Zusammenfassung
In den letzten Jahren häufen sich Zeit- und Krisendiagnosen, die eine Auflösung des sozialen Zusammenhalts behaupten – das zeigen auch die in diesem Band versammelten Beiträge. Die Ursachen werden vielfach in den gesellschaftlichen Folgen der Globalisierung gesehen: Soziale Beschleunigung, wie auch Erfahrungen der Unsicherheit und der Ungerechtigkeit führten zur Erschöpfung des Subjekts und der gesellschaftlichen Moral. Darüber hinaus wird behauptet, dass Leitbilder wie das „unternehmerische Selbst“ oder der „Arbeitskraftunternehmer“ heute für Identität und Lebensführung maßgeblich würden. Dagegen wird im vorliegenden Beitrag argumentiert, dass nicht progressive, sondern, im Gegenteil, restaurative Mentalitäts- und Identitätsmuster in Deutschland als Antwort auf die gesellschaftlichen Umbrüche an Relevanz gewinnen. Eine besondere Bedeutung nimmt in Deutschland in der Mittelschicht das Mentalitätsmuster der „neuen Bürgerlichkeit“ ein, dessen Rolle in den aktuellen Auseinandersetzungen um kollektive Identität und Status der folgende Beitrag diskutieren will. Argumentiert wird, dass das Ethos der neuen Bürgerlichkeit im Zentrum einer neuen Identitätspolitik innerhalb der Mittelschicht steht, weil es zwei Funktionen erfüllt: Es bietet ein mentales und ideologischen Bollwerk gegen den oft als unmoralisch und exzessiv empfundenen neoliberalen Geist des Kapitalismus und es gewährt sozialen Abstand gegenüber den prekären und unteren Soziallagen.
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Koppetsch, C. (2011). Gesellschaft aus dem Gleichgewicht? Zur Signalfunktion neuer Bürgerlichkeit. In: Koppetsch, C. (eds) Nachrichten aus den Innenwelten des Kapitalismus. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-93482-2_13
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