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2018 | OriginalPaper | Buchkapitel

6. Brauchbare Illegalität: soziologische und juristische Bestimmung und Weiterführung

verfasst von : Marcel Schütz, Richard Beckmann, Heinke Röbken

Erschienen in: Compliance-Kontrolle in Organisationen

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, wie sehr neben formalem auch informales Handeln in allen Organisationen integrativ zum Tragen kommt. Im Folgenden wird der Versuch unternommen, anhand einiger Beispiele eine Rückanknüpfung zwischen Formalität und Informalität mit Compliance-relevanten Rechtsfragen vorzunehmen. Zunächst wird dazu in den Begriff der „brauchbaren Illegalität“ soziologisch eingeführt.

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Fußnoten
1
Das Wort „brauchbar“ scheint inzwischen eine gewisse Veraltungsneigung aufzuweisen, wiewohl diese immerhin nach dem Duden nicht ausgewiesen wird. In medialen Debatten fällt jedenfalls auf, dass der Begriff interessante Variationen erfährt: „nützliche Illegalität“, „nützliche Regelabweichung“, „nützliche Informalität“. In einem Beitrag der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (2015) war im Zuge der VW-Dieselaffäre gar von „nützlicher Kriminalität“ die Rede; eine Steigerung, die die Dimensionen bereits deutlich überzieht. Dass schon allein der Begriff „Illegalität“ Befremden erregen kann, ist offensichtlich. Im Übrigen ist er zwar originär auf Niklas Luhmann zurückzuführen, wird aber in medialen Darstellungen inzwischen auch von seiner Autorschaft losgelöst diskutiert bzw. eher noch sporadisch fallen gelassen; so ohne weitere Einordnung siehe Rath 2017. Es war im Übrigen spezifisch die VW-Affäre, im Zuge derer – beinahe genau ein halbes Jahrhundert nach Erscheinen des Buches – der Begriff einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht wurde und auch internationale Aufmerksamkeit nach sich ziehen konnte (Dinheiro Vivo 2015).
 
2
Der hier zu besprechende Text ist das 22. Kapitel des Buches, S. 304–314. Das Buch wurde nach seiner Publikation 1964 in weiteren vier Auflagen (zuletzt 1999 posthum) editiert. Ein Epilog wurde dem Werk vom Autor (1994 verfasst) ab der 4. Auflage 1995 hinzugefügt. Einem verbreiteten Missverständnis entgegentretend sei darauf hingewiesen, dass das Werk mit Ausnahme des Epilogs mit keiner der weiteren Auflagen geändert wurde. Jede Auflage erfolgte ausschließlich als Wiederdruck der Fassung des Jahres 1964. Wenn wir also die Erstausgabe 1964 zitieren, so steht diese (was den Haupttext angeht) in keinem Unterschied zur bisher letzten Auflage 1999.
 
3
Der erste Abschnitt dieses Kapitels basiert auf einem für dieses Buch weiter ausgearbeiteten, unveröffentlichten Seminarskript, das der Lehrveranstaltung „Brauchbare Illegalität. Informalität und Regelabweichung in Organisationen“ zugrunde lag, die der Autor, Marcel Schütz, im Sommersemester 2016 an der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld angeboten hat. Archivierte Dokumentation unter https://​ekvv.​uni-bielefeld.​de/​kvv_​publ/​publ/​vd?​id=​60088061 (letzter Abruf: 20.02.2018).
 
4
Dabei geht es nicht um den Versuch einer analytischen Übersteigerung. Einem Grundlagentext, dazu noch mit einiger zeitlicher Distanz, gerecht zu werden, stellt Autoren, die sich um eine aufschlussreiche und sorgsame Relektüre bemühen, unvermeidbar vor eine Herausforderung. Aufgabe an dieser Stelle soll es sein, einen Beitrag zur theoretischen „Übersetzung“ in zum Teil neuartigere Regulierungszusammenhänge der organisatorischen Praxis, wozu die Compliance-Kontrolle gezählt werden kann, zu versuchen. Dazu werden wir uns in Teilen von dem Ausgangstext wiederum zu lösen haben, um präzise auf aktuelle und weitergehende Fall- bzw. Beispielkonstellationen eingehen zu können.
 
5
Luhmann 1964, S. 304.
 
6
Luhmann 1964, S. 304. Hierzu im Weiteren die Aufzählung in unserem Kapitel.
 
7
Die Geltung bzw. Autorität der Regel wird auch nach ihrem Ursprungsort bzw. ihrer Rahmung durch Erwartungen zu bemessen sein. Zur Differenz von Organisation und Anforderungen der Umwelt positioniert Luhmann: „Aufgedrängte Illegalität, deren Quelle außerhalb des Systems liegt, ist leichter zu tolerieren als innere Illegalität, die sich aus internen Differenzierungen ergibt.“ (Luhmann 1964, S. 306). Die Mitgliedschaftsbedingungen bzw. Arbeitsverträge evozieren Bindungen bzw. Loyalitäten der Mitglieder gegenüber der Organisation in toto. Sie können mit der Erwartung einhergehen, dass Bindung und Folgebereitschaft im Hinblick auf die Organisation höher zu werten sind, als jene im Hinblick auf äußere Regelsetzung. Es kommt, funktional besehen, dann nicht darauf an, ob die von außen hineingetragenen Erwartungen im juristischen Sinne womöglich höhere Geltung beanspruchen können, sondern darauf, welche Erwartung von den Mitgliedern höher gewichtet wird; und das gilt umso mehr eingedenk einer Abschätzung der Kalkulation sanktionaler Folgen.
 
8
Luhmann 1964, S. 304.
 
9
Abgrenzungen haben natürlich zuweilen ihre Tücken: Ist der spontane kollegiale, wenngleich nicht genehmigte Verzehr von frisch zubereitetem Essen aus einer innerbetrieblichen Veranstaltung kurz vor einem heißen Wochenende im Sommer als relevante Bereicherung zu werten, wenn man die Lebensmittel ansonsten in den Abfall hätte geben müssen, was wiederum zu hygienisch ungünstigen Verhältnissen beitragen könnte? Wäre die Nachlässigkeit von Mitarbeitern dann nicht darin zu sehen, in unverantwortlicher Weise die Entsorgung vorgenommen zu haben? Bagatellabweichungen sind offensichtlich keine so einfache Angelegenheit. Und wie man auch argumentiert, besteht doch die schnelle Kritik, man bagatellisiere die rechtlichen Probleme der Abweichung selbst.
 
10
Was als „zu“ privat ausgelegt werden könnte, ist vorsorglich mit formalen Mitteln zu schützen. Einer der Autoren erinnert eine Bestimmung in der Universität vor einigen Jahren, wonach, so die Angabe im beiliegenden Handbuch, die „Fernsprechanlage“ in den Büros „nach dem Gebot der absoluten haushälterischen Sparsamkeit“ zu benutzen war. Diesem Gebot haben die Mitarbeiter achtsam Folge geleistet. Für den Fall kritischer Rückfragen wurde ohne größere Diskussion vereinbart, was hinsichtlich gelegentlicher persönlicher Telefonate zu erklären sei: Man führe ein „dienstlich veranlasstes Privatgespräch“.
 
11
Vielleicht ließe sich sagen, die Bagatellabweichung ist mitunter besonders irrtumsanfällig. Die Bagatelle bedarf einer hinreichenden sozialen Anerkennung bzw. Beobachtung als Bagatelle. Ob ein Einzelner etwas als Bagatelle sieht oder nicht, ist hinfällig. Maßgeblich läuft die Qualifizierung über eine in die Bedingungen bzw. Vorgänge, die sie adressieren oder diagnostizieren soll, eingebundene Gruppe.
 
12
Siehe hierzu die aufschlussreiche rechts- bzw. risikosoziologische Studie von Culjak 2015 zur Havarie der Costa Concordia im Jahr 2012: „So zeigt die Fallanalyse, dass sich geduldete Normabweichungen an Bord zu informellen Praktiken einspielten, um widersprüchliche Zielsetzungen der Organisation auszugleichen.“ (S. 189) Culjak bespricht den Fall unter dem verbreiteten Begriff der Devianz, der in Zusammenhang mit Abweichungen speziell von gesellschaftlich institutionalisierten Normen gebraucht wird. Er findet in den Sozialwissenschaften aber auch für (lokale) Abweichungen z. B. in Organisationen Verwendung, die nicht unbedingt zugleich eine gesellschaftlich registrierte Abweichung in größerem Maße darstellen müssen.
 
13
H. P. Schütz/Pfohl/stern.de, 02.02.2010; Schmider/Baumann/Badische Zeitung, 09.09.2012; Fabricius/Gotthold/WELT.​de, 21.07.2012.
 
14
Vgl. zur feinen Unterscheidung zwischen Beweiserhebungsverbot und Beweisverwertungsverbot BVerfG, Beschluss v. 09.11.2010 – 2 BvR 2101/09 sowie die Diskussion bei Coen 2011, S. 433 ff. Siehe auch EGMR, Urt. v. 6.10.2016 – Az 33686/11.
 
15
Dies postulieren Becker/Luhmann 1963, S. 9 f. bereits in den Einführungssätzen ihrer Studie über Verwaltungsfehler (die in weiten Teilen auch auf organisatorische Praxis andernorts bezogen werden kann): „Jede Rechtsordnung hat ihre wesentliche Aufgabe in der Normierung und Durchsetzung von Verhaltenserwartungen. […] Ein solches Normsystem definiert sich dadurch, daß es richtiges Leistungsverhalten vorschreibt, zugleich den pathologischen Bezirk der Fehleistungen. In dem Maße, als es technische Präzision gewinnt, treten auch die Fehler stärker ins Relief und gewinnen als besonderes, neues Problem Bedeutung. Das Problem ist neu, weil der Fehler die Situation ändert. Wird eine Leistung fälschlicherweise erbracht oder nicht erbracht, so wird damit eine neue Interessenlage geschaffen, die der Normsetzer zunächst nicht im Auge hatte. Am falschen Zustand kristallisieren sich Kontinuitätserwartungen, er wird weiteren Verfügungen zugrunde gelegt, in Lebenspläne eingebaut, so daß das ursprüngliche Gesetz nicht mehr ohne Härten verwirklicht werden kann. Die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes würde einen Schaden verursachen, der in der Interessenabwägung des Gesetzgebers nicht vorgesehen und nicht berücksichtigt war. Deshalb muss die Rechtsordnung zur Behandlung von Fehlern eine zweite Schicht von Normen schaffen, die den ursprünglichen Willen des Gesetzgebers modifizieren, ja sich teilweise sogar in eklatanten Widerspruch zu ihm setzen. [...] Die Unvermeidlichkeit von Fehlern macht es notwendig, auf eine strikte Durchführung des Rechts zu verzichten und in gewissem Umfange Widersprüche und Ungleichheiten in der Rechtsordnung nicht nur zu tolerieren, sondern zu legalisieren.“ Und weiter auf S. 11: „In dem Maße, als die Verfeinerung und Differenzierung der Entscheidungsprogramme fortschreitet, in dem Maße, als zentrale Steuerung und regulative Festlegung der Entscheidungsprogramme zunehmen und trotzdem eine adaequate (Schreibweise i. O., Anmerk. d. Verf.) und gerechte Einzelfallbehandlung erreicht werden soll, wird es notwendig, eine gewisse Fehlerquote als normal hinzunehmen […].“ Zwar sind diese Ausführungen von Becker/Luhmann in der Schaffung von Korrekturen im Normsystem durch aktives gesetzgeberisches Handeln selbst gemünzt, doch sprechen die Autoren explizit von „allgemeinen Erwägungen“, die also als Abweichung von der staatlichen Ordnung durch Rechtsetzung selbst oder durch faktisches Handeln verstanden werden könnte, eben damit die Ordnung selbst durchgesetzt werden kann. Zu Luhmanns juristischem Frühwerk siehe auch jüngst einen Vortrag von Ino Augsberg im Rahmen der Tagung „Niklas Luhmann am OLG Lüneburg“, 5.–6. Dezember 2017 in Lüneburg „Am Anfang war das Recht“ (unveröffentlichtes Manuskript, S. 2). Die Autoren danken Ino Augsberg für die freundliche Überlassung des Vortragsdokuments.
 
16
Luhmann 1964, S. 310 und Fn. 18.
 
17
Luhmann 1964, S. 305.
 
18
Das aus der lateinischen Wendung „exceptio probat regulam in casibus non exceptis“ gebildete Sprichwort „Ausnahmen bestätigen die Regel“ kommt entsprechend nicht von ungefähr. Es bezieht sich auf eine Verteidigungsrede Ciceros für den römischen Konsul Julius Cornelius Balbus Maior, in der er erläutert, dass eine Ausnahme bzw. Abweichung, die dazu führte, eine Handlung illegal werden zu lassen, sogleich mitmarkiere, dass in Fällen außerhalb dieser Ausnahme die Handlungen als legal anzunehmen seien (Cicero 1891).
 
19
Neben einer organisatorisch sogar „geregelten“ oder in gewissem Maße bewusst gemachten Tolerierung von Abweichungen: „Die Anpassung an nichtlegitimierbare Erwartungen kann entweder über latente Rollen geleitet werden, die nicht ins Bewußtsein gebracht oder doch taktvoll ignoriert werden.“ (Luhmann 1964, S. 306).
 
20
Hier sei auf Vaughan 1996 verwiesen, die die These der „Normalisierung von Abweichung“ im Zusammenhang mit der Katastrophenforschung bzw. der riskanten Entwicklung von Abweichungstoleranz eingebracht hat.
 
21
Luhmann 1964, S. 306.
 
22
Luhmann 1964, S. 309.
 
23
Mit Blick auf Regelabweichung qua organisatorischer Binnendifferenzierung (Arbeitsteilung und Bildung betrieblicher Einheiten, als „Untersysteme“ des Gesamtsystems Organisation) formuliert Luhmann 1964, S. 307: „Die Kehrseite ist, daß Untersysteme und sogar kurzlebige Situationssysteme, sollen sie Bestand und Grenzen ihrer Normorientierung wirksam konstant halten, dazu Handlungen benötigen, die im Rahmen des globalen Systems nicht mehr zu rechtfertigen sind.“
 
24
Luhmann 1964, S. 310.
 
25
BAG, Urt. v. 16.09.2004 – 2 AZR 406/03; LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 23.04.2009 – 10 Sa 52/09.
 
26
Hinsichtlich tolerierter Abweichungen scheint eine gewisse positionale Stellung bestimmter Personen jedenfalls informativ zu sein: „Solche Freiheiten werden namentlich dann akzeptiert, wenn hochgestellte Mitglieder oder Mitglieder, deren Loyalität sich besonders bewährt hat, sie im Interesse des Systems sich herausnehmen.“ (Luhmann 1964, S. 306) Die Frage ist dann naheliegend, wie es um den Fall der delegierten Auftragsabweichung bestellt ist. Nicht nur aus der Kunst und Literatur dürfte das Motiv bekannt sein, dass der untergebene Handlanger fürs „Grobe“ die Risiken der Abweichung häufig selbstbezüglich personalisieren muss, um übergeordnete Ebene zu entlasten bzw. von Belastungen zu schützen.
 
27
Luhmann 1964, S. 306.
 
28
Luhmann 1964, S. 311.
 
29
Ebd.
 
30
Ebd.
 
31
Ebd.
 
32
Ebd.
 
33
Luhmann 1964, S. 311 f.
 
34
Der Volksmund spricht vom „sich dumm stellen“. Und jedermann weiß natürlich, was damit gemeint ist und kennt Umstände, die ihn schon einmal zu solch defensivem Präsentieren eigener Verstandeskraft motivierten.
 
35
Luhmann 1964, S. 312.
 
36
Luhmann 1964, S. 312. Eine in Organisationen sicherlich typisch auftretende Situation ist jene, einen entstandenen Fehler dadurch zu heilen, dass die Korrektur zunächst gegenüber möglichen „Zuschauenden“ isoliert wird und erst nach erfolgreicher Erledigung des Mangels dezente, beiläufige Hinweise zum Problem, soweit es überhaupt noch nötig ist, nachgereicht werden. So etwa das Beispiel aus der Universitätsverwaltung, die bei Auszahlung einer monatlichen Leistung an Beschäftigte versehentlich eine Buchung übersehen hatte und der betroffene Beschäftigte sodann den nicht erfolgten Eingang monierte. Daraufhin teilte die Universitätsverwaltung mit, der Zahlungsverzug sei nicht eigenverschuldet, sondern könne, so die offizielle Erklärung, nur beim Kreditinstitut des Beschäftigten verantwortlich liegen. Tatsächlich stellte sich einige Wochen später heraus, dass es zu einem Versäumnis der Auszahlung gekommen war, man es allerdings als nicht ratsam ansah, gegenüber dem Beschäftigten dieses einzuräumen. So wurde von einer den Mangel externalisierenden Erklärung Gebrauch gemacht, wissend, dass es sich um eine unzutreffende Darstellung handelte. Denn die tatsächliche Darstellung, so stellte sich heraus, drohte mangelnde Sorgfalt im Arbeitsprozess anzeigen zu können. Zur Sicherung des Außeneindrucks wurde also eine unverfängliche Mitteilung bevorzugt.
 
37
Luhmann 1964, S. 312. Wie es sich im Allgemeinen mit Prominenz verhält: Außerhalb ihrer Kreise ereignen sich auch spannende Dinge. Und das vielleicht umso mehr, als dass der Fokus hierauf weniger gerichtet wird.
 
38
Luhmann 1964, S. 312.
 
39
Ebd.
 
40
Luhmann 1964, S. 312–314.
 
41
Luhmann 1964, S. 313.
 
42
Ebd.
 
43
Luhmann 1964, S. 314.
 
44
Ebd.
 
45
Luhmann 1964, S. 313.
 
46
Ebd.
 
47
Fast ist es ein Bonmot, wenn man dann sieht: Vor dem Urteil, die Regeln gebrochen zu haben, hilft nur noch die Möglichkeit, mit Verweis auf verfügbare (man wird wohl eher sagen müssen: irgendwo auffindbare, wenn nicht aufzutreibende) Regeln zu argumentieren, die dieses Urteil erschüttern können. Mit anderen Worten: Tricks helfen dem, der sie kennt.
 
48
Siehe Kap. 3.
 
49
Siehe für eine ausführlichere Darstellung zu dieser gewiss bereits recht voraussetzungsvollen Bestimmung des Personals bzw. Personalwesens in bzw. für Organisationen Kühl 2006.
 
50
Luhmann 1964, S. 313 f.
 
51
Luhmann 1964, S. 313; Kühl/Schütz 2017, S. 65 f.
 
52
Luhmann 1964, S. 313.
 
53
Ebd.
 
54
In der Organisationspraxis ist nicht selten der Fall zu beobachten, dass Stellenwechsel mit nicht bzw. prekär mitkommunizierten Informationsbrüchen einhergeht: Die informalen Praktiken des Vorgängers haben zu einem Eigenleben beigetragen, das vom Nachfolger nicht fortgesetzt werden kann, ohne sich selbst zu beschädigen. Das Problem ist allerdings, dass die informalen Gepflogenheiten auf der Stelle längst ein Ausmaß erreicht haben, das die formalen Erwartungen mitentwickeln konnte. Nachfolger laufen dann zuweilen in die Falle, selbst für diese Umstände zwar keine Verantwortung zu tragen, jedoch nicht rechtzeitig genug so intervenieren zu können, dass der Schaden völlig von ihnen fern bliebe. Wäre immer schon bekannt gewesen, auf was man sich einlässt, würden manche Stellen wohl kaum noch in kurzer Zeit besetzt werden können. Die Situationen erinnern womöglich an Mietverhältnisse. Man kann die vorherigen Mieter fragen, wie es um die Immobilie denn wirklich bestellt ist. Ob die Antworten zu gebrauchen sind, stellt sich zumeist erst später heraus.
 
55
Siehe zur sozialen Relevanz des Vorgesetztenwechsels ausführlicher Luhmann 2016, S. 7–42.
 
56
Luhmann 1964, S. 314 sowie ebd. Fn. 24. Man erinnere dies an Beispielen zum Umgang mit Fristen bzw. Abgabeterminen: In der zentralen Abteilung eines Unternehmens müssen zu einem bestimmten Stichtag Dokumente eingereicht werden. Unter einigen der Abgabepflichtigen aus den anderen Abteilungen hat sich der informale Gebrauch verfestigt, dass die Abgabe auch ein paar Tage nach dem Stichtag erfolgen kann. Dies aber nur, da der bisherige Sachbearbeiter in der zentralen Abteilung diese Praxis als unproblematisch bewertete und daher duldete. Als der Sachbearbeiter krankheitsbedingt für längere Zeit ausfällt, erreicht seine Vertretung die Nachricht, dass abermals keine rechtzeitigen Abgaben möglich seien und man „in der nächsten Woche“ einreichen werde. Der Sachbearbeiter ist darüber verärgert und verweist auf eine eindeutige Abgaberegelung zum Stichtag. Er teilt mit, dass derartige Versäumnisse in Zukunft nicht akzeptiert werden könnten. Die Betroffenen sind irritiert, vermeiden es aber letztendlich, den Stellvertreter in die bisherige, bereits mehrjährig geübte Praxis einzuweihen. In den Rollenverhältnissen hat sich nichts geändert, aber: andere Leute, andere Sitten.
 
57
Luhmann 1964, S. 314.
 
58
Ebd.
 
59
Ebd.
 
60
Luhmann 1964, S. 307. Hier ist noch anzufügen, dass die Regelabweichungen eines Untersystems, je nach Funktion, hingegen durchaus den Regeln eines vergleichbaren Untersystems einer anderen Organisation entsprechen können. Dies ist insbesondere für solche Organisationen als bedeutsam hervorzuheben, die aufgrund einer starken Präsenz von Experten (man spricht so z. B. bei Anwaltskanzleien oder Universitäten von Expertenorganisationen) starke Formen der inneren Selbststeuerung bzw. Selbstverwaltung hervorbringen. Es ist bekannt, dass Experten bzw. Expertenorganisationen dazu tendieren, den Regeln eines bestimmten Berufsstandes oder bestimmten Prinzipien der Fachlichkeit mitunter höhere Bedeutung beimessen, als den lokalen Bestimmungen ihrer Organisation. Dies wiederum ist wesentlich über Sozialisation von Experten (hoher Grad an Eigenverantwortung, starke Abhängigkeit von individuellen Leistungsbeiträgen etc.) und Legitimation gegenüber Gleichrangigen (z. B. Peer Review-Verfahren) zu erklären.
 
61
Beispiel nach Maurer/Waldhoff 2017, S. 469.
 
62
Seibel 2016, S. 9 ff.
 
63
In der Literatur ist synonym auch von informellem Verwaltungshandeln die Rede.
 
64
Bohne 1981.
 
65
Hoffmann-Riem 1984, S. 480. Es sei hier darauf hingewiesen, dass diese Debatte nur stark verkürzt dargestellt werden kann. Auf die für Compliance wichtigsten Aspekte wird im Folgenden eingegangen. Zum informalen Verwaltungshandeln umfassend: Fehling 2012, § 38.
 
66
Ossenbühl 1987, S. 27; Bauer 1987, S. 241; Dreier 1993, S. 647; Brohm 1994, S. 133; siehe auch Gusy 2000, S. 979; Kellner 2004: Haftungsprobleme bei informellem/informalem Verwaltungshandeln.
 
67
Vgl. Bohne 2013, S. 546, der von „Regulierungskultur“ spricht.
 
68
Maurer/Waldhoff 2017, S. 469, 472.
 
69
BVerfG, Urt. v. 19.02.2002 – 2 BvG 2/00.
 
70
Vgl. die Darstellung bei Voßkuhle 2012, § 1 Rn. 10 ff.
 
71
Vgl. hierzu schon Kap. 2 in diesem Buch.
 
72
Kellner 2004, S. 16.
 
73
Kellner 2004, S. 76.
 
74
Bohne 2013, S. 537.
 
75
Abwägend Kellner 2004, S. 13 ff.
 
76
Fehling 2012, § 38 Rn. 10, 12; Ossenbühl 1987, S. 29 f.
 
77
Maurer/Waldhoff 2017, S. 470; ähnlich Kellner 2004, S. 14.
 
78
Siehe exemplarisch zum Verhältnis zwischen Luhmann’scher Systemtheorie und Verwaltungslehre: Scherzberg 2011, S. 767 ff.
 
79
Im Zusammenhang mit der Neuen Verwaltungsrechtswissenschaft: Fehling 2017, S. 66, 86, Gärditz 2017, S. 109 spricht von „Permeabilisierung von Staat und Gesellschaft“. Im Übrigen übt Gärditz deutliche Kritik: Die Neue Verwaltungsrechtswissenschaft sei ein Renaissance-Projekt und die latente Sehnsucht nach der methodischen Ganzheitlichkeit der alten Verwaltungslehren lasse offen, wie eine solche methodisch ungeordnete Beschreibung von Topoi modernen Anforderungen an die Wissenschaftlichkeit genügen soll, vgl. ebd. S. 124 f.
 
80
Luhmann 1994, S. 304.
 
81
Voßkuhle 2012, § 1 Rn. 10.
 
82
Kühl 2011, S. 121. Analog zur These der Binnendifferenzierung ließe sich vielleicht auch von einer (systeminhärenten) „Binnenillegalität“ sprechen.
 
83
Luhmann 1964, S. 304.
 
84
So Schmidt-Aßmann 2006, S. 349.
 
85
Aus organisationssoziologischer Sicht Schütz/Röbken 2017a, S. 51 ff.; aus verwaltungsrechtlicher Sicht Maurer/Waldhoff 2017, S. 473. Siehe auch unten in der Übertragung auf Compliance im Kap. 7.
 
86
Schmidt-Aßmann 2006, S. 353. Maurer/Waldhoff 2017, S. 473 wollen das informale Verwaltungshandeln nicht „regeln, sondern nur – vor allem im Blick auf seine Auswirkungen – […] begrenzen.“
 
87
Die deutsche Ausgabe ist 2009 unter dem Titel „Nudge: Wie man kluge Entscheidungen anstößt“ erschienen. Aus deutscher rechtswissenschaftlicher Sicht: J. Wolff 2015, S. 194 ff.
 
88
Thaler/Sunstein 2009, S. 15.
 
89
Fezer 1987, S. 823.
 
90
Vgl. die Zusammenfassung einiger Kritik am Nudging bei Weber/H.-B. Schäfer 2017, S. 4.
 
91
Möllers 2005, S. 286.
 
92
Ebd.
 
93
So ist z. B. an den von Juristen viel behaupteten „Universalitätsanspruch“ der Rechtsökonomik ein Fragezeichen zu setzen, wenn man denn erkennt, dass es sich hierbei um einen zusätzlichen Erklärungsansatz handelt, der nicht etwa die Rechtswissenschaft ökonomisieren will, sondern eine neue Perspektive bietet, vgl. Atta/Beckmann 2014, S. 172. Dies gilt im Besonderen auch deswegen, weil weder Gesetzgeber noch Richter hierdurch gebunden, sondern lediglich ihre Grundlagen der Entscheidungsfindung erweitert werden.
 
94
G. Kirchhof 2017, S. 136.
 
95
Bull/Mehde 2015, S. 76.
 
96
Kellner 2004, S. 16.
 
97
Maurer/Waldhoff 2017, S. 471.
 
98
Siehe die Kritikpunkte an informalem Verwaltungshandeln bei Fehling 2012, § 38 Rn. 53–60.
 
99
Vgl. die Kapitelüberschriften bei Fehling 2012, § 38 Rn. 56 ff.
 
100
Zum Verhältnis zwischen sozialer Norm und dem Recht siehe McAdams/Rasmusen 2007, S. 1575 ff. und Acemoglu/Jackson 2017, S. 245 ff.
 
101
Schulze 2008, S. 3.
 
102
Looschelders 2016, Rn. 93; Medicus/Petersen 2017, Rn. 130.
 
103
Medicus/Petersen 2017, Rn. 367.
 
104
Vgl. BGH NJW 2009, S. 1141; BGHZ 21, S. 102 (107); BGH NJW 1974, S. 1705.
 
105
Canaris 2001, S. 520.
 
106
Looschelders 2016, Rn. 97.
 
107
Die verschiedenen Anknüpfungen des Rechts an das Vertrauensprinzip sind maßgeblich von Canaris 1971 herausgearbeitet worden; vgl. auch Looschelders 2016, Rn. 143.
 
108
Schulze 2008, S. 28 zitiert das Ergebnis des XV. Kongresses der Internationalen Akademie für Rechtsvergleichung in Bristol 1998.
 
109
Banthje 1982, S. 17.
 
110
Vgl. Kling/Thomas 2016, S. 66 Fn. 110, auch Emmerich 1983, S. 808, der Banthjes Versuch der dogmatischen Einbettung der Gentlemen’s Agreements heftig kritisiert. So seien die soziologischen Ausführungen Bahntjes zur faktischen Durchsetzbarkeit der Agreements „überflüssig“, „da ohnehin noch niemals jemand daran gezweifelt hat, daß die Geltungskraft von Gentlemen’s Agreements letztlich allein auf (häufig recht wirkungsvollen) gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Sanktionsmechanismen“ beruhe.
 
111
Ähnlich Banthje 1982, S. 198.
 
112
Änderungen für die Praxis sind dargestellt bei Mense/Klie 2017, S. 771 ff.
 
113
Siehe hierzu schon Kap. 2.
 
114
Hauschka 2017, S. 97.
 
115
Ebd.
 
116
Aber hiergegen ist abermals an die innere Differenzierung organisierter Sozialsysteme, d. h. Herausbildung von Untersystemen, zu erinnern.
 
117
Koch 2017, S. I.
 
118
Vgl. auch hier bereits Kap. 2.
 
119
Vgl. Hüffer/Koch 2016, § 161 Rn. 4; Hoffmann-Becking 2011, S. 1174.
 
120
Vgl. statt vieler Tröger 2011, S. 752 ff.
 
121
BVerfGE 98, S. 218 (251).
 
122
Hauschka/Moosmayer/Lösler 2016, S. 5.
 
123
http://​www.​dcgk.​de/​de/​kommission.​html (letzter Abruf: 29.11.2017). Siehe noch einmal in Kap. 2 hierzu Heintz 2014, die die Bedeutung des Entscheidens im Konsens für Bindungswirkungen herausstellt.
 
124
Vgl. zu diesem Beispiel im Kontext der kontinentaleuropäischen Rechtsquellenlehre Kischel 2015, S. 402 ff. In Süddeutschland wird die Düsseldorfer Tabelle in die „Süddeutschen Leitlinien“ eingearbeitet.
 
125
BGH, Urt. v. 09.05.2017 – 1 StR 265/16 Rn. 117–118. Besprochen etwa von Bings/Link 2017, S. 332; Baur/Holle 2018, S. 14 ff.
 
126
Vgl. hierzu schon aus rechtlicher Sicht (Kap. 2) und aus organisationaler Sicht (Kap. 5).
 
127
Vgl. schon Kap. 1.
 
128
Siehe statt vieler Kap. 8 in Bay/Hastenrath 2016, S. 229 ff.
 
129
Vgl. der Titel bei Kort 2008, S. 81 ff.
 
130
Beispielhaft zum Aufbau einer Ethik-Abteilung Hussain 2011, S. 134 ff. und zur Einführung von Ethikrichtlinien Nezmeskal-Berggötz 2009, S. 209 ff.
 
131
Ulrich 2015, S. 258.
 
132
In diese Stoßrichtung Steinmann/Löhr 2015, S. 297.
 
133
Linssen 2016, S. 198.
 
134
Im Rahmen der US Sentencing Guidelines, die etwaige Sanktionen gegen Unternehmen beinhalten und inwieweit die Höhe der verhängten Strafe von einem „effektiven“ Compliance-Programm abhängt, kann der Staatsanwalt beurteilen, u. a. auch, ob das Compliance-Management-System nur ein „Papiertiger“ ist. Ist dies der Fall, wirkt sich die Existenz eines Programms nicht positiv aus; Moosmayer 2015, S. 8 f.
 
135
Bussmann, 2016, S. 50 f. und oben Kap. 2.
 
136
Steuernagel/Frey 2016, S. 31.
 
137
Schütz 2016a S. 2; Linssen 2016, S. 198.
 
138
Linssen 2016, S. 198.
 
139
Bussmann 2016, S. 50.
 
140
Zu den weiteren Folgerungen für den Normbegriff an sich siehe unten Kap. 7; ansonsten auch Bussmann 2016, S. 50.
 
141
Bussmann 2016, S. 51.
 
142
Vgl. Kap. 2.
 
143
Fissenewert 2017, S. I.
 
144
Luhmann 1964, S. 304.
 
145
Zitiert nach Aßländer 2015, S. 398.
 
146
Das obige Zitat setzt voraus, dass „Anreiz“ als „geldwerter Anreiz“ verstanden wird, was in der ökonomischen Forschung keinesfalls zwangsläufig ist.
 
147
Luhmann 2011, S. 222–225; siehe bereits Kap. 3.
 
148
Wieland 2008, S. 17.
 
149
Bussmann 2016, S. 52, 56 f.
 
150
Bussmann 2016, S. 52.
 
151
Sogenannte Isomorphie-These, siehe Kap. 5.
 
152
Bussmann 2011, S. 64.
 
153
Bussmann 2011, S. 66.
 
154
Vgl. Kap. 1.
 
155
Dies gilt zudem auch dann, wenn internationale, vor allem europäische, Entwicklungen abgewartet werden müssen, vgl. hierzu die Diskussion um die Anpassung des Organhaftungsregimes der GmbH an das der AG jüngst bei Reichert 2017, S. 694.
 
156
Oder einer kleinen Gruppe, vgl. Bussmann 2016, S. 51.
 
157
Bussmann 2016, S. 51.
 
158
Kühl 2011, S. 35, mit Rückgriff auf Barnard 1938, S. 168 ff. Kühl macht in diesem Zusammenhang auf eine folgenreiche arbeitsrechtlich-organisationale Unterscheidung aufmerksam: „Hierin liegt der (organisationale, Anmerk. d. Verf.) Unterschied zwischen einem Werkvertrag und einem Arbeitsvertrag. Mit einem Werkvertrag kauft die Organisation eine genau spezifizierte Leistung ein. Es ist detailliert festgelegt, welche Aufgabe bis zu welchem Zeitpunkt zu erledigen ist und wer der Empfänger der Leistung ist. Mit einem Arbeitsvertrag dagegen erwirbt die Organisation die Zeit der Mitglieder nur in einer sehr abstrakten Form. Das Organisationsmitglied stellt mit dem Unterzeichnen eines Arbeitsvertrages eine Art „Blankoscheck“ aus und erklärt sich bereit, seine Arbeitskraft, seine Fähigkeit, seine Kreativität gemäß der ihm gestellten Aufgabe einzusetzen. Es verzichtet darauf, dass im Detail festgeschrieben wird, worin seine Leistungen zu bestehen haben.“ Entsprechend bedarf es keiner außerordentlichen Fantasie, das Bestehen von Indifferenzzonen auch als Möglichkeitsraum regelabweichender Aktivitäten zu erwarten, existiert die Indifferenzzone doch gerade im Spannungsfeld formaler und informaler bzw. weisungsgerechter und weisungsunspezifischer Bestimmung.
 
159
Luhmann 1971, S. 219.
 
160
Luhmann 1964, S. 94. Schließlich kann nicht für jede vorgesehene Entscheidung individualrechtlich eine Änderungskündigung getroffen werden. Ein wesentlicher Gestaltungshebel besteht daher im arbeitgeberseitigen Disziplinar- bzw. Weisungsrecht, dessen rechtmäßige Ausübung letztlich nur arbeitsgerichtlich überprüft bzw. abschließend entschieden werden kann. Ansonsten bleibt es für Beschäftigte bei Bereitschaft und Vertrauen.
 
161
Die organisatorisch angewiesene Ausführung von strafrechtlichen Taten kann nur in illegalen bzw. kriminellen Organisationen formal bzw. „legal“ realisiert und gerechtfertigt werden. Auch illegale Organisationen bilden im Wesentlichen eine formale Organisation nach, haben Zwecke, Programme und Mitgliedschaften. Mitglieder einer kriminellen Organisation verstoßen gerade dann gegen die Mitgliedschaftserwartungen bzw. -regeln, wenn sie den (nach juristischen Maßstäben) betriebenen Regelbruch nicht mehr mittragen wollen, beispielsweise indem sie von weiteren Verbrechen absehen und freiwillig sich der Justiz stellen wollen. Insbesondere terroristisch und mafiös „zweckgerichtete“ Organisationen reagieren darauf dann üblicherweise mit dem Versuch, abtrünnige Mitglieder nicht nur aus der Organisation fernzuhalten, sondern sie auch ansonsten beseitigen, also liquidieren zu wollen (siehe zu kriminellen/illegalen Organisationen Paul/Schwalb 2012). Bekanntere Beispiele für eine weniger eindeutige Diskussion um die mögliche Ausprägung von Indifferenzzonen bieten die sogenannten Juristen- und Mauerschützenprozesse nach Nationalsozialismus und Mauerfall.
 
162
Bussmann 2016, S. 51, wenngleich ohne empirischen Nachweis an dieser Stelle.
 
163
Bussmann 2016, S. 52.
 
164
Ebd.
 
165
Siehe Kap. 3.
 
166
Bussmann 2011, S. 67.
 
167
Bussmann 2016, S. 56 f.
 
168
Bussmann 2016, S. 57.
 
169
In diese Stoßrichtung Bussmann 2011, S. 68 f.
 
170
Bussmann 2011, S. 70.
 
171
Ein Hinweisgebersystem schreibt Section 301 Sarbanes-Oxley Act in den USA im Rahmen eines Audit Comittees vor, was nach den US Sentencing Guidelines auch Gegenstand eines Compliance-Programms ist, vgl. Moosmayer 2015, S. 52. Im Übrigen empfiehlt dies auch Ziffer 4.1.3 des Deutschen Corporate Governance Kodex.
 
172
Bussmann 2016, S. 50.
 
173
Siehe hierzu das folgende Kap. 7.
 
174
Siehe dazu die schon in der Einführung vorgestellten Beobachtungen von Kette 2018, S. 6, der auf eine Forcierung von „Blame Games“ hinweist und Tendenzen einer zugleich organisatorisch verunsichernden und individuell „absichernden Verantwortungsweiterreichung“ beschreibt. Die von Bussmann empfohlene informale Sozialkontrolle könnte also tatsächlich den Gegebenheiten organisatorischer Praxis nahekommen, allerdings vielleicht in einem einigermaßen anderen Sinne, als intendiert.
 
175
Hierzu Bieder 2015, S. 1178 ff.; ferner Habersack 2014, S. 2 m. w. N.
 
176
Hüffer/Koch 2016, § 93 Rn. 2.
 
177
BGH NJW 1997, S. 1926 – ARAG/Garmenbeck.
 
178
Bundestagsdrucksache 15/5092, S. 11.
 
179
Siehe die Nachzeichnung des Gutachtens für den 70. Deutschen Juristentag von Bachmann bei Reichert 2017, S. 685.
 
180
Bundestagsdrucksache 15/5092, S. 11 unter Bezugnahme auf BGH NJW 1997, S. 1926 – ARAG/Garmenbeck.
 
181
Bundestagsdrucksache 15/5092, S. 11.
 
182
Vgl. Faßbender 2015, S. 503; Bachmann 2014, S. 4 f.; Fleischer 2008a, S. 372; Koch 2006, S. 782; jüngst Brock 2017, S. 37 m. w. N. in Fn. 61.
 
183
Mit Nachweis über empirische Forschung Englerth 2010, S. 181; vgl. auch BGH NJW 1997, S. 1927 – ARAG/Garmenbeck: „Bei seiner Beurteilung, ob der festgestellte Sachverhalt den Vorwurf eines schuldhaft pflichtwidrigen Vorstandsverhaltens rechtfertigt, hat der Aufsichtsrat zu berücksichtigen, daß dem Vorstand bei der Leitung der Geschäfte des Gesellschaftsunternehmens ein weiter Handlungsspielraum zugebilligt werden muß, ohne den eine unternehmerische Tätigkeit schlechterdings nicht denkbar ist. Dazu gehört neben dem bewußten Eingehen geschäftlicher Risiken grundsätzlich auch die Gefahr von Fehlbeurteilungen und Fehleinschätzungen, der jeder Unternehmensleiter, mag er auch noch so verantwortungsbewußt handeln, ausgesetzt ist.“
 
184
Bundestagsdrucksache 15/5092, S. 11 f.
 
185
Bundestagsdrucksache 15/5092, S. 12.
 
186
Bundestagsdrucksache 15/5092, S. 11.
 
187
Das sind die organspezifischen Pflichten, die sich vor allem aus AktG, Satzung, Geschäftsordnung und der Kompetenzverteilung ergeben, vgl. Harnos 2013, S. 78 mit weiterer Differenzierung. Zur Frage nach der Rechtsgrundlage für die Compliance-Pflicht im Innenverhältnis etwa Bachmann 2016, Rn. 825.
 
188
Easterbrook/Fischel 1982, S. 1168, Fn. 36.
 
189
Fleischer 2005, S. 142
 
190
von Hein 2008, S. 58, dort auch in Fn. 316. Dies gilt wohl zumindest bis zur ARAG/Garmenbeck-Entscheidung des BGH im Jahr 1997, die auch heute noch Gegenstand zahlreicher gesellschaftsrechtlicher Publikationen ist.
 
191
Zuletzt Brock 2017, S. 57 ff.
 
192
Bundestagsdrucksache 15/5092, S. 11.
 
193
Vgl. Koch 2006, S. 786.
 
194
Mit unterschiedlichen Akzentuierungen Harzenetter 2008, S. 101 ff.; Sieg/Zeidler 2016, § 3 Rn. 20.
 
195
Vgl. statt vieler für die GmbH: Zöllner/Noack 2017, § 43 Rn. 23; für die AG: Fleischer 2015b, § 93 Rn. 36.
 
196
Als weitere Beispiele „nützlicher“ Gesetzesverstöße für das Unternehmen werden verbotene Schmiergeldzahlungen, kartellrechtswidrige Gebietsabsprachen oder die Missachtung von Umweltstandards genannt, Fleischer 2015b, § 93 Rn. 36.
 
197
Sieg/Zeidler 2016, § 3 Rn. 37.
 
198
Zu beachten ist, dass § 43 Abs. 2 GmbHG von Obliegenheitsverletzungen und nicht von Pflichtverletzungen spricht. Bei § 43 Abs. 2 GmbHG ist jedoch anerkannt, dass Pflichtenverletzungen gemeint sind, vgl. statt aller Zöllner/Noack 2017, § 43 Rn. 17.
 
199
Eine Bejahung kritisiert insoweit Harnos 2013, S. 97 f., der darauf abstellt, dass man bei einer solchen Wertung dem Vorstand einen Handlungsspielraum zubillige, der im Widerspruch zu der gesetzgeberischen Entscheidung stünde. Denn der Gesetzgeber wollte gerade Gesetzesverletzungen aus dem Anwendungsbereich des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG herausnehmen.
 
200
Siehe zum Streit hierüber Bayer 2010, S. 95 ff.
 
201
Spindler 2014, § 93 Rn. 171.
 
202
Ebd.
 
203
Hüffer/Koch 2016, § 93 Rn. 49.
 
204
Spindler 2014, § 93 Rn. 171; Bayer 2009, S. 85 ff.; Fleischer 2005, S. 142.
 
205
Vgl. die Darstellung und Nachweise bei Hüffer/Koch 2016, § 93 Rn. 49.
 
206
Vgl. die Nachweise bei Fleischer 2008b, S. 1073.
 
207
Ziemons 2017, § 93 Rn. 463 ff.
 
208
Zitiert nach Hasselbach/Ebbinghaus 2014, S. 877.
 
209
Hierzu Hasselbach/Ebbinghaus 2014, S. 877 f.
 
210
Sieg/Zeidler 2016, § 3 Rn. 44.
 
211
Fleischer 2005, S. 149. Dass es aber wiederum eine Eigenheit der Norm ist, ihre eigene Brechung möglich zu machen und zu erwarten, wird im Kap. 7 diskutiert. Daher liegt auch hier die Betonung auf der Rechtsnorm, die keine „zweite Klasse“ akzeptiert, da mit der Setzung der Rechtsnorm ein bestimmter, der Rechtsnorm eigener, Geltungsanspruch einherzugehen scheint.
 
212
Schneider 2010, S. 910.
 
213
Nachweis bei Fleischer 2005, S. 149.
 
214
Mit einem ähnlichen Beispiel Kette 2018, S. 4.
 
215
Monografisch Harnos 2013: Geschäftsleiterhaftung bei unklarer Rechtslage, rezensiert von Twele 2015, S. 1222 ff.
 
216
Vgl. etwa Kocher 2009, S. 217.
 
217
Bicker 2014, S. 10; Fleischer 2005, S. 149 f.; anderer Ansicht Zöllner/Noack 2017, § 43 Rn. 23, die nur eine Ausnahme in den Fällen anerkennen wollen, in denen eine Zahlungsverbindlichkeit aufgrund von Liquiditätsengpässen nicht vollständig getilgt werden könne (siehe ebd. Rn. 23b).
 
218
Verse 2017, S. 176.
 
219
Bicker 2014, S. 11.
 
220
Langenbucher 2014, S. 344.
 
221
Vgl. etwa Verse 2017, S. 178.
 
222
BGH NJW-RR 2011, S. 1670 ff.
 
223
BGH NJW-RR 2011, S. 1672.
 
224
Verse 2017, S. 188 f.
 
225
So auch Bayer 2009, S. 92 f.
 
226
Verse 2017, S. 187.
 
227
Hasselbach/Ebbinghaus 2014, S. 877.
 
228
Harnos 2013, S. 149 ff. Gegen die Lösung auf Verschuldensebene Ott 2017, S. 159.
 
229
Hasselbach/Ebbinghaus 2014, S. 881–883.
 
230
Bicker 2014, S. 12.
 
231
Fischer 2018, § 299 Rn. 42 ff.
 
232
Fleischer 2015b, § 93 Rn. 26 f.
 
233
Vgl. Gotzens 2005, S. 673 ff.
 
234
Siehe Kap. 6.6.2.
 
235
Oetker 2016, § 249 Rn. 320.
 
236
Co-Operative Insurance Society Ltd. v Argyll Stores (Holdings) Ltd. [1997] 2 WLR 898 House of Lords.
 
237
Dieses Verhältnis geht auf die ursprüngliche Trennung von Common Law and Equity („Billigkeitsrecht“) zurück, vgl. Zweigert/Kötz 1996, S. 478.
 
238
Zweigert/Kötz 1996, S. 482.
 
239
Fleischer 2005, S. 142.
 
240
Koch 2006, S. 786.
 
241
Für die GmbH: Zöllner/Noack 2017, § 43 Rn. 23a.
 
242
Ihrig 2004, S. 2105.
 
243
Koch 2006, S. 786 f.; Ihrig 2004, S. 2105.
 
244
Schneider 2010, S. 910.
 
245
Fleischer 2005, S. 150.
 
246
Schneider 2010, S. 912.
 
247
Ebd.
 
248
Hasselbach/Ebbinghaus 2014, S. 881. Ihrer Ansicht nach erledige sich das Problem um die Loslösung von der Legalitätspflicht schon aufgrund der Tatsache, weil sie aus Praxissicht argumentieren, dass eine absolute Einhaltung der Legalitätspflicht nicht möglich ist und dem Vorstand schon allein deswegen ein großer Ermessensspielraum zukäme.
 
249
Spindler 2014, § 93 Rn. 149.
 
250
Fleischer 2015b, § 93 Rn. 99 f.
 
251
Fleischer 2015a, § 91 Rn. 56.
 
252
Siehe zu dieser Diskussion bereits oben. Siehe auch Bürkle 2007, S. 1799, der meint, dass eine grundsätzliche Pflicht zur Installation eines Compliance-Systems bestünde, doch der Unternehmensleitung bei der konkreten Ausgestaltung – weil sie sich an unternehmensindividuellen Faktoren orientiere – ein weiter Ermessensspielraum zustünde (Organisationsermessen).
 
253
BGH, Urt. v. 09.05.2017 – 1 StR 265/16, Rn. 118.
 
254
Mit der Entwicklung einer abgestuften Systematik der Regelabweichung ist man derzeit auch in der Soziologie befasst. Wir danken Stefan Kühl für einen diesbezüglichen Hinweis.
 
255
Kindler 2011, S. 376.
 
256
Schütz 2016a, S. 2.
 
257
Kette 2018, S. 4.
 
258
Managerhaftung – Compliance - Spielregeln für Unternehmen.
 
259
Bundestagsdrucksache 15/5092, S. 12. Teilweise wird auf die strukturellen Unterschiede zwischen Aktiengesellschaft und GmbH hingewiesen, die insbesondere auf dem größeren personalistischen Zuschnitt der GmbH und der Bindung der Geschäftsleiter an das Vertrauen der Gesellschafter beruhen, womit eine kongruente Anwendung der Business Judgment Rule zumindest nicht ohne Probleme erscheint. Hierbei können – bevor eine positivrechtliche Normierung der Business Judgment Rule im Recht der GmbH (und allgemeiner: in Bezug auf andere Gesellschaftsformen) möglicherweise vorschnell gefordert wird – zunächst die Entwicklungen in Österreich abgewartet werden; denn in § 25 Abs. 1a öGmbHG wurde die Business Judgment Rule für die GmbH eingerichtet, vgl. Merkt 2017, S. 142 f.
 
260
Merkt 2017, S. 133 f.
 
261
Hier als Gegensatz zu informalen Praktiken verstanden.
 
262
Vgl. für die weiteren Ausführungen Dütz/Thüsing 2012, Rn. 201 ff.
 
263
Jüngst, und im Ergebnis zustimmend, Wilhelmi 2017, S. 681 ff. m. w. N.
 
264
Schneider 2010, S. 914 f.
 
265
Eufinger 2017, S. 133 mit Hinweis auf BGH NStZ 2011, S. 37 (38).
 
266
Vgl. bereits oben in Kap. 6.6.4.
 
267
Eufinger 2017, S. 137.
 
268
LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 17.05.2017 – 4 Sa 30/17.
 
269
Vgl. Moosmayer 2015, S. 92.
 
270
Zum Verhältnis von Compliance-Verstoß und innerbetrieblichem Schadensausgleich siehe Eufinger 2017, S. 130. Auf S. 137 widmet er sich kurz den nützlichen Pflichtverletzungen und der Frage, ob sich auch Arbeitnehmer auf den Vorteilsausgleich berufen könnten. Dies spiele seiner Ansicht nach aber nur eine untergeordnete Rolle.
 
271
Moosmayer 2015, S. 93.
 
272
Ebd.
 
273
Umfassend herausgearbeitet bei Brock 2017, S. 57 ff.
 
274
Luhmann 1964, S. 311.
 
Metadaten
Titel
Brauchbare Illegalität: soziologische und juristische Bestimmung und Weiterführung
verfasst von
Marcel Schütz
Richard Beckmann
Heinke Röbken
Copyright-Jahr
2018
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-17471-2_6