Zusammenfassung
Auch wenn der ‚Streit ums Subjekt‘ längst abgeklungen zu sein scheint, ist doch die darin umkämpfte ‚Frage nach dem Subjekt‘ (Frank u.a. 1988) bislang kaum schon endgültig oder angemessen beantwortet. Eher im Gegenteil: So wie auf der einen Seite das Subjekt – verstanden als menschliche Selbstkennzeichnung, die auf Selbstbewusstsein und Selbstbestimmung fokussiert – weiterhin als die wohl zentrale Kategorie auch und gerade in der Pädagogik fungiert, so sind auf der anderen Seite insbesondere poststrukturalistische Diskurse wie selbstverständlich von der Behauptung durchzogen, dass es ‚das Subjekt‘ nicht gebe – und nicht geben könne. Vielmehr ist es, so die Kritik, Ausdruck zugrunde liegender, das Individuum bedingender Strukturen. Kern der Differenz der Positionen ist dabei eine höchst unterschiedliche Bewertung der menschlichen Freiheit: Während die einen in der Fähigkeit, einen Anfang machen und sich selbst – entlang der eigenen Vernunft – verändert verhalten zu können, den ‚Grund des Subjekts‘ sowie der aufklärerischen Konzepte subjektiver Autonomie und ebenso selbstbewusster wie sich selbst verständlicher Identität sehen, bezweifeln die anderen genau dies und betonen die Bedingtheit und Undurchsichtigkeit menschlichen Denkens und Handelns, indem sie Strukturen und Geschichte, Sprache und Körper in den Blick nehmen und derer jeweilige Vorgängigkeit herausstellen.
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Literatur
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Balzer, N., Ludewig, K. (2012). Quellen des Subjekts. In: Ricken, N., Balzer, N. (eds) Judith Butler: Pädagogische Lektüren. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-94368-8_4
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