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2013 | Buch

Industrie 4.0

Beherrschung der industriellen Komplexität mit SysLM

herausgegeben von: Ulrich Sendler

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

Buchreihe : Xpert.press

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Über dieses Buch

Die nächste Stufe der industriellen Entwicklung, Industrie 4.0, erfordert die Beherrschung multidisziplinärer Entwicklung und Produktion komplexer, intelligenter Systeme. Unsere Industrie ist darauf nicht vorbereitet. Organisation, Prozesse, Management – alles ist ausgerichtet auf Produkte mit nur geringem Softwareanteil. Die Unternehmenslenker müssen ganzheitliche Strategien entwickeln. Eine einfache Verbesserung einzelner Teile des Unternehmens reicht nicht aus. Neben einer allgemeinen Analyse der Situation und der daraus resultierenden Herausforderungen kommen herausragende Vertreter aus Wirtschaft und Wissenschaft zu Wort, die das Thema aus ihrer jeweiligen Sicht beleuchten.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Industrie 4.0– Beherrschung der industriellen Komplexität mit SysLM (Systems Lifecycle Management)
Zusammenfassung
Die Industrie befindet sich seit einigen Jahren in einer großen, grundlegenden Umwälzung, die in Deutschland heute mit dem Begriff Industrie 4.0 bezeichnet wird. Die Bundesregierung hat Industrie 4.0 zu einem Kernelement ihrer Hightech-Strategie erklärt, das helfen soll, Deutschlands Zukunft als Produktionsstandort zu sichern.
Der Kern der Umwälzung besteht in der vollständigen Durchdringung der Industrie, ihrer Produkte und ihrer Dienstleistungen mit Software bei gleichzeitiger Vernetzung der Produkte und Dienste über das Internet und andere Netze. Diese Veränderung führt zu neuen Produkten und Diensten, die das Leben und Arbeiten aller Menschen verändern, und natürlich erst recht auch ihren Umgang mit Produkten, Technik und Technologien. Sie verlangt aber auch eine grundlegende Veränderung und Anpassung der industriellen Produktentwicklung und Produktion, um die neuen Technologien qualitativ hochwertig einsetzen und wirtschaftlich nutzbringend umzusetzen.
Dazu muss sich die Industrie über die Details von Industrie 4.0 verständigen. Was bedeuten Begriffe wie „die vierte industrielle Revolution“, „Cyber-Physical Systems (CPS)“, „intelligente technische Systeme“, „Internet der Dinge“ und einige mehr? Wie lässt sich vermeiden, dass daraus leere Schlagworte werden, die – möglicherweise inflationär gebraucht – die Erreichung des Ziels von Industrie 4.0 eher erschweren als dabei helfen?
Zu klären gilt es: Worin besteht die besondere Bedeutung von Industrie 4.0 für den Industriestandort Deutschland? Welche Chancen und welche Risiken tun sich dabei gerade hier im Herzen Europas auf, das ja mit der Industriellen Revolution gegen Ende des 18. Jahrhunderts zu seiner großen Rolle in der Weltwirtschaft der letzten zwei Jahrhunderte gefunden hat?
So wenig wir mit den herkömmlichen Methoden von Entwicklung und Fertigung hinreichend gerüstet sind, so wenig sind die aus den heutigen Studiengängen kommenden Spezialisten gerüstet für die Organisation und Leitung von Entwicklung und Fertigung multidisziplinärer, vernetzter Systeme, wie sie jetzt auf die Märkte kommen. Welche Anforderungen ergeben sich daraus für die Schulen, Fachhochschulen und Universitäten? Welche für die Forschungseinrichtungen, welche für die Fortbildung?
Schließlich stellt sich die Frage, ob der Wandel, von dem wir jetzt sprechen, mit den heute implementierten IT-Systemen für Entwicklung, Test und Produktion ausreichend unterstützt ist. Braucht es andere? Müssen die Systeme näher zueinander rücken? Welche Rolle spielt ihre Offenheit, und welche Standards sind erforderlich, damit wir tatsächlich von einer „digitalen Revolution“ auch in der Fabrik sprechen können? Damit ein Systems Lifecycle Management realisierbar ist, das tatsächlich alle Elemente der Produkte wie der Produktionssysteme und ihre Beziehungen untereinander umfasst.
Die genannten Themen werden in dieser Einführung zunächst auf einem allgemeinen Niveau behandelt, das dann den Boden bietet, auf dem die anderen Autoren des Buches ihre jeweilige Sicht ausbreiten. Aus unterschiedlichen Industrien und unterschiedlichen Fakultäten der Wissenschaft.
Ulrich Sendler
2. Software: Die Zukunft der Industrie
Zusammenfassung
Um zukunftsfähig zu bleiben, müssen Industrieunternehmen mehr denn je ihre Produktivität steigern, energie- und ressourceneffizienter arbeiten und ihre Flexibilität erhöhen. Nur so können sie gleichzeitig Kosten senken, Markteinführungszeiten reduzieren und die steigende Nachfrage nach höherer Produktvielfalt und Produktindividualisierung befriedigen. Das erfordert ständig effizientere Produktions- und Geschäftsprozesse – um eine hoch flexible Großserienfertigung („Mass Customization“) zu ermöglichen, um Kunden und Geschäftspartner optimal in immer komplexere Wertschöpfungsnetzwerke zu integrieren und um die Produktion noch stärker mit hochwertigen Dienstleistungen zu verbinden.
Nach Jahrzehnten der Optimierung bewährter Fertigungsprozesse steht die produzierende Industrie vor einem Paradigmenwechsel: Die zunehmende Verschmelzung von virtueller und realer Fertigungswelt durch modernste industrielle IT und Software wird die Art zu produzieren grundlegend verändern. Daran besteht genauso wenig Zweifel wie an der Tatsache, dass die Entwicklung und der intelligente Einsatz von leistungsstarker industrieller Software zum bestimmenden Faktor für die Fertigungs- und Prozessindustrie werden wird. In vielen Bereichen ist das bereits heute der Fall.
Die Zukunft einer Branche und eines einzelnen Unternehmens entscheidet sich also immer weniger allein in den Werkshallen. Vielmehr wird auch die Leistung der Softwareingenieure maßgeblich sein, deren Systeme es erst ermöglichen, sämtliche Produktionsschritte miteinander wie auch mit betriebswirtschaftlichen Ebenen und mit allen Wertschöpfungsstufen außerhalb des eigenen Unternehmens zu verknüpfen. Die zunehmende Verschmelzung der virtuellen und realen Welt durch industrielle Software birgt ein derart großes Produktivitätspotenzial, dass zukunftsorientierte Produktionsbetriebe diesem Thema oberste Priorität geben werden.
Siegfried Russwurm
3. Innovationen als Basis der nächsten Industrierevolution
Zusammenfassung
Fünf technologische Innovationen, die sich unabhängig voneinander entwickelt haben, treten in Wechselwirkung und Resonanz und bilden die Basis für signifikante Veränderung: Wie betreiben Industrien Wertschöpfung (von der Entwicklung über die Produktion bis zum Vertrieb und Produktsupport)? Welche Kernprozesse, Fähigkeiten und Kompetenzen sind dazu nötig? Und welche neuen Partnerschaften müssen dafür entwickelt werden? Wettbewerbsmodelle auf Basis dieser technologischen Innovationen unterscheiden sich grundlegend von den aktuellen Modellen. Diese werden durch leistungsfähigere Modelle abgelöst. Damit werden gesamte Industrien und deren Wertschöpfungsketten neu definiert. Neue Player und Wettbewerber entstehen. Neue Anforderungen an alle Beteiligten ergeben sich. Die skizzierten Veränderungen haben Potential für evolutionäre und auch disruptive Veränderungen, für Evolution und Revolution. Die Voraussetzungen dazu wurden durch technologische Innovationen gesetzt, die erfolgreiche Umsetzung erfolgt über die Transformation gesamter Unternehmen, Industrien und Wirtschaftsstandorte.
Der Erfolg der Transformation ist kein rein technologisches Thema. Vielmehr entscheiden sogenannte weiche Parameter wie die Unternehmenskultur, das Lernen im Umfeld der sogenannten „Social Media“, die Veränderung von Führungsverhalten und Entscheidungsprozessen, die Entwicklung von Organisation und Prozessen und die effizientere Nutzung neuer Technologien durch den Menschen, im Zusammenspiel mit den aufgeführten technologischen Innovationen, über Erfolg und Misserfolg der anstehenden Transformationen.
Die Veränderungsgeschwindigkeit und -dramatik wird dabei von Segment zu Segment von Prozess zu Prozess, von Industrie zu Industrie unterschiedlich sein, entschlossenen Vorreitern einen erheblichen Gestaltungs- und Innovationsrahmen gestatten und die Grundlage für deren zukünftige Wettbewerbsfähigkeit sein.
Die vierte Industrielle Revolution wird als nächste Stufe der industriellen Entwicklung prognostiziert, wobei sich Detailausprägungen erst als Resultat der spannenden und herausfordernden Entwicklung der nächsten Jahre offenbaren werden.
Greifbar sind heute jedoch schon der Einfluss des Internets der Dinge (IoT) und anderer technologischer Innovationen auf diese vierte industrielle Revolution.
Gerhard Baum
4. Der mittelständische Maschinenbau – flexibel und höchst innovativ auch in der Systementwicklung
Zusammenfassung
Der deutsche Maschinenbau ist auf dem Weltmarkt äußerst erfolgreich. Unbestritten ist seine mittelständische Struktur mit ihren kurzen Entscheidungswegen ein Hauptgrund für diesen Erfolg. Der Markterfolg von Maschinenbauern wird künftig immer stärker davon abhängen, dass innovative und leistungsfähige Maschinen noch schneller konzipiert, entwickelt und produziert werden können. Gleichzeitig wird aber die für die Erstellung effizienter, leistungsfähiger und flexibler Maschinen benötigte Technik immer komplexer. Zusätzlich bestimmen gesetzliche Anforderungen mehr und mehr die Technik, etwa in der Energieeffizienz oder im Recycling. Die Nachhaltigkeit der Maschinenkonzepte wird also immer wichtiger.
Wie in anderen Industrien haben sich auch die Strukturen im Maschinen- und Anlagenbau erheblich verändert. Globale Zusammenarbeit zwischen Herstellern, Partnern und Lieferanten ist heute der Normalfall. Dabei wird von den Partnern und Lieferanten immer häufiger nicht nur die Lieferung von Komponenten erwartet, sondern auch das Angebot von Engineering-Dienstleistung, die über die Komponente hinaus die Maschine oder Anlage selbst und deren Funktion betrifft. Lenze SE ist längst nicht mehr nur Lieferant von Antriebstechnik, sondern versteht sich zunehmend vor allem als Engineering-Partner.
In der Entwicklungs- und Betriebsphase von Maschinen ist interdisziplinäre Zusammenarbeit mehr und mehr gefordert: zwischen den Konstrukteuren, Elektronikern und Software-Entwicklern des Maschinen- oder Anlagenbauers, aber ebenso zwischen diesen und den Applikationsingenieuren der Komponentenlieferanten. Eine stetige Weiterbildung in neuen Technologien und die Bildung interdisziplinärer Teams sind dafür wichtige Maßnahmen. Aber der Maschinen- und Anlagenbau benötigt auch neue Herangehensweisen und Entwicklungsmethoden, die mehr systemischen Ansätzen folgen. Die in Maschinen eingebettete Software spielt eine schnell wachsende Rolle. Ihre Entwicklung kann nicht wie die einer herkömmlichen Mechanik-Komponente behandelt werden.
Oft werden Funktionen in sehr tiefen Ebenen der Software realisiert, was die Wiederverwendung erschwert, bei der Inbetriebnahme unnötig viel Zeit kostet und innovative Maschinenkonzepte behindert. Bei einem Wechsel des Mitarbeiters kann es vorkommen, dass viele Teile neu aufgesetzt werden, weil der oder die Neue nicht nachvollziehen kann, warum was wie programmiert wurde. Die Zukunft muss anders aussehen: Was es schon gibt, darf nicht nochmal erstellt werden. Und die Wertschöpfung muss in neuen Maschinenfunktionen liegen.
Die Firma Lenze liefert ein genau auf diese Anforderungen der Maschinenbauer zugeschnittenes Angebot. Es zielt darauf, die Maschinenbauer in allen Phasen der Maschinenerstellung zu unterstützen und ihnen die Realisierung innovativer Maschinen durch die Reduzierung von Komplexität und die mit ihr verbundenen Risiken so einfach wie möglich zu machen.
Damit soll sich Wertschöpfung des Entwicklungsprozesses auf Neues verlagern, auf das Schaffen von Alleinstellungsmerkmalen und höhere Leistungsfähigkeit der Maschinen, statt auf das Lösen von Standardaufgaben. Dies ist gerade im Bereich der Software komplexer Maschinen wichtig, da hier die Anforderungen besonders stark steigen. Das zeigt auch die Initiative „Industrie 4.0“, die die Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) und damit die Software als Schlüsseltechnologie für die Entwicklung und Produktion von morgen elementar herausstellt.
In diesem Beitrag wird ein methodisches Vorgehen für den interdisziplinären Entwurf von komplexen technischen Systemen beschrieben, das sich prinzipiell bei allen Produkt- und System-Entwicklungen anwenden lässt. Hier wird am Lebenszyklus von Maschinen auch erläutert, welche Rolle das Systems Lifecycle Management (SysLM) dabei spielt. Am Schluss wird betrachtet, welche Beiträge Hochschulausbildung und Wissenschaft leisten können.
Holger Borcherding
5. Modellbasiertes Software und Systems Engineering als Element eines durchgängigen Systems Lifecycle Managements (SysLM)
Zusammenfassung
Die stärkere Durchdringung technischer Produkte mit Software und die damit einhergehende Vernetzung führt auf Produkte sehr viel höherer funktionaler Leistungsfähigkeit aber auch Komplexität. Geprägt werden diese Produkte durch den steigenden Anteil von Software auf Basis leistungsfähiger, eingebetteter Elektronik sowie die Anbindung an digitale Datennetzwerke.
Produkte entwickeln auf Basis der Software ein dezidiertes Verhalten. Die Software bestimmten Verhaltensmuster der Produkte sind für ihre Funktionalität und damit für ihre Nutzung immer stärker dominant. Der steigende Anteil an Software, die damit einhergehende vielfältige Funktionalität, die sich auf Nutzerschnittstellen, Vernetzung, Kommunikation und komplexe Reaktionsmuster auswirkt, erfordert eine Weiterentwicklung klassischer Ansätze und Vorstellungen zur Produktdatenmodellierung und zum Product-Lifecycle-Management hin zu Systemdatenmanagement, Systems Lifecycle Management und Systemdatenmodellierung. Dies erfordert, die Struktur der Systeme in einer Art und Weise zu modellieren, dass diese Modelle als Grundlage für ein entsprechendes Systemdatenmanagement genommen werden können. Dann lassen sich Entwicklungsprozesse für Systeme in einer ganz anderen Art und Weise systematisieren. Nur so ist eine Beherrschung der hohen Leistungsfähigkeit und der Funktionsvielfalt mit der einhergehenden Komplexität, aber auch mit den entsprechenden Kostenmodellen herstellbar.
Manfred Broy
6. Modellbasierte Virtuelle Produktentwicklung auf einer Plattform für System Lifecycle Management
Zusammenfassung
Innovative interdisziplinäre Produktentwicklung erfordert ein Überdenken heutiger Konstruktionsmethoden, Prozesse, IT-Lösungen und Organisationsformen. Elektronik und Software stellen einen immer stärkeren Anteil am Produkt dar. Konstruktions- und Entwurfsmethoden aller Disziplinen – also Maschinenbau, Elektronik und Software – sollten auf den Prüfstand gestellt und ihre Tauglichkeit für ein modernes, interdisziplinäres Vorgehensmodell für die Produktenentwicklung überprüft und in einen gemeinsamen, integrierten und interdisziplinären Methoden-, Prozess- und IT-Lösungsansatz überführt werden.
Systems Engineerings adressiert diese Problemstellung aus der Produktentwicklung durch eine interdisziplinäre Betrachtung des Produkts über den kompletten Produktlebenszyklus. Das daraus abgeleitete „Model Based Systems Engineering“ (MBSE) erweitert den Ansatz durch die phasentypische digitale Modellbildung. Die Kollaboration zwischen den beteiligten Disziplinen und den Produktentwicklungsphasen wird nicht mehr über Dokumente, sondern über zentral verfügbare, digitale Modelle stattfinden.
Martin Eigner
7. Das Ziel Digital Enterprise: die professionelle digitale Abbildung von Produktentwicklung und Produktion
Zusammenfassung
Software ist zum wichtigsten Treiber industrieller Innovation geworden. Ihre Bedeutung steigt weiter und zwar mit wachsender Geschwindigkeit. In den Unternehmen sind heute Rechnungswesen, Personalwesen, Vertrieb und die transaktionalen Prozesse weitgehend und systematisch mit betriebswirtschaftlicher Software unterstützt. In den Kernwertschöpfungsbereichen Produktentstehung, Produktion und After Sales Service ist die Softwareunterstützung bisher im Allgemeinen eher rudimentär.
Zur Beschleunigung ihrer Wertschöpfungsprozesse und gleichzeitigen Sicherstellung hoher Qualität hat die Industrie zwischenzeitlich damit begonnen, auch ihre technischen Workflows in vollem Umfang mit Softwaretools zu unterstützen. Im Zusammenspiel mit der bereits umfänglich durch Software unterstützten, betriebswirtschaftlichen Seite entstehen innerhalb dieser Unternehmen digitale Parallel-Unternehmen. Man kann davon ausgehen, dass in absehbarer Zeit alle wertschöpfenden Prozesse entlang einer Produktentstehung inklusive der Produktion weitestgehend digital vollzogen werden können, ohne dass physische Prozesse – wie der Bau zahlreicher Prototypen – bemüht werden müssen. Einem Unternehmen, das die dafür notwendigen Investitionen getätigt und die erforderlichen Anpassungen der betrieblichen Prozesse durchgeführt hat, ist aus unserer Sicht die Transformation zu einem Digital Enterprise gelungen.
Sogenannte „Early Adopters“, also frühe Anwender, zeigen bereits heute, dass die dazu notwendigen Technologien, wenn auch noch nicht in perfekter Form, so aber doch in ausreichender Reife, zur Verfügung stehen, um in der Praxis erfolgreich eingesetzt werden zu können. Die dadurch erzielten Ergebnisse und Vorteile sind schon heute so dramatisch, dass man getrost von einer Revolution sprechen kann. Die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen wird zukünftig hauptsächlich davon bestimmt werden, in welcher Breite und Tiefe diese Technologien eingeführt und professionell angewandt sind.
Nur mit Hilfe digitaler Werkzeuge und Informationstechnologien, die diese unterstützen, können die Produkte der Zukunft wirtschaftlich erfolgreich entwickelt und produziert werden. Für das digitale Unternehmen gilt aber dasselbe wie für die Produkte und Produktionssysteme in ihrer physischen Ausprägung. Seine Entwicklung verlangt die ständige Bereitschaft, alles Vorhandene auf den Prüfstand zu stellen und gegebenenfalls neu zu erfinden. In den innovativen, massiv softwaregestützten technischen Arbeitsprozessen der Zukunft wird der Produktionsfortschritt entscheidend von der ständigen Weiterentwicklung der Softwaretools abhängen. Mit Investitionen zu warten, bis diese Tools „ausgereift“ sind, ist in diesem Fall sinnlos, da sich die Softwareumgebung mit großer Geschwindigkeit kontinuierlich weiterentwickelt. Ein später Einstieg in diese Technologien wird mit großen Nachteilen bei der Wettbewerbsfähigkeit einhergehen.
Das Zukunftsprojekt Industrie 4.0 adressiert den evolutionären Wandel des Zusammenwachsens moderner Informations- und Softwaretechnologien mit den klassischen industriellen Prozessen und der revolutionären Auswirkung dieses Wandels auf die Industrie. Es ist allerdings zu vermuten, dass sich die breite Durchdringung der Industrien mit diesen Technologien trotz ihrer revolutionären Auswirkungen über einen längeren Zeitraum hinziehen wird. Dieser Gesichtspunkt sollte bei der Planung der entsprechenden Investitionen immer mit im Auge behalten werden.
Die Herausforderung der Industrie lässt sich mit einer Operation am offenen Herzen vergleichen: Bei laufender Entwicklung und Produktion müssen zahlreiche Barrieren beseitigt werden, um das digitale Unternehmen mit seinen großen Produktivitätspotentialen Realität werden zu lassen. Die größten Barrieren befinden sich heute zwischen den inkonsistenten Datensilos der Fachbereiche und Prozesse; zwischen den Ingenieurdisziplinen; zwischen den Unternehmen im globalen Maßstab. Natürlich müssen die Unterschiede der verschiedenen Industrien und ihre Besonderheiten in den Softwareplattformen, aus denen das Digitale Unternehmen aufgebaut ist, berücksichtigt sein. Darüber hinaus sind Standards und Offenheit zentrale Voraussetzung für eine wirtschaftliche Realisierung. Und schließlich muss dafür gesorgt werden, dass Werkzeuge und Kommunikationsstrukturen bereitstehen, die das digitale mit dem realen Unternehmen interagieren lassen beziehungsweise die beiden Welten miteinander verschmelzen. Siemens Industry Automation ist in diesem Zusammenhang beides, Anbieter und Anwender. Der sich damit auf natürliche Weise einstellende holistische Blick auf den gesamten Wertschöpfungsprozess eines Produkte entwickelnden und produzierenden Unternehmens hat einen entscheidenden Einfluss auf die Definition und Entwicklung unserer Softwareprodukte, die wir auch unseren Kunden anbieten. Wir sind aus dieser Sicht auf doppelte Weise daran interessiert, dass sich das Digital Enterprise schnell zu einer praktikablen Realität entwickelt.
Anton S. Huber
8. Die Konnektivität als Kernmerkmal von Premium-Fahrzeugen
Zusammenfassung
Auch im Fahrzeugbau spielt das Thema Industrie 4.0 eine immer größere Rolle: durch die zunehmende Vernetzung der Fahrzeuge und ihr Auftreten in der Cloud werden auch sie Teil des Internets der Dinge mit einer Vielzahl von Möglichkeiten – aber auch Herausforderungen – die durch diese Konnektivität und die damit mögliche Informatisierung, entstehen.
In diesem Kapitel wollen wir deshalb Industrie 4.0 aus dem Blickwinkel eines Fahrzeugbauers beleuchten. Dies geschieht am Beispiel der Infotainment-Domäne eines Fahrzeugs, in der diese Änderungen prominent zutage treten.
Wir wollen dazu mit den kundenerlebbaren Eigenschaften beginnen, die durch Nutzung von Konnektivität im Fahrzeug möglich werden; ein Thema, das die Fahrzeughersteller schon seit vielen Jahren beschäftigt. Basierend auf einer dedizierten Systemarchitektur, werden durch Konnektivität Use Cases möglich, die zum einen für unsere Kunden direkt verfügbar sind und zum anderen Use Cases, die dem Fahrzeughersteller dienen.
Den Abschluss bildet ein Blick auf die verschiedenen Herausforderungen, die mit diesem Thema für einen Fahrzeug OEM verbunden sind.
Matthias Stümpfle, Herbert Kohler
Metadaten
Titel
Industrie 4.0
herausgegeben von
Ulrich Sendler
Copyright-Jahr
2013
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-642-36917-9
Print ISBN
978-3-642-36916-2
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-642-36917-9