Skip to main content

1993 | Buch

Publizistik als autopoietisches System

Politik und Massenmedien. Eine systemtheoretische Analyse

verfasst von: Frank Marcinkowski

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

insite
SUCHEN

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Politik, Massenmedien und Funktionale Analyse

Frontmatter
1. Relevanz und zentrale Fragestellung einer politikwissenschaftlichen Beschäftigung mit Massenmedien
Zusammenfassung
Die moderne Wissenschaftstheorie hat uns gelehrt, daß sich akademische Disziplinen nicht etwa um exakt eingrenzbare und exklusiv zurechenbare Gegenstandsbereiche der wirklichen Welt, sondern um spezifische Problemstellungen konstituieren. In den Sozialwissenschaften handelt es sich dabei in der Regel um praktische Problemlagen der Gesellschaft, die durch gedankliche Verallgemeinerung in theoretische Probleme transformiert werden. Die präzise Formulierung einer solchen Problemstellung ist idealtypisch der erste Schritt auf dem Weg wissenschaftlicher Erkenntnis, und “ebenso wie alle anderen Wissenschaften, so sind auch die Sozialwissenschaften erfolgreich oder erfolglos, interessant oder schal, fruchtbar oder unfruchtbar, in genauem Verhältnis zu der Bedeutung oder dem Interesse der Probleme, um die es sich handelt” (Popper 1982, 105).
Frank Marcinkowski
2. Theoretisches Fundament: Hauptrichtungen systemtheoretischer Massenkommunikationsanalyse
Zusammenfassung
Eine Ausarbeitung zum Systemcharakter von Publizistik bewegt sich immer noch auf weitgehend ungesichertem Terrain. Einschlägige Vorarbeiten, auf die sich eine solche Argumentation stützen könnte, sind erst in recht bescheidenem Ausmaß geleistet worden. Dies liegt einerseits daran, daß sich die bundesdeutsche wie internationale Publizistikwissenschaft bis auf wenige Ausnahmen, unter ihnen Franz Ronneberger, Ulrich Saxer, Siegfried Weischenberg,Siegfried J. Schmidt, Klaus Merten und vor allem Manfred Rühl, weitgehend abstinent gegenüber der neueren Systemtheorie verhalten hat.9) Andererseits haben die führenden Systemtheoretiker ihrerseits (noch?) recht wenig zum Massenkommunikationssystem geschrieben. Die Weiterentwicklung systemtheoretischer Ansätze der Medienanalyse gilt dementsprechend aus heutiger Sicht noch vielfach als Zukunftsaufgabe der theoretisch orientierten Forschung (vgl. mit dieser Einschätzung Faulstich 1991, 152).
Frank Marcinkowski
3. Vorgehen, Aufbau und Reichweite der vorliegenden Untersuchung
Zusammenfassung
In der vorliegenden Untersuchung geht es demzufolge im wesentlich darum, die zentrale gesellschaftstheoretische Hypothese der Theorie selbstreferentieller Sy­steme am Fall des Massenkommunikationssystems durchzutesten. Diese These be­sagt, daß moderne Gesellschaften als soziale Systeme mit primär funktionaler Dif­ferenzierung beschrieben werden können. In einer solchen Gesellschaftsordnung operieren ihre Teilsysteme in hohem Maße autonom und reproduzieren sich selbstreferentiell, also aus sich selbst heraus. Sie sind näher spezifiziert durch ihre Funktion und das symbolisch generalisierte Kommunikationsmedium, das sie zur Erfüllung dieser Funktion verwenden: im hier zur Rede stehenden Fall durch Pu­blizität.10) Ziel des Unternehmens ist es, zu neuen Einsichten in die Steuerbarkeit des Mediensystems insbesondere durch das politische System zu gelangen. Denn wenn die These der selbstreferentiell geschlossenen Operationsweise für das pu­blizistische System der Gesellschaft zutrifft, was argumentiert werden soll, hat dies ersichtlich Konsequenzen für den Umgang eines solchen Subsystems mit sei­ner Umwelt, genauer mit relevanten Systemen in seiner Umwelt. Unter letzteren interessiert aus politikwissenschaftlicher Sicht evidentermaßen an erster Stelle das politisch-administrative System. Die Ableitung solcher Konsequenzen verspricht folglich im Ergebnis eine veränderte, theoriegeleitete Sichtweise auf das Verhält­nis von Massenkommunikationssystem und Politik.
Frank Marcinkowski

Publizistik als Autopoietisches System

Frontmatter
1. Entstehungs- und Entwicklungsbedingungen publizistischer Systeme
Zusammenfassung
Ein Verständnis von Struktur und Funktionsweise des selbstreferentiell operierenden publizistischen Systems kann nur vor dem Hintergrund der Kenntnis derjenigen systemtheoretischen Deutungsmuster entwickelt werden, die die evolutionäre Herausbildung sozialer Funktionssysteme im Zuge gesellschaftlicher Entwicklung beschreiben. Die Klärung eines solchen Problemhintergrundes ist, wie eingangs angedeutet, im Luhmannschen Denken eine Aufgabe der Theorie, weshalb vor Einstieg in die eigentlichen Analyse zumindest einige Sätze fiber die Theorie gesellschaftlicher Differenzierung im allgemeinen und die Ausdifferenzierung publizistischer Systeme im besonderen gesagt werden sollen.
Frank Marcinkowski
2. Thematisierung als publizistische Leistung
Zusammenfassung
Spätestens seit Luhmanns Rekonstruktion der “öffentlichen Meinung” gilt nicht nur in systemtheoretischer Sichtweise die “Herstellung und Bereitstellung von Themen öffentlicher Kommunikation” als wichtigste Funktion von Massenkommunikation. In klassischer Weise findet sich diese Bestimmung bei Manfred Rühl, der unter Anlehnung an Luhmann formuliert: “Die besondere Leistung und die besondere Wirkung des Journalismus, durch die sich sein Handeln von anderen Sozialsystemen unterscheidet, besteht in der Ausrichtung auf die Herstellung und Bereitstellung von Themen zur öffentlichen Kommunikation” (Rühl 1982, 322/323). Eine solche Definition muß jegliche Thematisierungsleistung als Journalismus begreifen. Sie greift empirisch insoweit über die “klassischen Medienorganisationen” hinaus auf einen wesentlich weiteren Handlungskontext: “Presse- und Informationsstellen von Staaten, Lindern, Provinzen, Bezirken, Kreisen und Gemeinden, von Parteien, Verbinden und allerlei Behörden, die Informations- und Public Relations-Abteilungen der Unternehmen, die Pressestellen der Wirtschaftsorganisationen, der Kirchen oder Bundeswehr, die eigenständigen Public Relations-Agenturen, die Redaktionen von Gemeindeblättern, Schülerzeitungen, Vereinszeitschriften oder Streikzeitungen, die Pressebetreuer von Bürgerinitiativen oder von Demonstrationszügen; sie und noch viele andere sind ebenso Hersteller und Bereitsteller journalistischer Themen” (Rühl 1982, 327). Auf der Basis einer solchen Funktionsbestimmung läßt sich offensichtlich keine Differenz zwischen Öffentlichkeitsarbeit und Journalismus mehr entdecken. Im Gegenteil, die Unterscheidung zwischen Politik (mit ihren unzähligen Presse- und Informationsämtern), Wirtschaft (mit ihrem immer weiter expandierenden Bereich der Werbung und Public Relations) und publizistischen Medien werden fließend, wenn tersuchung über das Verhältnis der genannten Funktionsbereiche zueinander ein wenig sinnvoller Ausgangspunkt.
Frank Marcinkowski
3. Publizität als generalisiertes Kommunikationsmedium. Zur Codierung von Öffentlichkeit
Zusammenfassung
Wie kann Publizität als symbolisch generalisiertes Kommunikationsmedium begriffen werden? Um einer Antwort auf diese Frage näher zu kommen, muß zunächst Luhmanns Begriff des Mediums genauer betrachtet werden (vgl. zum folgenden SS, 216–225). Ausgangspunkt der Überlegung zu den symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien ist bei Luhmann bekanntlich die evolutionäre Unwahrscheinlichkeit von (gelingender) Kommunikation, die er vor allem an drei Problemen festmacht:
  • am Problem des Verstehens, denn Sinn kann nur kontextgebunden verstanden werden und bei unterschiedlicher Wahrnehmung dieses Kontextes sind Mißverständnisse folglich hochwahrscheinlich;
  • am Problem des Erreichens von Adressaten jenseits der Interaktionsgrenzen Anwesender, denn “anderswo haben Leute etwas anderes zu tun” (SS, 218);
  • am Problem des Erfolgs oder besser Befolgens der Information und Obernahme als Prämisse eigener Kommunikation durch andere Systeme, denn jede Mitteilung kann genausogut Widerspruch wie Zustimmung auslösen (vgl. ausführlich Luhmann 1981b, S. 26 f).
Frank Marcinkowski
4. Thematische Grenzen des publizistischen Systems
Zusammenfassung
Voraussetzung der weiteren funktionalen Analyse des publizistischen Systems ist die Beschreibung der Differenz von zur Rede stehendem System und seiner Umwelt, oder, mehr empirisch formuliert, die Definition des Gegenstandsbereichs der Analyse und die Benennung seiner Grenzen zu Gegenständen, die nicht dazugehören. Dieses Problem des empirischen Auffinden von Systemgrenzen stellt sich spätestens in dem Augenblick, wo man, wie Luhmann in seinem “Grundriß” aus dem Jahre 1984, den Systembegriff nicht mehr als analytische Kategorie einfahrt, sondern Systeme als empirisch konkrete Erscheinungen der Realität versteht (“Systeme sind in der Welt”).
Frank Marcinkowski
5. Das Publikum als innere Umwelt des Journalismus. Zur Binnendifferenzierung des publizistischen Systems
Zusammenfassung
Die interne Struktur sozialer Systeme ist durch die Form ihrer Systemdifferenzierung bestimmt. Mit diesem Begriff beschreibt Luhmann systeminterne Prozesse der Ausdifferenzierung und Spezialisierung in Form von weiterer Systembildung im System. Innerhalb von Systemen können nämlich wieder System/ Umwelt-Differenzen aufgebaut werden. Das Gesamtsystem benutzt sich dabei selbst als Umwelt für intern ausdifferenzierte Teilsysteme. “Interne Differenzierungen schließen an die Grenzen des bereits ausdifferenzierten Systems an und behandeln den damit eingegrenzten Bereich als eine Sonderumwelt (...) Sie ist relativ zur Außenwelt eine schon domestizierte, schon pazifierte Umwelt mit verringerter Komplexität” (SS, 259). Mit zunehmender Systemdifferenzierung wächst folglich die Komplexität des Gesamtsystems, aber eben auch — und das ist die Funktion des Prozesses — seine Kapazität für die Verarbeitung von Umweltkomplexität. Ein differenziertes System besteht “aus einer mehr oder weniger großen Zahl operativ verwendbarer System/Umwelt-Differenzen” (SS, 22). Systemdifferenzierung ist mit anderen Worten eine Wiederholung der Ausdifferenzierung im Inneren von Systemen. “Das Verfahren der Differenzierung von System und Umwelt wird rekursiv auf sein eigenes Resultat angewandt” (Luhmann 1987c, 38). Moderne Gesellschaftssysteme sind insofern zunächst durch die Ausbildung spezialisierter Teilsysteme für Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Massenkommunikation u.a. differenziert, und diese Teilsysteme können dann daraufhin untersucht werden, welche spezifische Form der Systemdifferenzierung sie aufweisen, ausbilden und erweitern.
Frank Marcinkowski
6. Journalistische Organisation und autopoietische Reproduktion publizistischer Kommunikation
Zusammenfassung
Nachdem zuvor die zirkulär-geschlossene und selbstreferentielle Operationsweise des Gesamtsystems beschrieben worden ist, kann nun gezeigt werden, wie im organisierten Leistungssystems der Publizistik (Journalismus) zumindest Ansätze einer autopoietischen Selbstreproduktion erkennbar sind. Darin wire dann eine weitere Steigerung der Selbstbezüglichit des Systems zu sehen.
Frank Marcinkowski
7. Die Selbstbeobachtung der Gesellschaft als publizistische Funktion
Zusammenfassung
Auf Grundlage der bis hierhin geleisteten theoretischen Vorarbeiten kann die Argumentation nun mit der Frage nach der eigenständigen Primärfunktion des publizistischen Systems — der Voraussetzung von Systembildung überhaupt — abgerundet werden. Dazu zwei einführende Vorbemerkungen. Die Theorie selbstreferentieller Systeme unterscheidet grundsätzlich zwischen der Funktion und der Leistung eines Funktionssystems und hält beide Begriffe streng auseinander. Mit dem Begriff Funktion ist immer die Beziehung eines sozialen Systems zum Ganzen von Gesellschaft gemeint. Dagegen werden die interdependenten Beziehungen der Funktionssysteme untereinander mit dem Begriff Leistung erfaßt (vgl. zu dieser Definition PTW 1981, 81–88 und Luhmann 1988, 63). In diesem Sinne ist das Einfangen von Publizität für Themen eine Leistung, die von einer ganzen Reihe sozialer Systeme in der Umwelt der Publizistik nachgefragt wird, wobei sich das publizistische Teilsystem als “adaptives System” an dieser Nachfrage orientiert. Die gesellschaftliche Funktion der Publizistik, über die das System gewissermaßen als “Richter in eigener Sache” (Luhmann 1988,63) autonom verfügt, ist damit aber noch nicht hinreichend beschrieben.
Frank Marcinkowski
8. Umweltkontakt und Intersystembeziehungen der Publizistik
Zusammenfassung
In diesem Abschnitt geht es (noch) nicht darum, konkrete Intersystembeziehungen der Publizistik eingehender zu analysieren. Dies bleibt dem dritten Teil der Arbeit vorbehalten. Hier sollen zunächst grundsätzlich die Bedingungen der Möglichkeit systemübergreifender Interaktion im Rahmen des bisher entwickelten Begriffsapparates geklärt werden. Dies scheint notwendig, da die von der funktional-strukturellen Theorie rezipierten Begriffe Selbstreferenz und vor allem Autopoiesis auf den ersten Blick zu der Vermutung verleiten mögen, man habe es bei ihren Untersuchungsobjekten mit isolierten Sozialsystemen ohne jeden Umweltkontakt zu tun. Diese Annahme erweist sich bei genauerem Hinsehen schnell als unzutreffend. Tatsächlich hat Luhmann mit der Einführung der Idee der Selbstreferenz in seine Theorie zunächst einmal “lediglich” über ältere (auch seine eigenen) Systemvorstellungen hinausgeführt, die Reproduktivität von Systemen vom wechselseitigen Austausch von Leistungen oder Materialien abhängig sehen wollten, Systemerhalt und Systemstrukturierung also letztlich durch funktionale Umwelttransfers erklärt haben. Dies ist mit der Idee autopoietischer Selbstreproduktion offensichtlich nicht mehr vereinbar. Denn diese setzt nicht mehr bei dem Ganzen (Einheit) und dessen Dekomposition in Teile an, sondern bei der Differenz, der Beobachtung also, daß in unterschiedlichen Funktionsbereichen je spezifische Leitdifferenzen für die zirkuläre Selbstreproduktion des Systems verantwortlich sind.
Frank Marcinkowski
9. Zusammenfassung
Zusammenfassung
Der Erkenntnisgewinn bis hierhin besteht in der Entwicklung einer Hypothese, der begründeten Vermutung nämlich, daß es sich bei dem Massenkommunikationssystem moderner Gesellschaften um ein selbstreferentiell- geschlossen operierendes, relativ autonomes Funktionssystem handelt, das folglich nicht einfach als Annex und schon gar nicht als integraler Bestandteil anderer sozialer Subsysteme verstanden werden kann, sondern den Umgang mit Systemen seiner Umwelt nach eigenen Kriterien und gemäß eigener Selektionsweisen regelt. Damit wird insbesondere all denjenigen Auffassungen widersprochen, die die publizistischen Medien in umfassende Entdifferenzierungsvorgänge im Sinne der Allopoiesis verwickelt sehen, etwa durch hierarchische Unterordnung gegenüber Politik oder Ökonomie.
Frank Marcinkowski

Konsequenzen für die Steuerung Aktuelle Rundfunkpolitik in der Bundesrepublik Deutschland

Frontmatter
1. Rundfunk als publizistisches Subsystem. Von der „Dualisierung“ zur Selbstreferenz
Zusammenfassung
Die Illustration einiger zentraler Hypothesen des bis hierhin vorgestellten Modells der Publizistik und die empirisch fundierte Ableitung von Konsequenzen für medienpolitische Steuerungsversuche kann aus naheliegenden Gründen nur exemplarisch vorgeführt werden. Für die Beschränkung auf das Subsystem Rundfunk sprechen dabei mindestens zwei Gründe. Zunächst die empirisch unstrittige, herausgehobene Bedeutung des Rundfunks unter den publizistischen Medien. Vieles spricht derzeit dafür, daß die traditionell von den Druckmedien geprägte Medienkultur moderner Gesellschaften im “elektronischen Zeitalter” von den audiovisuellen Telekommunikationsmedien Hörfunk und vor allem Fernsehen abgelöst worden ist (Jarren 1991a). Insbesondere im Bereich politischer Kommunikation, dies belegen zahlreiche Studien, stehen die elektronischen Medien heute weltweit an erster Stelle, und zwar sowohl hinsichtlich der quantitativen und qualitativen Ausweitung ihrer Programme, hinsichtlich der räumlichen und sozialen Differenzierung ihrer Angebote, hinsichtlich der täglichen Nutzungsdauer und der attributierten Glaubwürdigkeit, als auch hinsichtlich ihrer beinahe allumfassenden gesellschaftlichen Präsenz und folglich auch hinsichtlich der von ihnen ausgehenden langfristigen Sozialisationseffekte (vgl. u.a. Roper 1975 und 1979, Hunziker/ Lüscher/Fauser 1975, Bower 1985, Berg/Kiefer 1992, Iyengar/Kinder 1987, Ludes 1992).
Frank Marcinkowski
2. Regulative Rundfunkpolitik und kontextuelle Optionenpolitik. Grenzen und Möglichkeiten der Steuerung
Zusammenfassung
Nachdem die Prämissen unseres Ansatzes mit Erfolg auf das Rundfunksystem übertragen worden sind, kann die zweite Ausgangsfragestellung der vorliegenden Untersuchung aufgegriffen werden, die Frage nämlich, ob und, wenn ja, wie es von Seiten des politisch-administrativen Systems möglich bleiben kann, in einem autonom operierenden Rundfunksystem diskriminierende (differenzminimierende) Effekte zu erzielen, also Steuerungsziele zu erreichen. Um die rundfunkpolitische Steuerungsdiskussion anschließbar zu halten, sind die eher empirisch orientierten Ausführungen dieses Abschnittes einmal mehr mit äußerst knappen Skizzen zum Stand der hierbei einschlägigen theoretischen Überlegungen1) verwoben. Um den hier behandelten Fall näherhin zu spezifizieren, sind außerdem einige terminologische Ein- und Abgrenzungen vorzunehmen. Es erweist sich insofern als zweckmäßig, den ausufernden Stoff anhand derjenigen steuerungstheoretischen Suchfragen und -begriffe zu gliedern, die auch im Zentrum der zugehörigen politik- und verwaltungswissenschaftlichen Debatte stehen. Im folgenden wird zunächst (II.) die Frage behandelt, ob und warum staatliche Steuerung differenzierter Gesellschaften überhaupt notwendig ist (Steuerungsnotwendigkeit/-bedürftigkeit). Zum Problem der Steuerbarkeit (bzw. Steuerungsresistenz) verselbständigter Funktionsbereiche im allgemeinen und des selbstreferentiellen Rundfunksystems im besonderen ist bereits oben das Wesentliche gesagt worden, so daß ein eigenständiger Abschnitt zu diesem Aspekt entbehrlich und eine eher thesenartige Zusammenfassung als ausreichend erscheint. Folglich schließt sich (III.) die Frage nach dem Objekt, dem Subjekt und den Instrumenten rundfunkpolitischer Steuerung (Steuerungsfeld) an. Nachfolgend kann schließlich die Frage angegangen werden, ob der Staat zu einer gezielten Steuerung überhaupt in der Lage ist (Steuerungsfähigkeit). Dieser letzte Aspekt wird in zwei Teilschritten (mit durchaus unterschiedlichem Ergebnis) abgehandelt, wobei in empirischer Hinsicht zwischen eher direkt ansetzenden, regulativen Steuerungsinstrumenten (IV.) und Versuchen einer indirekten Optionenpolitik (V.) unterschieden wird.
Frank Marcinkowski
3. Reicht Evolution? Anregungen für die Forschung
Zusammenfassung
Die theoretische Argumentation dieser Arbeit ist — bezogen auf die eingangs formulierte Aufgabenstellung — mit den Ausführungen des vorherigen Abschnittes abgeschlossen. Wir waren ja im dritten Teil nicht angetreten, um neue rundfunkpolitische Steuerungsformen zu entwickeln. Es ging vielmehr um die Bekräftigung des Verdachtes, daß selbstreferentielle publizistische Systeme neuartiger, bislang wenig erforschter und noch weniger praktizierter Steuerungsformen bedürfen. Die hier durchgehend eingenommenen Systemperspektive konzentrierte sich dementsprechend auf die Verdeutlichung struktureller Restriktionen und funktionaler Folgen von Politik und Steuerung in ausdifferenzierten Gesellschaften, und sie behauptet, darin ihren Verdienst zu haben. Das Versagen traditioneller Instrumente wie Rundfunkrecht, Personalpolitik, Programmpolitik, Finanzpolitik gilt in diesem Zusammenhang als empirischer Beleg für die hier zu vertretende Verselbständigungsthese.
Frank Marcinkowski
Backmatter
Metadaten
Titel
Publizistik als autopoietisches System
verfasst von
Frank Marcinkowski
Copyright-Jahr
1993
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-322-87740-6
Print ISBN
978-3-531-12428-5
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-322-87740-6