2007 | OriginalPaper | Buchkapitel
Deutsche Identität und Außenpolitik
verfasst von : Thomas Risse
Erschienen in: Handbuch zur deutschen Außenpolitik
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
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Was hat nationale Identität mit der deutschen Außenpolitik zu tun? Der traditionellen Au- ßenpolitikanalyse sind Bezüge zu kulturellen Sinnkonstruktionen, wie sie Identitätsvorstellun- gen darstellen, fremd. Die deutsche Außenpolitik ließe sich danach im Großen und Ganzen aus den deutschen „nationalen“ Interessen ableiten, wobei diese Interessen entweder aus den Gegebenheiten der internationalen Handlungsumwelt abgeleitet werden (realistischer Ansatz, siehe Baumann u.a. 2001) oder aus den Anforderungen und Koalitionsbildungsprozessen im gesellschaftlichen Umfeld (liberale Theorie, vgl. Freund und Rittberger 2001). In beiden Fällen sind diese Interessen und Präferenzen mehr oder weniger objektiv vorgegeben, sie werden kaum problematisiert. Was im deutschen außenpolitischen Interesse ist, bestimmt sich nach
realistischer
Sicht aus den machtpolitischen Realitäten im internationalen System. Verändern sich diese, wie etwa nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes, dann wandeln sich auch die deutschen Interessen. Nach dieser Analyse hätte man nach dem Ende des Kalten Krieges und der Wiedervereinigung (mit dem entsprechenden Machtgewinn) einen grundsätzlichen Wandel der deutschen Außenpolitik prognostiziert. Dazu kam es nicht. Nach wie vor überwiegt in fast allen Sachbereichen die Kontinuität der (west-) deutschen Außenpolitik vor den Veränderungen. Dies bestätigen die meisten Analysen der deutschen Außenpolitik nach der Wiedervereinigung (u.a. Haftendorn 2001; Hacke 1997; Rittberger 2001;
Harnisch und Maull 2001
;
Katzenstein 1997
; vgl. aber jetzt Hellmann 2002). Selbst die deutschen Militäreinsätze außerhalb des NATO-Gebiets im ehemaligen Jugoslawien und in den Krisengebieten des Vorderen Orient im Rahmen der Bekämpfung des internationalen Terrorismus bedeuten keinen Bruch mit der Außenpolitik einer Zivilmacht, wie Hanns Maull überzeugend argumentiert hat (vgl.
Maull 2001
) (→ Deutchland als Zivilmacht). Sogar der deutsch-amerikanische Konflikt über den Irak-Krieg, den viele als Bruch mit der Außenpolitik der „alten“ Bundesrepublik interpretiert haben, kann im Rahmen des Zivilmacht-Konzeptes gedeutet werden.