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2014 | Buch

Politische Narrative

Konzepte - Analysen - Forschungspraxis

herausgegeben von: Frank Gadinger, Sebastian Jarzebski, Taylan Yildiz

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Über dieses Buch

Eine Hinwendung zur Erzählung ist in der politischen Öffentlichkeit und der sozialwissenschaftlichen Forschungspraxis zu beobachten. Die zentrale Bedeutung von Narrativen in der Sinnvermittlung menschlicher Kommunikation wird kaum noch bestritten. Ungeklärt ist jedoch, welche Implikationen und forschungspraktischen Konsequenzen sich daraus für die Politikwissenschaft ergeben. Die Autoren schlagen unterschiedliche Wege vor, Narrative zu konzeptualisieren und in der politischen Praxis aufzuspüren. Politische Narrative finden sich nicht nur in der Literatur oder in Bildern, sondern auch in vielfältigen Legitimierungsstrategien und Herrschaftstechniken politischer Akteure. Ziel ist es, ein Bewusstsein für den Modus des Erzählens im politischen Alltag zu entwickeln und politische Narrative als Schlüsselkategorie für die Politikwissenschaft zu entdecken.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Narrative theoretisieren: konzeptionelle und methodologische Überlegungen

Frontmatter
Politische Narrative. Konturen einer politikwissenschaftlichen Erzähltheorie
Zusammenfassung
Eine Hinwendung zur Erzählung lässt sich sowohl in der politischen Öffentlichkeit als auch in der sozialwissenschaftlichen Forschungspraxis beobachten. Die zentrale Bedeutung von Narrativen in der Sinnvermittlung menschlicher Kommunikation wird kaum noch bestritten. Jedoch ist noch nicht geklärt, welche Implikationen und forschungspraktischen Konsequenzen sich aus dieser Einsicht für die Politikwissenschaft ergeben. Welche Funktion nehmen Narrative in der gesellschaftlichen Verständigung ein? Worin liegt die prägende Kraft von Narrativen für die Politik? Was ist das Politische am Erzählen? Welche erzählerischen Techniken und Praktiken lassen sich besonders bei politischen Akteuren beobachten? Wie unterscheidet sich solch eine Forschungsperspektive von Ansätzen, die Argumente oder Diskurse in den Mittelpunkt stellen? Der vorliegende Beitrag will sich diesen Fragen konzeptionell nähern und so grundlegende Probleme einer politikwissenschaftlichen Narrativanalyse beleuchten. Als vorläufiges Ergebnis wird eine offene Heuristik vorgeschlagen, die den Fokus auf das Narrative für die Politikwissenschaft fruchtbar machen möchte.
Frank Gadinger, Sebastian Jarzebski, Taylan Yildiz
Narrationen über Narrationen. Stellenwert und Methodologie der Narrationsanalyse
Zusammenfassung
Nach der Literaturwissenschaft, der Linguistik, der Kulturwissenschaft, der Psychologie und der Philosophie haben die Konzepte von Erzählung, Narration bzw. Narrativ auch in den Sozialwissenschaften eine Vielzahl von Untersuchungen motiviert. Während die sozialwissenschaftliche Narrationsforschung sich meist darauf konzentriert, Erzählungen als Forschungsobjekte zu betrachten, wird hier im Anschluss insbesondere an Arbeiten aus der Geschichtswissenschaft, aber auch an erste Ansätze in der Politikwissenschaft der Versuch unternommen, eine zweite Perspektive der Erzählung als einer Forschungsstrategie und Darstellungsform meist interpretativer sozialwissenschaftlicher Forschung vorzustellen. Das Ziel dieses Beitrages ist es, umrisshaft die Konturen der wichtigsten Ansätze und Entwicklungen im Bereich der sozialwissenschaftlichen Narrationsforschung aufzuzeigen sowie deren theoretische Wurzeln zu beleuchten.
Dominika Biegoń, Frank Nullmeier
Erzählungen im Feld der Politik, Politik durch Erzählungen. Überlegungen zur Rolle der Narrationen in den politischen Wissenschaften
Zusammenfassung
Der Mensch war und ist ein Geschichten erzählendes, rezipierendes und interpretierendes Wesen! Erzählungen sind diesbezüglich als ein „Metacode“ zu verstehen, vermittels dessen wir – kulturell wie transkulturell – erlebte Realitäten auf unterschiedliche Weise „(re-)konstruieren“ und deutend verarbeiten, indem wir sie mit Strukturen menschlicher Zeit versehen, und sie vor allem überhaupt erst einmal kommunikabel machen, also gewissermaßen erzählend zur „Sprache“ bringen. In der Regel schöpfen Menschen in Akten des Erzählens – auf mehr oder weniger kreative Weise – aus dem Vorrat (inter-)kulturell verfügbarer Geschichten sei es, um gelebte Erfahrung im Narrativ zum Ausdruck zu bringen oder mögliche Welten in Fiktionsgeschichten zu entwerfen, sei es, um zu sagen, wer wir als Kollektiv oder Individuum sind bzw. waren, sein könnten oder sollten – die Geschichte der (kollektiven) (Selbst-)Gefährdungen inbegriffen.
Willy Viehöver
Politische Imaginative. Vom Narrativ der Öffentlichkeit zu transnationalen Diskursräumen
Zusammenfassung
Sozialwissenschaftliche Begriffe sind nicht voraussetzungslos, sondern lassen sich als Imaginative kennzeichnen, in denen historisch gewachsene Kategorien forschungsprägend zum Ausdruck kommen. Ein solch wirkmächtiges Imaginativ äußert sich im Begriff der Öffentlichkeit, der in den zeitgenössischen Diskursen der Wissenschaft und Praxis immer wieder zu vernehmen ist. In der Literatur werden allerdings unterschiedliche Bezeichnungen für Meta-Konzepte verwendet, die auf die Beschreibung der performativen Kraft sozialwissenschaftlicher Begriffe abzielen. In diesem Beitrag wird argumentiert, dass dieser Sachverhalt mit dem Begriff des Imaginativs theoretisch-konzeptionell geschärft werden kann. Basis der begrifflichen Schärfung ist ein konstruktivistisch-wissenssoziologischer Ansatz, der die Frage nach der Konstituierung von Wissensordnungen stellt, wie sie in Wissenschaft und Gesellschaft für Kommunikationen grundlegend sind. Welche Wissensordnungen über ein Imaginativ vermittelt werden, hängt von den historisch gewachsenen Wahrnehmungs- und Deutungsmustern sowie von den jeweils etablierten Werten und Symbolen, ab.
Annette Knaut

Narrative der Gestaltung: Politikfelder und Technologie

Frontmatter
Erzählungen und die partizipative Governance der Grünen Nanotechnologien. Methodologische und methodische Überlegungen
Zusammenfassung
Der folgende Beitrag will im Anschluss an die konzeptionellen Überlegungen meines voranstehenden Beitrages zur narrativen Diskursanalyse einige Hinweise bzgl. der Frage- und Analyseperspektive sowie der Methodik geben und dies anhand von Beispielen aus dem Bereich der partizipativen Governance der Wissensproduktion im Feld der Nanotechnologien illustrieren. Dabei geht der Beitrag von der Annahme aus, dass sich narrative Diskursanalyse und Konzepte der Governance-Forschung fruchtbar verbinden lassen könnten, ohne dass die notwendige Begründungsarbeit an dieser Stelle geleistet werden könnte. In der deutschen Governance-Diskussion – dies sei dem Leser zur Hintergrundinformation vorausgeschickt – bezieht sich der Begriff der Governance zumeist auf Prozesse nicht-hierarchischer Handlungskoordination, in komplexen, oft polyzentrischen Handlungs- und Entscheidungsstrukturen, in denen sowohl staatliche als auch nicht-staatliche Akteure involviert sind oder sein können. Zumeist in Absetzung zum Begriff der Steuerung betont der Governance-Begriff die Bedeutung institutioneller Regelungsstrukturen bei der Strukturierung und Koordination von Handlungen und Praktiken. Dies gilt auch für die Governance der Wissensproduktion. Ohne dies an dieser Stelle genauer begründen zu können, nehme ich jedoch erstens an, dass Governance-Prozesse nicht nur auf Kooperation und Konsensbildung beruhen, sondern in hohen Maße durch Konflikt und Dissens geprägt sind, wobei prinzipiell auch nicht die produktive Rolle von Dissens zu unterschätzen ist. Zweitens möchte ich behaupten, dass narrative Diskurse, die durch einen Konflikt der Interpretationen über die Angemessenheit von Innovationsprogrammen geprägt sind, nicht nur die Prozesse der Handlungskoordination von Stakeholdern und anderer am Diskurs teilhabender Akteure strukturieren, sondern bereits bei der Konstitution eines entsprechenden Politikfeldes und der diesbezüglichen Strukturierung der Definitionsverhältnisse – dies umgreift u. a. agenda-building und agenda-setting Prozesse) – sowie bei der Legitimation der innovationspolitischer Programme eine zentrale Rolle spielen. Insofern bildet die Annahme, dass auch im innovationspolitischen Feld der so genannten Nanotechnologien zivilgesellschaftliche Akteure an dem konflikthaften Prozess der Wissens- und Technikproduktion teilhaben, die Hintergrundthese der folgenden im Wesentlichen illustrativen Zwecken dienenden methodischen und methodologischen Überlegungen. Die anschließende Diskussion will jedoch keinerlei Anspruch erheben, die Breite und Dynamik des trans- und international sich vollziehenden nanotechnologischen Governance-Diskurses erfasst zu haben. Ebenso wenig rekurriere ich an dieser Stelle auf die aktuell diskutierten Probleme der Governance-Forschung.
Willy Viehöver
Die Stadt als Sinnhorizont: Zur Kontextgebundenheit politischer Narrative
Zusammenfassung
Die interpretative Wende in der Policy-Forschung, mit ihrem Interesse an der kontextgebundenen Konstruktion von Problemen, hat in der lokalen Politikforschung bislang kaum Einzug gehalten. Von der Stadt als narrativem Resonanzboden auszugehen, vor dessen Hintergrund politische Probleme auf spezifische Weise diskursiv konstruiert werden, ist bisher allenfalls eine randständige Forschungsperspektive. Der vorliegende Beitrag folgt Überlegungen zur „Eigenlogik der Städte“, wonach jede Stadt einen distinkten Sinnhorizont evoziert, und rekonstruiert in städtevergleichender Perspektive, inwiefern sich dieser in stadtspezifischen Erzählungen zu lokalen Problemen niederschlägt. Dabei zeigt die Analyse der Problematisierungen in Frankfurt, Dortmund, Birmingham und Glasgow, dass sich in den Städten eine jeweils eigene Relationierung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft im Sinne eines Meta-Narratives manifestiert, das als kollektiver Referenzpunkt im Diskurs fungiert.
Marlon Barbehön, Sybille Münch
Die grüne Revolution an der Tankstelle? Die Relevanz politischer Narrative am Beispiel der Einführung des Biokraftstoffes E10
Zusammenfassung
Im Zuge der Einführung des Biokraftstoffes E10 zeichnet sich scheinbar ein Spannungsfeld zwischen der deutschen Liebe zum Automobil und dem Umweltbewusstsein der Deutschen ab: Obgleich das Umweltbewusstsein auch im Hinblick auf den motorisierten Individualverkehr in den letzten Jahren gestiegen ist, scheint der Boykott von E10 im Jahr 2011 die Grenzen des grünen Fahrens aufzuzeigen. Im vorliegenden Beitrag werden die verschiedenen Argumentations- und Deutungsmuster im medialen Diskurs um die Einführung des Biokraftstoffes E10 herausgearbeitet. Zudem werden verschiedene medienvermittelte Narrative rekonstruiert, die Hinweise auf die Gründe für die Ablehnung von E10 geben.
Niels Hauke

Narrative Perspektiven: Global und lokal

Frontmatter
Narrative Praxiographie. Klandestine Praktiken und das ‚Grand Narrativ‘ Somalischer Piraterie
Zusammenfassung
Die Praxiographie, das empirische Studium von Praktiken, steht vor einem grundsätzlichem methodischen Problem: Wie lassen sich Praktiken studieren, wenn der Zugang zur unmittelbaren Beobachtung der Tätigkeiten, die Praktiken konstituieren, verschlossen ist? Der Beitrag entwickelt den Ansatz der narrativen Praxiographie als eine Antwort, die sich auf das Studium von Narrativen konzentriert. Eine Praktik, wie die der Piraterie, lässt sich nicht ohne weiteres durch ein klassisches ethnographisches Methodenspektrum wie der teilnehmenden Beobachtung erschließen. Jedoch lässt sich über öffentliche Aussagen von somalischen Piraten ein Narrativ rekonstruieren, das der Praktik zu Grunde liegt. Dieses Narrativ ist als konstitutiver Teil der Praktik zu verstehen. Das Narrativ ist sowohl von instrumentellem Nutzen zur Durchführung der Praktik, als auch ein identitätsstiftendes Konstrukt. Grundlage eines solchen Verständnisses von Narrativen ist die Abkehr von einem repräsentativen Textverständnisses hin zu einem pragmatischen und performativen Verständnis. Der Beitrag ist in drei Teile strukturiert. Der erste Teil untersucht in konzeptioneller Hinsicht den Zusammenhang von Narrativen und Praktiken. Der zweite Teil rekonstruiert das Grand Narrativ der somalischen Piraterie anhand von Passagen aus Interviews und Presseerklärungen von Piraten und „folgt“ dann dem Narrativ in denjenigen Situationen, in denen es genutzt wird. In einem dritten Teil wird der Frage nachgegangen, inwiefern die skizzierte Untersuchungsperspektive der narrativen Praxeologie auch Anwendung in anderen Feldern finden kann, in denen teilnehmende Beobachtung nur schwerlich möglich ist.
Christian Bueger
Globale Narrative, lokale Rhetoriken: Die Heuschreckenplage von 2004 im Senegal
Zusammenfassung
Politische Narrative können auf unterschiedlichen kommunikativen Ebenen auftreten: sie können z. B. als Bestandteil medial geführter Diskurse, von Live-Debatten, Akten und Protokollen oder Zeitungsberichten auftreten. In all diesen Kontexten manifestieren sich politische Narrative in der Regel als verfestigte Begrifflichkeiten, Bilder, Argumentationsmuster oder Gattungen, sie können aber bisweilen auch als spontane Ausdrücke und fluide Äußerungsformen vorkommen, die zuerst überhaupt ein Potenzial für eine weitergehende Stabilisierung bilden. Besonders aufgrund ihrer Tendenz zur Verfestigung und der daraus resultierenden gesellschaftlichen Normierung sind politische Narrative unter den einzelnen, am Diskurs beteiligten Parteien zumindest zu Beginn oft heftig umstritten. Thema dieses Textes ist das Verhältnis zwischen Diskursen, die über global zirkulierte Medien verbreitet werden, und kommunikativen Praktiken, die in einem kontextsensitiven lokalen Hier und Jetzt ausgeübt werden. Selbstverständlich geschehen weder die lokalen Kommunikationsformen isoliert von den diskursiven Einflüssen der weiteren Umgebung, noch sind die weiter zirkulierten Diskurse getrennt von lokalen Dynamiken. Beide Ebenen stehen in einer Interaktion, die allerdings mehr oder weniger stark sein kann. Narrative Muster, die Thema dieses Buches sind, finden sich auf beiden Kommunikationsebenen, den lokalen Praktiken ebenso wie den globalen Diskursen. Politische Bedeutungen und Funktionen können solche Narrative auch auf beiden Ebenen annehmen, allerdings unterscheidet sich die Dynamik hierbei stark: sie ist dialogischer und kontextsensitiver auf lokaler Ebene und monologischer und weniger kontextuell geprägt im globalen Diskurs. Aufgrund der quasi-propagandistischen, hegemonialen Diskursmacht globaler Narrative wurde bereits eine Homogenisierung (und, damit verbunden, eine semantische Entleerung) der über die Welt verbreiteten Diskurse und Vorstellungen befürchtet; aufgrund der Unvorhersehbarkeit lokaler Dynamiken wurde jedoch ebenso ein so genanntes Re-Embedding, d. h. eine kreative Re- und Neukontextualisierung globaler Ideen in einem kontextuell geprägten Hier und Jetzt konstatiert.
Christian Meyer
Das liberale Metanarrativ und Identitätskonflikte: Wider den liberalen Gerechten Frieden als Skript für die Lösung des israelisch-palästinensischen Konfliktes
Zusammenfassung
Im politischen Diskurs zum israelisch-palästinensischen Konflikt ist der Begriff des Gerechten Friedens ein viel zitierter Referenzpunkt. Der folgende Beitrag wird ein spezifisch liberales Verständnis des Gerechten Friedens vorstellen und argumentieren, dass die Schwächen der bisherigen Friedenspolitik im Nahostkonflikt mit bestimmten „blinden Flecken“ zu erklären sind, dieses Verständnis mit sich führt. Dazu soll die Metanarrativität liberaler Gerechtigkeits- und Friedensvorstellungen aufgezeigt werden, so dass einerseits ihre Kontingenz, andererseits ihre aporetischen Strukturen sichtbar werden. Eine besondere Schwäche zeigt die liberale Erzählung in Bezug auf Identitätskonflikte, wie hier am Beispiel des israelisch-palästinensischen Konfliktes gezeigt werden soll. Das Diktum des Endes der „großen Erzählungen“ sollte daher auch in der Praxis des peacebuilding ernst genommen und die liberale Metaerzählung des Gerechten Friedens als Skript des Nahostfriedensprozesses aufgegeben werden. Stattdessen sollte kleinen, gruppenspezifischen Erzählungen ein größerer Raum eingeräumt werden, wie der Beitrag schließen wird. Eine solche Rekonstruktion des Konfliktes eröffnet die Perspektive für Versöhnung und schärft den Blick für spezifische Gerechtigkeitsansprüche, die erst dann bedient werden können, wenn der Fokus weder auf einer scheinbar neutralen liberalen Friedenslösung noch auf den hegemonialen Narrativen der Israelis und der Palästinenser liegt.
Hanna Pfeifer

Narrative der Herrschaft: Literatur und Bild

Frontmatter
Die große Erzählung von der geglückten Volksherrschaft und deren literarische Störung – Eine exemplarische Darlegung anhand vergessener Romane der Zwischenkriegszeit
Zusammenfassung
Narrative sind Erzählungen, die Wirklichkeit hervorbringen, Deutungen stabilisieren und derart naturalisieren, dass alternative Denkmöglichkeiten ausgeschlossen scheinen. Ein prominentes Beispiel ist die Erzählung der Demokratie als geglückte Errungenschaft „unserer“ Kultur, auch wenn dieses Narrativ mit Erfahrungen im politischen Feld, das weitgehend über Ausschlussprinzipien funktioniert (vgl. Bourdieu), nicht vereinbar ist. Schon lange bevor postdemokratische Phänomene theoretisch gefasst wurden, finden sich in der literarischen Moderne Gegenerzählungen, in denen derartige Exklusionsmechanismen veranschaulicht sind. Dieser Beitrag zeigt am Beispiel fundamentaler Wechsel von Sicht- und Teilungsprinzipien (Bourdieu) den Nutzen bzw. die politische Notwendigkeit einer disziplinenübergreifenden Forschung auf, die die Aufteilung des Sinnlichen (Rancière) als Angelegenheit von Wissenschaft, Politik und Kunst begreift.
Sabine Zelger
Visuelle Narrative in der Politik. Repräsentationen der Herrschaft Barack Obamas in der politischen Kunst
Zusammenfassung
Der Zusammenhang zwischen Bildern, Politik und Macht wird in der Politologie seit einiger Zeit kontrovers diskutiert. Während die systematische Beschäftigung mit visuellen Darstellungen im Bereich der Internationalen Beziehungen in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat, zeigt insbesondere die Debatte zwischen Klaus von Beyme und Christine Landfried über den Mangel einer politikwissenschaftlich informierten Auseinandersetzung mit Kunst, also einer Kunstpolitologie, dass durchaus die Notwendigkeit vorhanden ist, die Verbindung zwischen Kunst, Bildern und Politik auch methodisch stärker zu reflektieren. Doch während von Beyme auch jüngst eher resigniert feststellt, dass sich die Politikwissenschaft mehr für die Demokratie nach dem Zweiten Weltkrieg interessiere, in der die „Verquickung zwischen Kunst und Politik“ laufend abgenommen habe, weswegen es keine Kunstpolitologie geben könne, fordert Christine Landfried gerade die Entwicklung einer Kunstpolitologie im Sinne von Beymes, die sich mit der „Tradition der Kunstpolitik und mit den Legitimationsprinzipien der demokratischen Staaten“ beschäftigen müsse.
Axel Heck

Narrative Machttechniken: Führung und Vermittlung

Frontmatter
Storytelling in den Vereinten Nationen: Mahbub ul Haq und menschliche Entwicklung
Zusammenfassung
Ausgehend von der Beobachtung, dass Mitarbeiter der Vereinten Nationen eine wichtige Rolle in Prozessen des ideellen Wandels auf internationaler Ebene spielen können, beschäftigt sich dieser Beitrag mit einer bestimmten Form individuellem Einflusses – dem storytelling. Mein Verständnis von storytelling als Einflusstaktik kombiniert dabei kollektive Elemente der soziologischen Praxistheorie mit den reflexiven, akteursbezogenen Überlegungen von Michel de Certeau. Ich analysiere storytelling anhand von drei analytischen Elementen: einem (chronologischen) Plot, einer Reihe von Charakteren und einem interpretativen Thema – die jeweils ihre Wirkung im Zusammenspiel mit der Subjektivität ihres storytellers entfalten. Ich illustriere diese theoretischen Überlegungen mit dem Fall von Mahbub ul Haq, dem es als Sonderberater des United Nations Development Programme (UNDP)-Administrators zu Beginn der 1990er Jahre gelungen ist, die Idee der menschlichen Entwicklung im System der Vereinten Nationen und der internationalen Entwicklungspolitik zu etablieren.
Ingvild Bode
Politische Narrative in autoritären Herrschaftskontexten
Zusammenfassung
In Autokratien konzentriert sich die politische Erzählung hauptsächlich auf die politische Führung und ist vor allem Bestandteil von Strategien zur Sicherung der bestehenden Herrschaftsstruktur. Narrative fungieren somit vorrangig als Mittel zur ideologischen Legitimation autoritärer Herrschaft. Im Beitrag liegt der Fokus auf dem Verhältnis von politischen Narrativen, der Implementierung von Denkweisen und deren Wirkungsmacht. Dieses Verhältnis, so das Argument, lässt sich am Beispiel des für autoritäre Regime typischen Narrativs „Vater der Nation“ und der darin enthaltenen Persönlichkeitsinszenierung autoritärer Führer besonders eindrucksvoll studieren. Die politische Rolle des paternalen Narrativs wird im Beitrag mittels einer narratologisch-politikwissenschaftlichen Analyse der ideologischen Grundlagen des kasachstanischen Regimes analysiert und in den Gesamtkontext politischer (Meister)Narrative eingeordnet.
Anja Franke-Schwenk
Metadaten
Titel
Politische Narrative
herausgegeben von
Frank Gadinger
Sebastian Jarzebski
Taylan Yildiz
Copyright-Jahr
2014
Electronic ISBN
978-3-658-02581-6
Print ISBN
978-3-658-02580-9
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-02581-6