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2011 | Buch

Freie Journalisten und ihre berufliche Identität

Eine Umfrage unter den Mitgliedern des Journalistenverbands Freischreiber

verfasst von: Isabelle Buckow

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Einleitung
Für viele Journalisten ist der Journalismus in der heutigen Zeit nicht einfach nur ein Broterwerb, sondern eine Art Berufung, die nicht selten mit hohen ethischen und persönlichen Idealen verbunden ist, die man mit der journalistischen Tätigkeit verwirklichen möchte. „Umso ernüchternder ist deshalb für viele die tatsächliche Alltagsrealität“ (Kräuter 2009: 32). Die Konkurrenz unter Journalisten ist groß, Arbeitsplätze gibt es nur wenige. Gerade in der aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise streichen viele Medienunternehmen Stellen, um weiterhin konkurrenzfähig zu bleiben. Immer häufiger wählen Journalisten deshalb den Weg in die Freiberuflichkeit, um sich ihren Lebensunterhalt finanzieren zu können. Mittlerweile gibt es nach einer Schätzung des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) rund 22.500 Journalisten in Deutschland, die hauptberuflich als Freie tätig sind (vgl. Siegert 2008: 13). Während sich die einen aus freien Stücken für die Freiberuflichkeit entscheiden, weil sie die berufliche Unabhängigkeit schätzen und sich Entwicklungschancen für ihre Karriere versprechen, bleibt anderen Journalisten oft gar keine andere Wahl. Für diese Journalisten ist das Dasein als Freiberufler eine Entscheidung aus der Not heraus, etwa weil der Arbeitgeber Verträge nicht verlängert hat oder keine Festanstellung in Aussicht steht.
Isabelle Buckow
2. Die Lage freier Journalisten in Deutschland
Freie Journalisten sind aus der Medienbranche nicht mehr wegzudenken. Wo es nur geht, versorgen sie Sender wie ARD, ZDF, RTL oder SAT. 1 mit ihren kreativen Erzeugnissen. Auch im Bereich der Printmedien sind die Freien immer mehr gefragt. Das hat einen einfachen Grund, denn „freie Mitarbeiter sind aus Sicht der Verlagsmanager nicht nur preiswerter (…), sondern häufig auch kreativer und besser“ (Weichler 2003: 8). Anders als ihre festangestellten Kollegen stehen freie Journalisten jeden Monat vor dem Problem, genügend Aufträge zu akquirieren, um sprichwörtlich „über die Runden zu kommen“. Folglich hängt von jedem einzelnen Auftrag ab, ob Rechnungen und andere Lebenserhaltungskosten gezahlt werden können. Trotz der finanziellen Unsicherheit des Berufes, steigt der Anteil der freien Journalisten seit Jahren kontinuierlich an. Weichler betrachtet es gar nur noch als eine Frage der Zeit, „bis der typische Journalist kein Angestellter mehr ist, sondern Freiberufler“ (ebd.).
Isabelle Buckow
3. Die Freischreiber als Untersuchungsgegenstand
Mit seiner Studie hat Michael Meyen den schwierigen Bereich der freien Journalisten in Deutschland aufgegriffen, der 2005 in der Journalistenstudie von Weischenberg, Malik und Scholl ausgeklammert worden war. Meyens Studie und auch die Studie des DJV aus dem gleichen Jahr haben erstes Licht in die „Blackbox“ (Pöttker 2008: 2) freier Journalisten gebracht. Die vorliegende Arbeit setzt an diesen Erkenntnissen an und geht noch einen Schritt weiter in die Tiefe. Nachdem durch die Meyen-Studie erste allgemeine Erkenntnisse über die freien Journalisten in Deutschland bekannt geworden sind, befasst sich die vorliegende Arbeit speziell mit einer einzigen Gruppe aus der großen Anzahl der Freiberufler: Den Freischreibern.
Isabelle Buckow
4. Die berufliche Situation der Freischreiber
In den folgenden Kapiteln werden die Ergebnisse der Online-Befragung dargestellt. Zunächst geht es um die berufliche Ausbildung, das Alter und das Einkommen. Anschließend wird der Frage nachgegangen, ob die Freischreiber ihren Lebensunterhalt allein durch ihre journalistische Tätigkeit finanzieren können, oder ob sie noch andere Nebentätigkeiten ausüben müssen. Die Motive, gleichzeitig Journalismus und PR zu betreiben, werden ebenso herausgearbeitet wie die Frage, inwiefern die einzelnen Mitglieder tatsächlich ihre geteilte Rolle offen legen. Weiterhin werden die Bereiche Arbeitsalltag, Auftraggeber und Arbeitsbedingungen näher beschrieben. Zudem wird näher auf die Mitgliedschaft bei den Freischreibern eingegangen, wobei auch die Erwartungen an den Verband beschrieben werden. Im Anschluss wird das berufliche Selbstverständnis der Freischreiber erfasst und darauf aufbauend diskutiert, wie die Freischreiber das Berufsfeld „Journalist“ definieren und wo sie eine Grenze zwischen Journalismus und PR ziehen würden. Dieser Teil stützt sich vor allem auf die Bewertung der sieben Grenzfälle und die Befunde aus den Textfeldern, die den Mitgliedern im Anschluss an jeden Grenzfall zur offenen Kommentierung zur Verfügung standen.
Isabelle Buckow
5. Rollenselbstverständnis der Freischreiber
In den nächsten beiden Kapiteln wird das berufliche Selbstverständnis der Freischreiber näher betrachtet. Um zu erfassen, welche journalistischen Ziele die Befragten verfolgen, wurden zunächst 16 Aussagen zu verschiedenen Kommunikationsabsichten in einer vierstufigen Skala abgefragt. Auf diese Weise konnten die Teilnehmer differenziert abwägen, ob die verschiedenen Berufsziele ihrer Meinung nach „überhaupt nicht“ bis „voll und ganz“ zutreffen. Die Auswertung erfolgt gemäß der Einteilung, die Weischenberg, Malik und Scholl in ihrer Studie vorgenommen haben. Entsprechend wird zwischen den Berufszielen „Information und Vermittlung“, „Kritik, Kontrolle, Engagement“ sowie „Service und Unterhaltung“ unterschieden (vgl. Weischenberg et al. 2006: 102ff). Darüber hinaus wurde die Dimension „Werbung“ hinzugefügt. Zusätzlich wurde ermittelt, was die Freischreiber unter Journalismus verstehen, wie sie ihre eigene Rolle sehen und mit welcher Bezeichnung sie am Arbeitsmarkt fungieren. Dazu sollten die Teilnehmer zwischen einem engen und einem weiten journalistischen Berufsbild wählen. Zusätzlich sollten sie angeben, wie sie sich selbst auf ihrer Visitenkarte/Homepage bezeichnen und wo sie persönlich ihre größte Stärke sehen.
Isabelle Buckow
6. Journalismus und PR
Wie in Kapitel 4.3 bereits deutlich geworden ist, vertritt die große Mehrheit (80 Prozent) der befragten Journalisten die Ansicht, dass sich Tätigkeiten in Journalismus und PR durchaus kombinieren lassen, solange dies transparent gemacht und die PR-Arbeit von der journalistischen Tätigkeit deutlich getrennt wird (vgl. Abbildung 52, Anhang). Dabei existieren im Hinblick auf Soziodemografie, Status, Einkommen und Medien keine Unterschiede im Antwortverhalten. Dass die meisten Freiberufler der vorliegenden Befragung der Kombination von Journalismus und PR/Werbung eher pragmatisch gegenüber stehen, zeigen auch die Antworten aus dem freien Textfeld. „Eigentlich sollte ein Journalist keine PR machen. Aber die Bezahlung der freien Journalisten ist einfach so schlecht, dass viele es sich nicht anders leisten können, den Beruf weiter auszuüben (…). Wenn Redakteure und Verleger das anders sehen, sollen sie mehr zahlen. Viele von uns würden sofort mit PR aufhören“, schrieb eine Journalistin, die nebenbei für Kundenmagazine tätig ist. So wie diese Frau beurteilen auch die meisten anderen Freischreiber das schwierige Verhältnis zwischen Journalismus und PR. Viele Journalisten stimmten zwar der Aussage „Journalisten machen keine PR“ zu, ergänzen ihre Antwort im freien Feld aber durch das Statement, dass PR-Arbeit für viele Freie in der heutigen Zeit „ein unerlässlicher Bestandteil des Einkommens“ geworden sei. Einige wiesen darauf hin, dass man allerdings eine deutliche thematische und zeitliche Trennung beider Bereiche einhalten sollte. So schrieb eine Journalistin, die hauptsächlich für Publikumszeitschriften tätig ist: „Journalisten sollten keine PR machen. Aber da Journalismus so schlecht bezahlt ist, bleibt einem ja nichts anders übrig. Dann sollte man aber die Themenfelder trennen. Sprich: Reisejournalisten machen PR für Autos und Motorjournalisten machen PR für Reise-Themen. Also nicht PR in den Themen, über die man journalistisch schreibt.“ Andere Journalisten waren dagegen der Meinung, dass Journalismus und PR „völlig verschiedene Dinge sind“, die sich gegenseitig ausschließen. „Ich persönlich finde es schwierig, dass mittlerweile offensichtlich viele Journalisten seelenruhig PR machen. Dies ist mit meinem Berufsethos nicht vereinbar. Ein Journalist muss unabhängig und kritisch bleiben. Deshalb schließen sich guter Journalismus und PR aus“, schrieb eine Journalistin, die für Fachzeitschriften arbeitet. Während diese Frau noch deutliche Unterschiede zwischen Journalismus und PR/Werbung sieht, haben sich andere Befragte sogar als Journalist eingestuft, obwohl sie in der Befragung bis zu 90 Prozent ihres monatlichen Bruttoumsatzes sowie bis zu 80 Prozent ihrer Arbeitszeit als PR/Werbung beschrieben hatten (vgl. Abbildungen 29 und 30, Anhang).
Isabelle Buckow
7. Schlussbetrachtung
In ihrem Aufruf zur Teilnahme an der vorliegenden Studie hatte Eva-Maria Schnurr, stellvertretende Vorsitzende der Freischreiber, freie Journalisten in Deutschland noch als unbekannte Wesen, als „so etwas wie die Tiefseefische der Medienbranche“ bezeichnet. Abgesehen von der Tatsache, dass es freie Journalisten gibt, wisse man über die Gruppe der Freiberufler nur sehr wenig. Von unbekannten Wesen kann nach Abschluss dieser Arbeit allerdings keine Rede mehr sein, hat doch die Online-Befragung der Freischreiber Licht in die „journalistische Tiefsee“ gebracht. Die vorliegende Studie hat nicht nur erste Informationen über den Verband Freischreiber und seine Mitglieder geliefert. Vielmehr haben die Ergebnisse deutlich gezeigt, dass zumindest unter den Freischreibern eine Deprofessionalisierung des Journalismus kaum zu verzeichnen ist.
Isabelle Buckow
Backmatter
Metadaten
Titel
Freie Journalisten und ihre berufliche Identität
verfasst von
Isabelle Buckow
Copyright-Jahr
2011
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-531-92663-6
Print ISBN
978-3-531-17883-7
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-92663-6