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1982 | Buch

Psychoakustik

verfasst von: Professor Dr.-Ing. Eberhard Zwicker

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

Buchreihe : Hochschultext

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Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Einführung

1. Grundlagen
Zusammenfassung
Die Psychophysik beschreibt die Zusammenhänge zwischen physikalischen Reizen und den durch sie beim Menschen hervorgerufenen Empfindungen. Jede physikalische Größe wird zum Reiz, wenn sie bei einem Menschen das adäquate Sinnesorgan trifft. Während wir gewohnt sind, physikalische Größen sehr eindeutig in Größengleichungen zu beschreiben und damit die notwendige Voraussetzung schaffen, um Zusammenhänge in Gleichungen oder Funktionen graphischer Art darzustellen, drücken wir uns bei der Beschreibung von Empfindungen meistens in Adjektiven aus. Eine der schwierigsten Aufgaben der Psychophysik liegt darin, Empfindungen, die Versuchspersonen normalerweise recht ungenau mit Worten beschreiben, quantitativ zu erfassen. Dazu sind spezielle Meßmethoden notwendig, und auch die Größen, die gemessen werden sollen, d.h. die Empfindungen, sind sehr genau zu charakterisieren bzw. gegebenenfalls einzuschränken. Auch auf die Art der Darstellung von Ergebnissen mit Hilfe von statistischen Angaben muß sorgfältig geachtet werden.
Eberhard Zwicker

Quasistationäre Vorgänge

2. Ruhehörschwelle und Hörfläche
Zusammenfassung
Wie wir später sehen werden, sind für unser Gehör stationäre Vorgänge solche, die länger als etwa 200 ms dauern. Ein Einfluß der Zeitstruktur ist dann meßbar, wenn die Schalle kürzer sind als 200 ms, was häufig der Fall ist. Im eigentlichen Sinne können sie dann nicht mehr als stationäre Schalle bezeichnet werden. Bei der Sprache z.B. ist die Dauer der einzelnen Laute meist deutlich kürzer als 200 ms. Lediglich die Vokale sind bei verhältnismäßig langsamer Sprechweise vereinzelt bis zu 200 ms lang. In vielen Fällen wird trotzdem auch bei Sprachsignalen von der Vorstellung eines quasistationären Zustands Gebrauch gemacht. Dies ist eine brauchbare Näherung, die für Schalle, welche eine Dauer von 50 ms nicht unterschreiten, gerne angewandt wird.
Eberhard Zwicker
3. Verdeckung
Zusammenfassung
Den Effekt der Verdeckung kennen wir aus dem Alltag. Unterhalten wir uns mit einem Partner in ruhiger Umgebung, so ist dazu nicht allzu große Lautstärke notwendig. Tritt jedoch plötzlich ein Störschall auf, wie z.B. beim Abladen eines mit Steinen beladenen Lastwagens oder beim Betätigen eines Preßluftbohrers, so wird der Sprach-schall des Partners plötzlich unhörbar. Erst wenn der Partner seinen Sprachpegel erheblich steigert, kann die Sprache wieder wahrgenommen werden. Diesen Effekt bezeichnet man als Verdeckung. Die Sprache wird von dem Störschall verdeckt. Die Schwelle für die Hörbarkeit des Sprachschalles ist durch den Störschall angehoben worden. Erst durch erhebliche Steigerungen des Pegels des Sprachschalles wird die Hörbarkeitsgrenze wieder überschritten, so daß der Sprachschall erneut hörbar wird. Um die wichtigen Effekte der Verdeckung quantitativ genau angeben zu können, wird die sogenannte Mithörschwelle gemessen. Die Mithörschwelle gibt denjenigen Schalldruckpegel eines Testschalles (meist eines sinusförmigen Testtones) an, den dieser haben muß, damit er neben dem Störschall gerade noch wahrgenommen werden kann, d.h. gerade noch mitgehört wird. Nach dem obengenannten Beispiel wird deutlich, daß die Mithörschwelle immer oberhalb der Ruhehörschwelle liegt. Lediglich in Frequenzgebieten, in denen der Störschall keine wesentlichen Frequenzkomponenten enthält, geht die Mithörschwelle in die Ruhehörschwelle über.
Eberhard Zwicker
4. Skalen der Tonhöhenempfindung
Zusammenfassung
Im Abschn.1.4.3 haben wir kennengelernt, daß im Innenohr eine Frequenz-Orts-Transformation stattfindet. Verschiedene Frequenzen werden an verschiedenen Stellen, d.h. verschiedenen Orten auf der Basilarmembran, abgebildet. Diese Frequenz-Orts-Transformation ist der Grund dafür, daß die Tonhöhenempfindung als eine Positionsempfindung angesehen werden kann. Deswegen ist es auch möglich, die Empfindungsfunktion der Tonhöhenempfindung aus den Reizstufen zu ermitteln, wie dies im Abschn.1.1.3 diskutiert wurde. Eine zweite Möglichkeit der Bestimmung der Empfindungsfunktion besteht in der Messung von Verhältniswerten. Beide Methoden führen zu ähnlichen Ergebnissen, die im Folgenden erläutert werden.
Eberhard Zwicker
5. Skalen der Lautstärkeempfindung
Zusammenfassung
Die Lautstärkeempfindung ist eine Intensitätsempfindung. Ihre Empfindungsfunktion geht also nicht unmittelbar aus den eben wahrnehmbaren Pegel stufen hervor. Dennoch spielen eben wahrnehmbare Schall druck- oder Schallpegeländerungen eine wichtige Rolle. Die Empfindungsfunktion für die Lautstärkeempfindung, die Lautheit, läßt sich nur aus Verhältnismessungen ableiten. Neben der Lautheit, der eigentlichen Empfindungsgröße, wird der Lautstärkepegel — der eigentlich Pegellautstarke heißen müßte — häufig benützt. Der Lautstärkepegel ist keine eigentliche Empfindungsgröße, sondern eine Zwischengröße wie etwa die Frequenztonhöhe. Wenn ein Schall durch einen Störschall nicht vollständig verdeckt ist, so wird er doch in seiner Lautheit gedrosselt. Die gedrosselte Lautheit liegt zwischen der,normalen Lautheit, die ein Testschall ohne Störschall hervorruft, und der Lautheit Null des Testschalles, die bei der Mithörschwelle, bei der die Störung den Testschall gerade verdeckt, erreicht wird. Damit sind die wesentlichen Größen, mit denen wir uns in den folgenden Kapiteln zu beschäftigen haben, aufgezeigt.
Eberhard Zwicker
6. Schärfe
Zusammenfassung
Untersuchungen, die über die Entstehung der Klangfarbe durchgeführt wurden, haben gezeigt, daß die Schärfe ein wesentlicher Teil der Klangfarbe ist. Sie kann als eine Empfindungsgröße angesehen werden, auf die wir getrennt achten können. Die Schärfe eines Schalles ist mit derjenigen eines zweiten Schalles vergleichbar. Die Schärfe kann verdoppelt und halbiert werden; sie ist demnach eine Empfindungsgröße, wie wir sie in der Verhältnistonhöhe und in der Verhältnislautheit bereits kennengelernt haben.
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7. Phaseneffekte
Zusammenfassung
Die Änderung der Phase eines einzelnen Tones ist unhörbar. Auch wenn zwei Töne dargeboten werden, die z.B. miteinander schweben, so bewirkt eine Phasenänderung lediglich eine zeitliche Verschiebung der Umhüllenden der Amplitude. Werden drei Linien dargeboten, die im gleichen Frequenzabstand zueinander stehen, so führt die Änderung der Phasenlage eines Tones zu einer Änderung der Zeitstruktur der Umhüllenden des Gesamtklanges. Am leichtesten beschreibbar und auch am leichtesten einsehbar ist dies für Amplitudenmodulation bzw. Frequenzmodulation. Eine frequenzmodulierte Schwingung kann für kleinen Modulationsindex (Δf/fmod ≦ 0,3) als eine Schwingung angesehen werden, die aus drei Linien zusammengesetzt ist. Diese drei Linien stehen phasenmäßig so zueinander, daß sie die Tendenz haben, die Amplitude des Gesamtzeigers nicht zu verändern. Eine amplitudenmodulierte Schwingung kann ebenfalls aus drei Spektrallinien zusammengesetzt werden. Die Phasenlage der drei Linien bewirkt, daß die beiden Seitenlinien die Trägerschwingung in der Amplitude verändern. Für kleinen Modulationsindex kann also eine frequenzmodulierte Schwingung in eine amplitudenmodulierte Schwingung übergeführt werden, wenn eine Linie um 90° verdreht wird. Die amplitudenmodulierte und die frequenzmodulierte Schwingung unterscheiden sich bei gleicher Trägerfrequenz, gleicher Modulationsfrequenz und bei gleichem Wert für den Amplitudenmodulationsgrad bzwden. Frequenzmodulationsindex im Amplitudenspektrum nicht. Sie unterscheiden sich nur in der Phasenlage der Teilschwingungen.
Eberhard Zwicker
8. Nichtlineare Verzerrung des Gehörs
Zusammenfassung
Ein Übertragungssystem, das eine Nichtlinearita’t enthält, erzeugt bei Übertragung eines reinen Tones zusätzlich zu diesem Obertöne. Diese höheren Harmonischen sind bei Schallen, die auf das Gehör treffen, fast nie störend, weil sie mit dem Grundton verschmelzen. Psychoakustisch ist es daher sehr schwierig, die von der Nicht-linearität des Gehörs — und nicht von der des Übertragungsweges — hervorgerufenen Obertöne zu messen, zumal bei großen Pegeln die auftretenden höheren Harmonischen infolge der starken Verdeckung nach hohen Frequenzen hin unhörbar werden. Die Nichtlinearität des Gehörs wird zweckmäßiger mit Hilfe von Differenztönen gemessen, welche auftreten, wenn zwei benachbarte Töne auf das Gehör gegeben werden. Die Differenztöne entstehen bei Frequenzen, die unter denjenigen der beiden Primärtöne (f1 und f2) liegen. Dort ist die Verdeckung durch die Primärtöne gering. Darüber hinaus liegen — im Gegensatz zu den 2. und 3. Harmonischen der Primärtöne -die Differenztöne im allgemeinen unharmonisch zu den beiden Primärtönen und werden daher leicht erkannt (Beispiel: f1 = 1350 Hz, f2 = 1600 Hz; f2 - f1 = 250 Hz, 2f1 - f2 = 1100 Hz). Angaben über die Amplitude und die Phase dieser im Gehör erzeugten Differenztöne werden mit Hilfe der sogenannten Kompensationsmethode gefunden. Dabei wird durch elektronische Schaltungen derselbe Differenzton, dessen Amplitude und Phase bestimmt werden soll, außerhalb des Gehörs erzeugt.
Eberhard Zwicker

Zeitabhängige Vorgänge

9. Zeitliche Struktur der Verdeckung
Zusammenfassung
Für langdauernden Testschall und für langdauernden Maskierer, d.h. für den eingeschwungenen Zustand, haben wir die Verdeckung in Kap.3 beschrieben. Bei der Übertragung von Information, z.B. durch Sprachschall, ist jedoch die zeitliche Struktur maßgeblich. Dabei wechseln laute Schalle (Vokale) mit leisen Schallen (Konsonanten) ab. Die maskierende Wirkung von lauten Vokalen spielt bei der Verständlichkeit der Sprache insbesondere in halligen Räumen eine wichtige Rolle. Es ist daher von Interesse, in welchem Maße endlich lang dauernde Maskierer Testschalle verdecken. Zur Beantwortung dieser Frage benützen wir sehr kurze Testschalle. Die gestellte Frage reduziert sich dann auf die Untersuchung der verdeckenden Wirkung eines Maskierers endlicher Dauer auf einen kurzen Testimpuls, der auf der Zeitachse relativ zum Maskierer verschoben wird.
Eberhard Zwicker
10. Lautheit zeitabhängiger Schalle
Zusammenfassung
Im allgemeinen sind natürliche Schalle, deren Lautheit bestimmt werden soll, stark von der Zeit abhängig. Die Sprache ist ein typisches Beispiel dafür. Aber auch Maschinengeräusche, die impulsförmig sind oder die sich rhythmisch wiederholen, sind Schalle, die nicht mit dem eingeschwungenen Zustand beschrieben werden können. Auch können Schalle, die zeitlich dicht aufeinanderfolgen, sich gegenseitig in der Lautheit drosseln. Demnach interessieren wir uns im Folgenden für die Lautheit von einzelnen Schallimpulsen, von Schallimpulsfolgen sowie für die folgegedrosselte Lautheit.
Eberhard Zwicker
11. Rauhigkeit
Zusammenfassung
In den Abschnitten 5.1 und 7 wurde gezeigt, daß die Amplitudenmodulation eines Sinustones auch bei höheren Modulationsfrequenzen hörbar werden kann, wenn der Modulationsgrad groß genug ist. Während bei tiefen Modulationsfrequenzen eine lautsta’rkeschwankung das Kriterium für die Hörbarkeit ist, empfindet die Versuchsperson bei höheren Modulationsfrequenzen eine Rauhigkeit des Schalles. Die Rauhigkeit ist dann am größten, wenn die Schwankungsfrequenz bei etwa 70 Hz liegt, die Seitenlinien der Amplitudenmodulation jedoch noch nicht getrennt hörbar werden. Für einen 1000 Hz-Ton wird das Rauhigkeitsmaximum bei Modulationsfrequenzen um 70 Hz erreicht. Zur Festlegung der Empfindungsfunktion für die Rauhigkeit wird einem 1 kHz-Ton, der mit m = 1 und f mod= 70 Hz sinusförmig in der Amplitude moduliert ist und einen Pegel von 60 dB besitzt, die Rauhigkeit von 1 asper zugeordnet.
Eberhard Zwicker
12. Subjektive Dauer
Zusammenfassung
Durch Messung von Verhältniswerten (Verdopplung und Halbierung) kann auch die Empfindungsfunktion der Empfindungsgröße „Subjektive Dauer“ bestimmt werden. Wird dem für die physikalische Dauer von 1 s (1 kHz-Ton, 60 dB SchalIpegel) erreichten Wert der Subjektiven Dauer der Wert 1 dura zugeordnet, so ergibt sich der in Abb.12.1 dargestellte Zusammenhang zwischen der Subjektiven Dauer D und der physikalischen Dauer des Testtones Ti. Ein proportionaler Zusammenhang wird durch die gestrichelt eingetragene Gerade charakterisiert. Dieser Zusammenhang ist in weiten Grenzen näherungsweise vorhanden. Für physikalische Dauern unter 30 ms weicht die Kurve jedoch mehr und mehr von dieser Proportionalität ab. Sie zeigt die Tendenz, daß bei weiterer Verkürzung der physikalischen Dauer die Subjektive Dauer nur noch wenig abnimmt. Da sich für Weißes Rauschen dieselbe Abhängigkeit von der physikalischen Dauer ergibt, sich dort aber die spektrale Zusammensetzung auch bei Verkürzung der Dauer nach sehr kleinen Werten nicht ändert, muß dieser Effekt als eine Eigenschaft des Gehörs angesehen werden. Er wird jedenfalls nicht von einer spektralen Verbreiterung hervorgerufen.
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Funktionsschemata und Funktionsmodelle

Frontmatter
13. Anregung und Erregung
Zusammenfassung
Die Frequenzselektivität des Gehörs kann in grober Näherung durch Aufteilung des Schalles in diejenigen Anteile nachgebildet werden, die in die Frequenzgruppen fallen. Diese Näherung führt zur Anregung. Wird die endliche Steilheit der im Gehör vorhandenen Frequenzselektivität entsprechend derjenigen von Filtern ebenfalls berücksichtigt, so führt dies zu der Zwischengröße Erregung. Meist werden diese Größen nicht als lineare Größen, sondern — wie beim Schallpegel auch — in logarithmischen Größen dargestellt. Der Anregungs- oder Frequenzgruppenpegel und der Erregungspegel sind die entsprechenden Größen, welche in vielen Funktionsschemata als Zwischengrößen eine sehr wichtige Rolle spielen. Die Schallintensität IG, die in eine Frequenzgruppe fällt, wird als Anregung, der zugehörige Pegel als Anregungspegel LG bezeichnet. Da die Breite der Frequenzgruppe von der Frequenz abhängt, muß dies auch bei der Anregung berücksichtigt werden. Sie ist definiert als
$$ \begin{gathered} \quad \;\;\;\quad f + \frac{1}{2}\Delta {f_G}(f) \hfill \\ {I_G}(f) = \int {\frac{{dI}}{{df}} \cdot df} \hfill \\ \quad \quad \quad f - \frac{1}{2}\Delta {f_G}(f) \hfill \\ \end{gathered} $$
(13.1)
und gibt die in die Frequenzgruppe fallende Intensität in Abhängigkeit von der Frequenz f an. Wir haben schon kennengelernt, daß die Tonheitsskale zur Beschreibung der Eigenschaften des Gehörs wesentlich geeigneter ist als die Frequenzskale.
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14. Schwellenfunktionsschema für langsame Schalländerungen
Zusammenfassung
Bei allen nachrichtenverarbeitenden Systemen ist die Amplitudenauflösung eine der wichtigsten Eigenschaften. Beim Gehör ist diese Eigenschaft verhältnismäßig schwierig zu messen. Bei tieffrequenten oder schmal bandigen Rauschen tritt deren Eigenmodulation störend auf. Bei Tönen und bei Klängen ist die Eigenmodulation zwar nicht vorhanden, jedoch stören dort Nichtlinearitäten und Schwebungen. Lediglich bei Rauschen, das bei hohen Frequenzen liegt, d.h. bei einer Frequenzgruppenbreite von mehr als 2 kHz, wirkt die Eigenmodulation infolge der großen Bandbreite kaum störend. Dort kann die eben wahrnehmbare relative Intensitätsänderung, der sogenannte Schwellenfaktor s = ΔI/I und das Schwellenmaß ΔLS = 101g(l+ΔI/I) dB direkt gemessen werden. Wie in Abschn.5.1 beschrieben, ergibt sich bei verschwindender Eigenmodulation als wichtiger Wert für das Funktionsschema s = 0,25 bzw.
Eberhard Zwicker
15. Funktionsschema der Lautheit
Zusammenfassung
Zwei Sinustöne gleichen Pegels, deren Frequenzabstand über die Breite der Frequenzgruppe hinaus vergrößert wird, erzeugen eine Lautheit (vergl.Abb.5.9), die größer ist als diejenige, die ein Ton der Bandmittenfrequenz mit einem Pegel hat, welcher der Gesamtintensität beider Töne entspricht. Mit wachsendem Frequenzabstand wächst die Lautheit der beiden Töne an. Aus diesem Ergebnis muß entnommen werden, daß sich die Lautheit nicht aus den einzelnen Spektralanteilen bildet, sondern daß sich diese Spektralanteile insbesondere dann gegenseitig beeinflussen, wenn ihr Frequenzabstand gering ist. Erst bei großem Frequenzabstand, wenn sich die beiden Einzeltöne nicht mehr gegenseitig beeinflussen, wird derjenige Wert erreicht, den wir aus der Addition der beiden Lautheiten erwarten. Offenbar spielt bei der Bildung der Lautheit neben der Frequenzgruppenbreite auch die Steilheit der Filterflanken, d.h. die Frequenzselektivität, mit der das Gehör arbeitet, eine Rolle. Das Erregungspegel-Tonheitsmuster ist ein Maß für die Frequenzselektivität und offensichtlich auch für die Bildung der Lautheit wichtig. Wenn sich zwei Töne bei der Bildung der Gesamtlautheit gegenseitig beeinflussen, obwohl sie spektral getrennt sind, müssen wir davon ausgehen, daß die Gesamtlautheit aus einem Integral über eine noch zu findende Größe gebildet wird, die ebenfalls über der Tonheit z aufzutragen ist. Die Größe muß die Dimension sone/Bark besitzen, damit die Gesamtlautheit als Integral dieser Größe über die Tonheit gebildet werden kann (vergl. Abb.15.1 rechts unten).
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16. Bildung der Rauhigkeit
Zusammenfassung
Rauhigkeit entsteht bei Schallen, die eine starke zeitliche Struktur besitzen. Entsprechend Abb.11.2 ergeben sich insbesondere bei periodischen Schwankungen, die Modulationsfrequenzen zwischen 20 Hz und 250 Hz, d.h. Periodendauern der zeitlichen Struktur zwischen etwa 50 ms und 4 ms besitzen, wahrnehmbare Rauhigkeiten. Dies ist ein Bereich, in dem auch Mithörschwellen-Periodenmuster gemessen werden können. In Abb.9.8 und Abb.9.9 sind solche Muster dargestellt. Da die Erregungspegel -Zeitmuster genauso verlaufen wie die Mithörschwellen-Zeitmuster, sind die Pegeldifferenzen ΔL zwischen den Minima und den Maxima für die beiden Muster identisch. Die Differenzen ΔL spielen bei der Rauhigkeit offensichtlich eine maßgebliche Rolle. Die zweite wichtige Größe für die Rauhigkeit ist die Geschwindigkeit, mit der sich der Erregungspegel ändert. Je höher die Modulationsfrequenz fmod, umso größer die Geschwindigkeit der Änderung. Beide Größen zusammengesetzt ergeben das Funktionsschema der Rauhigkeit. Dies besagt, daß die Rauhigkeit proportional dem Produkt aus der Modulationsfrequenz und dem Wert ΔL ist:
$$ R \sim {f_{{\bmod }}} \cdot \Delta L $$
(16.1)
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17. Bildung der Schärfe
Zusammenfassung
Die Schärfe hängt vor allem von der spektralen Umhüllenden ab, die ein Schall besitzt. Es ist für die Schärfe unbedeutend, ob das Spektrum ein kontinuierliches ist oder sich aus benachbarten Linien zusammensetzt. Die spektrale Umhüllende drückt sich psychoakustisch im Erregungspegel-Tonheitsmuster bzw. im Spezifischen Lautheits-Tonheitsmuster aus. Es hat sich gezeigt, daß der Schwerpunkt der Verteilung der Spezifischen Lautheit über der Tonheitsskale ein brauchbares Maß für die Schärfe ist, wenn das starke Ansteigen der Schärfe nach hohen Frequenzen (vergl.Abb.6.1) zusätzliche Berücksichtigung findet. Wird dem mit Hilfe der Größe g(z) Rechnung getragen, so gilt in guter Näherung ganz allgemein:
$$ S\; = \;0,11\; \cdot \;\frac{{\int\limits_{0}^{{24\;Bark}} {N'\; \cdot g\left( z \right)} \cdot z\;dz}}{{\int\limits_{0}^{{24\;Bark}} {N'} dz}}\;acum $$
(17.1)
.
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18. Bildung der Subjektiven Dauer
Zusammenfassung
Bei der Subjektiven Dauer ist am auffälligsten der große Unterschied zwischen den von physikalisch gleich langen Pausen und Impulsen hervorgerufenen Subjektiven Dauern. Sie unterscheiden sich — wie in Kap.12 beschrieben — bis zu einem Faktor 4. In Abb.18.1 ist der Erregungspegel-Zeitverlauf aufgetragen, den Impulse von 30 ms Dauer und Pausen von 120 ms Dauer hervorrufen. Im oberen Teil der Bilder ist der Pegelverlauf dargestellt. Wie in Kap.9 beschrieben, ist der Effekt der Vorverdeckung verhältnismäßig klein im Vergleich zu dem deutlichen Effekt der Nachverdeckung. Entsprechend ist auch im Erregungspegel-Zeitverlauf das Abklingen des Erregungspegels nach dem Abschalten des Reizes wesentlich ausgeprägter als das schnelle Einschwingen. Wie die Doppelpfeile im unteren Teildiagramm verdeutlichen, wird die Impulsdauer des Reizes in aer Darstellung des Erregungspegel -Zeitverlaufs vergrößert, die Pausendauer des Reizes in dieser Darstellung jedoch verkleinert, wenn davon ausgegangen wird, daß die Abtastung nicht am Maximum, sondern im unteren Bereich des Erregungspegel-Zeitverlaufes vollzogen wird, etwa dort, wo die Doppelpfeile eingetragen sind. Zwar sind noch nicht genügend psychoakustische Meßergebnisse über die Subjektive Dauer bekannt geworden, als daß das Funktionsschema schon mit großer Genauigkeit angegeben werden könnte.
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Metadaten
Titel
Psychoakustik
verfasst von
Professor Dr.-Ing. Eberhard Zwicker
Copyright-Jahr
1982
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-642-68510-1
Print ISBN
978-3-540-11401-7
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-642-68510-1