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2008 | Buch

Die Politik der Bundesländer

Staatstätigkeit im Vergleich

herausgegeben von: Achim Hildebrandt, Frieder Wolf

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Die Potenziale des Bundesländervergleichs
Auszug
Welche Unterschiede bestehen zwischen den Arten und Weisen, in denen die Bundesländer ihre politischen Gestaltungsspielräume nutzen, und welche Faktoren erklären diese Variation? So lautet die Leitfragestellung des vorliegenden Bandes. Während für andere föderale Staaten wie die USA und Kanada analoge Überblickswerke (Gray/Hanson 2004 und Dunn 2006) oder, wie für die Schweiz, Monographien mit breiter Abdeckung (Vatter 2002) vorliegen, ist der theoriegeleitete Vergleich der Politik der Bundesländer mit kausalanalytischem Anspruch bisher nur in einzelnen Feldern oder auf einzelne Erklärungsfaktoren verengt vorgenommen worden (siehe Abschnitt 3 zum Forschungsstand), was angesichts der wichtigen Rolle der Landespolitik in Deutschland doch überrascht. Die vorhandenen Forschungsergebnisse für die einzelnen Felder zusammen zu tragen und die wichtigsten Lücken in den übrigen Bereichen zu schließen ist das Ziel, das wir mit der Herausgabe dieses Bandes verfolgen. Neben den klassischen Politikfeldern und der Staatstätigkeit auf ihnen nehmen wir dabei ergänzend auch die Institutionenpolitik in den Blick, also die Gestaltung der politischen Institutionen der Länder durch die Landespolitik selbst.
Achim Hildebrandt, Frieder Wolf
Die Schulpolitik — Kernbestand der Kulturhoheit
Auszug
Die Schulpolitik ist die ureigenste Kernkompetenz der Bundesländer. Während in der Hochschulpolitik (siehe hierzu den Beitrag von Lanzendorf/Pasternack i.d.B.) der Bund zumindest ein Wörtchen mitzureden hat, können die Landesschulpolitiker theoretisch ihr (Politik-)Feld ungestört von äußeren Einflüssen bestellen. Zu beachten haben sie lediglich die grundgesetzlichen Bestimmungen zur staatlichen Schulaufsicht, zum Religionsunterricht und zur Privatschulfreiheit in Art. 7 GG sowie den Vorrang der Eltern bei Pflege und Erziehung der Kinder nach Art. 6 Abs. 2 GG. Und diesen großen Spielraum nutzen sie dergestalt aus, dass die Schulstrukturen, pädagogischen Grundausrichtungen und nicht zuletzt Schulausgaben der Bundesländer einem bunten Flickenteppich gleichen (siehe Abschnitt 3). Jedoch toleriert man im deutschen Föderalismus allzu große Abweichungen auch wieder nicht, nicht einmal in Belangen der Kulturhoheit. Denn „despite disagreements [...] over the contents of educational policy, political actors in the Federal Republic of Germany shared an all-German frame of reference“ (Erk 2003: 298).1 Die gesellschaftlichen Erwartungen sind in dieser Hinsicht zentralisierter als die politische Ordnung (vgl. Katzenstein 1987: 15ff.), und die Schulpolitik der Länder musste in der Geschichte der Bundesrepublik immer wieder mit Koordinationsübungen darauf reagieren.2 Ja selbige waren sogar schon vor der Staatsgründung notwendig, konstituierte sich die Kultusministerkonferenz (KMK) doch bereits 1948. Mit den Jahren hat die KMK ein immer dichteres Netz von mittlerweile weit über tausend einzelnen Abkommen geschlossenen. Diese betreffen so diverse Themen wie Mindestanforderungen für die gegenseitige Anerkennung von Abschlüssen, den Beginn und die Dauer der Schulpflicht, einheitliche Notenbezeichnungen, Feriendauern und -termine sowie Richtlinien zur Behandlung bestimmter Themen in verschiedenen Fächern.
Frieder Wolf
Landeshochschulpolitiken
Auszug
Die Hochschulpolitik stellt systematisch den Adapter zwischen Bildungs- und Forschungspolitik, also zwei unterschiedlichen Bereichen mit zentraler Bedeutung für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung dar. Staatsrechtlich unterstehen die Hochschulen als Teil des Bildungswesens der Kulturhoheit der Länder, so dass Hochschulpolitik grundsätzlich eine Zuständigkeit der Länder darstellt. Die Kulturhoheit ist im Grundgesetz als Kern der Eigenstaatlichkeit der Länder verankert. Mit ihrer Festschreibung war die Vorstellung verknüpft, dass Bildungsangebote in Abhängigkeit historischer, sozioökonomischer, geografischer und kultureller Gegebenheiten eigenverantwortlich durch die Landesregierungen gestaltet und entwickelt werden sollten.
Ute Lanzendorf, Peer Pasternack
„Polizei ist Ländersache!“ — Politik der Inneren Sicherheit
Auszug
Das Politikfeld Innere Sicherheit stand lange Zeit nicht auf der politikwissenschaftlichen Agenda, die vielmehr bestimmt war von Policy-Analysen zu Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik und auf der Akteursebene die Regierung, Parteien und Verbände in den Vordergrund rückte. Und selbst wenn sich Politikwissenschaftler mit dem Feld beschäftigten, wie z.B. in den 1970er/80er Jahren im Zusammenhang mit dem Links-Terrorismus, später im Kontext von Organisierter Kriminalität oder angesichts verschiedener kritischer Polizeieinsätze und -skandale (z.B. bei Großdemonstrationen der Anti-Atomkraftbewegung), war dies eine eher punktuelle und keine systematische Analyse. Erst Mitte der 1990er Jahre setzt in der Politikwissenschaft wie auch bei den Soziologen eine intensivere Beschäftigung mit dem Sujet ein, die auch unter dem Titel „Polizeiwissenschaft“ und „Empirische Polizeiforschung“ geführt wird (vgl. Jaschke/Neidhardt 2004; Liebl/Ohlemacher 2000).
Bernhard Frevel, Hermann Groß
Gewaltkriminalität: Zur Bedeutung von Politikproduktion und parteipolitischer Färbung der Landesregierungen
Auszug
Das Ziel des vorliegenden Beitrages ist ein Dreifaches: Zunächst soll das Aufkommen von Gewaltkriminalität in den deutschen Bundesländern im Querschnitt und im Zeitverlauf dargestellt werden, wobei sich die Betrachtung auf die westlichen Länder (einschließlich Westberlin) in der Periode zwischen 1971 und 2004 konzentriert.2 Über die Deskription hinausführen soll eine Analyse der Bedeutsamkeit potentiell politisch beeinflussbarer Faktoren für die Entwicklung der Gewaltkriminalität. Schließlich wird auch geprüft, inwieweit diese Größen von der parteipolitischen Zusammensetzung der Landesregierungen beeinflusst werden.
Christoph Birkel
Integrationspolitik in den Bundesländern?
Auszug
Das Staatsangehörigkeitsrecht und die Einbürgerungspolitik sind auf den ersten Blick klassische Domänen zentralstaatlicher Kompetenz, auch in föderalistischen Staaten wie der Bundesrepublik Deutschland. Trotzdem stand bis zur Jahrtausendwende der oben zitierte Artikel als Erster im ausschlaggebenden Gesetz. Seine praktische Relevanz war zwar sehr gering, er verweist aber zumindest symbolisch auf die Bedeutung der föderalen Gliederung.2 Die umfassende politische Debatte um die Neuformulierung von Staatsangehörigkeits- und Zuwanderungspolitik in der Zeit der rot-grünen Bundesregierung von 1998 bis 2005 hat aber gezeigt, dass die Bundesländer bzw. die jeweiligen Landesregierungen wichtige Akteure auf diesem Feld sind.
Christian Henkes
Sozialpolitik in den Bundesländern
Auszug
Der Wohlfahrtsstaat Deutschland sorgt für Diskussionsstoff: Gesundheitsreform, Rente mit 67, Mindestlöhne, Hartz IV. Die Gründe für die Diskussion um den Wohlfahrtsstaat sind vielfältig. Die alten Wohlfahrtsstaaten treffen auf neue Risiken und veränderte gesellschaftliche Realitäten: Das Normalarbeitsverhältnis wird ausgehebelt, eine diskontinuierliche Erwerbstätigkeit dominiert in Zukunft, das Konzept vom male bread-winner und der Hausfrauenehe verliert an Bedeutung. Auch die demografische Entwicklung1 sowie die hohe Arbeitslosigkeit stellen immer größere Herausforderungen an den Wohlfahrtsstaat (vgl. Kaufmann 1997). Die sich ändernden Rahmenbedingungen erfordern eine Anpassung der sozialstaatlichen Arrangements. Dabei stellt sich die Frage, welche Faktoren eine solche Anpassung fördern und welche sie hemmen. Die insbesondere auf Arbeiten von Tsebelis zurückgehende Vetospieler-These (Tsebelis 1995, Tsebelis/Money 1997, Tsebelis 2002) lässt dabei vermuten, dass der Föderalismus als ein zusätzlicher Veto-Punkt den Ausbau von Wohlfahrtsstaaten gehemmt hat. Tatsächlich bestätigen Obinger/Leibfried/Castles (2005) in einer internationalen Vergleichsstudie, dass föderale Strukturen den Aufbau des Wohlfahrtsstaates hemmen können, im Zeitalter des „retrenchment“ zugleich aber seinem Abbau entgegenstehen. Für Deutschland stellt Schmidt hingegen fest:
„Der Föderalismus hier zu Lande hat den Auf- und Ausbau eines auch im internationalen Vergleich ungewöhnlich weit entwickelten Sozialstaats nicht wesentlich behindert, sondern mitunter sogar gefördert“ (Schmidt 2000: 6).2 Wenn damit auch allgemeine Aussagen über die Wirkung des Föderalismus auf das Gesamtniveau wohlfahrtsstaatlicher Leistungen vorliegen, fehlen entsprechende Untersuchungen über die relative Bedeutung der Länder und des Bundes in der Sozialpolitik ebenso wie Vergleiche auf Bundesländerebene.
Heinz Rothgang, Anna Caroline Wessel
Finanzpolitik in den Ländern
Auszug
In den vergangenen Monaten hat sich in der Debatte um die Länderhaushalte ein bemerkenswerter Wandel vollzogen. Infolge des konjunkturellen Aufschwungs stiegen die Steuereinnahmen und die Haushaltslage begann sich zu entspannen. Paradigmatisch hierfür steht Berlin: Noch im Oktober 2006 wurde Berlins Klage auf Hilfe in einer Haushaltsnotlage vom Bundesverfassungsgericht abgelehnt (vgl. Abschnitt 6), bereits für das Jahr 2009 plant das Land einen ausgeglichenen Haushalt.1 Diese Entwicklung steht in einem scharfen Gegensatz zur fiskalischen Situation der vergangenen Jahre: Noch 2004 befand sich die Kreditaufnahme in zehn von sechzehn Landeshaushalten oberhalb der von den Verfassungen definierten Regelgrenze (vgl. Abschnitt 4). Die Regierungen dieser Länder führten mitunter außergewöhnliche Begründungen an. So griff der nordrhein-westfälische Finanzminister Linssen mit der objektiven Unmöglichkeit 2 auf einen Terminus des Privatrechts zurück und führte in den Haushaltsverhandlungen aus: „Es ist uns nach wie vor objektiv unmöglich, unsere in der Landesverfassung verankerten Aufgaben zu erfüllen und gleichzeitig die Regelobergrenze der Kreditaufnahme einzuhalten“ (Linssen 2006).
Achim Hildebrandt
Arbeitslosigkeit und Arbeitsmarktpolitik in den Bundesländern: Differenzierungen und Differenzen
Auszug
In den meisten Debatten und Analysen zur jüngsten deutschen Arbeitsmarktpolitik werden die Reformpakete, die mit dem Schlagwort „Hartz I - IV“ abgekürzt werden können, behandelt. Mit dieser vorherrschenden Konzentration der politischen und der wissenschaftlichen Aufmerksamkeit auf die Bundesebene geraten jedoch die Aktivitäten der Länder gänzlich aus dem Blick (generell zu diesem Defizit Wehling/Schneider 2006). Gleichwohl sind diese nicht zu unterschätzen, denn sie weisen in den vergangenen Jahrzehnten ein enormes Wachstum, eine hohe Anpassungsfähigkeit und eine beachtliche sachliche Differenzierung auf. Dies gilt für parteipolitische Aussagen, Policy-Programme und Ausgaben gleichermaßen.
Josef Schmid, Horst Hedrich
Länderwirtschaftspolitik
Auszug
Wirtschaftsminister und Wirtschaftspolitiker werden in Umfragen häufig als die bedeutendsten und einflussreichsten Politiker gesehen (Niejahr/Pörtner 2002). Auch wenn dies ihre tatsächliche Position überschätzen mag, so ist es doch ein Zeichen dafür, dass der Wirtschaftspolitik in der öffentlichen Wahrnehmung ein hoher Stellenwert zugemessen wird. Dabei ist das, was Wirtschaftspolitik sein soll, keineswegs fest umrissen. Das klassische Feld der Wirtschaftspolitik, das jenseits der ‚Anarcho-Kapitalisten‘ um Hans-Herrmann Hoppe (2003) allgemein als legitimer Bereich der Wirtschaftspolitik anerkannt wird, ist die Wirtschaftsordnungspolitik. Gemeint sind damit die staatliche Zuweisung von mit einem wirksamen staatlichen Sanktionsmechanismus versehenen Rechten und Pflichten an Private im Rahmen einer (Privat-)Rechtsordnung, mit der property rights definiert werden, sowie die Einrichtung von Institutionen zur Erhaltung wesentlicher, insbesondere für den Wirtschaftskreislauf zentraler Funktionen, wie Geldversorgung (durch eine Notenbank) oder die Sicherung des Wettbewerbs (durch Kartellbehörden). Der staatliche Eingriff in diejenigen Märkte, die dem ‚reinen‘ Wettbewerb aufgrund ökonomischer Sonderbedingungen oder politischen Willens entzogen sind, ist schon nicht mehr unumstritten. Je nach Auffassung wird diese Regulierung als marktwirtschaftsfeindlich oder marktwirtschaftsfreundlich interpretiert. Ihre Geschichte weist bis ins 19. Jahrhundert zurück, zu besonderer Prominenz ist sie in Deutschland ebenso wie in anderen europäischen Ländern gekommen seit den 1990er Jahren im Zuge des Umbaus ehemaliger wettbewerblicher Ausnahmebereiche, vornehmlich in der so genannten Daseinsvorsorge, wie z.B. Energie, Telekommunikation und Post oder Schienenverkehr (ausführlich Müller 2002, 2006b).
Markus M. Müller
Länderverkehrspolitik
Auszug
In der öffentlichen Wahrnehmung erscheint die Verkehrspolitik nicht eben als eine „klassische“ Domäne der Landespolitik. Der folgende Beitrag stellt die Frage, inwieweit diese Wahrnehmung berechtigt ist bzw. bis zu welchem Grad den Bundesländern im Bereich der Verkehrspolitik doch eine gestaltende Rolle zugemessen werden kann. Dabei gehen wir von der Beobachtung aus, dass die Verkehrspolitik, nicht nur auf der Ebene der Bundesländer, ein von der Politikwissenschaft unterbelichtetes Feld darstellt. Um diese Randständigkeit zu erklären, wird die These entfaltet, Verkehrspolitik habe sich traditionell in erster Linie auf eine distributive Funktion beschränkt. Vorrangig bestand und besteht Verkehrspolitik demnach in der Verteilung beträchtlicher Finanzmittel, mit denen ausreichend Infrastruktur für den überbordenden Verkehrsbedarf der modernen Gesellschaft bereitgestellt werden soll.
Oliver Schöller-Schwedes, Lisa Ruhrort
Naturschutzpolitik in den Bundesländern
Auszug
Ein Rückblick auf die Naturschutzpolitik der Bundesländer seit dem Beginn der 1970er Jahre zeigt eine interessante Entwicklung: Zu Beginn waren einzelne Bundesländer wie Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz oder Schleswig-Holstein Vorreiter bei der Entwicklung des Naturschutzrechts (Schmitz/Bröder 2002). In der Folgezeit haben einzelne Länder immer wieder innovative, weitergehende Regelungen eingeführt. Auffällig ist nicht nur das Innovationsverhalten der Bundesländer an sich. Auffällig ist auch die wechselnde Reihenfolge, in der einzelne Bundesländer die Rolle eines Vorreiters eingenommen haben. Dass der Naturschutz auf einem soliden gesetzlichen Fundament ruht, ist zu einem gewissen Maß also auch auf einen übergreifenden parteipolitischen Konsens zurückzuführen.
Axel Volkery
Verwaltungspolitik in den Bundesländern: Vom Stiefkind zum Darling der Politik
Auszug
In den letzten Jahrzehnten war die Verwaltungspolitik auf der Ebene der deutschen Bundesländer ein eher beschauliches Politikfeld. Nach den erfolgreichen Gemeindegebietsreformen und den mit unterschiedlicher Konsequenz umgesetzten Kreisgebietsreformen der 60er und 70er Jahre wurde bereits die damit zusammenhängende Funktionalreform in den allermeisten Ländern nur noch zaghaft angegangen1. Auch Debatten der 60er und 70er Jahre zur Verbesserung staatlicher Steuerungsfähigkeit und Anstöße zur Aufgabenkritik konnten dem Status Quo der Landesverwaltung nur wenig anhaben. Und die sich in den 90er Jahren intensivierende nationale und internationale Diskussion um Verwaltungsreformen unter dem „Paradigma“ des New Public Managements und des „Neuen Steuerungsmodells“2 wurde, anders als auf kommunaler Ebene, in den Landesverwaltungen vor allem in Form einzelner Vorzeigeprojekte aufgegriffen3. Diese eher magere Reformgeschichte bedeutete für die vergleichende Verwaltungswissenschaft, dass es wenig Gelegenheit für den Vergleich substanzieller struktureller Innovationen auf Landesebene gab.
Jörg Bogumil, Falk Ebinger
Kommunalverfassungspolitik der Bundesländer als lokale Institutionenpolitik
Auszug
In diesem Beitrag geht es um die Rolle der Bundesländer für die Gestaltung der institutionellen Grundlagen der kommunalen Politik und Verwaltung. Kommunalverfassungspolitik ist dafür ein Kunstbegriff, der bislang praktisch keine Verwendung in der Politikwissenschaft wie der politischen Praxis findet — während die Entscheidungen, welche er umfasst, zu den wohl wichtigsten eigenständigen Politikmaterien der deutschen Länder gehören. Etwas gebräuchlicher ist der Ausdruck kommunale Landespolitik, nominell nennt sich das entsprechende Aufgabenspektrum auf Abteilungsebene im Verantwortungsbereich der Innenministerien meist kommunale Angelegenheiten. In einem weiten, „materiellen“ (Borchmann 1984: 271) Verständnis meint der Begriff Kommunalverfassung alle für die Kommunen geltenden Normen von grundlegender Bedeutung, d.h. auch solche, die nicht in den Gemeinde- und Kreisordnungen der Länder niedergelegt sind, wie es ein engerer Begriff nahelegt. Im Anschluss an Caulfield und Larsen (2002) lassen sich dann vier Dimensionen institutioneller Reformpolitiken unterscheiden: Neben Gebiets- und Funktionalreformen, also der Zuweisung spezifischer Zuständigkeiten an unterschiedliche Ebenen territorial verfasster Selbstverwaltungseinheiten im Rahmen staatlicher Aufsichtsmechanismen (in Deutschland auch äußere Kommunalverfassung genannt), gibt es noch politische Reformen, die sich auf die Verfahren zum Treffen wichtiger Personal- und Sachentscheidungen richten (Wahlen, direktdemokratische Entscheidungsmechanismen, Kompetenzen und Ressourcen der verschiedenen Organe) sowie schließlich administrative Reformen (Lenkung und Kontrolle der Verwaltung durch die Politik, Regelung des Aufgabenvollzugs, Personalmanagement, Vorgaben für das Haushaltsgebaren etc.) (auch innere Kommunalverfassung).
Michael Haus
Trennen sich die Wege? Die Bundes- und Europapolitik der Länder
Auszug
Ein überraschendes Bild bot sich dem Beobachter am 7. März 2007 in Brüssel: Am Vortag des Frühjahrsgipfels des Europäischen Rates unter deutscher Präsidentschaft versammelten sich die 16 deutschen Länderchefs zur Ministerpräsidentenkonferenz erstmals in der Hauptstadt Europas. Das Zeichen, das dabei gesetzt werden sollte, war unverkennbar: Bevor die „großen“ Regierungschefs zusammenkommen, um über die Zukunft des Integrationswerkes zu beraten, symbolisiert dieses Treffen: Wir waren zuerst da! Und dies stimmt auch im übertragenen Sinne, denn aus Sicht der Länderchefs lagen viele der europäischen Themen und Zuständigkeiten vor geraumer Zeit noch in ihrem Aufgabenbereich. Wie z.B. die Umweltpolitik, die mit der Frage der CO2-Reduktion zum Hauptthema des Gipfels geworden war und die erst mit der Einheitlichen Europäischen Akte (EEA) zu einem europäischen Politikfeld wurde und innerstaatlich — trotz der bis zur Föderalismusreform bestehenden Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes — zu den letzten wichtigen Gesetzgebungsgegenständen der Länder gehört. Diesen Kompetenzverlust wollen die Länder wieder wettmachen und sich frühzeitig und vor Ort in die Politikgestaltung auf europäischer Ebene einmischen.
Maximilian K. Grasl
Die Wahlsysteme der Länder
Auszug
Über die Bedeutung von Institutionen für die Politikgestaltung ist die Policy-Forschung geteilter Meinung. Während die einen Institutionen als zentrale Einflussgröße betrachten, räumen ihnen die anderen nur eine marginale Wirkkraft ein. Dass aber selbst diejenigen Schulen der vergleichenden Staatstätigkeitsforschung, die Institutionen für prinzipiell relevant halten, dem Wahlsystem, einer der grundlegendsten Institutionen demokratisch verfasster Systeme, eher eine nachgeordnete Wichtigkeit beimessen, überrascht. Es gibt bisher kaum Studien, die sich systematisch mit dem Einfluss des Wahlsystemtyps auf die Politik eines Staates beschäftigen (zu den wenigen Ausnahmen zählen Wagschal 1996 und 2003). Das Wahlsystem wird häufig als Teil eines bestimmten Demokratietyps gesehen, ohne dass seiner Rolle im Politikgestaltungsprozess eine herausgehobene Bedeutung beigemessen wird. Dabei liegt ein Wirkungszusammenhang zwischen Wahlsystem und Politikgestaltung auf der Hand. Folgt man der Darstellung Zohlnhöfers (2007), spielen sowohl im Rahmen der Parteiendifferenzhypothese als auch im akteurszentrierten Institutionalismus respektive dem Vetospielertheorem parteipolitische Akteure eine zentrale Rolle. Gerade im Vetospielertheorem ist die Anzahl der am Politikformulierungsprozess beteiligten Akteure eine entscheidende Stellgröße (Tsebelis 2002). Die Zahl der Vetospieler ergibt sich unter anderem aus der Anzahl von Parteien, welche die Politik eines Gemeinwesens mit gestalten können. Eine der ausschlaggebenden Variablen, welche die Menge der Parteien beeinflusst, ist das Wahlsystem (Nohlen 2004: 58). Entsprechend sollte die Ausgestaltung von Wahlsystemen im Rahmen der Policy-Forschung mehr Beachtung finden.
Matthias Trefs
Direkte Demokratie in den Bundesländern. Ein Vergleich der Institutionen und Anwendungsmuster
Auszug
Die direkte Demokratie fristete in den deutschen Bundesländern traditionell ein Nischendasein. Seit der Deutschen Einheit hat sich indessen eine Trendwende vollzogen: Zum einen wurden die unmittelbaren Beteiligungsrechte merklich ausgebaut, wodurch eine vielfältige Institutionenlandschaft entstanden ist. Zum anderen kann eine intensivere Nutzung dieser Rechte beobachtet werden. In unserem Beitrag wollen wir auf diese Veränderungen eingehen und das direktdemokratische Instrumentarium in den deutschen Bundesländern sowie seine Inanspruchnahme seit 1990 aus einer komparativ-dynamischen Perspektive untersuchen.
Raphael Magin, Christina Eder, Adrian Vatter
Sechzehn Länder, sechzehn Felder: Erträge des Vergleichs
Auszug
Die im vorliegenden Band versammelten Beiträge beinhalten für die jeweiligen Politikfelder eine Fülle von spezifischen Erkenntnissen, die an dieser Stelle nicht in ihrer ganzen Breite gewürdigt und wieder aufgegriffen werden können. Stattdessen soll es in diesem Synthesekapitel darum gehen, die Haupterträge des Vergleichs von sechzehn Politikfeldern (und als solchen behandelten Institutionen) in sechzehn Ländern in dreierlei Hinsicht zu bündeln:
Frieder Wolf, Achim Hildebrandt
Backmatter
Metadaten
Titel
Die Politik der Bundesländer
herausgegeben von
Achim Hildebrandt
Frieder Wolf
Copyright-Jahr
2008
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-531-90910-3
Print ISBN
978-3-531-15418-3
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-90910-3