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2001 | Buch

Prozesse der Thematisierung in publizistischen Konflikten

Ereignismanagement, Medienresonanz und Mobilisierung der Öffentlichkeit am Beispiel von Castor und Brent Spar

verfasst von: Harald Berens

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

Buchreihe : Studien zur Kommunikationswissenschaft

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Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Einleitung
Zusammenfassung
Durch geschicktes Ereignismanagement, Öffentlichkeitsarbeit und spektakuläre Aktionen gelingt es Initiativgruppen, Bürgerinitiativen und außerparlamentarischen Gruppen immer wieder, erhebliche Medienresonanz zu erzielen. Sie mobilisieren die Öffendichkeit und nehmen damit zum Teil weitreichenden Einfluß auf politische oder unternehmerische Entscheidungen. Beispiele aus der deutschen Nachkriegsgeschichte sind die Anti-AKW-Bewegung (Rucht 1994b), die Friedensbewegung (Schmitt 1990), die Volkszählungsdebatte (n) (Pfetsch 1986, Hagen 1992), die Aktionen gegen die geplante Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf (Kliment 1994) oder der lange Zeit andauernde Streit um den §218 (Gerhards/Neidhardt/Rucht 1998). Mitte der neunziger Jahre machten vor allem zwei Themen in der Medienberichterstattung auf sich aufmerksam. Zum einen die zwischen 1995 und 1997 jährlich durchgeführten und von heftigen Protesten begleiteten Castor-Transporte ins atomare Zwischenlager Gorleben (Schulz/Berens/Zeh 1998b, Kölmel 1999).1 Zum anderen die Ereignisse um die geplante Versenkung der Öllade- und Verladestation Brent Spar durch die britische Shell AG (Vorfelder 1995, Mantow 1995, Scherler 1996, Hecker 1997, Berens/Hagen 1997). In einem jeweils rund zweiwöchigen Untersuchungszeitraum war sowohl der dritte Castor-Transport nach Gorleben im Februar/März 1997 als auch die geplante Versenkung der Ölplattform Brent Spar im Mai/Juni 1995 eines der auffälligsten und meistbeachteten Themen in den Abendnachrichten von ARD, ZDF, RTL, SAT1 und Pro7, wie Abbildung 1.1. verdeutlicht.2
Harald Berens
2. Die Konflikte um Castor und Brent Spar
Zusammenfassung
Zunächst sollen die Auseinandersetzungen um Castor16 und Brent Spar wie der öffentliche Thematisierungsprozeß beider Konflikte grob nachgezeichnet werden. Damit soll dem Leser zum einen ein Bild vom Hintergrund des publizistischen Geschehens und der dort veröffentlichten Aussagen gegeben werden. Zum anderen sollen die Auseinandersetzungen, die bereits mehrere Jahre zurückliegen, dem Leser ins Gedächtnis zurückgerufen werden. Ausführlicher werden die Konflikte im vierten und fünften Kapitel dieser Arbeit dargestellt.
Harald Berens
3. Medienresonanz als Mittel politischer Einflußnahme
Zusammenfassung
Wir machen das Interesse der Anti-Castor-Bewegung und das von Greenpeace an der öffendichen Beachtung des Konfliktgegenstandes zum Ausgangspunkt unserer Überlegungen. Für beide Initiativgruppen31 stellt der Transport radioaktiver Abfallprodukte und die Versenkung der ausgedienten Öllagerstation eine vermeidbare Gefährdung für Mensch und Umwelt dar. Die von Politik und Industrie präsentierten Lösungen weisen aus der Sicht von Greenpeace und der Anti-Castor-Bewegung erhebliche Mängel auf, da sie in erster Linie die primär wirtschaftlichen oder partikularen Interessen der Unternehmen berücksichtigen, die der Allgemeinheit aber vernachlässigen. Auf diesen Umstand muß die uninformierte Öffentlichkeit aufmerksam gemacht werden. Anders ist die Situation aus der Perspektive von Shell, der Bundesregierung und der Energieversorger. Aus ihrer Sicht sind optimale Lösungen technischer Probleme von Experten und Wissenschaf dem in langwierigen, meist nicht-öffentlichen Verfahren ausgearbeitet worden. Die Lösung selbst steht nach ihrer öffendichen Bekanntgabe meist nicht mehr grundsätzlich zur Debatte, auch wenn in Detailfragen Klärungsbedarf bestehen kann. Shell, die Bundesregierung und die Energieversorger sind zunächst nur insofern an Medienresonanz interessiert, als sie ihrer Verantwortung bzw. Pflicht nachkommen, die Öffentlichkeit zu informieren. Die Information dient in erster Linie der Legitimierung der Entscheidung und soll Zustimmung bzw. Akzeptanz in der Öffentlichkeit sichern und mögliche Bedenken ausräumen.
Harald Berens
4. Der Konflikt um Castor in den Medien
Zusammenfassung
Im Begriff Castor verdichten sich symbolhaft die wesentlichen Facetten der Kernenergie und der Risiken60, die mit ihr verknüpft werden: die Risiken, die durch Radioaktivität (1) beim Betrieb eines Kernkraftwerkes, (2) bei der Wiederaufarbeitung, (3) beim Transport und (4) bei der Entsorgung der schwach bis hochaktiven Abfallprodukte entstehen. Ein wesentlicher Bestandteil der Atomwirtschaft ist der sogenannte „geschlossene Brennstoffkreislauf“. Das aus Bergwerken geförderte Uran wird zunächst angereichert und zu Brennelementen verarbeitet. Sind diese abgebrannt, transportiert man sie in Sicherheitsbehältern zur Wiederaufarbeitung und zurück zum erneuten Einsatz im Kernkraftwerk. Am Ende des Lebenszyklus eines Brennstabes und seiner schwach bis hochaktiven Abfallprodukte steht die Zwischen- und Endlagerung in geologischen Formationen hohen Alters und großer Tiefe. Der Kreis schließt sich (Gömmel 1997: 99, IK 1997: 30). Castor ist ein Sicherheitsbehälter, der speziell für den Transport und die Zwischenlagerung von abgebrannten Brennelementen aus Kernkraftwerken konstruiert wurde61 und hohen Sicherheitsanforderungen unterliegt.62 Der Name steht für „cask for storage and transport of radio-active material“ und ist ein international geschützter Markenname.63
Harald Berens
5. Der Konflikt um Brent Spar in den Medien
Zusammenfassung
Ähnlich lange wie der Konflikt um die Kernenergie in Deutschland schwelt, wird Rohöl in der Nordsee gefördert. Doch erst 20 Jahre später sollte dieses Thema in Deutschland Gegenstand einer öffentlichen Kontroverse werden. Shell U.K. beabsichtigte, die ausgediente Öllade- und Verladestation Brent Spar im Nordostadantik zu versenken. Die Ölkrisen zu Beginn der siebziger Jahre machten die kostenintensive Rohölförderung in der Nordsee rentabel. Lag im Jahr 1973 der Preis am Spotmarkt für die Öl-Sorte „Arabian Light“ noch bei $ US-Dollar 2,83 je Barrel79, so hatte er sich bereits ein Jahr später, mit $ US-Dollar 10,41 je Barrel, mehr als verdreifacht. Zum Vergleich: Für ein Barrel der Nordseeöl-Sorte „Brent“ mußte 1995 am Spotmarkt $ US-Dollar 17,02 gezahlt werden.80
Harald Berens
6. Ereignismanagement, Medienresonanz und Konfliktdynamik
Zusammenfassung
Medien nehmen in öffentlichen Auseinandersetzungen eine Schlüsselrolle ein. Sie entscheiden nach medienspezifischen Kriterien, wer sich mit welchen Argumenten an der öffendichen Diskussion beteiligen kann und wirken auch auf diese Weise an der öffentlichen Meinungsbildung mit. Journalisten berichten aber nicht nur neutral über das politische Geschehen, sie nehmen in Kommentaren Stellung und bewerten das (politische) Handeln der Konfliktbeteiligten. Dabei kann die Berichterstattung über den Ausgang eines Konfliktes mitentscheiden (vgl. Kap. 3.2.). Deshalb konkurrieren Konfliktgegner um die Meinungsführerschaft in der Medienberichterstattung. Die erwartete Medienresonanz ist neben anderen Handlungsfolgen einer gewählten oder noch zu wählenden Handlungsalternative eine Handlungskonsequenz, die den Konfliktbeteiligten bei positiver Tendenz Nutzen bringen und bei negativer Kosten verursachen kann.
Harald Berens
7. Die Binnenstruktur des Thematisierungsprozesses
Zusammenfassung
Im folgenden sollen die bisher erarbeiteten Ergebnisse zur Resonanz und Dynamik der Konflikte in ein Modell zusammengeführt werden. Im Mittelpunkt unseres Interesses steht nun auf der strukturellen Ebene des Thematisierungsprozesses die Binnenstruktur der Konflikte. Wir untersuchen also zum einen die Interaktionen, Wechselwirkungen und Rückkopplungsschleifen zwischen der Berichterstattung und dem Handeln der Konfliktbeteiligten, zum anderen die wechselseitigen Bezüge innerhalb des Mediensystems. Ziel der Analyse ist es folglich, die interne Dynamik und Kausalstruktur des jeweiligen Konflikts herauszuarbeiten.
Harald Berens
8. Rückblick und Ausblick
Zusammenfassung
In beiden Fällen zeigt sich ein starker Einfluß der Initiativgruppen auf die Medienberichterstattung, die Thematisierung und den öffentlichen Diskurs. Der Umweltschutzorganisation Greenpeace gelang es insbesondere, andere gesellschaftlichen Gruppen für ihre Ziele zu gewinnen und zu mobilisieren. Der Anti-Castor-Bewegung gelang es vor allem, die Politik durch die öffentliche Beachtung ihrer Protestaktionen zu Reaktionen zu zwingen. Der Erfolg der Initiativgruppen gründet sich sicherlich auf dem strategischen Kalkül, den mediengerecht inszenierten Protestaktionen und der Sensibilität des Mediensystems für dramatische Ereignisse. Erst die Medienberichterstattung bot den Protestereignissen einen entsprechenden Resonanzboden, auf dem sich die ausführlich beschriebenen Prozesse entwickeln konnten.
Harald Berens
Backmatter
Metadaten
Titel
Prozesse der Thematisierung in publizistischen Konflikten
verfasst von
Harald Berens
Copyright-Jahr
2001
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-322-97098-5
Print ISBN
978-3-531-13630-1
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-322-97098-5