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Nationale Folgewirkungen im Zuge der gegenwärtigen Krise: Eine Annäherung an die Charakteristika gesellschaftlicher Destabilisierung

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Das gesellschaftliche Unbehagen in der EU
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Zusammenfassung

Während im vorangegangenen Kapitel übergeordnete europäische Entwicklungstendenzen analysiert wurden, die als Ursachen des gesellschaftlichen Unbehagens auf der Makroebene konzipiert werden, geht dieses Kapitel von drei generellen Prozessen der nationalen Destabilisierung aus, die sich jedoch in den einzelnen Mitgliedsstaaten der EU unterschiedlich manifestieren. Es zeigen sich in vielen EU-Mitgliedsstaaten auf ökonomischer Ebene Prekarisierungstendenzen, auf politischer Ebene Anzeichen eines Wandels der politischen Partizipation und auf der Ebene der sozialen Einbindung eine Polarisierung der Bevölkerung hinsichtlich sozialer Teilhabe und gesellschaftlichem Engagement. Neben der Vorstellung einzelner theoretischer Ansätze, die zur Erklärung der angesprochenen Phänomene herangezogen werden, dient dieses Kapitel auch vorrangig dazu, mit einzelnen statistischen Indikatoren und Studienergebnissen die These der Heterogenität sozialer Destabilisierungstendenzen zu untermauern.

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Notes

  1. 1.

    Die Zeitspanne des Fordismus ist nach dem US-amerikanischen Industriellen Henry Ford benannt. Sie beschreibt die Phase der industriellen Massenproduktion der Zwischenkriegszeit, die für die ArbeitnehmerInnen höhere Löhne, eine sozialstaatliche Absicherung und in der Regel unbefristete Vollzeitanstellungen mit sich brachte (vgl. z. B. im Überblick, Koch 2003).

  2. 2.

    Polanyi erklärt mit seinem Modell der Pendelbewegungen nicht nur progressive Gegenreaktionen der Gesellschaft, sondern sieht auch den Faschismus und den sowjetischen Sozialismus als destruktiven Ausweg aus der „Sackgasse des liberalen Kapitalismus“ (Polanyi 1977, S. 314).

  3. 3.

    Obwohl Castel (2000) die Phase der Nachkriegszeit als Vergleichsfolie für gegenwärtige Prekarisierungstendenzen heranzieht, wendet er sich gegen eine einseitige Verklärung der Phase des Wirtschaftswunders. Obwohl die Berufsbiografie als planbar erlebt wurde, waren die Privilegierten der damaligen Zeit vom andauernden Fortschritt abhängig, auf den sie keinen Einfluss hatten. Zudem sind gerade die sozialen Bewegungen der 1960er und 1970er Jahre ein Zeichen, dass die individuelle Verantwortungsübernahme zugunsten staatlicher Vorgaben den Siegeszug antritt und sich die gesellschaftlichen Akteure aus den starren Formen bürokratischer Verwaltung im Sinne einer individuellen Persönlichkeitsentfaltung befreien wollten.

  4. 4.

    Castel (2000) plädiert für einen flexiblen Staat, der mit passfähigen Interventionen die Individualisierungsprozesse begleitet und vor allem jene prekär Beschäftigten auffängt, die als Opfer der Marktlogik den Boden unter den Füßen verlieren.

  5. 5.

    Sein Verständnis der Soziologie als „Kampfsport“ wurde vielfach als Verstoß gegen das Reinheitsgebot in den Wissenschaften gedeutet (vgl. Schultheis 2004, S. 12), und die Vermischung soziologischer Analysen mit politischen Initiativen hat im deutschen Diskurs eher für Irritationen gesorgt.

  6. 6.

    Dabei ist durchaus interessant, dass die Prekarisierungsthese erst dann verstärkt Resonanz erfuhr, als in historisch neuem Ausmaß Männer Destabilisierungsdynamiken am Arbeitsmarkt ausgesetzt waren (vgl. Aulenbacher 2009, S. 66).

  7. 7.

    Standing (2014) operiert dabei mit dem Konzept der denizens weil ZuwanderInnen neben einer verweigerten Anerkennung auch der vollwertige Bürgerstatus als citizens durch verminderte Rechte verwehrt bleibt.

  8. 8.

    Dies erscheint mir als die Crux der gegenwärtigen Entwicklung. Dabei stellt die Massenarbeitslosigkeit (insbesondere in den südlichen Krisenländern) sicherlich das ernsthafteste Risiko für Europa dar, weil Arbeitslosigkeit und Entkoppelung stets die deutlichsten desintegrativen Wirkungen für die Betroffenen nach sich ziehen.

  9. 9.

    Dabei hat sich – begriffsgeschichtlich betrachtet – der Begriff der Prekarität zunehmend auf die subjektive Ebene ausgedehnt. Im französischen precarité-Diskurs war der Begriff in den 1970er Jahren eng mit Armut verwoben, bevor er stärker zur Identifizierung unsicherer Beschäftigungsverhältnisse verwendet wurde. In den 1980er Jahren fand der Begriff auch Eingang in das Rechtssystem, wo precarité einen unsicheren Arbeitsvertrag bezeichnete. Erst in den 1990er Jahren, inspiriert durch die Arbeiten von Bourdieu, zielt der Begriff immer stärker auf die Unsicherheitssituation als Folge instabiler Beschäftigungsverhältnisse ab. Prekarisierung umschreibt nun Prozesse allgemeiner Verunsicherung, die sich zunehmend auf die ganze Gesellschaft auszudehnen beginnen (vgl. Barbier 2002, S. 7).

  10. 10.

    Die subjektiven Begleitprozesse der Prekarisierung werden mit den geläufigen Termini der Abstiegsängste und Anerkennungsdefizite gefasst und im Kontext des subjektiven Unbehagens (Kap. 6) beschrieben.

  11. 11.

    Die europäische Arbeitskräfteerhebung gewährleistet mittlerweile vergleichbare und repräsentative Samples von Personen in Privathaushalten in allen EU-Mitgliedsstaaten. Zudem werden die Daten von Eurostat (siehe http://epp.eurostat.ec.europa.eu/portal/page/portal/statistics/search_database) in einer übersichtlichen Datenbank aufbereitet. Somit kann weitgehend sichergestellt werden, dass in allen beteiligten Staaten die gleichen Charakteristika erfasst und dieselben Definitionen und Klassifikationen verwendet werden.

  12. 12.

    Ich unterstütze dabei die Aussagen von Kraemer (2009), dass eine umfassende Analyse der Prekarisierung klar zwischen Prekarität und Ausgrenzung trennen müsste, die Aufmerksamkeit auf Erwerbsverläufe richten sollte und eine Kontextualisierung des Phänomens (z. B. unter Berücksichtigung der Haushaltsebene) nützlich wäre. Sofern möglich, werden in dieser Analyse zumindest einzelne gefährdete Gruppen identifiziert, und es fließt in weiterer Folge auch die subjektive Ebene der „gefühlten Prekarität“ in die Konzeption des gesellschaftlichen Unbehagens ein.

  13. 13.

    Der EU Gesamtwert beläuft sich jedoch auf die EU 27, weil die EU im Jahr 2012 27 Mitgliedsstaaten aufwies und Kroatien erst im Jahr 2014 der EU beitrat. Da die EU aktuell 28 Mitgliedsstaaten umfasst, werden auch die landesspezifischen Indikatoren für Kroatien in der Regel mit angeführt.

  14. 14.

    Dieser Vergleichszeitraum wurde gewählt, weil die empirische Studie des gesellschaftlichen Unbehagens auf Basis der beiden Erhebungswellen des ESS 2006 und 2012 vorgenommen wird und europaweite Indikatoren der nationalen Destabilisierungstendenzen schlussendlich direkt mit der multidimensionalen Messung des subjektiven Unbehagens in Beziehung gesetzt werden sollen.

  15. 15.

    Im Unterschied zu den anderen Tabellen musste bei dieser Kategorie der atypischen Beschäftigung auf AusländerInnen vs. InländerInnen Bezug genommen werden, weil Eurostat (vor allem für 2006) in zahlreichen Ländern keine konkreten Zahlen zu Erwerbspersonen mit ausländischem Geburtsland zur Verfügung stellt. Die einzelnen Raten konnten deshalb nicht valide errechnet werden. Weil die Kategorie des Geburtslandes der Situation der MigrantInnen stärker gerecht wird, wurde in den anderen Tabellen die Kategorie des Migrationshintergrundes – sofern verfügbar – herangezogen.

  16. 16.

    Dieser verdeutlicht die Unterschiedlichkeit der regionalen Arbeitslosenraten im Vergleich zur nationalen Rate. Um den Wert in Prozent auszudrücken, wird der Variationskoeffizient mit 100 multipliziert. Je geringer der Wert ausfällt, desto ähnlicher sind die Arbeitslosenraten in den einzelnen Regionen.

  17. 17.

    Viele ähnliche Gedanken zur Entkoppelung zwischen Eliten und BürgerInnen fanden sich auch schon bei den frühen Arbeiten zu den Legitimationsproblemen im Spätkapitalismus von Offe (1972) und Habermas (1973). Man kann die Arbeiten von Colin Crouch hier durchaus als Fortführung bzw. Aktualisierung betrachten.

  18. 18.

    Konzepte einer kosmopolitischen Ethik (z. B. Beck 2005) und einer Mehrebenendemokratie (z. B. Münch 2008) sind auch Leitbegriffe für eine Revitalisierung der politischen Kraft zur Zähmung der Auswüchse des globalen Finanzmarktkapitalismus innerhalb der EU.

  19. 19.

    Auch dies könnte ein Grund für die hohe Popularität der Postdemokratie-These sein.

  20. 20.

    Das Vordringen der Marktlogik in andere Gesellschaftssphären ist schließlich kein neues Phänomen und wird bereits seit über einem Jahrhundert von der marxistischen und Kritischen Theorie eingehend reflektiert.

  21. 21.

    siehe http://www.systemicpeace.org/polityproject.html.

  22. 22.

    siehe www.freedomhouse.org/report-types/freedom-world.

  23. 23.

    Deshalb wird in der folgenden Analyse auch nur der Indexwert zu den politischen Rechten verwendet.

  24. 24.

    Die Weltbank erhebt regelmäßig sechs Aspekte der guten Regierungsführung. Neben den beiden Komponenten der Rechtsstaatlichkeit und der politischen Stabilität sind dies Mitspracherechte, eine effektive Regierbarkeit des Landes, eine hohe Regelungsqualität und eine etablierte Kontrolle der Korruption (vgl. www.govindicators.org).

  25. 25.

    Die Weltbank inkludiert dabei zahlreiche Einzelindikatoren, die durch ExpertInnenurteile und durch repräsentative Umfragen gewonnen werden. Weil die Ergebnisse additiv zusammengefasst und je nach Brauchbarkeit unterschiedlich gewichtet werden, handelt es sich im Endeffekt um übergeordnete Indexwerte, die auf einer Fülle von Einzelmessungen basieren.

  26. 26.

    Zur besseren Vergleichbarkeit der Einzelindikatoren werden die unterschiedlichen Skalierungen von Freedom House, Rule of Law und Political Stability in die ursprüngliche Polity Skala zwischen 0 und 10 umgewandelt. Während Freedom House eine Skalierung zwischen 1 (frei) und 7 (unfrei) anführt, wird die Einschätzung der Rechtsstaatlichkeit und der politischen Stabilität von der Weltbank zwischen −2,5 (gering) und 2,5 (hoch) vorgenommen. Dabei kommt die Methode der z-Transformation zur Anwendung, wobei die Werte von Freedom House umgepolt werden und anschließend die höchsten und tiefsten Werte der ursprünglichen Skala als Eckpunkte gewählt werden (vgl. Lauth und Kauff 2012, S. 16). Eine Vorstufe des KID ist der KID 3D, der die dritte Quadratwurzel aus den multiplizierten Werten des Polity Index, der Werte zu politischen Rechten von Freedom House und des Rechtsstaatlichkeit-Indikators der Weltbank ausdrückt. Der Faktor politische Stabilität wird schließlich mit dem KID 3D multipliziert, die Wurzel daraus ergibt den Demokratieindex. Der Faktor der politischen Stabilität wird deshalb separat einbezogen, weil zwar sinkende politische Stabilität eine verringerte Legitimität des demokratischen Systems ausdrückt, jedoch ein hoher Grad an politischer Stabilität nicht unbedingt die Demokratie verbessert. Deshalb werden alle Werte, die höher als der KID 3D ausfallen, in der KID-Klassifizierung zurückgewiesen und der ursprünglich errechnete Wert beibehalten.

  27. 27.

    Malta ist in der Tabelle nicht inkludiert, weil keine KID-Werte vorliegen.

  28. 28.

    Siehe http://www.transparency.org/research/cpi/overview.

  29. 29.

    Zum Vergleich der Korruptionswahrnehmung wurden die Daten aus dem Jahr 2006 und 2011 herangezogen, weil Transparency International ab 2012 eine neue Methodik der Messung, verbunden mit einer neuen Skalierung der wahrgenommenen Korruption (von 0–100), vorschlägt. Erst ab 2012 erlauben die Indexwerte streng genommen den zeitlichen Vergleich. Dennoch liefern auch die Daten von 2006–2011 deutliche Hinweise einer Zunahme der Korruption in den EU-Staaten.

  30. 30.

    Die gewählten Verhaltensindikatoren werden von subjektiven Einstellungen zur Politik unterschieden. Diese sind Gegenstand der politischen Dimension des gesellschaftlichen Unbehagens und werden im nächsten Kapitel beschrieben.

  31. 31.

    Obwohl starke Zusammenhänge zwischen dem politischen und gesellschaftlichen Engagement bestehen, ist es sinnvoll, die politische Partipation von verschiedenen Formen des sozialen Engagements abzugrenzen, weil mit beiden Formen unterschiedliche Funktionen verknüpft und verschiedene Adressaten angesprochen sind (vgl. Gabriel und Völkl 2008, S. 269). Während für die politische Partizipation der Einfluss auf gesellschaftliche Entwicklungsprozesse das Hauptmotiv darstellt, bedingt eine lebendige Zivilgesellschaft einen erhöhten sozialen Zusammenhalt und stärkt die Kohäsion in der Gesellschaft. Das soziale Engagement wird folglich im nächsten Abschnitt behandelt, wo die kulturelle Einbindung der Individuen in die Gesellschaft im Vordergrund steht.

  32. 32.

    Falls in dem angegebenen Zeitraum mehrere Wahlen stattgefunden hatten, wird jeweils die erste Wahl als Kennwert der Wahlbeteiligung verwendet.

  33. 33.

    Der kumulative Datensatz der EVS bietet den Vorteil, Entwicklungen über knapp zwei Jahrzehnte betrachten zu können. Zudem wurden in allen EU-Mitgliedsstaaten repräsentative Stichproben gezogen, und es stehen zahlreiche Indikatoren zum politischen und gesellschaftlichen Engagement im Zeitvergleich zur Verfügung.

  34. 34.

    Hier muss kritisch angemerkt werden, dass die formale Mitgliedschaft noch sehr wenig über die tatsächliche politische Aktivität aussagt. Diese kann sich bei einem überwiegenden Teil der Bevölkerung ausschließlich darauf beziehen, in der Mitgliederkartei durch das Bezahlen von Beiträgen registriert zu bleiben (vgl. Gabriel und Völkl 2008, S. 275).

  35. 35.

    Die Wichtigkeit des Gefühls, durch politische Handlungen etwas erreichen zu können, wird im Kontext der Ansätze zur politischen Selbstwirksamkeit (efficacy) herausgestrichen (z. B. Becker 2004).

  36. 36.

    Siehe hierzu: http://www.europarl.de/de/europa_und_sie/europa_vorstellung/grundrechtecharta.html.

  37. 37.

    Wir finden mittlerweile – zumindest, was das urbane Leben in zahlreichen europäischen Städten betrifft – eine vergleichbare multikulturelle Küche vor und auch die Freizeitgewohnheiten des urbanen Milieus repräsentieren in zahlreichen europäischen Ländern einen individualisierten europäischen Lebensstil. In den Mittel- und Oberschichten der europäischen Gesellschaft scheint sich die kosmopolitische Haltung (die durch den Abbau von Autoritarismus, Toleranz und Offenheit gegenüber dem Fremden zu kennzeichnen ist) vielfach durchzusetzen.

  38. 38.

    Zum Ausdruck kommt diese Neuorientierung der Forschung in der These der nivellierten Mittelschichtsgesellschaft von Schelsky (1954) oder auch in den populären, empirischen Analysen der Bevölkerungszwiebel (Bolte 1967).

  39. 39.

    Bereits in den 1990er Jahren mehrte sich jedoch auch Kritik an der Individualisierungsthese, die auf die Kontinuität sozialstruktureller Dynamiken zu wenig Bezug nahm. Es wurde der Soziologie rund um Beck unterstellt, dass Individualisierungstendenzen ein Luxusproblem des bürgerlich-akademischen Milieus verdeutlichen und sich die Soziologie rund um Beck quasi selbst einen Freibrief ausstellt, sich an der Pluralisierung der Lebenswelten zu erfreuen und soziale Ungleichheiten zu verschleiern (vgl. Burkart 1993).

  40. 40.

    Dabei ist jedoch Beck (1986) zugute zu halten, dass dieser durchaus ähnliche Vermutungen angestellt hat, denn „das, was die Klassen gestern und heute individualisiert hat, kann morgen oder übermorgen unter anderen Rahmenbedingungen – etwa sich radikal verschärfende Ungleichheiten … auch wiederum in neuartige, jetzt aber gerade nicht mehr traditional zu verstehende, die erreichte Individualisierung voraussetzende Klassenbildungsprozesse“ (Beck 1986, S. 134) umschlagen. Die Typologie der Arbeitswelt nach Castel (2000) und dessen Weiterführung von Dörre et al. (2006) sind meines Erachtens ein gutes Beispiel dafür.

  41. 41.

    Nicht zuletzt deshalb wird Bourdieu (1987) sehr stark rezipiert. Seine Schrift „Die feinen Unterschiede“ wird in einer jüngst durchgeführten kleinen Umfrage von Gerhards (2014) auch in Deutschland von WissenschaftlerInnen als eines der 10 wichtigsten Soziologie-Werke genannt. Zudem erleben auch die Ansätze der sozialen Schließung, die auf Weber basieren, in den letzten Jahren eine Renaissance (z. B. Mackert 2004).

  42. 42.

    Bei einer hohen Segregation können aus den Sozialräumen der Benachteiligung soziale Brennpunkte entstehen, wie die Unruhen in Frankreich 2005 und Großbritannien 2009 deutlich unter Beweis stellten.

  43. 43.

    Die striktere Ausrichtung der Migrationspolitik äußert sich in der von Tibi (2001) ausgelösten Debatte über eine westliche Leitkultur oder in Bestsellern zum Scheitern der multikulturellen Gesellschaft (Sarrazin 2010).

  44. 44.

    Mittlerweile ist die dritte Erhebungswelle (2003, 2007 und 2011) abgeschlossen, der vollständige Datensatz kann über das UK Data Service bezogen werden (siehe http://discover.ukdataservice.ac.uk/catalogue/?sn=7316&type=Data%20catalogue).

  45. 45.

    Dabei werden jeweils in Bezug auf die höchsten internationalen Standards zur Verwirklichung gleicher Rechte Punktwerte vergeben. Insgesamt ergibt sich für jedes Politikfeld ein Punktwert, wobei der Durchschnittswert über alle Politikbereiche schließlich den MIPEX-Gesamtwert bildet (vgl. British Council und Migration Policy Group 2011, S. 7).

  46. 46.

    Die Skala verläuft von 1 (= ImmigrantInnen sind nicht integriert) bis 10 (= sehr gut integriert).

  47. 47.

    Dennoch findet sich auf Länderebene eine signifikante Korrelation (r = 0,39) zwischen einer funktionierenden Integrationspolitik (auf Basis des MIPEX-Indikators 2011) und einer positiven Wahrnehmung der Bevölkerung.

  48. 48.

    Eine negative Stimmungslage zur Integration von ZuwanderInnen könnte auch mit der Flüchtlingspolitik in Zusammenhang stehen. Es ist insgesamt doch auffällig, dass negative Einschätzungen zur Integration vor allem in jenen Staaten auftreten, die häufig die erste Station für Flüchtlinge in Europa darstellen (z. B. Zypern, Malta, Griechenland, Italien).

  49. 49.

    In der EQLS wird gefragt, ob die Politik den weiteren Zuzug von MigrantInnen uneingeschränkt oder bei freien Arbeitsplätzen fördern soll oder die Zahl der (Arbeits-)MigrantInnen limitieren bzw. vollständig einschränken sollte. Der Indikator bildet den Anteil der Bevölkerung ab, der einer weiteren Zuwanderung tendenziell positiv gegenübersteht.

  50. 50.

    Dabei werden die ISCED-Stufen dichotomisiert und es werden die Einschätzungen zur Migration für beide Jahrgänge berichtet. Ein Anstieg der Diskrepanz (letzter Indikator) würde bedeuten, dass sich die Einstellungsunterschiede zwischen Hoch- und Niedriggebildeten in den letzten Jahren vergrößert haben. Zusätzlich zu einer verringerten Aufgeschlossenheit gegenüber MigrantInnen ist dies ein erster deskriptiver Hinweis, dass sich kulturelle Spannungen in unterschiedlichen Bildungsklassen stärker ausformen.

  51. 51.

    In der Rezessionsphase 2003 lag das Wirtschaftswachstum EU-weit in einem vergleichbaren Ausmaß zum Referenzjahr 2011.

  52. 52.

    Zur Charakteristik der wohlfahrtsstaatlichen Leistungen in Europa und zur Einteilung Europas in diverse wohlfahrtsstaatliche Regime vgl. insbesonders Abschn. 4.3.3.

  53. 53.

    Nicht zuletzt deshalb wird in dieser Arbeit der Fokus bewusst auf die Wahrnehmungs- und Einstellungsebene der BürgerInnen gelegt und die Überzeugung vertreten, dass Entsolidarisierungsprozesse direkt aus dem Unbehagen resultieren.

  54. 54.

    Putnams Statement „People who join are people who trust“ (Putnam 1995, S. 666) dürfte auch in umgekehrter Reihenfolge „People who trust are people who join“ durchaus plausibel sein.

  55. 55.

    In der europäischen Wertestudie (http://www.europeanvaluesstudy.eu/) wird eine Liste an möglichen Vereinsbeteiligungen nach thematischen Schwerpunkten vorgegeben. Da EU-weit betrachtet der Anteil der Bevölkerung überwiegt, der an keinem Verein beteiligt bzw. aktiv engagiert ist, wurde sowohl für die Mitgliedschaft als auch für das Engagement jeweils ein additiver Index gebildet. Vereine, die auf politisches Engagement hinweisen, wurden in der Analyse nicht berücksichtigt (politische Parteien, Gewerkschaften und Berufsgruppen). Der Index setzt sich aus zwölf möglichen Vereinsbeteiligungen zusammen: Soziale Hilfsdienste; religiöse und kirchliche Organisationen; Bildung, Kunst, Musik und kulturelle Tätigkeiten; lokale Initiativen; Entwicklungshilfe; Naturschutz; Jugendarbeit; Sport- und Freizeitaktivitäten; Frauengruppen; Friedensinitiativen; Hilfsorganisationen im Gesundheitsbereich und andere Gruppen. Aus dem Index wurden schließlich vier Indikatoren konstruiert, die in der Tabelle aufscheinen: durchschnittliche Anzahl der Vereine (Mitgliedschaft), durchschnittliche Anzahl der Vereine (Engagement), Mitglied in mindestens einem Verein und Engagement in mindestens einem Verein.

  56. 56.

    Das massive Absinken des sozialen Engagements in Schweden könnte auch auf einem Codierungsfehler in den Daten beruhen. In Schweden wird nämlich in der dritten Erhebungswelle ausgewiesen, dass über drei Viertel der Bevölkerung eine Mitgliedschaft in religiösen Organisationen aufweist, 2008 beträgt der Wert nur 11,3 %. Der Wert für 2008 erscheint deutlich realistischer, insofern könnten in der Tabelle alle Werte für die dritte Erhebungswelle für Schweden verzerrt sein. Da es sich jedoch hierbei um eine reine Mutmaßung handelt, werden die Werte für Schweden 2000 dennoch in der Tabelle ausgewiesen.

  57. 57.

    Bei diesem Indikator wurde zwischen 2007 und 2011 die Codierung verändert. (Deshalb kann auf Basis des deutlichen Anstiegs des Kontakts nicht eindeutig auf einen höheren Zusammenhalt geschlossen werden, der Effekt könnte auch durch die neue Skalierung zustande kommen)

  58. 58.

    Die Messung der sozialen Inklusion der Bevölkerung stellt einen Schwerpunkt der Studie dar und wird durch mehrere objektive und subjektive Indikatoren operationalisiert. Nicht zuletzt deshalb erfolgt in Abschn. 7.3.1 noch eine ausführliche Betrachtung der Erkenntnisse empirischer Forschungen zu sozialer Kohäsion und zu sozialem Vertrauen.

  59. 59.

    In der EQLS wird eine differenzierte Erhebung der sozialen Teilhabe vorgenommen. Mittels mehrerer Items wird die Bevölkerung zur Frequenz des persönlichen und telefonischen Kontakts zu Eltern, Kindern, Geschwistern und Verwandten sowie zu Freunden und Nachbarn befragt. Da in der Analyse des Kontakts zu Eltern und Kindern signifikante Teile der Bevölkerung nicht berücksichtigt werden, liefert ein Indikator des persönlichen Kontakts zu Verwandten, Bekannten, Freunden und Nachbarn am ehesten Hinweise einer gelungenen sozialen Einbindung. In der Tabelle ist der Anteil der Bevölkerung gelistet, der mindestens einmal wöchentlich einen persönlichen Kontakt zu nahestehenden Mitmenschen aufweist.

  60. 60.

    In der EQLS steht eine zusammenfassende Einkommensvariable (Income quartiles based on equivalised income) für diesen Vergleich zur Verfügung. Für das Jahr 2011 werden das unterste und das oberste Einkommensquartil für jedes Land herangezogen.

  61. 61.

    Das konkrete Item lautet, welche Personengruppen bzw. Dienstleister Unterstützung geben könnten, wenn aufgrund einer akuten Notlage 1000 € aufzubringen sind. Die ersten beiden Kategorien (Familienmitglieder und Verwandte sowie Freunde, Nachbarn oder jemand, der nicht zur Familie oder Verwandtschaft gehört) wurden zusammengerechnet. Die Tabelle gibt somit den Anteil der Bevölkerung wieder, der auf soziale Hilfsleistungen bei einer finanziellen Notlage durch Familienmitglieder oder Bekannte vertrauen könnte.

  62. 62.

    Die Zufriedenheit mit dem sozialen Leben wird mit einem Item (von 1 = sehr unzufrieden bis 10 = sehr zufrieden) abgefragt. Zusätzlich kann ein Index zu sozialen Exklusionsempfindungen abgeleitet werden. Dieser Index setzt sich aus vier Items zusammen („Ich fühle mich von der Gesellschaft ausgesperrt.“ „Das Leben ist heutzutage so kompliziert geworden, dass ich mich kaum zurechtfinde.“ „Ich habe das Gefühl, dass die Leute in meiner Umgebung den Wert meiner Tätigkeiten nicht anerkennen.“ „Manche Menschen sehen wegen meiner Arbeitssituation oder meines Einkommens auf mich herab.“). Die Werte reichen von 1 bis 5, wobei ein niedrigerer Durchschnittswert für ein geringes Exklusionsempfinden steht. Die Reliabilitätswerte sind in allen EU-Staaten durchaus ansprechend, sie reichen von 0,63 (Luxemburg) bis 0,84 (Österreich).

  63. 63.

    Die massiven Verschiebungen in Zypern bei mehreren Indikatoren könnten auch auf das Zusammenfallen des Höhepunkts der Krise in Zypern mit dem Erhebungszeitraum der EQLS 2011 zurückzuführen sein. Umfragen stellen schlussendlich stets Momentaufnahmen dar und können auch durch externe Ereignisse massiv beeinflusst werden (z. B. Stoop 2007).

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Aschauer, W. (2017). Nationale Folgewirkungen im Zuge der gegenwärtigen Krise: Eine Annäherung an die Charakteristika gesellschaftlicher Destabilisierung. In: Das gesellschaftliche Unbehagen in der EU. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-10882-3_5

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