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2005 | Buch

Lobbying der katholischen Kirche

Das Einflussnetz des Klerus in Polen

verfasst von: Dominik Hierlemann

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

Buchreihe : Forschung Politik

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Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Einleitung und Fragestellung
Zusammenfassung
Polen, Kirche, Lobbying — das ist ein Dreiklang, der bisher in der Politikwissenschaft nicht zu hören war. Während die Begriffe ‘Polen’ und ‘Kirche’ oft in einem Atemzug genannt werden, liegt die Kombination mit ‘Lobbying’ zunächst nicht auf der Hand. In vorliegender Untersuchung des Einflussnetzes und Lobbyings der katholischen Kirche in Polen werden die drei Forschungsbereiche miteinander verbunden. Vor dem Hintergrund der Entwicklungen in Politik und Politikwissenschaft ist die Auseinandersetzung mit jedem einzelnen dieser Themen interessant.
Dominik Hierlemann
2. Theoretischer Rahmen und methodischer Ansatz
Zusammenfassung
Ziel dieser Arbeit ist es, dem Lobbying der katholischen Kirche — die sich gemäß dem Ursprung und der Bedeutung des griechischen ‘katholikós’ als allgemeine, umfassende und das Ganze betreffende Kirche versteht — auf die Spur zu kommen. Dem umfassenden Selbstverständnis der Kirche trage ich durch ein ebenso ganzheitliches Forschungsraster — so nenne ich den theoretischen Rahmen und methodischen Ansatz dieser Arbeit — Rechnung.1 Ich beteilige mich an der konstitutiven Debatte um sozialwissenschaftliche Grundbegriffe wie Struktur, Kultur, Institution und Handlung. In der Beschäftigung mit dieser Debatte schärfe ich meinen Blick für die anschließend vorzunehmende Entwicklung des für diese Untersuchung maßgebenden Forschungsrasters. Mit der Reduktion des Abstraktionsniveaus der Theorien steigt im Abschnitt über empirische Theorien der Interessenvermittlung der Grad der Tiefenschärfe: Theorien der Interessenvermittlung bzw. der Verbändeforschung leuchten das politische Handeln von gesellschaftlichen Gruppen gründlich aus. Sie bilden die Grundlage für die Untersuchung der Einflusspfade der Kirche im politischen System Polens. Dazu erläutere ich zunächst im ersten Abschnitt dieses Kapitels — nach der Darstellung einer historisch-theologischen und einer juristischen Perspektive —, warum aus politologischer Sicht das Handeln der Kirche im politischen System mit dem von Verbänden verglichen werden kann.
Dominik Hierlemann
3. Polnische Politik und katholische Kirche
Zusammenfassung
In diesem Kapitel skizziere ich zunächst die politische Entwicklung in Polen seit 1989, um dann insbesondere auf das polnische Parteiensystem einzugehen. Dieser Hintergrund ist nötig, um die politischen Aktivitäten der Kirche einordnen zu können. Im zweiten Teil stelle ich detailliert die katholische Kirche in Polen vor. Ich gebe einen Überblick über die historische Bedeutung der Kirche, ihre ersten ’Gehversuche‘ nach dem Systemwechsel 1989, über ihre interne organisatorische Struktur sowie die Anzahl und die Einstellung ihrer Mitglieder. Ohne einen Einblick in die Geschichte der katholischen Kirche in Polen sowie Kenntnisse über die Erwartungen ihrer Mitglieder und ihrer internen Strukturen ist die im weiteren Verlauf der Arbeit erfolgende empirische Analyse des Einflussnetzes und des Lobbyings der Kirche kaum nachvollziehbar.
Dominik Hierlemann
4. Einflusspfade der katholischen Kirche in Polen
Zusammenfassung
In diesem Kapitel stelle ich die Ergebnisse der empirischen Untersuchung vor. Sie erfolgte in Form von Leitfadeninterviews mit 41 Kirchenexperten, Repräsentanten der katholischen Kirche und Politikern. Im Zentrum steht die Frage nach der Form und dem Charakter der Beziehungen zwischen der obersten Kirchenhierarchie und den politischen Entscheidungsorganen bzw. deren Repräsentanten. „Points of access“ (Truman: 1971 [1951], also Zugangsmöglichkeiten der Einflussnahme, sind in parlamentarischen Regierungssystemen primär Regierung und Parlament. Als zusätzlichen „point of access“ gibt es Parteien. Welche Bedeutung den einzelnen Akteuren und Arenen zukommt, ist wesentlich von der institutionellen Konfiguration des politischen Systems bestimmt, aber auch von der Beschaffenheit und der Bedeutung der diskutierten Thematik. Wichtig ist mir, den Fokus nicht lediglich auf die formalen, institutionalisierten Zugangswege zu richten, sondern gleichfalls die informellen und wechselnden Interaktionsmuster zwischen Kirchenhierarchie auf der einen und Regierungsapparat, Parlament und Parteien auf der anderen Seite zu analysieren.
Dominik Hierlemann
5. Lobbying der katholischen Kirche
Zusammenfassung
Das Wesen der katholischen Kirche gründet in ihrer transzendenten Ausrichtung und ihrem göttlichen Stiftungsauftrag und nicht in ihrem Verhältnis und ihren Bezugspunkten zur politischen Sphäre. Sie versucht, die Menschen von einer religiösen Heilsbotschaft zu überzeugen. Daran misst sie den Erfolg ihrer Organisation. Doch trotz ihres ganz und gar eigenen Organisationszwecks ist die Kirche kein geschlossenes und lediglich auf sich selbst bezogenes System. Ihr missionarischer Charakter verlangt nach einer Öffnung gegenüber der Lebenswelt der Menschen, die wiederum geprägt ist von gesellschaftlichen Konventionen, ökonomischen Zwängen und politischen Entscheidungen. Die katholische Kirche grenzt sich einerseits von weltlichen Organisationen und deren profanen, irdischen Interessen ab und ist andererseits über das Leben der einzelnen Gläubigen in einem bestimmten Staat unmittelbar mit den gesellschaftlichen und politischen Realitäten konfrontiert. In diesem Spannungsverhältnis zwischen Abgrenzung und Involvierung befindet sich die Kirche seit Jahrhunderten. Ihre Kontakte zur politischen Sphäre und ihre Einflussbemühungen auf politische Entscheidungen können nur im Lichte dieses beständigen Hin- und Herlavierens zwischen geistlichem, direkt aus ihrem’göttlichen Auftrag’ resultierenden und weltlichem, durch die gesellschaftliche Ordnung bedingten Wirken betrachtet werden. Gerade dieser zunächst unklaren Positionierung verdankt die Frage nach dem Lobbying der katholischen Kirche ihren Reiz, die, wie im Folgenden ein Bischof verdeutlicht, durch landesspezifische Besonderheiten ergänzt wird:
„Zweifellos muss sich die Kirche um ihre eigenen Aufgaben kümmern. Sie ist weder eine politische Partei noch ein Partner für solche. Die Kirche hat ihre eigene Mission — eine seelsorgerische Mission. Wir müssen jedoch immer daran denken, dass wir in Polen sind. Sicher hat jedes europäische Land seine Eigenheiten, auch was die Gegenwart der Kirche im öffentlichen Leben betrifft“ (Int. 29).
Dominik Hierlemann
6. Fallstudie: Erklärung der Regierung zur öffentlichen Moral — Anhang zum EU-Beitrittsvertrag
Zusammenfassung
Die polnische Regierung verabschiedet am 28. Januar 2003, knapp eineinhalb Monate nach Abschluss der ’heißen Phase‘ der Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union auf dem Gipfel der Regierungschefs vom 12. bis 14. Dezember 2002 in Kopenhagen, eine Erklärung über die übergeordnete Bedeutung des polnischen Rechts gegenüber EU-Recht in Angelegenheiten von moralischer Bedeutung und Fragen, die sich auf den Schutz des menschlichen Lebens beziehen (GW 29. 1. 2003: 3).175 Diese wird als Artikel 39 als „Erklärung der Regierung der Republik Polen zur öffentlichen Moral“ an die Schlussakte des EU-Beitrittsvertrags angehängt.176 Die Erklärung lautet wie folgt:
„Die Regierung der Republik Polen ist der Auffassung, dass kein Beschluss des EU-Vertrags, kein Gesetz der Europäischen Gemeinschaft sowie keine Veränderungen oder Ergänzungen zu diesen Verträgen die Republik Polen in der Regelung von Fragen von moralischer Bedeutung sowie des Schutzes des menschlichen Lebens behindern kann“ (http://​www.​e.​kai.​pl, 11. 4. 2003, Übers. d. Verf.).
Dominik Hierlemann
7. Interpretation der empirischen Ergebnisse
Zusammenfassung
Bis dato konnte ich das Einflussnetz der katholischen Kirche im politischen System Polens nachzeichnen, ihr Lobbying analysieren und die Bedeutung verschiedener Einflusspfade gewichten. Im ersten Teil des folgenden Kapitels werde ich nun, ausgehend von meinem zu Beginn der Arbeit aufgestellten Forschungsraster, die für die Ausprägung des Kirchenlobbyings verantwortlichen individuellen und strukturellen Bedingungsfaktoren identifizieren. Theoretischer Ausgangspunkt meiner Ausführungen ist dabei die Überlegung, dass die strukturelle Umgebung der handelnden politischen und kirchlichen Akteure erst durch deren Sinn- und Bedeutungszuschreibung Wirkungen zeitigt. Im zweiten Teil des Kapitels diskutiere ich zunächst, welchen Gewinn die Anwendung der Theorien politischer Interessenvermittlung auf die katholische Kirche in Polen bringt, und zeige anschließend den Forschungsbeitrag meiner Arbeit zur aktuellen Debatte über einen Paradigmenwandel in der Verbändeforschung sowie für die ersten Entwürfe eines Lobbyismuskonzeptes auf.
Dominik Hierlemann
8. Schlussbetrachtung
Zusammenfassung
Das Forschungsraster meiner Arbeit bestand am Ausgangspunkt der empirischen Datenerhebung aus wenigen und kaum eingegrenzten ’sensitizing concepts‘. Diese Herangehensweise und damit verbunden die konsequente Beibehaltung einer entdeckenden Forschungslogik während der Phase der Datenerhebung erwies sich im vorliegenden Fall als sinnvoller als ein deduktives, hypothesenüberprüfendes Vorgehen. Das lobbyistische Handeln der Kirche wurde nicht bereits vorab in Standardschablonen der politikwissenschaftlichen Verbändeforschung verortet, sondern durch ein schrittweises, qualitatives Vorgehen zu erschließen versucht. Da die lobbyistische Tätigkeit eines Akteurs die eine Sache ist, die andere jedoch, wie dessen Handeln von den politischen Entscheidungsträgern wahrgenommen und beurteilt wird, wurden Gespräche mit Vertretern des gesamten politischen Spektrums geführt. Dadurch wurde deutlich, warum das kirchliche Handeln zwar mit dem anderer Interessengruppen vergleichbar ist, das Auftreten und Handeln der Kirche jedoch ganz anders wahrgenommen wird. Die Zitate vermitteln mehr als nur die Schilderung eines Sachverhalts, sie zeigen bilderreich die enge Verbindung von Kirche und Politik. So werden auch dünne und durch andere Methoden nur schwer zu entdeckende Fäden — wie etwa die Bedeutung der persönlichen Beziehungen — im Staat-Kirche-Netz sichtbar. Gerade diese Fäden halten, auch wenn sie auf den ersten Blick kaum wahrnehmbar sind, das Netz zusammen und stabilisieren es.
Dominik Hierlemann
Backmatter
Metadaten
Titel
Lobbying der katholischen Kirche
verfasst von
Dominik Hierlemann
Copyright-Jahr
2005
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-322-80755-7
Print ISBN
978-3-531-14660-7
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-322-80755-7