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2012 | Buch

Gesundheitsökonomische Evaluationen

herausgegeben von: Oliver Schöffski, J.-Matthias Graf von der Schulenburg

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

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Über dieses Buch

Die angespannte finanzielle Situation im Gesundheitswesen führt dazu, dass neben medizinischen auch immer mehr ökonomische Sachverhalte eine Rolle spielen. Gesundheitsökonomische Evaluationen dienen dazu, die Kosten und den Nutzen verschiedener medizinischer Maßnahmen in Relation zueinander zu setzen, um Prioritäten setzen zu können. In diesem Buch werden sowohl die Grundlagen als auch die aktuellen Forschungsergebnisse solcher Studien praxisorientiert dargestellt. Besonders berücksichtigt werden dabei auch Lebensqualitätseffekte. Das Buch ist eine große Hilfe bei der praktischen Durchführung von Evaluationsstudien: Es gibt Nicht-Ökonomen einen guten Überblick über das Themengebiet und informiert Experten über den Stand der Forschung. Die aktuellen Entwicklungen (z.B. NICE, IQWiG, AMNOG) sowie neue Themengebiete (z.B. Modellierungen, Budget Impact Modelle, Diskussion über Verteilungsgerechtigkeit) werden in dieser vierten, komplett überarbeiteten Auflage berücksichtigt.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Teil A Methodische Grundlagen

1 Einführung
Zusammenfassung
Schon seit einigen Jahren ist zu beobachten, dass bei Fragen, die das Gesundheitswesen betreffen, nicht mehr ausschließlich Ärzte gehört werden, sondern auch die Kompetenz von Wirtschaftswissenschaftlern gefragt ist. Von ärztlicher Seite wird häufig kritisiert, dass dadurch fachfremde Personen bei Entscheidungen beteiligt werden, die eigentlich eine medizinische Domäne sind.
Oliver Schöffski
2 Die Entwicklung der Gesundheitsökonomie und ihre methodischen Ansätze
Zusammenfassung
Die Gesundheitsökonomie ist ein etabliertes Fach, das in Deutschland an mehreren Hochschulen gelehrt wird und sich bereits in verschiedene Teilgebiete ausdifferenziert hat: z. B. die mikroökonomisch basierte Entscheidungstheorie, welche sich u. a. mit dem Verhalten von Versicherten, Ärzten und Krankenversicherungen beschäftigt, die auf der neoklassischen Wohlfahrtstheorie aufbauende ökonomische Evaluationsforschung und Pharmakoökonomie, die betriebswirtschaftlich orientierte Krankenhausökonomie und die mit der Versorgungsforschung und der Public Health Forschung verwandte ökonomische Gesundheitssystemforschung. Insbesondere die gesundheitsökonomische Evaluationsforschung hat in den letzten Jahren an Bedeutung hinzugewonnen, da die Diskussion um die Notwendigkeit der 1Rationierung (= Streichung von Leistungen mit einem schlechten Kosten-Nutzen-Verhältnis) und einer vierten Hürde für Arzneimittel (neben der für die Zulassung eines Arzneimittels nachzuweisenden Eigenschaften Wirksamkeit, Sicherheit und Qualität muss auch die Wirtschaftlichkeit belegt werden) die gesundheitspolitische Diskussion beherrscht. Der Arbeitsmarkt für Gesundheitsökonomen war nie so gut wie heute. Zwei gesundheitsökonomische Fachgesellschaften haben sich in Deutschland gebildet: der Ausschuss Gesundheitsökonomie im Verein für Socialpolitik (nur für ausgewiesene Wissenschaftler) und die Deutsche Gesellschaft für Gesundheitsökonomie (offen für alle).
J.-M. Graf v. d. Schulenburg
3 Die Berechnung von Kosten und Nutzen
Zusammenfassung
Das Ergebnis einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchung ist nicht unerheblich davon abhängig, auf welche Weise die zugrunde liegenden Daten erhoben wurden und welche Methodik zur Erfassung und Bewertung der Kosten und Nutzen verwendet wurde. Die adäquate Berechnung von Kosten und Nutzen nimmt daher im Rahmen der Durchführung von gesundheitsökonomischen Evaluationen eine zentrale Rolle ein und es ist von großer Bedeutung, bei der Präsentation der Studienresultate die Herkunft der Daten des Ressourcenverzehrs, die Bewertungsgrößen (vor allem Preise und Gebühren) sowie die verwendeten Kalkulationstechniken (z. B. Modellierung) präzise anzugeben. Die Einhaltung bestimmter Standards ist für die Qualitätssicherung unabdingbar, damit Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen bei Allokationsentscheidungen im Gesundheitswesen (aber auch in anderen Bereichen der nicht-marktlichen Bereitstellung von Leistungen) von Relevanz sein können.
Wolfgang Greiner, Oliver Damm
4 Grundformen gesundheitsökonomischer Evaluationen
Zusammenfassung
Hinter dem Überbegriff gesundheitsökonomische Evaluation verbirgt sich kein einheitliches Studiendesign. Es sind vielmehr verschiedene Studienformen zu unterscheiden, die insbesondere die Kosten- und Nutzenkomponenten unterschiedlich berücksichtigen. Die Wahl der Analyseart hängt dabei vom Untersuchungsgegenstand und dem Zweck der Studie ab.
Grob unterscheiden kann man Studien ohne vergleichenden und Studien mit vergleichendem Charakter. Obwohl für eine Optimierung der Ressourcenallokation im Gesundheitswesen generell vergleichende Studien erforderlich sind, haben für bestimmte Fragestellungen auch nicht vergleichende Studien ihre Berechtigung. Die Systematik der verschiedenen Formen von gesundheitsökonomischen Evaluationen stellt sich gemäß Abb. 4.1 dar.
Oliver Schöffski
5 Das QALY-Konzept als prominentester Vertreter der Kosten-Nutzwert-Analyse
Zusammenfassung
Nachdem in den letzten Kapiteln dargestellt wurde, in welcher Studiensystematik ökonomische Untersuchungen durchgeführt werden können, wird in diesem Kapitel speziell noch einmal die Kosten-Nutzwert-Analyse thematisiert und hier insbesondere die wohl prominenteste Form, das QALY-Konzept.
Entscheidungsfindungen sind häufig zu komplex, als dass einfache Vergleiche der Alternativen ausreichend sind. Sobald man mehr als eine Dimension misst, kann man sich im Regelfall zwischen zwei Alternativen nicht mehr entscheiden. Etwas provokant ausgedrückt: Individuen sind nur in der Lage zwei Werte miteinander zu vergleichen und zu entscheiden, welcher von beiden größer und welcher kleiner ist. Sobald mehr Dimensionen mit ins Spiel kommen, ist man eigentlich schon überfordert.
Oliver Schöffski, Wolfgang Greiner
6 Das Schwellenwertkonzept: Theorie sowie Umsetzung beim IQWiG und anderen Institutionen
Zusammenfassung
Wie bereits in den vorangegangenen Kapiteln dargestellt wurde, sind die Mittel, die für das Gesundheitswesen zur Verfügung stehen, nicht ausreichend um alles Wünschenswerte zu finanzieren. Die Gesellschaften müssen sich der Herausforderung stellen eine gerechte, effektive und effiziente Gesundheitsversorgung anzubieten. Nur was der Gesellschaft einen Nutzen stiftet und was sie sich leisten kann, sollte im Rahmen einer solidarisch finanzierten Gesundheitsversorgung angeboten werden.
Oliver Schöffski, André Schumann, Alexander Kuhlmann, Christoph Schwarzbach
7 Grundprinzipien einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchung
Zusammenfassung
Bei der Anlage von Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen ist eine Reihe von methodischen Mindeststandards einzuhalten, damit die Studienergebnisse transparent, nachvollziehbar und vergleichbar sind. Einige Fragen, die vor und während einer Evaluation häufig auftreten, werden in den folgenden Abschnitten diskutiert. Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen können zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Zuge des Gesamtprozesses der Entstehung und Verwendung medizinisch-technischer Innovationen stattfinden: „ex-ante“, d. h. vor der Einführung, zur Steuerung und Planung, „ex-post“, d. h. nach der Einführung, zur Erfolgskontrolle. Dabei besteht das Dilemma darin, dass die zur Verfügung stehenden Daten gerade zu dem Zeitpunkt besonders knapp und unsicher sind, wenn eine Beurteilung zum Zeitpunkt der Einführung einer Methode besonders dringlich ist.
Wolfgang Greiner, Oliver Schöffski
8 Budget Impact Analysen
Zusammenfassung
Medizinische Innovationen stehen unter dem Generalverdacht grundsätzlich unkontrollierbare, nicht abschätzbare Kostenausweitungen nach sich zu ziehen. Dies liegt zum einen an dem üblicherweise höheren Preis des neuen Produkts im Verhältnis zur bisherigen Standardtherapie. Zum anderen aber auch an einer kaum kalkulierbaren Mengenausweitung, beispielsweise bedingt durch eine breitere Indikationsstellung oder durch die höhere Akzeptanz einer Therapie wegen des verbesserten medizinischen Potenzials. Diese zusätzlichen Kosten müssen im Regelfall von den Kostenträgern erstattet werden. Die gegenwärtige Situation im deutschen Gesundheitswesen lässt jedoch nur wenig Spielraum für zusätzliche Ausgaben in den Budgets der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Besonders deutlich wird dies im Bereich der Arzneimitteltherapie. Seit dem Jahr 2001 übersteigen die GKV-Ausgaben für Arzneimittel die Ausgaben für Arztbesuche. Bei einem genaueren Blick auf die Kostenstruktur für Arzneimittel kann festgestellt werden, dass der starke Kostenanstieg nicht im Bereich der etablierten Wirkstoffe und Medikamente liegt
Stefan Eisenreich, Martin Bierbaum, Stefan Sohn, Oliver Schöffski

Teil B Datengenerierung und Auswertung

1 Primärdatenerhebung
Zusammenfassung
In diesem zweiten großen Teil des Buchs werden die Möglichkeiten dargestellt, die bezüglich des Designs einer gesundheitsökonomischen Evaluation bestehen. Es geht hierbei um die globale Anlage einer Studie und damit um Fragen, die geklärt werden müssen, bevor überhaupt eine Entscheidung bezüglich der Studienform (z. B. Kosten-Effektivitäts-Analyse, Kosten-Nutzwert-Analyse) oder des Vorgehens innerhalb dieser Studienform (z. B. bezüglich der Diskontierung, bezüglich Sensitivitätsanalysen) getroffen wird. Von daher müsste Teil B des Buchs von der Sachlogik her gesehen vor dem Teil A stehen. Da allerdings einige der Grundlagen aus Teil A für das Verständnis einzelner Kapitel von Teil B unabdingbar sind (z. B. welches ist eigentlich die Zielgröße eines Markov-Modells), wurde diese Reihenfolge gewählt.
Olaf Pirk, Oliver Schöffski
2 Sekundärdatenanalysen
Zusammenfassung
Der Begriff Sekundärdatenanalyse suggeriert zunächst den Eindruck es handelt sich dabei um einen zweitrangigen Forschungszweig, was jedoch nicht der Wirklichkeit entspricht. Vielmehr stellt die Sekundärdatenanalyse ein eigenständiges Forschungsfeld dar, welches in einem spezifischen inhaltlichen und strukturellen Kontext spezielle Methoden bereit hält und gegenüber der Primärdatenforschung gleiche Wertigkeit besitzt. Bei der Analyse von Sekundärdaten wird auf bereits verfügbare Daten zurückgegriffen. Gemäß der „Gute Praxis Sekundärdatenanalyse“ (GPS) bezeichnen Sekundärdaten demnach alle Daten, „die einer Auswertung über ihren originären, vorrangigen Verwendungszweck hinaus zugeführt werden“. Maßgeblich für die Klassifikation als Sekundärdaten sind Unterschiede zwischen dem primären Erhebungsanlass und der nachfolgenden Nutzung.
Jan Zeidler, Sebastian Braun
3 Entscheidungsanalyse und Modellierungen
Zusammenfassung
Die Medizin ist eine Disziplin, in der Entscheidungen unter Unsicherheit zu treffen sind. Dies bedeutet, dass für einen Patienten mit einem bestimmten Symptomkomplex letztlich immer eine Entscheidung bezüglich des weiteren diagnostischen oder therapeutischen Vorgehens zu treffen ist, auch wenn zum Zeitpunkt dieser Entscheidung viele Aspekte bezüglich seiner Erkrankung und der Auswirkungen bestimmter Therapien auf seinen Gesundheitszustand nicht mit vollständiger Sicherheit vorhergesagt werden können. Viele diagnostische Prozeduren, die zur Aufklärung des Krankheitsgeschehens eingesetzt werden, besitzen selbst ein medizinisches Risiko. So reicht das Spektrum der Komplikationen bei Biopsien der Prostatadrüse zur Diagnose des Prostatakarzinoms von Infektionen bis hin zu Todesfällen. Aber auch der Erfolg von therapeutischen Verfahren ist meist unsicher, da zum Zeitpunkt des Behandlungsbeginns oft noch nicht feststeht, ob bzw. zu welchem Grad die Therapie zu einem Heilungserfolg führt und welche therapieinduzierten Komplikationen bzw. Nebenwirkungen auftreten. So ist bei einem Patienten mit Prostatakarzinom im Frühstadium in keinem Falle sicher gewährleistet, dass die Erkrankung durch eine radikale Entfernung der Prostata und des anhängenden Gewebes (radikale Prostatektomie) vollständig und beschwerdefrei geheilt wird. Ferner kann es durch die Operation selbst zur Harninkontinenz, sexuellen Funktionsstörungen oder anderen Komplikationen kommen; dies sollte bei der Therapieentscheidung berücksichtigt werden. Auf der anderen Seite kann diese Operation zur Heilung und einem beschwerdefreien Leben führen.
Uwe Siebert, Beate Jahn, Nikolai Mühlberger, Frank-Ulrich Fricke, Oliver Schöffski

Teil C Bewertung von Lebensqualitätseffekten

1 Lebensqualität als Ergebnisparameter in gesundheitsökonomischen Studien
Zusammenfassung
Wirtschaftliche Zwänge bestimmen immer stärker ärztliches Handeln sowohl in der ambulanten als auch in der stationären Versorgung. Die Implementierung ökonomischer Prinzipien und Handlungsweisen ist für das Gesundheitswesen mittlerweile unabdingbar. Um neben der medizinischen Wirksamkeit (Effektivität) von medizinischen Maßnahmen, beispielsweise für eine bestimme Therapieform, auch deren Wirtschaftlichkeit (Effizienz) beurteilen zu können, bedarf es ökonomischer Studien, um die Kosten und Nutzen der medizinischen Behandlungsmethode in Beziehung zu setzen. Während die Ermittlung der Kosten relativ unproblematisch ist, wird die Wissenschaft bei der Erfassung der Nutzenkomponente vor große Herausforderungen gestellt.
Oliver Schöffski
2 Nutzentheoretische Lebensqualitätsmessung
Zusammenfassung
Ein Grund, warum die Diskussion der Ergebnisse von gesundheitsökonomischen Studien zwischen Ökonomen und Politikern auf der einen und Medizinern auf der anderen Seite emotionell oft hohe Wogen schlägt, ist das unterschiedliche Verständnis der Größe „Leben“. Jeder Arzt hat dabei in der Regel einen real existierenden Menschen vor Augen, dem er gemäß dem von ihm geleisteten Eid helfen muss, egal welche Kosten dadurch verursacht werden. Man spricht hierbei von einem identifizierten Leben, d. h. die Person ist bekannt und es besteht häufig eine direkte Interaktion zwischen dem Entscheider über die Verwendung von Ressourcen und dem Patienten. Auf dieser Ebene wäre es moralisch bedenklich oder zumindest öffentlicher Kritik ausgesetzt, wenn Kostengesichtspunkte eine Rolle spielen würden. Genau diese Einzelschicksale sind ist es aber, die in Publikumsmedien häufig in den Vordergrund gestellt werden („Frau Mustermann benötigt dringend folgende Leistung, diese wird ihr von der Krankenkasse aber nicht bezahlt!“).
Oliver Schöffski
3 Der SF-36 Health Survey
Zusammenfassung
Seit einigen Jahren ist die gesundheitsbezogene Lebensqualität oder subjektive Gesundheit als Evaluationsparameter zur Bewertung von Behandlungsverfahren anerkannt. Gesundheitsbezogene Lebensqualität ist mit subjektiven Gesundheitsindikatoren gleichzusetzen und bezeichnet ein multidimensionales psychologisches Konstrukt, das durch mindestens 4 Komponenten zu operationalisieren ist: das psychische Befinden, die körperliche Verfassung, die sozialen Beziehungen und die funktionale Alltagskompetenz der Befragten. Von großer Bedeutung ist dabei, dass die Patienten selbst Auskunft über ihr Befinden und ihre Funktionsfähigkeit geben. Hintergrund für diese Hinwendung zu einer patientenbezogenen Beschreibung des Gesundheitszustands sind drei Entwicklungen: zum einen ein Paradigmenwechsel in der Definition von Gesundheit, der in Anlehnung an die WHO-Definition auch die psychischen und sozialen Komponenten des Gesundheitsbegriffs mit einbezieht. Eine weitere Entwicklung ist die Veränderung der Bevölkerungsstruktur hin zu einem größeren Anteil älterer Personen mit einer erhöhten Häufigkeit chronischer und langfristig behandlungsbedürftiger Erkrankungen, deren Effekte auf den Lebenszusammenhang der Patienten jenseits der akuten klinischen Wirkungen zu untersuchen sind.
Matthias Morfeld, Wiebke Stritter, Monika Bullinger
4 Der EQ-5D der EuroQol-Gruppe
Zusammenfassung
In den letzten Jahren hat die Bedeutung der Lebensqualitätsmessung in der Gesundheitsökonomie immer mehr zugenommen. Dies liegt insbesondere daran, dass für Allokationsentscheidungen eine reine Inputorientierung (und damit eine Fokussierung auf die Kosten) nicht mehr adäquat erscheint, sondern dass die Effektivität von Maßnahmen (also ihr klinischer Nutzen) für die gesundheitsökonomische Bewertung mindestens ebenso hoch einzuschätzen ist. Damit ist in der gesundheitsökonomischen Literatur ein ähnlicher Paradigmenwechsel feststellbar wie in der Gesundheitspolitik, nämlich von der Ausgaben- zur Ergebnisorientierung. Ökonomisch ist es ohnehin nicht sinnvoll, vorrangig die Kosten (bzw. die Einhaltung eines Budgets oder die Stabilität von Beitragssätzen) zu betrachten, denn selbst sehr hohe Kosten einzelner Leistungen können gerechtfertigt sein, wenn ihnen entsprechende Nutzen gegenüberstehen und die Preise nicht aufgrund einer einseitigen Anbieterdominanz mit im Vergleich zu einer Marktlösung ungerechtfertigten Herstellerrenditen entstanden sind.
Wolfgang Greiner
5 Der Health Utility Index (HUI)
Zusammenfassung
Neben den bereits dargestellten Lebensqualitäts-Fragebögen SF-36 und EQ-5D zählt auch die Familie des Health Utility Index (HUI) zu den gebräuchlichsten Instrumenten im Bereich der Lebensqualitäts-Forschung. Die erste Version des HUI wurde in den frühen 80er Jahren von einer Forschergruppe der McMaster Universität in Kanada entwickelt. Daher liegen den HUI-Instrumenten eine über 30jährige Entwicklungsgeschichte zugrunde, was sie zur zweitältesten Familie an Instrumenten für die Ermittlung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität macht. Sie kommen bisher hauptsächlich im kanadischen und im amerikanischen Raum zum Einsatz, wohingegen die beiden zuerst genannten Instrumente im europäischen Raum dominieren.
Oliver Schöffski, Martin Emmert

Teil D Qualität und Akzeptanz gesundheitsökonomischer Evaluationsstudien

1 Institutionen der Vierten Hürde
Zusammenfassung
International nimmt die Anzahl jener Ländern zu, die außer der medizinischen Effektivität die Kosteneffektivität als Kriterium bei der Regulierung im Rahmen der medizinischen Versorgung verwenden. Anlass hierfür sind steigende Ausgaben für medizinische Leistungen, die neben der demografischen Entwicklung auch auf den Einfluss des medizinischen Fortschritts zurückzuführen sind. Steigende Ausgaben einerseits und erweiterte medizinische Möglichkeiten andererseits haben zudem zu der gesundheits- und gesellschaftspolitisch relevanten Frage nach dem medizinischen Gegenwert von Investitionen in medizinische Technologien (value for money) und zu der Suche nach möglichen Antworten geführt. Deutlich wird diese Entwicklung an dem Bedeutungszuwachs von HTA (Health Technology Assessment) als Bewertungsmethode medizinischer Technologien und der Einrichtung von staatlichen Institutionen der Vierten Hürde zur Regulierung des Arzneimittelsektors.
Anne Prenzler, J.-Matthias Graf von der Schulenburg
2 Health Technology Assessment (HTA)
Zusammenfassung
Da im Gesundheitswesen die Ressourcen begrenzt sind, müssen auf verschiedenen Ebenen Entscheidungen darüber getroffen werden, welche Güter und Dienstleistungen in welcher Qualität und Beschaffenheit zu welchem Zeitpunkt für welche Patienten und andere Konsumenten bereitgestellt werden sollen. Je nach Organisationstyp des jeweiligen Gesundheitssystems erfolgt die Entscheidungsfindung auf dezentraler Ebene (z. B. die Medikamentenlistung eines Krankenhauses), regionaler Ebene (z. B. der Abschluss regionaler Versorgungsverträge) oder nationaler Ebene. In Deutschland fallen beispielsweise die Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) über die Erstattungsfähigkeit und den maximal erstatteten Preis von Arzneimitteln sowie die Zulassung ambulanter Verfahren für die Regelversorgung in die letztgenannte Kategorie. Anders als in anderen Bereichen des Wirtschaftssystems werden damit wichtige Entscheidungen über die Inanspruchnahme von Gütern und Dienstleistungen nicht vom Konsumenten direkt, sondern von teilweise hoch zentralisierten Gremien gefällt, die für diese Aufgabe bei rationaler Erfüllung ein hohes Maß an Informationstransparenz benötigen.
Wolfgang Greiner
3 Die Übertragbarkeit internationaler Ergebnisse auf nationale Fragestellungen
Zusammenfassung
Gesundheitsökonomische Studien sind international in den letzten Jahren immer mehr zu einem etablierten entscheidungsunterstützenden Verfahren der Gesundheitspolitik geworden. Insbesondere bei der Entscheidung über die Erstattungsfähigkeit von Medikamenten kommt in Ländern wie Frankreich, Großbritannien, Kanada, Schweden, Australien und zunehmend auch Deutschland solchen Untersuchungen eine große Bedeutung zu. Aber auch bei anderen medizinischen Dienstleistungen, wie beispielsweise dem Einsatz von Stammzellentransplantationen bei der Hochdosischemotherapie in der onkologischen Behandlung, werden entsprechende ökonomische Studienergebnisse herangezogen, um wissenschaftlich fundiert etwa über die Aufnahme in den Leistungskatalog der jeweiligen staatlichen Gesundheitssysteme zu entscheiden. Beispiel hierfür ist das Health Technology Assessment (HTA) Programm des Bundesgesundheitsministeriums, das seit dem Jahr 2000 durch das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) koordiniert wird (vgl. dazu auch Kap. D 2). Auch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit in der Medizin (IQWiG), das gemäß § 35b SGB V zunächst bei Arzneimitteln nur Nutzenbewertungen vornehmen sollte, nimmt seit 2007 auch eine Kosten-Nutzen-Bewertung für den Gemeinsamen Bundesausschuss vor.
Wolfgang Greiner, Anna Filonenko, Oliver Schöffski
4 Gesundheitsökonomische Evaluation und Verteilungsgerechtigkeit
Zusammenfassung
Am 14. April 1912 lief die „Titanic“ auf einen Eisberg und sank binnen drei Stunden. Da zu wenige Rettungsboote vorhanden sind, bricht eine Panik aus. Jeder versucht verzweifelt, einen Platz zu ergattern. Männer springen zuerst hinein, Frauen werden zurückgerissen, bis die Offiziere der „Titanic“ ihre Waffen ziehen und die alte Seefahrtsregel durchsetzen: „Frauen und Kinder zuerst“. Die Regel galt nicht immer. Früher hieß es bei Schiffsunglücken: „Rette sich wer kann!“ Nur die Kräftigsten erkämpften sich einen Platz in den Rettungsbooten. Frauen und Kinder wurden in der Regel ihrem Schicksal auf dem sinkenden Schiff überlassen. 1852 sank die „Birkenhead“, die Soldaten mit ihren Familien nach Südafrika bringen sollte. Obwohl der Kapitän den üblichen Befehl gab „Rette sich wer kann!“, ließ der Kommandeur, Oberstleutnant Alexander Seton, die Soldaten auf dem Deck antreten, bis alle Kinder und Frauen in den Rettungsbooten waren. Fast alle Soldaten ertranken
Kathrin Damm, J.-Matthias Graf v. d. Schulenburg
5 Ausblick
Zusammenfassung
Gesundheitsökonomische Evaluationen bleiben eine spannende Angelegenheit für alle Beteiligten. Die Methodik ist noch nicht so festgeschrieben wie in anderen Bereichen. Dieses erschwert einerseits die Durchführung und Interpretation von Studien, auf der anderen Seite gibt es immer noch neue Ansätze zu entwickeln und zu erforschen sowie offene Fragen zu klären. Hier sei beispielsweise an die Diskontierung von nicht-monetären Effekten, die Monetarisierung der intangiblen Effekte, die Bewertung von indirekten Kosten und Nutzen und nicht zuletzt an die Bewertung und die Einbeziehung von Lebensqualitätseffekten gedacht. Es gibt auf dem Gebiet der Evaluationsforschung noch viel zu tun. Die allgemeine epidemiologische und ökonomische Datenbasis im deutschen Gesundheitswesen ist immer noch als dürftig zu bezeichnen. Eine Besserung des Zustands ist allerdings festzustellen. Die Gesundheitsberichtserstattung des Statistischen Bundesamts nimmt quantitativ und qualitativ zu, im Rahmen des Health Technology Assessment wird eine Bewertung systematisch angegangen und vielleicht erfolgt ja auch in Zukunft eine regelmäßige qualifizierte Kosten-Nutzen-Bewertung durch das IQWiG.
Oliver Schöffski
Backmatter
Metadaten
Titel
Gesundheitsökonomische Evaluationen
herausgegeben von
Oliver Schöffski
J.-Matthias Graf von der Schulenburg
Copyright-Jahr
2012
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-642-21700-5
Print ISBN
978-3-642-21699-2
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-642-21700-5