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Zusammenfassung

Die Darstellung der räumlichen Dimension einer Gesellschaft, die eines poli­tisch bestimmten Territoriums, ist nicht allein die Domäne eines geographi­schen Zugriffs, sondern wegen der leichten allgemeinen Eingänglichkeit, wie auch der leichten Artikulierbarkeit aufgrund administrativer und politischer Grenzziehungen oder Zuständigkeiten, stets ein beliebter Gegenstand von politischen Zielsetzungen und der sie begleitenden symbolischen Darstellung insbesondere in der entsprechenden Rhetorik. Unabhängig von diesen fast alltäglichen Auseinandersetzungen steht fest: Die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in allen Teilräumen der Bundesrepublik Deutschland hat in ihr eine Art verfassungsmäßigen Rang. Allgemeine Zielvorstellungen oder Folgerungen aus den wirklich sich vollziehenden räumlichen Entwicklungen, ableitbar aus räumlich wahrnehmbaren Unterschieden, haben die Diskussion um räumliche Entwicklungen immer wieder akzentuiert — so die Diskussion um das Nord-Süd-Gefälle der alten Bundesrepublik oder der Abbau der Stadt-Land-Unterschiede in der DDR. Die Wahrnehmung und die Darstel­lung solcher räumlichen Unterschiede hat stets auch die Frage eingeschlos­sen, ob diese durch gezielte räumliche Politiken ausgeglichen, verändert oder gar beseitigt werden können. Dem steht allzu oft die Tatsache entgegen, daß viele politische Strategien und Maßnahmen ohne räumliche Implikationen angedacht und umgesetzt werden, obwohl sie letztlich immense räumliche Folgen haben, Veränderungen hervorrufen, die dann wiederum ausgeglichen werden müssen — häufig als unerwartete Folgen ganz anders intendierter Handlungen. Andererseits gibt es viele Konstellationen, die zu belegen scheinen, daß trotz aller politisch gewollten Gestaltung bestimmte räumliche Konfigurationen, nicht nur physische Phänomene, sondern vor allem auch soziale Kontinuitäten (Stichwort: Regionale Identität)2 sich als äußerst resi­stent allen gewollten Veränderungen gegenüber zeigen oder nach einem nur kurzfristigen und augenscheinlichen Erfolg schnell wieder alte Ausgangsla­gen erkennen lassen. Weiterhin gibt es bei den Gestaltern oder Theoretikern räumlicher Politiken eine seit langem anhaltende Divergenz zwischen denen, die im Extremfall Strategien der Konzentration verfolgen mit der Absicht, durch solche Lokomotivfunktionen auch andere Räume mitziehen zu kön­nen, während die anderen von vornherein die gleichmäßige Entwicklung der Räume in der Perspektive haben3 . Dieser Antagonismus zwischen großräu­miger Arbeitsteilung einerseits und ausgeglichenen Funktionsräumen ande­rerseits ist aber oft nur ein konzeptioneller Antagonismus, denn die Vielfalt der unterschiedlichen Politikansätze produziert in ihren Gesamtauswirkungen in aller Regel ein Methoden- und Politikmix von Strategien des Ausgleichs und der Entwicklung, d.h. einseitige Maximierungen des einen Ansatzes ge­genüber dem anderen hat es trotz allen konzeptionellen Diskussionen nie ge­geben. Die fortgeschrittenen Konzeptionen für die räumliche Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland gehen deshalb auch von einem Nebenein­ander dieser beiden unterschiedlichen Ansätze aus (BMBau, Raumordnungs­politischer Orientierungsrahmen 1993).

Dieses Kapitel fußt auf Expertisen, die für dieses Kapitel im Rahmen der Kommission für die Erforschung des sozialen und politischen Wandels in den neuen Bundes­ländern verfaßt worden sind. Auf sie wird jeweils hingewiesen. Danken möchte ich aber noch ganz besonders für mündliche Kommentare von Siegfried Grundmann, Gerold Kind und Steffen Maretzke. In vielen anderen Diskussionskreisen sind auch zu den von mir vorgetragenen Gedanken kritische Anmerkungen gemacht worden. Dafür bin ich allen sehr dankbar. Ich hoffe, daß auch nach Erscheinen dieses Beitra­ges sich eine kritische und anregende Diskussion anschließt. Die ganze Arbeit an dem Projekt KSPW wäre nicht möglich gewesen ohne die Kooperation mit Annette Becker und Uta Schäfer. Antonia Blach und Friedhelm Bertelsmeier danke ich für die Erstellung von Karten, die diesen Beitrag illustrieren. Ohne die Geduld von Alexandra Arfaoui, Gabriele Bockshecker und Rosmarie Sobania wäre aber kein Manuskript zustande gekommen. Ihnen allen gilt mein Dank. Die Verantwortung für den Text liegt selbstverständlich weiterhin bei mir.

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Literatur

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  7. So eine Darstellung des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln von 1990 mit dem

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  8. Titel: DDR-Wirtschaft: Über 20 Jahre zurück. Die Wirtschaftsstruktur der DDR entspricht fast genau der Wirtschaftsstruktur der Bundesrepublik von 1965 (siehe Abbildung).

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  9. Es galt das Prinzip des demokratischen Zentralismus mit der realen Dominanz von „Berlin“, d.h. insbesondere der zentralen Parteinstanzen, das intern aber von einem heftigen Tauziehen der Bezirke untereinander und der Bezirke gegenüber Berlin geprägt gewesen ist. Die sog. „Komplexberatungen” des Ministerpräsidenten hatten die Aufgabe einen Konsens zu finden, wobei territoriale Interessen auch insgesamt neben vielen anderen standen, also keine eigenständigen Ausgleichsstrukturen oder Korrekturfunktionen aufwiesen — und zwar auf allen Ebenen. Mündliche Hinweise von Siegfried Grundmann, Gerold Kind und Steffen Maretzke.

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  10. Ostwald argumentiert in diesem Zusammenhang, daß es ein „Nord-Süd-Gefälle bei der Bevölkerungsdichte, der Städtedichte, der Industriedichte und den Infrastruktur-netzen“ gegeben habe, nicht jedoch bei den Lebensbedingungen. Dieser Behauptung wird von Grundmann entgegengehalten, daß die Fakten der Migration gegen diese These sprechen, zumal wenn man Lebensbedingungen weiter faßt. Gleichwohl besteht bei beiden Konsens, daß der Sockel an Gleichheit hoch war (mündliche Mitteilung von Siegfried Grundmann). Vermutlich waren die Wahrnehmungen von Unterschieden feiner entwickelt.

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  11. Es würde zu weit führen, die gemeinsamen Fundamente dieses Prinzips in den unterschiedlichen Facetten der Ideen-und Politikgestaltungsgeschichte zu verfolgen, aber Prinzipien einer gerechten sozialen Odnung auch in räumlicher Dimension sind wohl ein gemeinsames westliches Erbe.

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  12. Diese Kenntnisnahme der westlichen Literatur galt aber nur für den engeren Bereich der Wissenschaft, nicht für die praktizierenden Planer. Und selbst in der Wissenschaft hütete man sich, diese Quellen zu zitieren, um nicht Opfer eines Vorwurfs von „bürgerlicher Ideologie“ zu werden.

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  13. Vgl. als späte Ausnahme die DDR-konforme Selbstdarstellung von Bräuniger, J. 1989: Territorialplanung in der DDR: In: Raumforschung und Raumordnung, 47 (4), S. 191ff.

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  14. Anzumerken ist, daß diese Kontinuitäten erst spät überhaupt untersucht worden sind. (Vgl. als relativ späte Ausnahme Rössler, M. 1990: „Wissenschaft und Lebensraum“. Geographische Ostforschung im Nationalsozialismus. Berlin: Reimer) Sie waren lange Zeit ein bekanntes, aber selten oder nie angesprochenes Tabu. Dies steht im scharfen Kontrast zur Behandlung der in der früheren DDR als „prominent” bekannten Wissenschaftler im Bereich des räumlichen Niederschlags gesellschaftlicher Entwicklungen. Sie sind bis auf ganz wenige Ausnahmen, von den jüngeren Fachvertretern einmal abgesehen, nicht mehr in der öffentlich finanzierten und angesiedelten Wissenschaft tätig. Besonders typisch und tragisch ist dabei das Schicksal von Bernd Grönwald, der sich das Leben nahm, zumal er am Ende der DDR ein vehementer Betreiber und Förderer der internen kritischen Diskussionen war (vgl. Bauakademie 1989 ).

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  15. Dieser Begriff des Anwalts, der Anwaltfunktion fand in der westdeutschen Planungsliteratur auch Eingang, aber im Bereich der Stadtplanung — übernommen aus den USA als ein Versuch, innerhalb der Planungs-und Entscheidungsprozesse auch solchen Personen und betroffenen Gruppierungen eine Vertretung zu sichern, die

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  16. Es handelt sich um folgende Generalschemata: Forschungsbericht „Zur Standortverteilung der Produktivkräfte in der DDR.

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  17. Dies steht nicht im Widerspruch zu der Aussage von Ostwald, wonach die Lebensumstände in der DDR ausgeglichen waren, denn die allgemeine Ausgeglichenheit auf einem relativ hohen Niveau, verglichen insbesondere mit anderen Ländern des früheren Ostblocks, ließ auch kleinere Versorgungsunterschiede, geringe Varianten eines Luxus als wichtig erscheinen, weil sie mehr genutzt wurden und Gestaltungsspielraum boten.

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  18. Das Problem kann hier nicht vertieft diskutiert werden, aber im Hinblick auf die notwendigen Voraussetzungen für Regionalentwicklung wird immer auf eine ausreichende Humankapitalbasis hingewiesen, die es gelte zu erhalten oder zu schaffen. Es muß also ganz nüchtern konstatiert werden, daß hier Potentiale nicht mehr genützt werden, die aber auf die eine oder andere Art durch die Gesellschaft alimentiert werden müssen. Dank für mündliche Hinweise an Gerold Kind.

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Strubelt, W. (1996). Regionale Disparitäten zwischen Wandel und Persistenz. In: Städte und Regionen — Räumliche Folgen des Transformationsprozesses. Berichte der Kommission für die Erforschung des sozialen und politischen Wandels in den neuen Bundesländern e.V. (KSPW), vol 5. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-99576-6_1

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-99576-6_1

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-322-99577-3

  • Online ISBN: 978-3-322-99576-6

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