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2007 | Buch

Handbuch Governance

Theoretische Grundlagen und empirische Anwendungsfelder

herausgegeben von: Arthur Benz, Susanne Lütz, Uwe Schimank, Georg Simonis

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Einleitung

De. Einleitung

Sozialwissenschaftliche Konzepte weisen immer ein doppeltes Verhältnis zur Realität auf: Sie stehen für eine bestimmte Sicht, mit der Forscherinnen und Forscher die Wirklichkeit interpretieren, verstehen oder erklären, und sie sind gleichzeitig Teil der Wirklichkeit, die sie durch ihre Effekte auf das Handeln von Menschen, Gruppen oder Organisationen beeinflussen. Wenn ein Begriff neu geprägt wird oder wenn ein alter Begriff, gegebenenfalls modifiziert, plötzlich in aller Munde ist, dann muss man ihn zwar nicht als angemessene Sicht auf die Wirklichkeit annehmen, in seinem zweiten Realitätsbezug ist er aber allemal relevant. Denn selbst wenn sich hinter ihm kein neues wissenschaftliches Paradigma verbirgt, verweist er auf veränderte Wahrnehmungen von in der Praxis handelnden Akteuren.

Arthur Benz, Susanne Lütz, Uwe Schimank, Georg Simonis

Governancemechanismen und -formen: Strukturen und Dynamiken

Frontmatter
1.1. Elementare Mechanismen

Governance ist eine analytische Perspektive, die ihren Gegenstand mit anderen etablierten sozialwissenschaftlichen Theorien teilt (→ Einleitung). Ihr Gegenstand sind Muster der Interdependenzbewältigung zwischen Akteuren. Mit diesen Mustern haben sich die Wirtschafts-und die Politikwissenschaft ebenso wie die Soziologie seit langem beschäftigt. Oft spricht man dabei von Theorien und Modellen sozialer Ordnung, wie etwa der spezifischen Ordnung des Marktes oder der Gemeinschaft. Die Governance-Perspektive setzt die reale Existenz und analytische Durchdringung solcher Ordnungsmuster voraus und kommt dann ins Spiel, wenn gesellschaftliche Akteure und deren sozialwissenschaftliche Beobachter sich für eine intentionale Gestaltung der Muster interessieren, sich also fragen: Welche Gestaltungserfordernisse können zum Beispiel aus einer Marktordnung, etwa in Form von „Marktversagen“, erwachsen, und welche Gestaltungsmöglichkeiten existieren gegenüber und im Rahmen dieser Ordnung? Dabei schließt intentionale Gestaltung das bewusste Unterlassen eines gestaltenden Eingriffs in die jeweilige soziale Ordnung ein.

Uwe Schimank
1.2. Hierarchie

Das Stichwort Hierarchie in einem Wörterbuch über Governance anzutreffen mag auf den ersten Blick verwundern, da der Governance-Diskurs in eine andere Richtung deutet. Hierarchie wird hier regelmäßig nur als eine von mehreren und dann kaum einmal als dominante Form von Handlungskoordination konzipiert. Auch die allgemeine sozialwissenschaftliche Beschäftigung mit dem Thema ist durch das Bestreben gekennzeichnet, den Geltungsanspruch von Hierarchie normativ wie auch empirisch zu relativieren oder in die Schranken zu verweisen. Es dominiert ein „Diskurs des Hierarchieverzichts“ (

Baecker 1999

: 218). All dies könnte die Vermutung begründen, dass es sich um ein Phänomen handelt, das eher von historischem als von aktuellem Interesse ist. Doch dieser Eindruck trügt. Hierarchische Organisations- und Verfahrensabläufe sind weder aus gesellschaftlichen noch aus ökonomischen und auch nicht aus politischen Regelungszusammenhängen verschwunden, sondern gelangen - wenn auch in modifizierter Form - nach wie vor zur Anwendung.

Marian Döhler
1.3. Politischer Wettbewerb

Ein Wettbewerb ist eine soziale Interaktion zwischen Akteuren, die ein Gut oder ein Ziel anstreben, das nicht alle zugleich oder in gleichem Maße erreichen können. Das Gut bzw. Ziel kann in einer körperlichen, geistigen oder künstlerischen Leistung liegen, wie etwa im Sportwettkampf, in der Konkurrenz zwischen Wissenschaftlern oder in Musik- oder Literaturwettbewerben; im Marktwettbewerb geht es um knappe materielle Güter oder Dienstleistungen. Schließlich kann sich Wettbewerb auch auf den Erwerb von Macht oder Ämtern, auf soziale Anerkennung oder die Qualität von Leistungen richten.

Arthur Benz
1.4. Markt

Märkte sind Einrichtungen, die Käufer und Verkäufer zum Zweck des freiwilligen Tausches beliebiger Güter zusammenführen. Als Typus institutioneller Koordination (Governance) handelt es sich um eine Transaktionsform, die im Unterschied zum Zwang der Hierarchie (→ Hierarchie) und zur Solidarität in Clans, Netzwerken und Verbänden (→ Netzwerke) die folgenden idealtypischen Eigenschaften aufweist:

freien Zugang (fehlende beziehungsweise geringe Ein- und Austrittsbarrieren),

soziale Symmetrie („ebenes Spielfeld“ für alle Marktteilnehmer),

allein auf das Tauschobjekt gerichtetes individuelles Nutzenkalkül (Anonymität und Warencharakter).

Roland Czada
1.5. Gemeinschaft

Die Position der Gemeinschaft in den Diskussionen über soziale Ordnung ist gesichert, aber auch marginal (→ Elementare Mechanismen). Ihre Präsenz in allen Typologien sozialer Ordnung belegt, dass eine erschöpfende Behandlung sozialer Ordnung ohne Einbeziehung der Gemeinschaft nicht möglich ist. Andererseits erfährt die Gemeinschaft aber in solchen Typologien die geringste Aufmerksamkeit und wird als Modell sozialer Ordnung stets weniger scharf gezeichnet als ihre „Geschwister“ Markt, Netzwerk und Organisation. Auch ist dieser Typ der einzige, der sich keines konsistenten sozialwissenschaftlichen Unterbaus erfreuen kann. Eine Soziologie der Gemeinschaft ist bestenfalls im Entstehen begriffen.

Jochen Gläser
1.6. Netzwerke

Allgemein kann unter Governance die Koordination von interdependenten Handlungen verstanden werden. In der Transaktionskostenökonomik wurden idealtypische Koordinationsformen identifiziert (

vgl. Williamson 1991

). Netzwerke stellen in diesem Zusammenhang eine Governance-Form dar, die bei einer bestimmten Ausprägung von Kontextfaktoren Vorteile gegenüber den übrigen Formen - Märkten und Hierarchien - aufweist. Auch in der Politikwissenschaft werden Netzwerke oft als Idealtyp diskutiert. Policy-Netzwerke werden als Governance-Form beschrieben, die bestimmte Eigenschaften aufweist. So betrachtet (

1992

) Policy-Netzwerke als veränderte politische Entscheidungsstrukturen, die mit einer zunehmenden Bedeutung von Organisationen sowie der Fragmentierung von Macht einhergehen. Relevant sind sowohl öffentliche als auch private Akteure, die klaren Grenzen zwischen Staat und Gesellschaft verwischen sich. Der vorherrschende Governance-Mechanismus ist die Verhandlung. Dieses und weitere abstrakte Konzepte von Policy-Netzwerken sind jedoch schwer operationalisierbar. Die weitreichenden Implikationen werden in der Regel weder empirisch überprüft noch theoretisch konsistent hergeleitet. So trifft beispielsweise die Annahme, dass Policy-Netzwerke notwendig mit einem „schwachen Staat“ einhergehen, so nicht zu (

vgl. Jansen 1995

: 141; Henning/Wald 2000).

Andreas Wald, Dorothea Jansen
1.7. Verhandlungen

Unter Verhandlung wird hier ein Modus von sozialer Interaktion zwischen gleichberechtigten Akteuren verstanden, die im Wege des direkten Austausches von Forderungen, Angeboten und Argumenten eine gemeinsame Entscheidung anstreben. Diese Form der Handlungskoordinierung hat in vielen Bereichen von Gesellschaft, Wirtschaft und Politik eine zentrale Bedeutung. Zum Teil wird Governance mit der Tatsache in Verbindung gebracht, dass Staaten, Regierungen und Verwaltungen Entscheidungen, für die sie formal selbständig zuständig sind, mit Akteuren aus anderen Staaten oder Gebietskörperschaften oder mit Vertretern gesellschaftlicher Gruppen bzw. Organisationen aushandeln oder dass private Akteure kollektive Probleme „am Staat vorbei“ in Verhandlungen regeln. Ein solches Verständnis von Governance ist jedoch zu eng, da es andere Koordinationsmechanismen ausschlösse. Richtig ist, dass Verhandlung eine grundlegende Form kollektiven Handelns darstellt, die oft in hierarchischen Organisationen oder in Netzwerken praktiziert wird, die im Markt vorkommt, wenn Akteure komplexere Tauschverträge schließen, und die auch in anderen Wettbewerbsverfahren zur Festlegung von Regeln, Maßstäben des Vergleichs oder Entscheidungen über Bewertungskonflikte erforderlich wird.

Arthur Benz
1.8. Pfadabhängigkeit

Das Konzept der Pfadabhängigkeit hat sich zu einem sehr häufig verwendeten, in den letzten Jahren aber auch zunehmend kritisierten Erklärungsansatz in der wirtschaftshistorischen und sozialwissenschaftlichen Forschung entwickelt. Pfadabhängigkeit bezeichnet einen vergangenheitsdeterminierten Prozess relativ kontinuierlicher bzw. inkrementeller Entwicklungen. Die jeweils erreichten Zustände können kollektiv ineffizient oder suboptimal sein, ohne dass der Prozess deshalb notwendigerweise zum Erliegen kommt oder radikal geändert wird.

Raymund Werle
1.9. Policy-Transfer und Policy-Diffusion

Der vorliegende Beitrag vermittelt einen Überblick über Mechanismen, Bedingungsfaktoren und Ergebnisse dynamischer Prozesse der Entwicklung und Verbreitung von Politik. Zwischen dem Governance-Konzept und Fragestellungen der Policy-Diffusion und des Policy-Transfers bestehen drei wesentliche Gemeinsamkeiten: Beide Diskussionsstränge befassen sich mit Strukturen der Interdependenzbewältigung zwischen individuellen, korporativen, kollektiven Akteuren, Interorganisationszusammenhängen oder politischen Systemen (→ Elementare Mechanismen). In beiden Diskussionen liegt der analytische Blickwinkel darauf, Muster und Probleme des Zusammenwirkens hierarchischer und nichthierarchischer Koordinationsmechanismen zu identifizieren, welche zur Bewältigung von Interdependenz beitragen. Drittens schließlich handelt es sich um analytische Perspektiven, die an der Schnittstelle unterschiedlicher Disziplinen (etwa Politikwissenschaft, Soziologie oder Kommunikationswissenschaft) liegen und die zudem mit unterschiedlichen Theorieansätzen (beispielsweise Theorien rationalen Handelns, Institutionalismus, Konstruktivismus) verknüpft werden können.

Susanne Lütz
1.10. Transformation

Der Begriff Governance bezieht sich auf die Steuerung und Koordination von verbindlichen Entscheidungen und Regelsetzungen und schließt somit politische Funktionen und/oder politische Akteure ein (

Benz 2004

: 25). Die Untersuchung von Governance der Transformation ist im Kontext der Transformationsforschung angesiedelt und bezieht sich als Transition im engeren Sinn auf den Prozess des Regimewechsels von autoritären zu demokratischen Regimetypen (

Merkel 1999

). Konkreter werden damit die Phasen der Liberalisierung des autokratischen Systems, der Institutionalisierung und der Konsolidierung der Demokratie verstanden. In einem weiten Verständnis werden in den Transformationsprozess auch die wirtschaftlichen Strukturen einbezogen. Dabei geht es maßgeblich um die Umstellung von planwirtschaftlichen oder staatszentrierten Wirtschaftssystemen auf marktwirtschaftliche Systeme. Wenn der Begriff Transformation schließlich in einem umfassenden Verständnis gebraucht wird, schließt er auch die Umgestaltung der gesellschaftlichen und kulturellen Sphäre mit ein. In diesem Beitrag wird der Schwerpunkt auf die politischen Transformationsprozesse gelegt. Die Analyse der politischen Transformation wird unter zwei Perspektiven betrachtet.

Hans-Joachim Lauth

Theorie- und Analyseperspektiven

Frontmatter
2.1. Neoinstitutionalismus

Kaum eine sozialwissenschaftliche Betrachtung sozialer Wirklichkeit - ob in der Soziologie, der Politik-, der Geschichts- oder der Wirtschaftswissenschaft - übergeht Institutionen völlig oder lässt sie auch nur weitgehend unbeachtet links liegen. In der Wirtschaftswissenschaft blendet die vorherrschende Neoklassik zwar institutionelle Regelungen in ihren Modellierungen aus, setzt aber zum Beispiel Eigentumsrechte oder das Vertragsrecht voraus. In der Soziologie dekonstruieren manche mikrosoziologischen Perspektiven wie die Ethnomethodologie das Konzept der Institution, und auch aus systemtheoretischer Makroperspektive wird der Institutionenbegriff als analytisch überholt eingestuft. Doch das sind Minderheitspositionen. Insbesondere in den letzten zwanzig Jahren ist vielmehr ein Neoinstitutionalismus in allen vier genannten Disziplinen aufgekommen (

Hall/Taylor 1996

;

Peters 1999

).

Uwe Schimank
2.2. Kybernetik und Systemtheorie

Kybernetik und Systemtheorie haben ihre Ursprünge in den Naturwissenschaften und waren insbesondere in den sozialwissenschaftlichen Debatten um politische Planung und Steuerung Quellen der Inspiration und der Kritik politischen Gestaltungshandelns. Umgekehrt sind beide Ansätze selbst zu Objekten von stürmischer Umarmung und Instrumentalisierung oder harscher Zurückweisung geworden, je nachdem, wie optimistisch oder skeptisch sie sich zum jeweiligen Mainstream des politischen und sozialwissenschaftlichen Gestaltungsdenkens verhielten. Ob sie für den heutigen Governance-Diskurs und entsprechende empirische Analysen noch von Aktualität sind oder als „gesunkenes Kulturgut“ eher in das Spektrum der Ideengeschichte gehören, ist zumindest für die neuere Systemtheorie - die vor allem mit dem Namen Niklas Luhmann verknüpft ist - durchaus strittig. Die klassische politische Kybernetik lässt sich wohl in jedem Fall als „historisch“ etikettieren; dennoch bietet auch sie für die heutige Praxis zahlreiche Anregungen und kann darüber hinaus als Anschauungsobjekt dafür dienen, welche Visionen von Gestaltungshandeln heute sowohl aus Komplexitäts- wie auch aus finanziellen Gründen nicht mehr infrage kommen.

Stefan Lange
2.3. Netzwerktheorien

Unter sozialen Netzwerken verstehen wir ein Geflecht von sozialen Beziehungen, in das Individuen, kollektive oder korporative Akteure eingebettet sind. Netzwerke lassen sich als eine abgrenzbare Menge von Elementen oder Knoten beschreiben, für die eine oder mehrere soziale Beziehungen untersucht werden. Diese Beziehungsnetzwerke können symmetrisch oder asymmetrisch sein. Für die Governance-Forschung sind Beziehungen wie Informations-und Kommunikationsbeziehungen (→ Verhandlungen), Transfer oder Tausch von Ressourcen (→ Markt) sowie Weisungsbeziehungen im Rahmen von Unter- und Überordnungsverhältnissen (→ Hierarchie) von Interesse (ausführlicher:

Jansen 2006

: Kapitel 3.3). Aussagen von Netzwerktheorien sind somit für das Verständnis und die Erklärung verschiedener Formen von Governance relevant. Dementsprechend enthält die allgemeine Definition von Netzwerken wenige Vorannahmen über die Voraussetzungen und Folgen von Netzwerken und unterscheidet sich von spezifischeren Definitionen, wie sie in der neuen institutionellen Ökonomik oder im soziologischen Neoinstitutionalismus verwendet werden (→ Netzwerke).

Dorothea Jansen, Andreas Wald
2.4. Organisationstheorien

Ein grundlegendes Charakteristikum der modernen Gesellschaft besteht darin, dass sie eine Organisationsgesellschaft ist (

Schimank 2001

). Damit ist nicht gemeint, dass die moderne Gesellschaft als Ganzes oder auch nur einer ihrer Teilbereiche - zum Beispiel Politik oder Religion - eine einzige umfassende Organisation darstellt, sondern es wird festgestellt, dass die Durchorganisierung fast aller Gesellschaftsbereiche immer weiter vorangeschritten ist und wohl noch weiter voranschreiten wird.

Uwe Schimank
2.5. Regulationstheorie

Der nachfolgende Beitrag beschäftigt sich mit dem Verhältnis zwischen den Konzepten Governance und Regulation. Obwohl sich die Inhalte der beiden Konzepte unterscheiden und sie in stark divergierenden theoretischen Zusammenhängen entwickelt wurden und genutzt werden, gibt es zwischen ihnen Überschneidungen und Berührungspunkte, die hier bedacht werden sollen, um einerseits die wichtigsten Differenzen zu klären und andererseits Möglichkeiten der jeweiligen Erkenntniserweiterung auszuloten. Damit ist der Argumentationsgang vorgegeben:

■ Die Regulationstheorie beruht auf einer institutionentheoretischen Grundannahme. Auch das Governance-Konzept entstammt einem institutionalistischen Theoriezusammenhang. Im ersten Argumentationsschritt sind daher die Divergenzen und Gemeinsamkeiten zwischen dem materialistischen Institutionalismus des Regulationskonzeptes und dem universalistischen Institutionalismus des Governance-Konzeptes zu klären (Abschnitt 1).

■ Anschließend wird zu zeigen sein, welche Überlegungen des Governance-Ansatzes die Regulationstheorie aufgegriffen hat. Dabei geht es vor allem um allgemeine Prinzipien (Formen) und Mechanismen der Koordination kollektiven Handelns, wie Anarchie (Tausch), Heterarchie (Dialog) und Hierarchie (Befehl). Im Kontext des materialistischen Institutionalismus der Regulationstheorie werden die vom Governance-Ansatz abstrakt, also dekontextualisiert, untersuchten Koordinationsformen immer in einen historischen und gesellschaftlichen Zusammenhang gestellt und entsprechend analysiert (Abschnitt 2).

■ Zu den Grundannahmen der Regulationstheorie gehört die Behauptung, dass jede über einen längeren Zeitraum institutionell stabile kapitalistische Gesellschaft von einem bestimmten Modus der Regulation geprägt wird, der hinter dem Rücken der Akteure die institutionelle Reproduktion der Gesellschaft bestimmt. In seinem 2002 erschienenen Buch „The Future of the Capitalist State“ verwendet Jessop die Konzepte Regulation und Governance teilweise synonym. Daher ist danach zu fragen, ob dieser Konzeptimport die Regulationstheorie bereichert oder aber nur für Verwirrung sorgt (Abschnitt 3).

■ Im letzten Abschnitt des Artikels bleibt dann noch die gegenläufige Perspektive zu erörtern. Kann der ahistorisch und universalistisch ausgelegte Governance-Ansatz von der historisch-materialistisch argumentierenden Regulationstheorie in irgendeiner Weise profitieren? Diese Frage soll am Beispiel von Governance-Versagen und damit dem Wandel historisch-konkreter Governance-Formen untersucht werden. Das Ergebnis wird sein, dass der Governance-Ansatz den Wandel von Governance-Formen nicht endogen erklären kann und daher seinerseits auf den Import von Erklärungsansätzen angewiesen ist. Die Regulationstheorie ist dabei neben vielen anderen ein Angebot, die Lücke zu füllen (Abschnitt 4).

Georg Simonis
2.6. Regimetheorie

Internationale Regime sind ein wichtiger Baustein zwischenstaatlicher, bei maximaler Reichweite tatsächlich globaler Governance (■ Global Governance). Sie sind dabei weder wie internationale Organisationen eigenständige Körperschaften mit zumindest zuweilen Akteurstatus noch supranationale Gebilde wie die EU. Vielmehr handelt es sich bei Regimen um institutionalisierte Strukturen zwischenstaatlicher Kooperation. Deren Spezifikum ist, dass sie politische Steuerung zwischen formal souveränen Akteuren, also grenzüberschreitend, ermöglichen soll und dabei neben Staats- häufig auch Kulturgrenzen überschreitet.

Martin List
2.7. Rechtswissenschaftliche Perspektiven

Es gehørt zu den seit geraumer Zeit akzeptierten Befunden in der Rechtswissenschaft, dass die Redeweise von dem Staat angesichts der Fragmentierungen und Differenzierungen des politisch-administrativen Systems unterkomplex ist (→ Nationalstaat). Die vielen Recht produzierenden Akteure, seien es Parlamente im Bundesstaat und Kommunalverwaltungen, der Gemeinschaftsgesetzgeber, internationale Organisationen, die Vielzahl der nationalen und supranationalen Verwaltungseinrichtungen, soweit sie Rechtsentscheidungen produzieren, werden aufgabenspezifisch miteinander verbunden und lassen sich kaum unter eine Einheit vortäuschende Begrifflichkeit bringen. Verstärkt wird dies noch durch vielfältige Formen der gemeinsamen Aufgabenerfüllung von staatlichen und privaten Akteuren.

Hans-Heinrich Trute, Doris Kühlers, Arne Pilniok
2.8. Public Management und Public Governance

Public Governance ist ein schillernder Begriff, der in der Literatur sehr unterschiedlich verwendet wird. Es bedarf daher einer Klärung, wie ich ihn im Folgenden einsetzen werde. Ich grenze ihn dabei von zwei verwandten Begriffen ab: vom Government sowie vom Public Management. Government wird hier verstanden als die politisch-hierarchische Führung öffentlicher Institutionen. Public Management wird verstanden als die Gestaltung, Lenkung und Entwicklung öffentlicher Institutionen und deren Leistungserbringungsprozesse. Public Governance schließlich wird verstanden als die Organisation der Willensbildung zu, Entscheidungsfindung über und Erfüllung von öffentlichen Aufgaben. Der Begriff der Organisation ist dabei in zweifacher Hinsicht zu verstehen: als Strukturen und Institutionen (eine statische Perspektive) sowie als (Zusammen)arbeitsformen und -prozesse (eine dynamische Perspektive), die beide zu einer bestimmten Ausgestaltung der Ressourcenverfügbarkeit führen (→ Organisationstheorien). Öffentliche Aufgaben sind gesellschaftliche Bereiche, in denen der Staat durch eigene oder ausgelöste Aktionen eine bestimmte Versorgung gewährleisten muss. Sie werden in politischen Prozessen definiert.

Kuno Schedler

Ebenen, Funktionsbereiche, Querschnittsfragen

Frontmatter
3.1. Demokratie und Legitimation

Die Legitimität politischer Herrschaft stellt einen klassischen Topos der politischen Philosophie dar. Der Begriff Legitimität kann in einem normativen und in einem positiven Sinn interpretiert und benutzt werden. Im Hinblick auf die erste Verwendung wurde der Begriff Legitimität im deutschen Sprachraum lange Zeit mit „Rechtmäßigkeit” übersetzt (z.B.

Westle 1991

: 258), in jüngerer Zeit findet sich der international anschlussfähigere Begriff „Anerkennungswürdigkeit” (

Cheneval 2005

: 1). In der normativen Diskussion geht es um die theoretisch-konzeptionellen Grundlagen für ein anerkennungswürdiges Regime oder System politischer Herrschaft. Positive Analysen untersuchen dagegen die empirisch feststellbare Anerkennung bzw. Akzeptanz politischer Herrschaft und Herrschaftsordnungen durch die Mitglieder der entsprechenden politischen Einheiten.

Joachim Blatter
3.2. Politische Interessenvermittlung

Governance unterstreicht die Dimension der Regelung und Steuerung in komplexen politischen Strukturen und Prozessen. Die Analyse der politischen Interessenvermittlung hat dieser Forschungsagenda bedeutende Impulse gegeben. Diese Anstöße kamen vor allem aus der international vergleichenden Forschung, selbst wenn in jüngeren Jahren auch die Rolle nichtstaatlicher Akteure in den internationalen Beziehungen stärker thematisiert wird. In der vergleichenden Analyse von Interessengruppen ist Governance einerseits eine Antwort auf die Binnendifferenzierung von Gesellschaft und Staat und die vielfältigen Strukturen und Prozesse der Interessenvermittlung zwischen beiden Sphären. Andererseits ist das Konzept eine Reaktion auf die Nutzung verschiedenartiger Formen der Handlungskoordination wie Markt, Hierarchie, Netzwerke und Verbände zur Lösung kollektiver Probleme und Bewältigung von Interdependenzen in und zwischen modernen Staaten (

Mayntz 2004

: 66).

Rainer Eising
3.3. Multilevel Governance

Der Begriff Multilevel Governance wurde in der Europaforschung und in der Forschung über internationale Politik geprägt. Das damit beschriebene Phänomen ist allerdings schon seit langem Gegenstand von sozialwissenschaftlichen Analysen. Formen der Mehrebenenpolitik finden sich nicht nur im Verhältnis von Innen- und Außenpolitik, sondern auch in vertikal gegliederten Staaten, seien dies Bundesstaaten, regionalisierte Staaten oder dezentralisierte Einheitsstaaten, und sie werden in der Föderalismusforschung, in der Policy-Forschung und in der Verwaltungsforschung untersucht.

Arthur Benz
3.4. Global Governance

Global Governance ist ein komplexes, wenig spezifiziertes Konzept, das sowohl in politikwissenschaftlichen als auch in politischen Diskursen, eng verknüpft mit Prozessen der Globalisierung, seit Mitte der 1990er Jahre geradezu inflationär verwendet wird. Dabei handelt es sich weder um eine neue Theorie noch um eine einfache analytische Kategorie. Vielmehr erweitert das Global-Governance-Konzept den bisherigen Begriff Internationale Politik. Es ermöglicht als kategorialer Rahmen, den Fokus auf die internationalen Beziehungen neu auszurichten und bisherige empirische Grauzonen auszuleuchten. Als „home domain” kann das Konzept Global Governance zwar der liberal-institutionalistischen Theorierichtung zugeordnet werden, im Sinne einer Perspektivenerweiterung wurde es aber in unterschiedlicher Ausrichtung und Intensität von allen Theorievarianten der Internationalen Politik aufgegriffen.

Maria Behrens, Alexander Reichwein
3.5. Europäische Union

Das Governance-Konzept hat in der Analyse der Europäischen Union (EU) hohe Wellen geschlagen (vgl.

Jachtenfuchs/Kohler-Koch 2004

) und wird sowohl auf die Systemeigenschaften (polity) der EU, die Merkmale der europäischen Entscheidungsprozesse (politics) als auch auf die Policy-Ebene bezogen. So wird die EU häufig als Verhandlungssystem (z.B.

Grande 1994

) oder als „networked polity” (

Ansell 2000

) betrachtet, deren staatliche Institutionenoft im Zusammenspiel mit privaten Akteuren - in hohem Maße auf weiche Instrumente der politischen Steuerung zurückgreifen (vgl.

Eberlein/Kerwer 2002

). Sie scheint damit prädestiniert zu sein für die Analyse von Regelsystemen und Koordinationsprozessen ohne einen Souverän. Gleichzeitig haben die EU-Institutionen selbst das Thema „European Governance” in der Debatte um das Demokratiedefizit und die Verfassungsentwicklung der EU auf die politische Tagesordnung gesetzt.

Rainer Eising, Andrea Lenschow
3.6. Nationalstaat

Der Begriff Governance steht nicht selten in Verbindung mit Debatten über den angeblichen Niedergang oder die Transformation des Nationalstaates. Damit wird der Eindruck erweckt, als stellten Staat und Governance zwei verschiedene Realphänomene dar, wobei die Herrschaftsform des Nationalstaates zunehmend durch Governance ersetzt oder überlagert würde. Dass damit die Wirklichkeit zu stark vereinfacht wird, braucht hier nicht näher erläutert zu werden. Der Titel des Beitrags weist schon darauf hin, dass die Begriffe Staat und Governance keine verschiedenen historischen Phasen charakterisieren; Governance steht vielmehr für eine Perspektive auf den Nationalstaat und den Prozess seiner Transformation. Die interessante Frage lautet daher, was die Perspektive der Governance-Forschung für das Verständnis des modernen Staates und seiner Veränderung leistet und in welcher Weise sich Governance im Staat verwirklicht.

Arthur Benz
3.7. Regional Governance

Die Diskussion zu Regional Governance richtet sich auf die Frage, wie Entwicklungsprozesse auf regionaler Ebene in einer zunehmend fragmentierten und sektoralisierten Welt verwirklicht werden können. Angenommen wird, dass Akteure hierbei gemeinschaftliche Lösungen finden müssen. Wenn etwa in einer schrumpfenden Region jeder isoliert handelt, löst dies einen Circulus vitiosus sich beschleunigender Abwanderung aus, weil niemand Zukunftschancen sieht. Setzen sich dagegen die Akteure zusammen, entwickeln Ideen des „Standhaltens” und bemühen sich um eine gemeinsame Aufbruchstimmung, lässt sich der Prozess möglicherweise aufhalten. Solche kollektiven Governance-Prozesse werden deshalb schon seit längerem in der Innenstadtsanierung oder bei der Aufwertung von Straßenzügen genutzt. Wenn jeder auf sich gestellt ist, unterbleibt die Sanierung; denn Einzelgebäudesanierung rentiert sich nicht, wenn das Umfeld weiter verkommt. Solche suboptimalen Entscheidungen als Folge mangelnder Koordination werden in der Literatur mit dem Begriff „Gefangenen-Dilemma” (

Scharpf 2000:131

) oder „Rationalitätsfalle” bezeichnet. Sie können ursächlich für „Aufstieg und Niedergang regionaler Wirtschaftscluster” sein, vor allem dann, wenn Gemeinschaften im Zuge der Modernisierung erodieren (

Glassmann/Voelzkow 2005

). Dies zu verhindern erfordert die Identifikation und Bearbeitung von Gemeinschaftsaufgaben durch eine größere Zahl von Akteuren aus unterschiedlichen Bereichen, die zur Kooperation eines Anstoßes oder Promotors bedürfen. Zur Bezeichnung der dabei entstandenen Formen und Interaktionsmuster hat sich der Begriff Regional Governance durchgesetzt.

Dietrich Fürst
3.8. Local Governance

Der Begriff Local Governance wird in der aktuellen Diskussion recht unterschiedlich verwendet. Überblickartig lassen sich drei Begriffsdimensionen unterscheiden (Bogumil/Holt-kamp 2004; Pierre 2005). Erstens steht Governance für eine neue

analytische

Perspektive der Politikwissenschaft. Politische und gesellschaftliche Koordination wird danach zunehmend als Zusammenspiel von Hierarchie, Politiknetzwerken und Markt interpretiert. Damit wird aber noch keine Aussage darüber getroffen, ob sich die politische Steuerung im Zeitablauf auch tatsächlich inhaltlich verändert hat. Zweitens werden unter dem Begriff Governance

deskriptiv

auch weitgehende inhaltliche Veränderungen der politischen Steuerung subsumiert. Und schließlich wird unter dem Begriff Governance - hier im Sinne von

Good Governance

- darüber diskutiert, wie sich politische Koordinierung aus

normativer

Sicht verändern sollte. Diese unterschiedlichen Begriffsdimensionen sollen im Folgenden an zentralen Ergebnissen der lokalen Politikforschung verdeutlicht werden, nachdem die wesentlichen Rahmenbedingungen kommunalen Handelns herausgearbeitet wurden.

Lars Holtkamp
3.9. Corporate Governance

Das Thema „Corporate Governance“ bezeichnet einen Strang der ökonomischen Governance-Forschung (→ Wirtschaft). Hier geht es um Governance-Probleme auf der Mikroebene des einzelnen Unternehmens - also um das „Steuern und Koordinieren [-] mit dem Ziel des Managements von Interdependenzen“ (

Benz 2004

: 25) zwischen verschiedenen am Unternehmensgeschehen beteiligten Akteurgruppen. Der folgende Beitrag erläutert einleitend den Begriff der Corporate Governance und sodann die verschiedenen Corporate-Governance-Modelle in westlichen Industrieländern. In einem dritten Abschnitt werden die prominentesten Analyseperspektiven der Corporate-Governance-Forschung vorgestellt. Das darauffolgende Kapitel widmet sich dem Wandel der Corporate Governance seit den 1980er Jahren. Ein Ausblick auf künftige Forschungsperspektiven schließt den Beitrag ab.

Dagmar Eberle
3.10. Wirtschaft

Die auf „institutionelle Steuerung von Wirtschaft“ fokussierte Governance-Forschung speist sich noch ausgeprägter als die im engeren Sinn politikwissenschaftliche Debatte aus der Tradition der Institutionenökonomie (vgl. als

Überblick Lütz 2006

). Ausgangspunkt ist hierbei die Annahme, dass wirtschaftliches Handeln nicht ausschließlich über den

Markt

, sondern durch eine Vielzahl nichtmarktförmiger Koordinationsformen organisiert werden kann. 1937 wies Ronald Coase darauf hin, dass neben dem Markt auch die Unternehmensorganisation und damit die Firma zur Verwirklichung „effizienter“ Transaktionen in der Wirtschaft beiträgt. Diese Überlegungen wurden (

1985

) zum Forschungsprogramm der Institutionenökonomie ausgebaut (→ Neoinstitutionalismus). Mit Governance bezeichnet Williamson institutionelle Regelungen in und zwischen Unternehmen, die der Verringerung von Transaktionskosten dienen.

Susanne Lütz
3.11. Wohlfahrt

In westlichen Gesellschaften werden so unterschiedliche Dinge wie die Sicherstellung von Einkommensersatzleistungen, die Gesundheits- und Pflegeversorgung oder auch professionelle Hilfe in schwierigen Lebenslagen zumindest teilweise als Aufgabe „der Politik“ bzw. als Gegenstand öffentlicher Interventionen betrachtet. Die sozialwissenschaftliche Auseinandersetzung mit solchen Interventionen dreht sich dabei zunehmend um die Frage, wie und mit welchen Konsequenzen gesteuert wird bzw. gesteuert werden soll. Es geht um mehr Wirtschaftlichkeit oder auch um höhere demokratische Legitimität, und immer häufiger fällt das Stichwort Governance. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass die Rolle nichtstaatlicher Instanzen im Bereich der sozialen Daseinsvorsorge heute in einem neuen Licht gesehen wird. Es ist ein Bewusstsein dafür entstanden, dass die „Steuerungsfrage“ ganze Wohlfahrtssysteme und nicht allein staatliche Einrichtungen oder Sozialgesetze adressiert.

Ingo Bode
3.12. Technik

Technische Innovationen versprechen Lösungen und verursachen Probleme. Kontroversen etwa um die Kernenergie, moderne Informations- und Kommunikationstechniken oder die Gentechnik zeigen, dass neue Techniken nicht nur eine Reihe technischer, sondern auch ökonomischer, ökologischer und politischer Probleme aufwerfen. Denn jede neue technische Innovation erzeugt notwendigerweise Paradoxien im gesellschaftlichen Umgang mit ihr (

Simonis 1999

150): Technische Innovationen erweitern und verschließen zugleich Handlungsmöglichkeiten; sie verringern und erzeugen zugleich Unsicherheit, und sie führen sowohl zur Stabilisierung als auch zur Destabilisierung der gesellschaftlichen Reproduktion. Die Einbettung technischer Innovationen in die Gesellschaft wird so zu einem problematischen, zuweilen konfliktären öffentlichen Prozess. Die Problematisierung ist zugleich Anstoß dafür, dass die Auseinandersetzung mit der Technikentwicklung zu einem Gegenstand sozialwissenschaftlicher Forschung wird (

Mayntz 2001

: 3).

Stephan Bröchler
3.13. Umwelt

Umweltpolitik ist eine vergleichsweise junge Policy, die erst in den 1970 er Jahren entstand. Daher ist es erstaunlich, dass gerade hier eine Vielfalt von Governance-Formen und dabei einbezogenen politischen Ebenen und Akteuren auszumachen ist, die kontinuierlich erweitert wird. Nach der Startphase von Umweltpolitik wurden nationalstaatlich geregelte Bereiche internationalisiert; heute zeichnet sich der Umweltbereich durch Multilevel Governance von lokalen bis globalen Institutionen aus.

Brigitte Biermann
3.14. Wissenschaft

Obwohl die moderne Wissenschaft existenziell von der Alimentierung durch externe Akteure abhängt, entwickelt sie sich mit einer erstaunlichen Unabhängigkeit von deren Intentionen. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass die Diskussion über die Gestaltung und Gestaltbarkeit von Wissenschaft ein Dauerbrenner der Wissenschaftsforschung ist. Sie stand Pate bei der Geburt der Wissenschaftssoziologie und ist seitdem - in der jeweils aktuellen Phraseologie - ein wichtiger Diskussionsstrang. (

1938

);

1942

) Arbeiten zu gesellschaftlichen Einflüssen auf die Entstehung der modernen Wissenschaft und zum Verhältnis von Wissenschaft und demokratischer Sozialstruktur setzten das Thema. Der Essay „The Endless Frontier“ (

1945

), der die Finanzierung einer autonomen Grundlagenforschung durch den Staat begründete, war zwar ein politisches Dokument, hat aber auch die Wissenschaftsforschung nachhaltig beeinflusst. Wenig später hat (

1962

) sich in seinem noch heute lesenswerten Essay „The Republic of Science“ gegen die Idee einer zentral geplanten Wissenschaft gewandt und betont, dass die Autonomie der Wissenschaft eine ihrer zentralen Erfolgsbedingungen ist.

Jochen Gläser, Stefan Lange
3.15. Massenmedien

Mit dem Begriff Medienpolitik wird ein eigenständiges, in seinen sozialen, zeitlichen und sachlichen Dimensionen offenes Handlungssystem bezeichnet, das vorrangig durch Kommunikation konstituiert wird und sich auf die Massenmedien als Regelungsfeld bezieht (

Jarren/Donges 1997

: 239;

Donges 2002

). Gegenstand von Medienpolitik ist die öffentliche Kommunikation innerhalb einzelner Massenmedien, wobei traditionell die Politikfelder Pressepolitik, Rundfunkpolitik und der noch etwas diffuse Bereich der Neuen Medien (Internet, Onlinedienste etc.) unterschieden werden können. Medienpolitik hebt ab auf die Regulierung der Rahmenbedingungen, unter denen Kommunikationsaussagen innerhalb dieser Medien entstehen und verbreitet werden. Medienpolitik ist damit zu unterscheiden von der politischen Kommunikation, in der staatliche und politische Akteure selbst als Kommunikatoren tätig werden (

Vowe 2003

).

Otfried Jarren, Patrick Donges
3.16. Entwicklung

„Entwicklung“ stellt einerseits ein Konzept im Rahmen eines umfassenden sozialwissenschaftlichen Diskurses dar, andererseits - jedenfalls seit Ende des Zweiten Weltkrieges - ein Ziel politischer Strategien. Da es sich um ein Ziel handelt, das von vielen unterschiedlichen Akteuren teils kooperativ, teils konfliktiv verfolgt wird, kann globale Entwicklungspolitik bereits als ein typisches Beispiel von Global Governance angesehen werden, auch wenn dieses Konzept erst sehr viel später entwickelt worden ist. Die Definition von Renate Mayntz bietet einen guten Ausgangspunkt zum Verständnis der Problematik: „Governance meint [...] das Gesamt aller nebeneinander bestehenden Formen der kollektiven Regelung gesellschaftlicher Sachverhalte; von der institutionalisierten zivilgesellschaftlichen Selbstregelung über verschiedene Formen des Zusammenwirkens staatlicher und privater Akteure bis hin zum hoheitlichen Handeln staatlicher Akteure“ (

Mayntz 2004

: 66).

Wolfgang Hein
Backmatter
Metadaten
Titel
Handbuch Governance
herausgegeben von
Arthur Benz
Susanne Lütz
Uwe Schimank
Georg Simonis
Copyright-Jahr
2007
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-531-90407-8
Print ISBN
978-3-531-14748-2
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-90407-8