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2010 | Buch

Risikomanagement in der Entwicklung und Produktion von Spielfilmen

Wie Produzenten vor Drehbeginn Projektrisiken steuern

verfasst von: Bjørn von Rimscha

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Problemstellung, Relevanz und Motivation
Zusammenfassung
Die Filmbranche ist eine projektorientierte Branche. Sie steht prototypisch für andere Medienbranchen, in denen die Produktion häufig ebenfalls in Projekten organisiert ist. Im Unterschied zu anderen Mediengattungen sind beim Film die Standardisierungsmöglichkeiten jedoch geringer. Es kann nicht, wie bei einer Tageszeitung oder den Fernsehnachrichten, jeden Tag dieselbe Designvorlage verwendet werden. Unterschiedliche Anforderungen innerhalb der einzelnen Filmprojekte führen dazu, dass kaum mit festangestelltem Personal gearbeitet wird. In der Filmproduktion treten die Probleme der Unikatproduktion somit noch deutlicher zutage als bei anderen Mediengattungen. Die Unsicherheit über die Nachfrage ist größer, da anders als z.B. bei einer Folge einer TV-Serie nicht von der Zuschauerzahl der bisher ausgestrahlten Folgen ausgegangen werden kann. Sowohl Produktion als auch Konsumtion sind weniger standardisiert, weniger berechenbar und zeigen größere Schwankungen. Je weniger jedoch die Produktion und Konsumtion standardisiert werden kann, desto wichtiger ist es, vorab mögliche Probleme zu antizipieren, zu vermeiden oder aber dafür Sorge zu tragen, dass mögliche negative Ergebnisse bewältigt werden können. Die Produktion von Medieninhalten ist als Risiko zu verstehen.
Bjørn von Rimscha
2. Begriffsklärungen und Abgrenzungen
Zusammenfassung
Neben dem Filmprojekt sind Produzenten das zentrale Untersuchungsobjekt dieser Arbeit. Ähnlich wie beim Beruf des Journalisten besteht auch beim Filmproduzenten keine eindeutige und allgemein akzeptierte Definition, wie das Berufsfeld abzugrenzen ist. Es bestehen keine formalen Zugangsvoraussetzungen und die Tätigkeitsprofile von unterschiedlichen Produzenten weichen zum Teil erheblich voneinander ab. „There are almost as many ways of functioning as a producer as there are producers “ (Puttnam 2004: 15). Allgemein kann sich jeder als Produzent bezeichnen und, das Einverständnis der restlichen Crew und Finanziers vorausgesetzt, auch im Vor- und Abspann eines Films so aufführen lassen. Eine solch beliebige Perspektive ist im Rahmen einer wissenschaftlichen Untersuchung nicht zielführend, deshalb soll hier zunächst über die verschiedenen Aspekte des Produzentenberufs reflektiert und anschließend eine Eingrenzung für den weiteren Verlauf der Arbeit entwickelt werden.
Bjørn von Rimscha
3. Gutcharakteristik des Films
Zusammenfassung
Um die ökonomischen Risiken, die bei der Entwicklung, Produktion und Distribution von Spielfilmen auftreten, eingrenzen zu können, ist es zunächst wichtig, die Eigenschaften des Films als Wirtschaftsgut darzustellen. Spielfilme zeichnen sich durch ihre Zwitterrolle zwischen (unterhaltenden) Medien auf der einen und dem Kultur- und Kunstbetrieb auf der anderen Seite aus, sie sind ebenso Wirtschaftsgut wie Kulturgut: „Moviemaking is a marriage between art and business“ (Valenti 1993). Die Charakteristiken eines Spielfilms lassen sich damit aus mehreren Perspektiven beschreiben: In der medienökonomischen Literatur wird der Film den Medien zugerechnet, gleichzeitig werden Medien allerdings häufig auf massenmediale Informationsmedien verengt behandelt. So definiert Beck z.B.: „Ein Medium ist ein Instrument zur Verbreitung von Informationen“ (2002: 1), und Heinrich betrachtet in seiner Analyse lediglich „die aktuell und journalistisch berichtenden Massenmedien“ (2001: 19). Da sich nicht alle Eigenschaften, die für informierende Inhalte gelten, unmittelbar auch auf für unterhaltende Inhalte anwenden lassen, soll hier auch auf Literatur aus dem Kontext der Cultural Economics zurückgegriffen werden, die allgemein die Eigenschaften von Kultur und Kunst als Wirtschaftsgüter beschreibt und damit auch jene Aspekte des Films erfasst, die ihn von Informationsmedien unterscheiden.
Bjørn von Rimscha
4. Marktcharakteristika in der Filmbranche
Zusammenfassung
Nachdem die Gutscharakteristik des Films beschrieben wurde, soll nun die Charakteristik des Filmmarkts dargestellt werden. In Anlehnung an Picard (vgl. 2002a: 16) wird zunächst auf den Rezipientenmarkt fokussiert und die Größe des Markts und seiner Teilmärkte skizziert. Als Teil der Unterhaltungs- und Medienbranche haben Sekundärmärkte eine große Bedeutung. Der Beschreibung der Markteintrittsbarrieren folgt die Diskussion der Substituierbarkeit der Nutzung des Films und der Nachfrageentwicklung. Produzenten sind nicht direkt auf dem Rezipientenmarkt aktiv, sondern nur vermittelt über die Distributoren. Sie müssen jedoch über die Kunden ihrer Kunden orientiert sein, um sicherzustellen, dass sie Filme entwickeln, für die eine Publikumsnachfrage besteht. Die dargestellten Eigenschaften des Films als Wirtschaftsgut haben nicht nur auf dem Rezipientenmarkt Bedeutung, sondern sind auch auf dem Beschaffungsmarkt wirksam und beeinflussen mögliche Strategien zur Risikosteuerung. Deshalb sollen auch die wichtigsten Rahmenbedingungen der Beschaffungsmärkte (Stoffe, Schauspielende, technisches Personal etc.) dargestellt werden. Schließlich wird auch die Finanzierung eines Filmprojekts als Beschaffung des Budgets auf dem Kapitalmarkt betrachtet.
Bjørn von Rimscha
5. Risiken im Filmprojekt und Steuerungsoptionen
Zusammenfassung
In der Produktion und im Vertrieb von audiovisueller fiktionaler Unterhaltung treten grundsätzlich alle Risiken auf, die auch bei der Produktion von „normalen“ Gütern eine Rolle spielen. Zusätzlich ergeben sich aus den besonderen Guteigenschaften der Produkte und der Organisation der Produktion Risikofaktoren, die sich, anders als z.B. ein Brand der Produktionsanlage, nicht versichern lassen. Traditionell werden in der Filmproduktion zwei wesentliche Risiken unterschieden (vgl. Bächlin 1945: 51ff): das Produktionsrisiko und das Konsumtionsrisiko. Daneben können für Produzenten zusätzlich Entwicklungsund Reputationsrisiken identifiziert werden. In der Entwicklung besteht ein Risiko, dass ein Projekt kein Green Light bekommt und die Aufwendungen für die Entwicklung abgeschrieben werden müssen. Das Reputationsrisiko bezieht sich auf die nicht-monetären Folgen des Marktrisikos, also den möglichen Schaden am Ruf von Produzenten, wenn ein Projekt abgelehnt wird oder kommerziell bzw. künstlerisch nicht erfolgreich ist.
Bjørn von Rimscha
6. Risikosteuerung in der Spielfilmentwicklung
Zusammenfassung
Ein strukturiertes Risikomanagement, wie in Kapitel 2.3 beschrieben, ist für die Filmbranche nicht dokumentiert. Entweder ist die Branche zu klein, um die Aufmerksamkeit von Wissenschaftlern und Beratern zu wecken oder Identifikation, Bewertung und Steuerung der Risiken laufen tatsächlich wenig strukturiert ab. Forscher und Branchenvertreter betonen stets das hohe Risiko im Zusammenhang mit der Filmproduktion und die hohe Belohnung für erfolgreiche Risikoträger, erklären aber gleichzeitig, wie schwer die Bewertung des Risikos sei. „The industry actively encourages […] the perception that the production process is akin to alchemy, in that it is incapable of precise specification“ (Pokorny et al. 2001: 157). Es darf jedoch vermutet werden, dass trotz dieser Außendarstellung das Ausmaß an Risiko in der Spielfilmproduktion bei den Akteuren zu einem bewussten Umgang mit diesem führt. Die so gebildeten Heuristiken können den Charakter eines Risikomanagements annehmen, ohne dass die Akteure es selbst als solches erkennen und entsprechend benennen. Was für Praktiker Routinen sind, kann bei analytischer Betrachtung als strukturierter Prozess dargestellt werden.
Bjørn von Rimscha
7. Methodisches Vorgehen
Zusammenfassung
Im empirischen Teil der Arbeit wird die theoriegeleitete Bewertung des Markts und der potenziellen Risiken mit ihren Steuerungsmöglichkeiten durch die tatsächlichen Handlungen und Motive der Produzenten kontrastiert. Während zur Filmdistribution umfangreiche Daten vorliegen und das Schaffen von zahlreichen Regisseuren im Detail dokumentiert ist, fehlen Datenquellen zur Projektentwicklung und den Produzenten. In der Filmgeschichte tauchen mit großen Flops wie Heaven's Gate (1980) eher gescheiterte Versuche der Risikosteuerung auf, als dass erfolgreich abgewendete Risiken bekannt werden. Die vorliegenden Daten über den Output der Branche erlauben keine Rückschlüsse auf die Strategien der Produzenten bei der Entwicklung und Produktion ihrer Filme.
Bjørn von Rimscha
8. Risikosteuerung aus Produzentenperspektive
Zusammenfassung
Im Folgenden werden die Aussagen der Interviewten gegliedert nach den Risikosteuerungsoptionen zusammengefasst dargestellt. Zur Verbesserung der Lesbarkeit werden die Interviewpartner nicht namentlich angegeben, sondern mit der ihnen zugeordneten laufenden Nummer aus Tabelle 9. Alle Aussagen in diesem Kapitel stammen aus den Interviews, allfällige Kommentierungen durch den Autor sind kenntlich gemacht. Die befragten Produzenten hatten die Möglichkeit, ihre Zitate zu prüfen und vor einer Autorisierung Änderungen anzubringen. Zum Teil machten die Produzenten extensiv von dieser Möglichkeit Gebrauch. Es wurden jedoch keine Aussagen verändert oder zurückgenommen, sondern lediglich konkrete Beispiele oder Namen gelöscht, um die zukünftige Zusammenarbeit mit Kollegen, Förderinstitutionen und Kreativen nicht zu belasten.
Bjørn von Rimscha
9. Strategieoptionen in der Risikosteuerung von Produzenten
Zusammenfassung
Die Ergebnisse aus den Interviews zeigen auf, dass es kein standardisiertes Verfahren für das Risikomanagement in der Spielfilmentwicklung vor dem Green Light geben kann. Zu sehr unterscheiden sich die konkreten Projekte sowie die strukturellen und organisationalen Kontextbedingungen. Hieraus lassen sich zwei mögliche Schlüsse ziehen: Das Risikomanagement könnte speziell zugeschnitten auf den konkreten Fall behandelt werden oder aber die Steuerung der Risiken wird weitgehend durch die verfügbaren Projektressourcen und die strukturellen Bedingungen des Markts determiniert. Es ist fraglich, ob der Aufwand für ein strukturiertes Vorgehen in jedem Fall gerechtfertigt und leistbar ist. Die Tatsache, dass die befragten Produzenten kaum Hinweise auf eine dezidierte Risikoidentifikation und -bewertung geben, deutet eher auf ein unstrukturiertes Vorgehen hin. Tatsächlich lassen sich die Antworten jedoch nach Kontextbedingungen gruppieren, sodass zumindest für die Steuerung des kommerziellen Risikos drei Strategieoptionen identifiziert werden können. In Bezug auf die Steuerung der kreativen und reputationalen Aspekte des Risikos scheint dies allerdings weniger möglich.
Bjørn von Rimscha
10. Risikosteuerungsstrategien im Ressourcen- und Strukturkontext
Zusammenfassung
Die Übersicht über die Interviewergebnisse und die Identifikation verschiedener Strategieoptionen erlauben nun eine Beantwortung der Forschungsfrage. Die Frage, welche Risikosteuerungsmaßnahmen eingesetzt werden, lässt sich recht knapp beantworten. Grundsätzlich wenden die Produzenten alle in der Literatur behandelten Steuerungsoptionen an, wenn auch in sehr unterschiedlichem Ausmaß. Das Lektorat wird in der einen oder anderen Ausprägung von allen genutzt. In einigen Fällen dient es nur der Auswahl von Stoffen, in anderen Fällen gibt es einen fließenden Übergang hin zu einer starken Beteiligung der Produzenten an der Stoffentwicklung. Alle Produzenten erklären ihre Skepsis gegenüber der Marktforschung. Für die Distributionsphase dient sie als legitime und sinnvolle Methode, nicht jedoch in der Entwicklung. Die Schwierigkeit der Rezipienten, ihre Erwartungen zu artikulieren, wird erst in zweiter Linie als Problem dargestellt, schwerwiegender ist die grundsätzliche Ablehnung, Kreativität durch statistische Auswertungen zu ersetzen.
Bjørn von Rimscha
11. Fazit und Ausblick
Zusammenfassung
Die vorliegende Arbeit hat die Risiken in der Spielfilmentwicklung und -produktion systematisiert und den Forschungsstand zu möglichen Steuerungsoptionen aufgearbeitet. Im Gegensatz zu bereits vorliegenden Arbeiten orientiert sich der empirische Teil nicht an den Eigenschaften des Outputs der Branche, sondern legt den Fokus auf die Produzenten als handelnde Akteure. Produzenten aus unterschiedlichen Kontexten wurden in Leitfadeninterviews darüber befragt, welche Steuerungsmaßnahmen sie anwenden, um ein Projekt erfolgreich zum Green Light zu führen.
Bjørn von Rimscha
Backmatter
Metadaten
Titel
Risikomanagement in der Entwicklung und Produktion von Spielfilmen
verfasst von
Bjørn von Rimscha
Copyright-Jahr
2010
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-531-91944-7
Print ISBN
978-3-531-16920-0
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-91944-7