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2012 | Buch

Das Medien-Klima

Fragen und Befunde der kommunikationswissenschaftlichen Klimaforschung

herausgegeben von: Prof. Dr. Irene Neverla, Prof. Dr. Mike S. Schäfer

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Über dieses Buch

Mediale Darstellungen sind für viele Menschen die zentrale Informationsquelle zum weltweiten Klimawandel. Massenmedien verdeutlichen die Relevanz des Themas, brechen globale Klimaveränderungen auf regionale Kontexte herunter und zeigen kurzfristige Folgen des langfristigen Wandels. Daher versuchen Wissenschaftler, Politiker, NGOs und Unternehmen, massenmedial zu Wort zu kommen und sich zu positionieren. Mediale Konstruktionen des Klimawandels, ihre Treiber und Wirkungen sind daher verstärkt ins Blickfeld der internationalen kommunikationswissenschaftlichen Forschung gerückt. Dieser Band sichtet die vorliegende Literatur, präsentiert den aktuellen Wissensstand und zeigt Forschungsperspektiven auf.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Einleitung: Der Klimawandel und das „Medien-Klima“

Einleitung: Der Klimawandel und das „Medien-Klima“
Zusammenfassung
Als sich die New York Times schon 1937 mit den Folgen des Klimawandels befasste, stand sie damit allein auf weiter Flur, und auch der Christian Science Monitor war den Mediendebatten seiner Zeit weit voraus, als er 1957 „Are Men Changing the Earth’s Weather?“ titelte (vgl. Boykoff & Rajan 2007). Anders in der Wissenschaft: Schon 1863 hatte der britische Physiker John Tyndall auf einen möglichen Zusammenhang zwischen Eiszeiten und einem sinkenden CO2-Anteil in der Atmosphäre hingewiesen; und der schwedische Klimaforscher Svante Arrhenius publizierte 1896 Berechnungen für zukünftige CO2-Anstiege und die auf dieser Basis zu erwartende Erderwärmung.
Irene Neverla, Mike S. Schäfer

Das Agenda Building extramedialer Akteure und das Handeln von Journalisten

Frontmatter
Wissenschaftliche und politische Akteure in der Klimadebatte
Zusammenfassung
Einschneidende Veränderungen des globalen Klimas sind schon heute in Gange und werden in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen. An fast allen Orten wird es wärmer, der Meeresspiegel steigt, Regenmengen verändern sich, extreme Wetterereignisse wie Starkniederschläge werden sich in ihrer Häufigkeit und Intensität in der Zukunft verändern. „Diese Veränderungen sind verursacht v. a. durch die Freisetzung von Treibhausgasen“ (von Storch 2009a: 306). Der Mensch wirkt also auf das globale Klima. Auch wenn in den kommenden Dekaden Maßnahmen zur CO2-Reduktion erfolgreich sein sollten und sich die Politik auf globale Strategien verständigen würde, wird sich der Klimawandel aufgrund der bereits vorhandenen Emissionsmengen in der Atmosphäre fortsetzen und die Lebensbedingungen moderner Gesellschaften in den kommenden Jahrzehnten weiter beeinflussen (vgl. Grothmann & Patt 2005; Parry u. a. 2009). Es gibt sogar Anzeichen dafür, dass die globalen Emissionen in den kommenden Jahren noch signifikant steigen werden (vgl. Sheehan 2008), und dass die in transnationalen Abkommen gesetzten Reduktionsziele nicht erreicht werden, um die potentiellen Auswirkungen des Klimawandels zumindest zu verlangsamen (vgl. Prins & Rayner 2007a).
Markus Rhomberg
Framing-Strategien in der Klimakommunikation von Industrieakteuren
Zusammenfassung
Volkswirte prognostizieren weitreichende ökonomische Folgen des Klimawandels (Bunse 2009). Unternimmt die Politik nichts, um die Treibhausgasemissionen einzudämmen, führt dies laut Stern-Bericht „to an average reduction in global per-capita consumption of 5 %, at a minimum, now and forever“ (Stern 2006: 161). Weltweit befassen sich Regierungen daher mit der Frage, ob und wie sie CO2-Emissionen regulieren sollen (Kolk & Hoffmann 2007: 412). Solche Steuerungsmaßnahmen ändern die Rahmenbedingungen für wirtschaftliches Handeln massiv. Während energieintensiven Industrien hohe Kosten drohen (Heymann 2008), stellen Regulierungen für das Segment „grüner“ Technologien einen Wachstumsmotor dar (Jänicke 2008). Wirtschaftspolitische Fragen bilden daher auch einen zentralen Aspekt der massenmedialen Klimaberichterstattung (Weingart u. a. 2002; Boykoff & Boykoff 2004; Carvalho 2005). Industrieakteure haben daher früh versucht, die Klimaberichterstattung im Sinne ihrer Interessen zu beeinflussen (Levy & Kolk 2002; McCright & Dunlap 2000; Newell 2000; Bulkeley 2000).
Inga Schlichting
Bewegungen, Gegenbewegungen, NGOs: Klimakommunikation zivilgesellschaftlicher Akteure
Zusammenfassung
Der Klimawandel ist ein globales Problem mit weitreichenden Konsequenzen für die natürliche Umwelt und den Menschen. Die primäre Wissensproduktion zum Thema erfolgt in der Wissenschaft, die beständig das Verständnis des Phänomens, seiner Ursachen und Folgen verbessert. Wissenschaftliche Akteure sind aber nicht die einzigen Kommunikatoren des Klimawandels. Eine wichtige Rolle spielen auch zivilgesellschaftliche Akteure, die Informationen (via Massenmedien) an die breite Öffentlichkeit vermitteln (vgl. Mormont & Dasnoy 1995: 56; Besio & Pronzini 2010: 292). Ihre Kommunikation zeichnet sich dabei oftmals durch eine eindrückliche Bildsprache („climate time bomb“, Doyle 2007: 136) und eine Politisierung des Themas aus, was – so eine Annahme in der Literatur – zu einer verstärkten Aufmerksamkeit für das Thema führen könnte (vgl. Doyle 2009: 103 f.).
Andreas Schmidt
Journalisten und das Thema Klimawandel: Typik und Probleme der journalistischen Konstruktionen von Klimawandel
Zusammenfassung
Extreme Hitze in Russland, Rekordkälte in Argentinien heftige Regenfälle in China und Hochwasser im Osten Deutschlands – die Parallelität dieser extremen Wetterereignisse war im Sommer 2010 für Journalisten Anlass genug, um auf ganz unterschiedliche Weise in TV, Print und online die Frage nach möglichen Auswirkungen des globalen Klimawandels zu stellen.
Irene Neverla, Stefanie Trümper

Mediale Konstruktionen des Klimawandels

Frontmatter
Issue-Attention: Mediale Aufmerksamkeit für den Klimawandel in 26 Ländern
Zusammenfassung
Klimawandel stellt in den Augen vieler Autoren ein globales Phänomen dar (vgl. Beck 2008: 81 ff.). Immerhin handelt es sich um eine Veränderung des Klimas, die in Form steigender Durchschnittstemperaturen weltweit spürbar ist (z. B. IPCC 2007: 11) und in Gesellschaften weltweit Folgen haben wird (vgl. z. B. WBGU 2008).
Mike S. Schäfer, Ana Ivanova, Andreas Schmidt
Wissen, Diskurse, Erzählungen im Kontext von Mediatisierung. Konzeptionelle Überlegungen zur sozialen Konstruktion von Klimawandel
Zusammenfassung
Sokrates’ Aphorismus über das Wissen und die ergänzende innere Stimme verweist auf die Erkenntnis des Menschen, dass er nicht in der Lage ist, die absolute Wahrheit über sich selbst und die Welt zu erkennen, ja dass es eine solche Wahrheit womöglich gar nicht gibt. Was zunächst wie die Bankrotterklärung eines Philosophen daherkommt, der doch v. a. nach Wahrheit strebt, mündet in die Einsicht, dass diese Wahrheit stets nur relativ, vorläufig und fragil ist und niemals absolut und auf Dauer richtig sein kann. Der weise Mensch wird bei Entscheidungen also nicht nur auf dieses relative Wissen zurückgreifen, sondern auch auf sein ‚Daimonion‘, seine innere Stimme oder Intuition hören. Sokrates reflektiert in seiner Aussage nur das eigene individuelle Wissen. Heute sehen wir sehr viel stärker die soziale Eingebundenheit von individuellem Wissen. Die erkenntnistheoretischen Einsichten des Konstruktivismus oder des symbolischen Interaktionismus haben zumindest in den Sozialwissenschaften den Status allgemein anerkannter Prämissen erlangt.
Corinna Lüthje, Irene Neverla
Visuelle Konstruktionen von Klima und Klimawandel in den Medien. Ein Forschungsüberblick
Zusammenfassung
Im September 2011 berichtet der Spiegel über die kleine Nordseeinsel Hallig Gröde – ein mit insgesamt elf Bewohnern nicht unbedingt nachrichtenträchtiger Ort. Doch die kleine Insel, so der Tenor des Beitrags, könne möglicherweise existentiell vom Klimawandel betroffen werden. Sollte der Meeresspiegel steigen, wäre das der Untergang der Insel: Es droht das „Tonga in der Nordsee“ (Der Spiegel 2011: 40). Um diese mögliche Folge auch konkret vor Augen zu führen, eröffnet eine fotografische Aufnahme der Hallig Gröde bei Hochwasser den Artikel (s. Abb. 1). Solche Bilder von Hochwasserkatastrophen im eigenen Land begleiten die Klimaberichterstattung des Spiegel seit das Nachrichtenmagazin die „Klimakatastrophe“ 1986 auf den Titel setzte (s. Abb. 1, vgl. Weingart u. a. 2008): Das Titelbild der Ausgabe zeigt eine Fotomontage vom Kölner Dom, dessen Fundamente in der Vergangenheit immer wieder einmal von Hochwasser umspült worden waren. Nur noch Teile des Schiffs und die Türme ragen aus einer einzigen, unendlich erscheinenden Wasserfläche heraus. Die Symbolik ist eindeutig: Der Untergang des christlichen Abendlandes und seiner Kultur steht bevor.
Elke Grittmann
Klimawandel als Apokalypse. Ein Streifzug durch populäre Kinofilme und TV-Movies
Zusammenfassung
Im Prozess der medialen Vermittlung stehen vor Medienwirkung und Nutzung die Angebote. Im Verlauf der Medienentwicklung etablierten sich unterschiedliche Angebotsformen der Thematisierung von Wirklichkeit: die aktuelle Information des Journalismus, die Beobachtung von Ereignissen im Dokumentarfilm und die Umwandlung von Fakten in Erzählungen in der Fiktion. Kollektive Vorstellungen von Wirklichkeit in der Gesellschaft basieren auf der massenmedialen Vermittlung (vgl. Merten u. a. 1994). Die von der Gesellschaft an die Massenmedien gerichtete Aufgabe lautet „so vollständig, sachlich und verständlich wie möglich informieren, damit die Staatsbürger in der Lage sind, mit kritischem Bewusstsein öffentliche Geschehen zu verfolgen.“
Joan Kristin Bleicher

Rezeption und Wirkungen medialer Konstruktionen des Klimawandels

Frontmatter
Der Klimawandel aus Rezipientensicht: Relevanz und Forschungsstand
Zusammenfassung
Die kommunikationswissenschaftliche Klimaforschung richtete bislang sehr viel mehr Aufmerksamkeit auf die Medieninhalte als auf die Seite des Publikums bzw. der Mediennutzer. Der folgende Beitrag widmet sich deshalb speziell der Publikumsseite, wofür sich denn doch einiges Material findet, wenn man den Blickwinkel und die betrachteten Forschungsfelder etwas weitet.
Irene Neverla, Monika Taddicken
Mediatisierung: Medienerfahrungen und -orientierungen deutscher Klimawissenschaftler
Zusammenfassung
Der Klimawandel wird von zivilgesellschaftlichen, wirtschaftlichen, politischen und anderen Akteuren als weitreichende gesellschaftliche Herausforderung wahrgenommen (vgl. die Beiträge von Oels & Carvalho; Schlichting; Schmidt in diesem Band). Allerdings sind sich diese Akteure über Ursachen, Verantwortlichkeiten, Auswirkungen und Handlungsoptionen oft uneins. Diese Differenzen werden in der (Medien-)Öffentlichkeit ausgetragen (vgl. Schäfer u. a. 2011). Klimawissenschaftler, die die primäre Wissensproduktion zu den Ursachen, Eigenschaften und Folgen des Klimawandels betreiben, agieren somit in einem politisierten, gesellschaftlich relevanten Forschungsfeld, das medial in hohem Maße beobachtet wird. Zudem tragen sie aktiv zu der Debatte bei, indem sie teilweise zu politischen Angelegenheiten wie dem Zwei-Grad-Ziel Stellung nehmen (z. B. Schwägerl 2009).
Mike S. Schäfer, Ana Ivanova, Inga Schlichting, Andreas Schmidt
Wer hat Angst vor „Klimaflüchtlingen“? Wie die mediale und politische Konstruktion des Klimawandels den politischen Handlungsspielraum strukturiert
Zusammenfassung
Wie wirkt sich die Medienberichterstattung über den Klimawandel auf die Politik aus? Und inwiefern nutzt die Politik die Medien für ihre Zwecke? Diese Fragen stehen im Mittelpunkt dieses Beitrags und werden sowohl auf theoretischer Ebene als auch anhand zweier Fallbeispiele diskutiert.
Angela Oels, Anabela Carvalho
Backmatter
Metadaten
Titel
Das Medien-Klima
herausgegeben von
Prof. Dr. Irene Neverla
Prof. Dr. Mike S. Schäfer
Copyright-Jahr
2012
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-531-94217-9
Print ISBN
978-3-531-17752-6
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-94217-9