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2016 | Buch

Konsum und Suffizienz

Eine empirische Untersuchung privater Haushalte in Deutschland

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Über dieses Buch

Melanie Speck (geb. Lukas) leistet mit ihrem Buch erstmals einen Überblick über die theoretische und empirische Fundierung von Suffizienz in deutschen Privathaushalten. Damit widmet sie sich einem Kernelement der nachhaltigen Entwicklung, das bisher nur wenig Beachtung in der Gesellschaft gefunden hat. Auf der Basis von 42 Haushaltsinterviews macht sie deutlich, dass ein suffizientes Handeln die moderate Veränderung von gesellschaftlich akzeptierten Kulturtechniken impliziert und dass eine vollkommene Abkehr von heutigen gesellschaftlichen Konsumstrukturen gar nicht notwendig ist.​

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Einleitung
Zusammenfassung
Einer Befragung des Fernsehsenders 3sat aus dem Jahr 2013 zufolge wissen die Deutschen sehr gut um ihre Konsumwünsche und -sünden. Ein Leben ohne Elektrogeräte, Kaffee und Autos können sich die Wenigsten vorstellen, ebenso wie den Verzicht auf Süßigkeiten, Fernsehen, Fleisch, Smartphones, Alkohol, Flugreisen und Mode. Der entsprechende TVBericht verweist dabei auf den sehr komplexen Themenbereich der nachhaltigen Entwicklung, dem sich jede industriell geprägte Gesellschaft stellen muss. Der Kern des Berichts trifft den Zeitgeist und integriert gleichzeitig die moralische Botschaft einer notwendigen nachhaltigen Entwicklung: Der Alltag in Konsumgesellschaften ist durch den Konsum von Produkten und Dienstleistungen geprägt. Doch dieser Konsum hat vielfach die Ausbeutung von Mensch und Natur zur Folge. Bei vielen Produkten und Dienstleistungen wissen wir das und beruhigen unser Gewissen mit Emissionszertifikaten, Fair-Trade-Produkten und Bio-Siegeln, bei anderen Produkten und Dienstleistungen wird dieses schlechte Gewissen von Unwissen überdeckt.
Melanie Speck
2. Der theoretische Diskurs zur Suffizienz
Zusammenfassung
Suffizienz als Strategie einer nachhaltigen Entwicklung fokussiert darauf, soziale Praktiken und Handlungsmuster, die als umwelt- und ressourcenintensiv einzustufen sind, einzuschränken, zu überdenken, zu verändern oder diese zu ersetzen (Linz, 2012; Sachs, 2015; Stengel, 2011). Dabei steht insbesondere die Veränderung von Nutzungsaspekten von Gütern und Dienstleistungen in der Diskussion (Fischer & Grießhammer, 2013; Liedtke et al., 2015). Während Konsistenz- und Effizienzstrategien vorrangig die technisch-wirtschaftliche Seite fokussieren, erfordert Suffizienz die Auseinandersetzung mit den sozialen und kulturellen Aspekten des Nachhaltigkeitsbildes und ist somit nicht nur ökologisch orientiert, sondern auch eindeutig wertorientiert und durchaus normativ ausgerichtet. Auf das individuelle Anspruchsniveau kommt es an, um die Umwelt- und Sozialeffekte, die durch die Menschheit generiert werden, lang- und kurzfristig zu minimieren (Heyen et al., 2013). Nach Sichtung der Literatur wird deutlich, dass viele Konzepte unter anderen Namen ähnliche Deutungen und Handlungsempfehlungen beinhalten
Melanie Speck
3. Der Haushalt – Lebens- und Versorgungseinheit
Zusammenfassung
Viele Forschungsergebnisse der letzten Jahre weisen auf die Wichtigkeit und das Potenzial für die gesellschaftliche Transformation von Haushalten hin (OECD, 2013; Defila et al., 2011; Spangenberg & Lorek, 2002). Unter anderen appellierte bereits Weizsäcker (1994) an die Funktion des Haushalts als Produktions- und Verarbeitungsraum und dessen Berücksichtigung als Funktionseinheit im Kontext einer nachhaltigen Entwicklung. Piorkowsky stellt ebenfalls schon in den Neunzigerjahren dar, dass die Quantifizierung von Umwelteffekten bei der Haushaltsproduktion und beim Konsum mit erheblichen Problemen verbunden ist (Piorkowsky, 1996). Dem schließen sich Spangenberg & Lorek (2002) an. Obwohl diese Feststellungen über ein Jahrzehnt zurückliegen, hat sich an ihrer Richtigkeit wenig verändert. So eröffnet doch die Untersuchung des privaten Haushalts einen detaillierten Blick auf systemische Zusammenhänge des Alltags und ist dabei stark akteursfokussiert (von Geibler et al., 2014). Um die komplexen Konsummuster im Haushalt systemisch nachzuvollziehen (siehe: Liedtke et al., 2012), ist es notwendig, die Systematiken zu verstehen und mit dem vorliegenden Forschungskontext in Bezug zu setzen (Götz et al.,2011).
Melanie Speck
4. Lebenswelten und Praktiken
Zusammenfassung
Um die Handlungsmuster und Veränderungen im Gefüge des Konsumalltags besser zu verstehen, widmet sich das folgende Kapitel den lebensweltlichen und praxistheoretischen Zugängen zum Untersuchungsfeld. Vorab ist dabei festzuhalten, dass allgemein anerkannte Modelle, die Verhaltensänderungen explizit unter der Überschrift der Suffizienz betrachten und analysieren, bisher nicht existieren, obwohl diese Lücke u. a. bereits von Bittlingmayer (2000) erkannt wurde. Diese Tatsache lässt sich bspw. damit erklären, dass Suffizienz häufig als theoretisches Konzept beschrieben wird und empirische Ergebnisse fehlen, um Theoriemodelle langfristig zu validieren. Darüber ergibt sich das Problem, dass suffizientes und konventionelles (Konsum-) Handlungsschemata häufig schlecht voneinander abgrenzbar sind (Bittlingmayer, 2000).
Melanie Speck
5. Synthese
Zusammenfassung
Wie die Forschungsarbeit aufgezeigt hat, kann bei der Debatte um Suffizienz bisher nicht auf eine fundierte empirische Basis zurückgegriffen werden. Gleichzeitig offenbart sich, dass Suffizienz bei der Umsetzung in Haushalt und Alltag auf der Praktikenebene verortet werden muss, um überhaupt einen Bezug zwischen der abstrakten Strategie der Suffizienz und dem Alltagshandeln herzustellen. Somit wird deutlich, dass das Verständnis für Handlungsmuster und soziale Praktiken von enormer Wichtigkeit für die vorliegende Forschungsarbeit ist, denn „die verhaltensbedingten Potenziale im erweiterten Sinne und Fragen der Suffizienz entziehen sich zwar weitestgehend einer Quantifizierung, sie sind aber gleichwohl für die Realisierbarkeit von Nachhaltigkeitsstrategien von besonderer Bedeutung“ (Hennicke, 2002: 63). Aktuell lässt sich auf kein Bezugssystem oder eine Art „wissenschaftliche Schablone“ zurückgreifen, die es ermöglicht, Handlungen und damit soziale Praktiken in Bezug zur Suffizienz zu setzen bzw. umfassender zu klassifizieren.
Melanie Speck
6. Die methodische Vorgehensweise
Zusammenfassung
Das vorliegende Kapitel gliedert sich in vier Abschnitte. Zunächst wird das Untersuchungsziel skizziert und die sich daraus ergebende Entscheidung für ein qualitatives Vorgehen kurz begründet (Kapitel 6.1). Daran anschließend wird die Grounded Theory Methodologie, die als Forschungsmethode in dieser Arbeit angewendet wurde, vorgestellt (Kapitel 6.2). Diesem Abschnitt folgt die Darstellung des Forschungsprozesses mit dessen methodischen Abweichungen und Besonderheiten (6.3 und 6.5). Der vierte Abschnitt beinhaltet eine kritische Reflexion des empirischen Vorgehens (Kapitel 6.6). Das Kapitel schließt mit der Vorstellung der Untersuchungsgruppen (Kapitel 6.6.3).
Melanie Speck
7. Suffizienzhandeln erkennen
Zusammenfassung
Das Zitat von Henrik gibt einen guten Überblick über die Einstellungen und Orientierungen, die im Rahmen der Untersuchung zu analysieren sind. Er spricht von Gewohnheit und darüber, dass er „gar nicht verzichten möchte“. Gleichzeitig ist ihm klar, dass er verzichten könnte, wenn es denn sein müsste. Das Zitat verdeutlicht, vor welcher Herausforderung die Arbeit steht, denn die Orientierung zum Verzicht auf Konsumgüter im Alltag existiert durchaus. Eine überleitende Verknüpfung zur Suffizienzstrategie oder zu einem suffizienteren Handeln scheint jedoch nicht existent. Verzicht und Reduktion sind als Leitbilder mit vielen Unklarheiten verknüpft und dabei eher mit negativen Assoziationen bestückt, insbesondere dann, wenn es um die Veränderung der eigenen Gewohnheiten geht. Diese relativ unklare und wenig alltagsnahe Sachlage rund um Suffizienz im Alltag gilt es näher zu beleuchten und zu schärfen.
Melanie Speck
8. Suffizienzhandeln analysieren
Zusammenfassung
Bei der Untersuchung des gesellschaftlichen Umgangs mit Suffizienz wird deutlich, dass das Thema Suffizienz über den zeitlichen Verlauf der Arbeit (2011 bis 2015) hinweg zunehmend in Zeitschriften oder Online-Medien Berücksichtigung findet. „Die Abkehr vom Konsum“ wird häufiger in der Öffentlichkeit diskutiert als zu Beginn dieser Arbeit (Baurmann, 2013; Roth, 2014). Die Medien berichten dabei über mannigfachste Lebensarten, über Minimalisten, Komplett-Aussteiger oder Selbstversorger. Bei genauerem Hinsehen wird jedoch offensichtlich, dass ein eindeutiges Bild eines suffizienten Lebens im Alltag nicht präsent ist. Das Bild eines solchen einfachen Lebens scheint für Jeden anders auszusehen, je nachdem wie viel Veränderung das Individuum im eigenen Leben zulassen möchte. Gleichzeitig lässt die mediale Präsenz des Themas erkennen, dass Suffizienz oder der Weg zu einem einfachen Leben nicht mehr aus der gegenwärtigen gesellschaftlichen Debatte auszuklammern ist.
Melanie Speck
9. Diskussion – Suffizienzhandeln verstehen
Zusammenfassung
Im Sinne des qualitativen Forschungsstils der Grounded Theory widmet sich die Diskussion zunächst den zwei forschungsleitenden Fragestellungen. Diese werden im darauffolgenden Kapitel ergänzt durch drei Thesen, die als Hilfestellung für die weiterführende Debatte um Suffizienz und ihre wissenschaftliche und gesellschaftliche Fundierung dienen. Ein solches Vorgehen wird häufig am Ende einer Grounded Theory-Studie angewandt (z. B. Böhm, 2006), um u. a. aufzuzeigen, welche Forschungsaufträge sich ableiten lassen. Daran schließt sich eine kritische Diskussion um die Grenzen der Untersuchung von Suffizienz und die Limitationen der vorliegenden Forschungsarbeit an. Im letzten Teil des Kapitels folgt eine kurze Erörterung des Beitrags der Arbeit zur Nachhaltigkeitsforschung.
Melanie Speck
Backmatter
Metadaten
Titel
Konsum und Suffizienz
verfasst von
Melanie Speck
Copyright-Jahr
2016
Electronic ISBN
978-3-658-13488-4
Print ISBN
978-3-658-13487-7
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-13488-4