuthen und Weidel. Betrachtet man deren Agieren in den letzten Jahren, so lässt sich eine Annäherung an den Mainstream der Partei konstatieren. Ihre Liberalität bezieht sich allenfalls noch auf die Wirtschaftspolitik. Ansonsten haben sie sich der immer dominanteren nationalistischen Linie angepasst, was Form und Inhalt entsprechender Statements zeigen. Ein Beispiel dafür ist die genannte „Messermänner“-Rede von Weidel. Mitunter werden aber auch Gauland & Co. von den angeblich Gemäßigten verbal noch „übertrumpft“, was folgendes Beispiel zeigt: Angesichts der Auseinandersetzung um die „Entsorgen“-Forderung von Gauland meinte Meuthen gegenüber diesem: „Ihre Bescheidenheit, nur diese eine Person entsorgen zu wollen, erscheint mir hier ausnahmsweise unangebracht.“

Blickt man bilanzierend auf die Entwicklung und Positionen, so lässt sich folgende Einschätzung aus extremismustheoretischer Sicht formulieren: Die AfD ist in der Gesamtschau eine rechtsextremistische Partei. Diese Einschätzung schließt nicht aus, dass es auch rechtsdemokratische Mitglieder gibt. Gleichwohl haben diese immer mehr an Bedeutung verloren und spielen eine immer geringere Rolle in der Partei. Gegenwärtig stellen sie nur noch ein Feigenblatt für die Gesamtpartei dar. Aussteiger berichteten häufig genug über ein Innenleben, in dem die erwähnten Aussagen von Führungsfiguren noch viel schärfer vorgetragen wurden. Angesichts solcher Gegebenheiten muss mittlerweile von einer rechtsextremistischen Partei gesprochen werden. Dies war nicht von Anfang an der Fall, der Entwicklungsweg ging indessen in diese Richtung. Die Bemühungen zu einer Rückkehr scheiterten, was anhand der Marginalisierung der hier auch nicht unproblematischen Petry deutlich wurde.

Wie lässt sich nun die AfD im Rechtsextremismus verorten? Sie ist hinsichtlich der ideologischen Ausrichtung eher eine deutschnationalistische und keine nationalsozialistische Partei. Damit steht sie in der Geschichte des bundesdeutschen Rechtsextremismus in bestimmten Traditionen, etwa einer solchen der NPD in der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre oder der REP Ende der 1980er-Jahre. Beide Parteien bemühten sich seinerzeit um bürgerliche Seriosität, was wohl ihre phasenweise hohe Akzeptanz bei den verschiedenen Wahlen miterklärt. Mit einem offenen Bekenntnis zum historischen Nationalsozialismus kann man als rechtsextremistische Partei nicht erfolgreich sein. Insofern ist bei der AfD auch die Extremismusintensität geringer als bei der NPD und Neonazi-Szene. Dies macht aus ihr entgegen des Eigenbildes keine demokratische Kraft, positioniert sie sich doch immer wieder gegen die Grundlagen moderner Demokratie und pluralistischer Gesellschaft.