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2011 | Buch

Handbuch Europarecht

Band 6: Institutionen und Politiken

verfasst von: Walter Frenz

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

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Über dieses Buch

Band 6 des Handbuchs zum Europarecht befasst sich mit den Institutionen und Politiken. Auch er ist wesentlich geprägt von den Neuerungen durch den Vertrag von Lissabon, ebenso von den zahlreichen Einzelaussagen des BVerfG in seinem Lissabon-Urteil zur Ausdehnung von - und Verfahrenswechseln unter Aufgabe naEinzelpolitiken sowie zu Mehrheitstionaler Vetorechte. Besonders betroffen und daher sehr ausführlich behandelt ist die justizielle Zusammenarbeit in Zivil- und in Strafsachen als Teil des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Insoweit stellen sich auch aktuelle Fragen zum Datenschutz (Swift- sowie Fluggastdaten-Abkommen und Grenzen aufgrund deutscher Verfassungsidentität nach dem BVerfG-Urteil zur Vorratsdatenspeicherung vom 2.3.2010).

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Unionsorgane und Einrichtungen

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Kapitel 1. Grundstruktur der Union

Die EU bildet keinen Staat, sondern nur einen Verbund selbstständiger Staaten. Die Entwicklung zum Bundesstaat bedürfte nach dem BVerfG sogar einer Volksabstimmung; andernfalls verstieße sie gegen das grundgesetzliche Demokratiegebot, und zwar in seinem unverzichtbaren Bestand nach Art. 79 Abs. 3, 20 Abs. 1 GG.

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Kapitel 2. Europäisches Parlament

Die Kernkompetenzen des Europäischen Parlaments lassen sich in fünf Bereiche unterteilen: Gesetzgebung, Haushalt, Kontrolle, Personalbefugnisse und schließlich Beratung (Art. 14 Abs. 1 EUV).

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Kapitel 3. Europäischer Rat

Bei den Bezeichnungen der europäischen Organe kommt es häufig zu Verwechslungen. Insbesondere der Begriff Rat findet sich in verschiedenen Zusammenhängen und wird nicht immer korrekt angewendet. Dies ist nicht zuletzt auch darauf zurückzuführen, dass die Verträge beide Ratsorgane lediglich durch den Zusatz „Europäischer“ unterscheiden.

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Kapitel 4. Rat

Der Rat ist das Beschlussorgan innerhalb der Union. Er bezeichnet sich selbst als Rat der Europäischen Union. Alternativ wird auch vom Ministerrat gesprochen. Diese Bezeichnung spiegelt die Zusammensetzung nicht adäquat wider und sollte daher vermieden werden. Ganz vereinzelt wird durch den Namen Justus Lipsius auf den Rat hingewiesen, dessen Name Pate für das Gebäude in Brüssel stand, in dem der Rat tagt (auch Consilium genannt). Zusammen mit dem Europäischen Parlament nimmt der Rat die Gesetzgebung und die Haushaltsbefugnisse wahr. Sofern der Rat auf das Initiativrecht der Kommission angewiesen ist, kann er mit einfacher Mehrheit beschließen, die Kommission zur Vorlage geeigneter Gesetzes-vorschläge aufzufordern (Art. 241 S. 1 AEUV). Kommt die Kommission dieser Aufforderung nicht nach, hat sie ihre Entscheidung zu begründen (Art. 241 S. 2 AEUV). Der Rat ist maßgeblich an den Außenbeziehungen der Union beteiligt. Er gestaltet gem. Art. 26 Abs. 2 UAbs. 1 EUV – wenngleich im Rahmen der Leit-linien und Vorgaben des Europäischen Rates – die Gemeinsame Außen- und Si-cherheitspolitik, welche dann vom Hohen Vertreter der Union für Außen- und Si-cherheitspolitik und von den Mitgliedstaaten durchgeführt wird. Auch koordiniert der Rat die Arbeiten im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts.

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Kapitel 5. Kommission

Gem. Art. 17 Abs. 1 S. 2 EUV sorgt die Kommission für die Anwendung der Verträge sowie der von den Organen kraft der Verträge erlassenen Maßnahmen, mithin des Primär- und Sekundärrechts. Zusammen mit dem Gerichtshof der EU und zugleich unter dessen Kontrolle (Art. 17 Abs. 1 S. 3 EUV) überwacht sie die Einhaltung und Durchführung des Unionsrechts. Sie ist die „Hüterin der Verträge“. Diese Rolle kommt insbesondere bei den Unternehmens- wie mitgliedstaatsbezogenen Wettbewerbsbestimmungen zum Tragen. Die Kommission überwacht, wenngleich vielfach zusammen mit den nationalen Behörden (s. Art. 4 f., 11 ff. VO (EG) Nr. 1/2003; für Beihilfen Art. 108 Abs. 1 AEUV und näher Art. 17 ff. VO (EG) Nr. 659/1999), aber federführend den Vollzug des Wettbewerbsrechts und kann Ausnahmen von grundsätzlichen Verboten akzeptieren, Unternehmensfusionen verbieten; sie kontrolliert die mitgliedstaatliche Subventionsvergabe, erlässt Sanktionsmaßnahmen etc. Bei staatlichen Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht leitet sie das Vertragsverletzungsverfahren ein.

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Kapitel 6. Beratende Einrichtungen

Neben dem (Europäischen) Wirtschafts- und Sozialausschuss ist der Ausschuss der Regionen die einzige beratende Einrichtung der Union.

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Kapitel 7. Gerichtshof der EU

Vergegenwärtigt man sich die Verstrebungen der anderen Organe untereinander, wird es um so offensichtlicher: Der Gerichtshof der EU ist das einzige unabhängige Organ im Verbund der EU. Diese Stellung ergibt sich daraus, dass nur ein solches Organ, das Einwirkungen seitens der Unionsorgane und der Mitgliedstaaten entzogen ist, frei Recht sprechen kann. Der Gerichtshof der EU bildet die Judikative und damit die dritte Gewalt.

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Kapitel 8. Europäische Zentralbank und Europäische Investitionsbank

Die Europäische Zentralbank (EZB) ist im Rahmen des Maastrichter Vertrags in die Verträge eingeführt worden. Gem. Art. 282 Abs. 1 AEUV bilden die EZB und die nationalen Zentralbanken das Europäische System der Zentralbanken (ESZB). Oft werden EZB und ESZB vermengt. Streng genommen ist jedoch zwischen der EZB als zentralem europäischen Organ und dem ESZB, d.h. dem Gesamtsystem der nationalen Zentralbanken und der EZB, zu unterscheiden. Die Unterschei-dung findet sich sowohl in den Verträgen als auch in der „Satzung des Euro-päischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank“ (ESZB- und EZB-Satzung), die gem. Art. 129 Abs. 2 AEUV den Verträgen durch ein Protokoll (Nr. 4) beigefügt und daher gem. Art. 51 EUV Bestandteil der Verträge ist.

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Kapitel 9. Rechnungshof und Finanzverfassung

Der Europäische Rechnungshof (EuRH) wurde durch den „zweiten Haushaltsvertrag“ vom 22.7.1975 errichtet. Ursprünglich oblag die externe Finanzkontrolle bei EWG und EAG einem Kontrollausschuss und bei der EGKS einem Rechnungsprüfer. In Vergleich zu diesen wurde der Rechnungshof mit größerer Unabhängigkeit und mehr Kompetenzen ausgestattet. Durch Änderung von Art. 22 des Fusionsvertrags war er zugleich für alle drei Gemeinschaften verantwortlich.

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Kapitel 10. Europäisches Dienstrecht

Angesichts ihrer Fülle von Aufgaben verfügt die Union über diverse Institutionen und Einrichtungen. Diese erfordern eine hohe Mitarbeiterzahl: Es müssen Planungen erstellt und Beschlussvorlagen ausgearbeitet werden, die Anwendung normativer Regelungen bringt den Erlass zahlreicher Einzelentscheidungen mit sich, die Erfüllung der Pflichten durch die Rechtsunterworfenen in 27 Mitgliedstaaten ist zu überwachen, die ordnungsgemäße, einheitliche Durchführung des europäischen Unionsrechts durch die zuständigen nationalen Stellen sicherzustellen, die eigene Forschungstätigkeit der Union voranzutreiben und schließlich der interne Verwaltungsbetrieb aufrechtzuerhalten.

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Rechtsetzungsverfahren

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Kapitel 11. Grundsystem und Vorbereitung

Als „Rechtsgemeinschaft“ ist die Union mit der Befugnis ausgestattet, Recht zu setzen. Sie verfügt jedoch über keine allgemeine Rechtsetzungsbefugnis. Entsprechend dem Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung nach Art. 5 Abs. 2 EUV muss ihr die Rechtsetzungsbefugnis vielmehr im Einzelfall zugewiesen sein. Die Ermittlung der einschlägigen Kompetenzgrundlage ist damit von maßgebender Bedeutung. Hiervon hängt nicht nur ab, ob und inwieweit tatsächlich eine Rechtsetzungsbefugnis der Union besteht, sondern auch, welches Rechtsetzungsverfahren zur Anwendung kommt.

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Kapitel 12. Ordentliches Gesetzgebungsverfahren

Nach Art. 289 Abs. 1 AEUV und Art. 294 AEUV gibt es ein ordentliches Gesetzgebungsverfahren. Dieses entspricht dem früheren Mitentscheidungsverfahren, das erstmalig durch den Maastrichter Vertrag eingeführt wurde. Der Anwendungsbereich wurde sukzessive ausgedehnt. Als ordentliches Gesetzgebungsverfahren ist es nun seit dem Vertrag von Lissabon das Regelverfahren zur allgemeinen Rechtsetzung in der Union. Nur in Ausnahmefällen, die gem. Art. 289 Abs. 2 AEUV ausdrücklich in den Verträgen vorgesehen sein müssen, tritt ein besonderes Gesetzgebungsverfahren an seine Stelle. Und auch dieses kann in verschiedenen Fällen durch einstimmigen Beschluss des Rates und nach Anhörung zumindest des Europäischen Parlaments sowie hinreichender Beteiligung der nationalen Gesetzgebungsorgane in das ordentliche Gesetzgebungsverfahren überführt werden.

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Kapitel 13. Besondere Gesetzgebungs- und sonstige Rechtsetzungsverfahren

Gem. Art. 289 Abs. 2 AEUV erfolgt in bestimmten, in den Verträgen vorgesehenen Fällen ein besonderes Gesetzgebungsverfahren. Es besteht in der Annahme einer Verordnung, einer Richtlinie oder eines Beschlusses durch das Europäische Parlament mit Beteiligung des Rates oder durch den Rat mit Beteiligung des Europäischen Parlaments. Das besondere Gesetzgebungsverfahren zeichnet sich folglich dadurch aus, dass eines der Legislativorgane (Parlament oder Rat) unter Beteiligung des anderen Legislativorgans einen Rechtsakt erlässt, wobei diese Beteiligung von einer Zustimmung bis zu einer bloßen Stellungnahme reichen kann. Der Erlass eines Gesetzgebungsakts durch die Kommission ist ausgeschlossen.

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Einzelpolitiken

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Kapitel 14. Unionsziele und -werte

Art. 2 EUV führt unmittelbar nach der die Vertragsbedeutung und -systematik als solche kurz charakterisierenden Eingangsbestimmung des Art. 1 EUV die zentralen Werte der Union auf. Er ist eine der Vorschriften, die aus dem Entwurf einer Verfassung der EU wortgleich in den Vertrag von Lissabon überführt wurden. Diese Norm erweitert und verstärkt Art. 6 Abs. 1 EU erheblich, enthält allerdings zugleich die Elemente aus dieser Vorläuferbestimmung.

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Kapitel 15. System der Unionspolitiken

Der EUV definiert die Ziele der Union und damit das Integrationsprogramm. Diesen Rahmen füllt im Detail der AEUV aus, ohne aber deshalb nachrangig zu sein: In ihm wird gemäß seinem Art. 1 Abs. 1 die Arbeitsweise der Union geregelt. Er legt zudem die Bereiche, die Abgrenzung und die Einzelheiten der Ausübung der Unionszuständigkeiten fest.

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Kapitel 16. Landwirtschafts- und Fischereipolitik

Landwirtschaftliche Nutzflächen und Wälder bedecken den größten Teil des europäischen Grundgebiets. Darüber hinaus verfügt die EU über die weltweit flächengrößten Hoheitsgewässer. Die Landwirtschafts- und Fischereipolitik der Union nimmt daher eine Schlüsselfunktion für die nachhaltige wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung der ländlichen Gebiete und die Erhaltung natürlicher Lebensräume ein.

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Kapitel 17. Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts

Der Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (RFSR) ist in den letzten Jahren in das Zentrum der europäischen Politik gerückt und hat sich zu einem der am schnellsten wachsenden und dynamischsten Politikfelder entwickelt. Der Begriff wurde 1999 auf dem Gipfel des Europäischen Rates von Tampere und damit vergleichsweise spät geprägt. Mit ihm soll die europäische Integration über einen bloßen Binnenmarkt hinausgehen. Sein Ziel ist der freie und voraussetzungslose Personenverkehr.

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Kapitel 18. Verkehrspolitik

Gem. Art. 90 AEUV werden auf dem im Titel Verkehr geregelten Sachgebiet die Ziele der Verträge im Rahmen einer gemeinsamen Verkehrspolitik verfolgt. Damit knüpft die Verkehrspolitik explizit an die Ziele der Verträge an. Ein wesentliches Vertragsziel ist die Errichtung des Binnenmarkts, und zwar gemäß der allgemeinen Zielvorgabe des Art. 3 Abs. 3 S. 1 EUV und dem einleitenden Titel für die internen Politiken und Maßnahmen der Union nach Art. 26 AEUV. Nach dessen Absatz 2 umfasst der Binnenmarkt einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gewährleistet ist.

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Kapitel 19. Steuerpolitik

Die Vertragsgeber agierten bei der Ausgestaltung des Steuerrechts sehr verhalten. Wie im Ausspruch „the power to tax is the power to govern“ zum Ausdruck kommt, gehört die Steuerhoheit zu den fundamentalen Souveränitätsrechten der Mitgliedstaaten. Das BVerfG sieht die Einnahmen als wesentlichen Bereich demokratischer Gestaltung und damit typischerweise den Mitgliedstaaten zuzuordnende Aufgabe. Folglich haben die Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Besteuerung nur in begrenztem Umfang Hoheitsrechte an die Union abgegeben.

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Kapitel 20. Rechtsangleichung

Unter Rechtsangleichung versteht man die Annäherung nationaler Rechtsvorschriften an einen unionsrechtlich vorgegebenen Standard, was der Verringerung und Beseitigung von Rechtsunterschieden zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten dient. Innerhalb des AEUV ist neben dem Begriff „Angleichung“ noch synonym von „Harmonisierung“ die Rede. Die „Koordinierung“, „Unterstützung“ und „Ergänzung“ sind demgegenüber grundsätzlich kein Fall der Harmonisierung, was Art. 2 Abs. 5 AEUV zeigt. Dennoch wird der Begriff „Koordinierung“ in den Verträgen zum Teil im Zusammenhang mit der Rechtsangleichung verwendet, so in Art. 52 Abs. 2 AEUV. Als Anhaltspunkte, wann eine Koordinierung i.S.d. Art. 2 Abs. 5 AEUV vorliegt, können Art. 5 und 6 AEUV herangezogen werden.

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Kapitel 21. Wirtschafts- und Währungspolitik

Auf primärrechtlicher Ebene ist die Wirtschafts- und Währungspolitik in Art. 119-144 AEUV geregelt. Den Untergliederungen in einzelne Kapitel in diesem Abschnitt ist Art. 119 AEUV vorgelagert. Dessen übergeordnete Stellung verdeutlicht sich auch an den Verweisen in Art. 120 und 127 AEUV, welche jeweils die ersten Normen der Kapitel über die Wirtschafts- bzw. Währungspolitik sind. Art. 119 Abs. 1 und 2 AEUV legen den Rahmen der Wirtschafts- und Währungspolitik fest. In Art. 119 Abs. 3 AEUV werden die „richtungweisenden Grundsätze“ aufgeführt, welche zur Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) beachtet werden müssen.

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Kapitel 22. Beschäftigung und Sozialfonds

Während die Sozialpolitik bereits 1958 bei der Gründung der EWG geschaffen wurde, wurde der Titel über die Beschäftigungspolitik erst durch den Vertrag von Amsterdam eingeführt (Titel VIII, Art. 125-130 EG). Hintergrund war die seit den 70er Jahren gestiegene Massenarbeitslosigkeit in Europa. Seitdem ist die Förderung der Beschäftigung eine Angelegenheit von gemeinsamem Interesse der Mitgliedstaaten (Art. 146 Abs. 2 AEUV).

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Kapitel 23. Sozialpolitik

Die Europäische Sozialpolitik kennt die im deutschen Recht gängige Aufteilung in Arbeits- und Sozialrecht nicht. Die im Titel X des AEUV enthaltenen, dort sog. Sozialvorschriften umfassen in erster Linie das Arbeitsrecht und insbesondere mit den in Art. 153 Abs. 1 lit. c), j) und k) AEUV genannten Bereichen „soziale Sicherheit, sozialer Schutz und soziale Ausgrenzung“ das Sozialrecht.

Walter Frenz
Kapitel 24. Bildung, Jugend, Sport

Seit den 60er Jahren hat sich die europäische Bildungspolitik nach und nach in eine programmorientierte Politik entwickelt. Im Vordergrund stehen Förderungsprogramme (Aktionsprogramme) in der allgemeinen und beruflichen Bildung sowie Richtlinien zur gegenseitigen Anerkennung von Berufs- und Hochschulabschlüssen der Mitgliedstaaten, welche die dazu ergangene Judikatur nachzeichnen.

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Kapitel 25. Kultur

Die begrenzten kulturpolitischen Kompetenzen der Union sind in Art. 167 AEUV geregelt. Danach darf die Union keine eigene Kulturpolitik entwickeln, sondern hat sich auf unterstützende und ergänzende Maßnahmen der Kulturpolitik der Mitgliedstaaten zu beschränken. Sie darf diese nicht konterkarieren, vereinheitlichen oder gar ersetzen.

Walter Frenz
Kapitel 26. Gesundheitswesen

Die Gesundheits- und Sozialversicherungssysteme sind in den Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich strukturiert, organisiert und finanziert. Es gibt steuer- und beitragsfinanzierte Systeme. Großbritannien beispielsweise stellt die ärztliche Versorgung durch einen staatlichen Gesundheitsschutz sicher. In Luxemburg und anderen Staaten gilt das Kostenerstattungsprinzip, in Deutschland dagegen das Sachleistungs-prinzip. Speziell Letzteres ist ein hoch kompliziertes, in sich geschlossenes System, das davon ausgeht, dass die vertragsärztliche Versorgung durch Leistungserbringer im Inland sichergestellt wird. Entsprechend hat sich erst recht spät eine eigenständige Gesundheitspolitik der Union entwickelt, die weiterhin in engen Grenzen zu verlaufen hat.

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Kapitel 27. Verbraucherschutz

Verbraucherschutz basiert darauf, dass in der modernen Industriegesellschaft mit ihren differenzierten Waren- und Dienstleistungsangeboten der wirtschaftlich schwache Verbraucher ohne Information oft schutzlos gegenüber unlauterem Verhalten von Produzenten, Dienstleistern und Händlern und damit der Übermacht der Anbieter dasteht. Zu Beginn des europäischen Einigungsprozesses standen der Abbau von Handelshindernissen und die Verwirklichung der Marktfreiheiten im Vordergrund. Aufgrund dieser marktliberalen Konzeption fand der Verbraucherschutzgedanke zunächst keinen Eingang in die Gemeinschaftspolitik.

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Kapitel 28. (Infra-)Strukturpolitik

In den Art. 170-172 AEUV sind Regelungen zu den sog. transeuropäischen Netzen (TEN) getroffen. Diese Vorschriften bilden den unionsrechtlichen Rahmen für den Auf- und Ausbau der Verkehrs-, Telekommunikations- und Energieinfrastrukturnetze in der EU. Nach Art. 4 Abs. 2 lit. h) AEUV fällt dieser Bereich in die geteilte Zuständigkeit zwischen Union und Mitgliedstaaten.

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Kapitel 29. Umwelt

Der Vertrag von Lissabon hat die primärrechtlichen Regelungen zur Umweltpolitik nicht wesentlich verändert. Der hohe Schutzstandard wurde gewahrt. Dem Umweltschutz ist wie schon bisher als eigenständiger Unionspolitik nicht lediglich ein eigener Titel im Primärrecht gewidmet (vgl. Art. 4 Abs. 2 lit. e) AEUV, Art. 191 ff. AEUV). Darüber hinaus wird er in den Verträgen auch an anderen Stellen als Ziel und Aufgabe der EU hervorgehoben. Bereits in der Präambel zum EUV (vgl. Erwägungsgrund 9) wird die Stärkung des Umweltschutzes als eine Rahmenbedingung im Prozess der europäischen Integration genannt. Im direkten Kontext steht außerdem der Entschluss, den Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung bei der Förderung des wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts zu berücksichtigen.

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Kapitel 30. Energie

Die Energiepolitik erfasst allgemein alle Maßnahmen, die unmittelbar die Energiewirtschaft betreffen, genauer gesagt die gesamte Wertschöpfungskette. Davon erfasst werden die Erzeugung bzw. Förderung, die Lagerung, der Transport, die Verteilung sowie die Vermarktung, einschließlich der Preispolitik, und der Verbrauch von Energie. Dabei kann es sich um die leitungsgebundenen Energien Strom und Gas handeln, darüber hinaus aber auch um Mineralöl, Kernenergie, Kohle, Fernwärme oder erneuerbare bzw. regenerative Energien. Zu Letzteren gehören die unmittelbar oder mittelbar aus der Sonnenstrahlung resultierenden „solaren“ Energiequellen Wind, Wasserkraft, Biomasse und Sonne sowie die „nicht-solaren“ Energiequellen Gezeiten und Geothermie (Erdwärme).

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Kapitel 31. Atompolitik

Die Atompolitik auf EU-Ebene wird hauptsächlich durch den Euratom-Vertrag (EAG) bestimmt. Die Vorschriften des EUV und AEUV können jedoch ebenfalls dieses Sachgebiet beeinflussen. Dafür stehen vor allem die Grundfreiheiten, die Umwelt- und Energiepolitik sowie die Grundrechte der EGRC (s. Art. 6 Abs. 1 EUV). Der EAG ist lex specialis im Verhältnis zu EUV und AEUV. Er enthält aber keine abschließenden Sonderregelungen, so dass die anderen vertraglichen Bestimmungen subsidiär herangezogen werden können.

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Kapitel 32. Tourismus

Der Tourismus als Bestandteil der internen Politiken der Union ist erst mit dem Vertrag von Lissabon eingeführt worden. Der AEUV enthält nun einen Titel XXII „Tourismus“, der in Art. 195 AEUV als einzigem Artikel Ergänzungsmaßnahmen im Tourismussektor regelt. Art. 195 AEUV konkretisiert insofern die ebenfalls durch den Vertrag von Lissabon neu gefasste Kompetenzzuweisung der Union für den Bereich Tourismus in Art. 6 S. 2 lit. d) AEUV.

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Kapitel 33. Katastrophenschutz

Mit dem Vertrag von Lissabon wurde der Katastrophenschutz erstmals zu einer internen Politik der Union. Titel XXIII „Katastrophenschutz“ regelt in Art. 196 AEUV die Zusammenarbeit beim Katastrophenschutz. Darin besteht die Konkretisierung der ebenfalls durch den Vertrag von Lissabon neu gefassten Kompetenzzuweisung der Union für den Bereich Katastrophenschutz in Art. 6 S. 2 lit. f) AEUV, um die Tätigkeit der Mitgliedstaaten zu unterstützen, zu koordinieren und zu ergänzen.

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Kapitel 34. Verwaltungszusammenarbeit

Die Verwaltungszusammenarbeit als Bestandteil der internen Politiken und Maßnahmen der Union ist erst mit dem Vertrag von Lissabon eingeführt worden. Der AEUV enthält nun einen Titel XXIV „Verwaltungszusammenarbeit“, der in Art. 197 AEUV als einzigem Artikel Unterstützungsmaßnahmen der Union für die Effektivierung der administrativen Durchführung des Unionsrechts durch die Mitgliedstaaten regelt. Insofern stellt Art. 197 AEUV eine Konkretisierung der ebenfalls durch den Vertrag von Lissabon neu geschaffenen Kompetenzzuweisung der Union für den Bereich der Verwaltungszusammenarbeit in Art. 6 S. 2 lit. g) AEUV dar.

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Außenpolitik

Kapitel 35. Assoziierung

Gem. Art. 198 Abs. 1 AEUV kommen die Mitgliedstaaten überein, die außereuro-päischen Länder und Hoheitsgebiete, die mit Dänemark, Frankreich, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich besondere Beziehungen unterhalten, der Union zu assoziieren. Insoweit muss also kein Assoziierungsabkommen gem. Art. 217 AEUV geschlossen werden, sondern die Assoziierung besteht kraft primärrechtlicher Anordnung. Damit gelten aber nicht automatisch die vertraglichen Vorschriften wie der freie Warenverkehr, sondern es handelt sich um einen dyna-mischen und allmählichen Prozess unter Einbeziehung der Grundsätze des Unionsrechts – einschließlich derer mit Bezug auf die gemeinsame Agrarpolitik.

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Kapitel 36. Auswärtiges Handeln der Union

Um Europas neuer Rolle in einer globalisierten Welt gerecht werden zu können und im intensiven globalen Wettbewerb zu bestehen, muss die EU im Bereich ihrer Außenbeziehungen handlungsfähig sein. Das auswärtige Handeln der EU setzt insoweit voraus, dass die EU Träger völkerrechtlicher Rechte und Pflichten sein kann. In der Vergangenheit war die Rechtsfähigkeit der EU im Gegensatz zu derjenigen der EG (vgl. Art. 281 EG) umstritten. Art. 47 EUV stattet die EU nunmehr ausdrücklich mit einer eigenen Rechtspersönlichkeit aus, so dass sie im internationalen Verkehr ein handlungsfähiges Völkerrechtssubjekt darstellt. Als umfassendes Völkerrechtssubjekt kann sie im Rahmen ihrer Kompetenzen am völkerrechtlichen Verkehr teilnehmen, Adressat völkerrechtlicher Rechte und Pflichten sein und insbesondere völkerrechtliche Verträge abschließen (Art. 216 Abs. 1 AEUV).

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Kapitel 37. Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik

Gem. Art. 23 EUV beruht das Handeln der Union auf internationaler Ebene im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) auf den Grundsätzen des Kapitels 1 und damit den allgemeinen Bestimmungen über das auswärtige Handeln. Es verfolgt die darin genannten Ziele und steht mit den allgemeinen Bestimmungen jenes Kapitels im Einklang. Das ergibt sich auch schon aus Art. 21 Abs. 3 EUV, wird so aber für die besonders ausgestaltete GASP nochmals betont.

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Metadaten
Titel
Handbuch Europarecht
verfasst von
Walter Frenz
Copyright-Jahr
2011
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-540-31101-0
Print ISBN
978-3-540-31100-3
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-540-31101-0