Zusammenfassung
Die Ungleichheit der Bildungschancen und die damit verbundenene Ungleichheit der Lebenschancen gehörte zu den Problemen, die den bildungspolitischen Aufbruch im Westen Deutschlands ab 1965 wesentlich getragen haben. Seit langem jedoch ist das Thema aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit verschwunden, und in der Bildungspolitik bewegen vor allem Probleme der administrativen „Bewältigung“ von bildungswilligen jungen Menschen die Gemüter: Erst steigende, dann sinkende Schüülerzahlen, Lehrer-SchülerRelationen bei alternden Kollegien, fehlende Lehrstellen, Kapazitätsverordnungen, Überlastquoten, Langzeit-Studierende und vor allem die Bildungsausgaben, immer wieder die Bildungsausgaben, prägen die bildungspolitische Landschaft. Selbst in der Soziologie haben sich seit der Mitte der siebziger Jahre am Thema der Bildungsungleichheiten keine üüber den kleinen Kreis von Spezialisten hinausreichenden Diskussionen mehr entzündet. Fast anstößig erscheint es, in einer Gesellschaft, die so gerne als Gesellschaft „jenseits von Klasse und Stand“ oder als „Erlebnisgesellschaft“ mit einer bunten Vielfalt von individuell gestaltbaren Lebensstilen gekennzeichnet wird, nach Bildungsungleichheiten zu fragen und danach, was diese denn für die Lebensverhältnisse der Individuen bedeuten.
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Referenzen
Der Deutsche Ausschuß für das Erziehungs- und Bildungswesen (1953 bis 1965) war ein auf nationaler Ebene angesiedeltes Expertengremium mit beratender Funktion, das heißt eine Vorläuferinstitution des Deutschen Bildungsrates (1966 bis 1975).
Beteiligungsquotengeben an, in welchem Umfang Kinder verschiedener sozialer Schichten die verschiedenen Bildungsinstitutionenbesuchen, also z.B. „1989 besuchten 10,8 % aller 13-und 14jährigen Arbeiterkinder das Gymnasium“ (Köhler 1992, 57). Im Unterschied zu Ungleichheitsmaßen, die sich auf die soziale Zusammensetzung einer bestimmten SchülerInnen- bzw. StudentInnenpopulationbeziehen — also zum Beispiel „1989 waren 14,3 % aller 13und 14jährigen Schüler und Schülerinnen von Gymnasien Arbeiterkinder“ (S. 44) -, tragen Beteiligungsquoten den Veränderungen in der Sozialstruktur Rechnung; sie eignen sich daher auch für den Zeitvergleich.
Der amerikanische Titel lautet interessanterweise “Inequality”, also „Ungleichheit“ und hat den Untertitel “A Reassessment of the Effect of Family and Schooling in America”.
Erst im Kontext der Kindheitsforschung konnten schichtspezifisch unterschiedliche Lebensbedingungen sowohl empirisch dingfest gemacht als auch in eine theoretisch plausible Beziehung zur Entwicklung der Handlungspotentiale von Kindern gesetzt werden (vgl. Zeiher/Zeiher 1993).
Siehe Dittons Beitrag in diesem Jahrbuch.
Dabei wurden in fiüinf Regionen Nordrhein-Westfalens in einer Vollerhebung aus den Klassenbüchern der vierten Klassen die Eltern der Viertkläßler nach deren Übergang in die Sekundarstufe I befragt. In der zweiten Erhebungswelle wurden 1976/77, zu Beginn der Sekundarstufe II, die Eltern dieser Population ein zweitesmal interviewt, dazu auch die Jugendlichen selbst, und schließlich gab es 1981, nach Abschluß der Sekundarstufe II oder der beruflichen Erstausbildung, noch eine dritte Befragung, an der immerhin noch etwa vierzig Prozent der Ausgangspopulationteilnahmen — eine beachtliche Größenordnung für ein Panel, das sich üüber einen so langen Zeitraum erstreckt. Eine weitere Erhebung des Allokationsprozesses der ehemaligen Viertklääßler und der biographischen Interpretationen dieses Prozesses ist geplant.
Hier wurde, anders als bei Mayer 1991, wo es um den Zugang zum weiterfiihrenden Bildungswesen ging, eine kombinierte Skala von Allgemeinbildung und beruflicher Bildung zugrunde gelegt.
Die absoluten Zahlen ffür die soziale Herkunft der mit der Stichprobe erfaßten Geburtskohorten sind weder bei Henz/Maas (1995) noch bei Mayer (1991) oder Mayer/Blossfeld (1990) angegeben, so daß immer noch denkbar ist, daß kleine Gruppen, etwa durch entsprechende Schichtung der Stichprobe, in ausreichender Größe repräsentiert sind. Dem Leser und der Leserin bleibt dies jedoch verborgen.
Das Berufsprestige ist offensichtlich bei der Messung sozialer Ungleichheit ein problematischer Indikator; vgl. dazu Müller/Haun 1994.
Hopf, der auf dieses Problem — ebenfalls am Beispiel der empirischen Bildungsforschungdetailliert eingeht, schreibt dazu: „In der Debatte üüber quantitative und qualitative Methoden in den Sozialwissenschaften ist das Zerrbild einer exakten, nomothetisch orientierten quantitativen Sozialforschung aufgebaut worden, die der Vagheit und Interpretierbarkeit vieler ihrer Befunde nicht entspricht“ (1994, 259).
Bei diesem Maß werden die Einkommen bzw. hier die Bildungsbeteiligungen der verschiedenen Bevölkerungsgruppen zu verschiedenen Zeitpunkten in einer Kurve aufgetragen (geordnet vom obersten zum untersten Einkommens- bzw. Bildungsbeteiligungsquintil) und in Beziehung gesetzt zur Gleichverteilungsdiagonale, die als Gerade durch den Mittelpunkt des Koordinatensystems verläuft. Die Flächen zwischen der Gleichverteilungsdiagonale und der Lorenzkurve zu verschiedenen Zeitpunkten machen die Veränderungen in der Bildungsungleichheit grafisch anschaulich.
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Krais, B. (1996). Bildungsexpansion und soziale Ungleichheit in der Bundesrepublik Deutschland. In: Bolder, A., et al. Die Wiederentdeckung der Ungleichheit. Jahrbuch Bildung und Arbeit, vol 1996. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-95964-5_8
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