Vor vierzehn Jahren war Betsy Patterson eine 34-jährige Alleinerziehende mit drei Kindern im Alter zwischen fünf und zehn. Sie arbeitete als diplomierte Krankenschwester auf der Knochenmark-Transplantationsstation der onkologischen Abteilung eines Krankenhauses, wo man Krebspatienten nach der Behandlung zerstörte Knochenmarkzellen ersetzt. Täglich hatte sie vor Augen, was diese Krankheit alles anrichten kann. Und dann fand sie an sich selbst einen Knoten.
Die Biotechpioniere der ersten Generation haben die Herstellung der Medikamente von Grund auf revolutioniert, aber auch eine neue Unternehmenskultur und -Umgebung geschaffen. Plötzlich lag der Schwerpunkt auf Produktivität, nicht auf etabliertem Verhalten. Das Management unterstützte die Wissenschaftler, weil es sie als wichtigste Erfolgszutat sah. Natürlich fand die Revolution teilweise auch deshalb statt, weil es den Start-ups schlicht an Vertretern und Marketinggruppen fehlte und das einzige Pferd, auf das sie setzen konnten, eben die Wissenschaft war.
Heute ist die Amgen Corporation in Thousand Oaks, Kalifornien, das Top-Unternehmen auf dem internationalen Biotechmarkt, dessen Jahreserträge Spitzenwerte von 2, 7 Milliarden Dollar erreichen. Amgen hat drei Produkte auf dem Markt und beschäftigt über 5000 Mitarbeiter. Und doch war es einer der Spätzünder auf der Biotechparty. Die Gründung von Amgen geht auf den Frust eines weiteren ehemaligen Boardmitglieds von Cetus, Bill Bowes, zurück.
Während die Biotechnologie Ende der siebziger und Anfang der achtziger Jahre die großen Pharmakonzerne nur mit Mühe für sich interessieren konnte, warf eine andere Branche, die Plasmaverarbeitungsindustrie, ein durchaus begehrliches Auge auf die neue Technologie. Diese Branche, zu ihren Vertretern gehörten etwa Baxter und Cutter Laboratories, sammelte Spenderblut und isolierte daraus klinisch nützliche Proteine für den Wiederverkauf. Unter den so gewonnenen Proteinen fanden sich lebensrettende Blutgerinnungsfaktoren für Hämophile, Antikörper zur Passivimmunisierung und Eiweiß für Chirurgie- und Traumapatienten, die große Mengen an Blut verloren hatten und Transfusionen benötigten.
Der Großteil der Biotechfirmen, die Anfang der achtziger Jahre die Aufmerksamkeit von Wall Street auf sich zogen, beschäftigte sich mit der Entwicklung rekombinanter Proteinpräparate. Doch im Universum der Biotechnologie entwickelte sich auch noch eine weitere wichtige Technologie — die monoklonalen Antikörper.
Als die Biotechindustrie noch in den Kinderschuhen steckte, wurden ihre jungen Unternehmen verhöhnt, weil sie es versuchten, es allen Märkten Recht zu machen. Industrielle Investoren — der Nickelbergbau, große Destillerien, Ölgesellschaften — sie alle hofften, ihre Investitionen in die neue Technologie würden sich direkt bezahlt machen. Doch die biotechnologischen Anwendungen abseits der Biomedizin mussten mehrere Jahrzehnte lang auf dem Abstellgleis warten, bis sich die neue Industrie endlich aufrappelte und den kommerziellen und gesellschaftlichen Wert ihrer Technologie und somit auch ihren Wert als Investitionsziel unter Beweis stellte.
Das menschliche Genomprojekt (Human Genome Project) zur Totalsequenzierung des menschlichen Genoms ist ein gigantisches internationales Projekt, in dessen Rahmen seit 1990 erstmals eine genaue „Landkarte“ sämtlicher genetischer Informationen in menschlichen Zellen erstellt wird. Es handelt sich hierbei um eines der unglaublichsten wissenschaftlichen Unterfangen, die je in Angriff genommen wurden. Mit einem Budget von rund drei Milliarden Dollar soll es durch die koordinierten Bemühungen zahlreicher Labors überall auf der Welt möglich werden, alle Geheimnisse unserer Gene zu lüften.
In den letzten Jahren konnten Menschen, die sich mit HIV, dem AIDS-Virus, infiziert hatten, bereits deutlich von hochwirksamen neuen antiviralen Medikamenten profitieren, die ihre Lebensprognose drastisch verändert haben. Bei richtiger Behandlung können manche Patienten die Krankheit sogar unbeschränkt unterdrücken, indem sie eine Kombination aus mehreren Medikamenten einnehmen und so die Virenreplikation auf ein Minimum beschränken. Leider bedeutet die Fähigkeit des HI-Virus, rasch und immer wieder zu mutieren, dass eine falsche Medikamentenkombination es einem Virenstrang ermöglichen könnte, unkontrolliert zu wachsen und so möglicherweise gegen alle verfügbaren Therapien resistent zu werden. Angesichts des bedeutenden Problems, um das es hier geht, und angesichts so vieler unterschiedlicher Möglichkeiten — wie können Ärzte da wissen, welche Medikamente sie verschreiben und wann sie die Medikation wieder ändern sollen?
In Kapitel 8 haben wir die Rolle der Gene in der Proteinproduktion innerhalb der Zellen beschrieben und über die Suche nach krankheitsrelevanten Genen in unseren Chromosomen berichtet. In einigen Fällen werden diese krankheitsrelevanten Gene von Bakterien, Viren und Pilzen in unseren Körper gebracht.
Die Gentherapie geht noch einen Schritt weiter als die Antisense-Technologie, weil sie sich unseres wachsenden Wissens über die Gene, die Gesundheit und Krankheit kontrollieren, bedient. In diesem Fall ist das Medikament nicht einfach ein Stück synthetischer DNA, sondern ein ganzes Gen, eingebettet in alles was nötig ist, um dieses Gen quer durch den Körper in die richtigen Zellen zu schleusen und es ihm zu erlauben, von der Zelle gelesen und exprimiert zu werden. Die Gentherapie wandelt im wesentlichen die behandelten Zellen in kleine Fabriken um, die das therapeutische Protein produzieren.
Eines der aufregendsten Anwendungsgebiete der Biotechnologie als Werkzeug zur Entwicklung von Medikamenten besteht in der Erforschung der tatsächlichen Interaktionen zwischen den Molekülen, die von den Zellen zur Übertragung von Informationen von der Zelloberfläche in den Kern benutzt werden, wo die Genexpression modifiziert wird und die frisch erzeugten Proteine das Zellverhalten verändern.
Nun also stehen Sie da, da oben auf dem Berg, neue Schier an den Beinen, neue Schibrille zurechtgerückt, neuer Anorak, und sehen so richtig cool aus. Da ist es doch ein Pech, dass Ihre Knie bereits im voraus gegen Ihren Plan rebellieren, sie allzu sehr der Schwerkraft und sportlicher Betätigung auszusetzen. Gäbe es doch nur eine Möglichkeit, das Schifahren zu genießen, ohne 50 Prozent des Urlaubs mit der Einnahme von Advil zu verbringen und schmerzverzerrt vor dem Kamin in der Almhütte zu kauern. Die Biotechnologie hat vielleicht die Lösung für Sie — neue Knie!
Im Jahr 1969 wurde in den USA ein neues Schmerzmittel namens Ibuprofen eingeführt. In der letztlich von American Home Products lizenzierten Form wurde daraus das frei erhältliche Advil, ein Analgetikum, das im Laufe der Jahre Umsätze in Milliarden-Dollar-Höhe eingespielt hat.
Die frühesten gentechnischen Experimente liegen schon Tausende Jahre zurück. Und tatsächlich unterscheidet sich ein Großteil der Produkte, die wir heute essen, grundlegend von verwandten Nahrungsmitteln aus alten Zeiten. Die Orangen sind größer und süßer, der Mais viel ertragreicher, seine Körner weicher. Im Laufe der Jahre konnten durch Züchtung jeweils die wünschenswerten Merkmale akzentuiert werden — etwa Größe, Farbe, Geschmack, Konsistenz — und unerwünschte Merkmale weitgehend ausgeschaltet werden. Ein Großteil all dieser Fortschritte hat stattgefunden, lange bevor man je von moderner Genetik gehört hatte — einfach durch langsame und konsequente Züchtung.
Cynthia Robbins-Roth
Biotechnologie, das Geschäft: Produktentwicklung und Finanzierung
Für Investoren in Biotech- oder Pharmaunternehmen ist die Produktentwicklung der alles entscheidende Faktor. Selbst die aufregendste Wissenschaft der Welt kann keine langfristige Wertschöpfung generieren, wenn sie nicht letztlich in Produkte mündet, die dem Unternehmen einen signifikanten Ertragsstrom bescheren. Die meisten Biotechnologie-Investoren sind gar nicht in der Lage, die wissenschaftlichen Grundlagen eines Unternehmens zu beurteilen. Ein profundes Verständnis der Produktentwicklung kann ihnen aber zumindest einige wichtige Benchmarks zur Beantwortung der Frage liefern, wie hoch das relative Risiko des jeweiligen Produktkandidaten ist.
Wie definiert die FDA eigentlich den Begriff Wirksamkeit? Und damit begeben wir uns in die gefährlichen Gewässer der statistischen Analyse und der Endpunkte. Jeder Patient unterscheidet sich ein wenig von allen anderen Patienten — in seinem Stoffwechsel und in seinen Reaktionen auf den Wirkstoff, in der Fähigkeit des Wirkstoffs, die konkrete Zielkrankheit zu beeinflussen, und in dessen Auswirkungen auf den restlichen Körper. Man darf sich die Sache keineswegs so vorstellen, als würde ein Herzinfarktpatient dem anderen gleichen wie ein Ei dem anderen. Derselbe Wirkstoff, verschiedenen Patienten verabreicht, die äußerlich alle unter derselben Krankheit leiden, kann ganz unterschiedliche Reaktionen auslösen.
Wie um alles in der Welt können Biotech-Unternehmen eigentlich die enormen Geldsummen aufbringen, die benötigt werden, um — wie im vorigen Kapitel erörtert — ein Jahrzehnt hindurch Produktentwicklung betreiben zu können? Anders als Hightech-Start-ups ist eine Biotechnologie-Firma keine Sache, die zwei Jungs in einer Garage aufziehen. Hightech-Investoren können sich darauf verlassen, dass diese zwei Jungs mit einem Budget von 5000 Dollar ein neues Anwendungsprogramm in zwei Monaten aus dem Boden stampfen. Gibt man ihnen 100 Leute, 25 Millionen Dollar und zwei Jahre, bekommt man dafür schon ein neues Betriebssystem, das enorme Gewinne und beeindruckende Spannen abwirft.
Der Gang an die Börse ist ein wesentlicher Meilenstein für jedes Unternehmen. Für Biotech-Gesellschaften ist er jedoch unumgänglich, wollen sie das Kapital für den letzten Schwung bis zur Marktreife ihrer Produktkandidaten aufbringen. In dieser Branche muss jeder, der ein nachhaltiges und wachsendes Geschäft mit guten Renditen für alle Beteiligten aufbauen möchte, den Schritt auf die Publikumsmärkte wagen.
Die Biotechnologie-Branche hat sich immer als besonders findig erwiesen, wenn es darum ging, neue und innovative Finanzierungsinstrumente für ihren langen und riskanten Produktentwicklungszyklus zu entdecken. In harten Zeiten, wenn die „üblichen Verdächtigen“ an Zweitemissionen vom Typ 0815 einfach nicht mehr interessiert sind, schaffen es die Führungskräfte der Gesellschaften und ihre Banken mit einer Reihe alternativer Ansätze, — die jeweils auf bestimmte Investorengruppen abzielen — trotz allem die benötigten Gelder aufzutreiben.
Die meisten Biotechnologie-Firmen müssen sich, wie bereits ausgeführt, rund zehn Jahre lang gedulden, bis erste Erträge zu fließen beginnen. Zwischenzeitlich scharrt bereits eine ungeduldige Meute in den Startlöchern, um sich auf die innovativen Produkte und Technologien zu stürzen — die etablierten Pharmakonzerne.
Was Produkte und Gewinne betrifft, so werden wir im Laufe des nächsten Jahrzehnts auf dem Biotech-Sektor eine wahre Explosion erleben. Während der ersten beiden Jahrzehnte ihres Bestehens hat diese Branche über 75 von der FDA zugelassene Medikamente, Impfstoffe und Diagnose-Tests hervorgebracht. Mit ihnen hat sie die medizinische Praxis von Grund auf verändert und Milliarden Dollar an Umsatzerlösen eingespielt. Der Branchenteil abseits medizinischer Anwendungen muss sich erst noch durchsetzen und entwickelt werden. Sich als Investor irgendwo an diesem explodierenden Wirtschaftszweig zu beteiligen, ist unglaublich aufregend und zugleich extrem riskant, bedenkt man die immanente Unberechenbarkeit der Aktienperformance.
Wie wir bereits gesehen haben, sind die Wege der Entwicklung neuer medizinischer Wirkstoffe häufig verschlungen. Die Unternehmen müssen Millionen Dollar ausgeben und brauchen rund zehn Jahre lang, um zu erfahren, ob ihre neuen Produkte ausreichend sicher und wirksam sind, um auf den Markt losgelassen werden zu können. Und wenn nun Hunderte von Publikumsgesellschaften dort draußen von sich behaupten, sie seien gute Biotechnologie-Unternehmen — wie dürfen Sie da hoffen, die Erfolgreichen unter ihnen zu finden?